L 6 RJ 117/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 313/03 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 117/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 29. Januar 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Der Kläger, der 1944 geboren und mazedonischer Staatsangehöriger ist, hat im Zeitraum 13.01.1970 bis 09.11.1973 zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung für 41 Kalendermonate Pflichtbeiträge gezahlt. In seiner Heimat hat er vom 25.03.1975 bis 30.12.1987 Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt, wobei Unterbrechungen vorliegen, u.a. vom 16.07.1985 bis 14.06.1986. Seit 23.06.1997 erhält er eine Rente aus der mazedonischen Renten- und Invalidenversicherung. Vom 01.03.1990 bis 31.03.1995 ist der Kläger in der Schweiz versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Vom schweizerischen Versicherungsträger erhält der Kläger seit 01.09.1995 Invalidenrente.

Am 23.05.2002 beantragte der Kläger sinngemäß die Zahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 23.10.2002 und Widerspruchsbescheid vom 17.01.2003 ab, weil der auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbare Versicherte noch vollschichtig arbeiten könne, und im Übrigen im Zeitpunkt der Antragstellung die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.

Mit der am 04.03.2002 zum Sozialgericht Landshut (SG) erhobenen Klage verfolgte der Kläger seinen Rentenanspruch weiter. Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29.01.2004 ab. Es sah gemäß § 136 Abs. 3 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da es der Begründung der angegriffenen Bescheide folgte.

Am 08.03.2004 ging die Berufung des Klägers gegen dieses ihm in seiner Heimat zugestellte Urteil beim Bayer. Landessozialgericht ein. Er äußerte sinngemäß, dass er seit 1995 bereits erwerbsunfähig sei und aufgrund seiner Beschäftigung in der Schweiz die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erfüllt habe.

Der Senat wies den Kläger darauf hin (Schreiben vom 10.05. 2004), dass er die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nur dann erfüllen könne, wenn er nachweise, dass er berechtigt sei, nachträglich für die ab 01.01.1984 nicht belegten Zeiträume freiwillige Beiträge zur mazedonischen Rentenversicherung zu entrichten. Hierauf erklärte der Kläger (Schreiben vom 11.06. 2004), die Zahlung freiwilliger Pensionsbeiträge sei nach mazedonischem Recht nicht möglich. Vom 01.01.1988 bis 01.03.1990 sei er beim Arbeitsamt in G. als arbeitslos geführt worden. Der Kläger fügte eine Bestätigung des mazedonischen Versicherungsträgers über die bereits bisher bekannten Versicherungszeiten hinzu.

Mit Beschluss vom 03.08.2004 wurde die Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg zum Verfahren beigeladen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 29.01.2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23.10.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm aufgrund seines Antrags vom 23.05.2002 Rente wegen Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten - Klageakte des SG Landshut; Rentenakten der Beklagten - und der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Gerichtsbescheid des SG Landshut vom 29.01.2004 ist nicht zu beanstanden, weil der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Für den Anspruch des Klägers sind wegen der Antragstellung nach dem 31.03.2001 die Vorschriften des SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung maßgebend, vgl. § 300 Abs. 1 und 2 SGB VI.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Gemäß Abs. 1 Satz 2 der Vorschrift sind Versicherte dann teilweise erwerbsgemindert, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Die Voraussetzung des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, dass in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorliegen, wären beim Kläger aufgrund seiner Beitragszahlung in Mazedonien nur dann erfüllt, wenn die Erwerbsminderung spätestens im März 1989 eingetreten wäre (der Fünf-Jahres-Zeitraum März 1984 bis Februar 1989 enthält letztmalig 36 - mazedonische - Pflichtbeiträge). Die spätere Pflichtbeitragszahlung in der Schweiz vom 01.03.1990 bis 31.03.1995 kann bei der Anwendung des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12.10.1968, das im Verhältnis zur ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien derzeit noch weiter anzuwenden ist (vgl. Bekanntmachung vom 26.01.1994 - BGBl II S. 326), nicht berücksichtigt werden. Die multilaterale Zusammenrechnung deutscher, mazedonischer und schweizerischer Zeiten ist nämlich durch die Abwehrklausel der Nr. 2 des Schlußprotokolls zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Soziale Sicherheit ausgeschlossen (vgl. hierzu in einem vergleichbaren Fall BSG-Urteil vom 27.01.1997 - 5 RJ 44/90 = SozR 3-2200 § 1263 Nr. 1 - S. 3/4 -; BSG-Urteil vom 21.01.1993 - 13 RJ 7/91 = SozR 3-6858 Nr. 2 Nr. 2). Die Vorschrift lautet: "Sind außer den Voraussetzungen für die Anwendung des Abkommens auch die Voraussetzungen für die Anwendung eines anderen Abkommens oder einer überstaatlichen Regelung erfüllt, so läßt der deutsche Träger bei Anwendung des Abkommens das andere Abkommen oder die überstaatliche Regelung unberücksichtigt."

Im März 1989 ist der Kläger noch ohne jede Einschränkung leistungsfähig gewesen, wie seine spätere Berufstätigkeit in der Schweiz beweist. Bei einen späteren Eintritt einer verminderten Erwerbsfähigkeit nach dem bis 31.12.2000 geltenden Recht oder einer Erwerbsminderung nach dem seit 01.01.2001 geltenden Recht sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine entsprechende Rentenzahlung nicht mehr erfüllt (gewesen).

Es liegen keine Dehnungstatbestände im Sinn des § 43 Abs. 4 SGB VI vor, die den maßgeblichen Fünfjahres-Zeitraum über Februar 1989 hinaus verlängern könnten.

Eine Anrechnungszeit wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit - § 43 Abs. 4 Nr. 1 Fall 1 SGB VI in Verbindung mit (i.V.m.) § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Fall 1 SGB VI - kann nach der Aufgabe der Beschäftigung in Mazedonien nach deutschem Recht nicht vorliegen, auch wenn der Kläger tatsächlich krank gewesen sein sollte, weil die - mögliche - Arbeitsunfähigkeit im Anschluß an eine Beschäftigung im Ausland liegen würde, also kein deutsches Beschäftigungsverhältnis unterbrechen würde, und im übrigen nach dem 31.12.1983 eingetreten wäre, was einer Anrechnungszeit aus tatsächlichen Gründen hinderlich wäre (vgl. KassKomm-Niesel § 58 SGB VI Rdnr. 11; BSG-Urteil vom 22.04.1992 - 5 RJ 74/91 = SozR 3-2200 § 1259 RVO Nr. 12 - S. 52 -; BSG-Urteil vom 03.11.1994 - 13 RJ 69/92 = SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr. 48 - S. 201 f. -). Der Kläger ist auch nicht im Anschluss an seine Berufstätigkeit in Deutschland über den 31.12.1983 hinaus arbeitsunfähig krank gewesen, wie seine langjährige Berufstätigkeit ab 1975 bis 1995 beweist; im Übrigen gibt es hierfür auch keinerlei Hinweise.

Die vom Kläger vorgebrachte Zeit der Arbeitslosigkeit - § 43 Abs. 4 Nr. 1 Fall 1 SGB VI i.V.m. § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI - im Anschluss an seine Berufstätigkeit in Mazedonien ist keine Anrechnungszeit nach deutschem Recht, weil eine solche die Meldung bei einem deutschen Arbeitsamt voraussetzen würde (vgl. BSG-Urteil vom 03.11.1994 - 13 RJ 69/92 = SozR 3-2200 § 1246 Nr. 48 - S. 201 -).

Der Bezug einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in der Schweiz und in Mazedonien - § 43 Abs. 4 Nr. 1 Fall 2 SGB VI und § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB VI - hat ohnehin viel zu spät begonnen, um noch ein Dehnungstatbestand sein zu können; darüber hinaus sind diese Renten als ausländische Renten nicht zu berücksichtigen (vgl. das o.g. BSG-Urteil vom 03.11.1994 a.a.O. - S. 203 -; die schweizerische Rente ist jedenfalls auch durch die Abwehrklausel ausgeschlossen).

Das Erfordernis von drei Jahren Pflichtbeiträgen in den letzten fünf Jahren besteht gemäß § 43 Abs. 5 SGB VI nicht, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestands eingetreten ist, durch den gemäß § 53 SGB VI die allgemeine Wartezeit erfüllt ist. Dass beim Kläger verminderte Erwerbsfähigkeit aufgrund eines in der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Arbeitsunfalls bzw. einer entsprechenden Berufskrankheit eingetreten wäre (andere Tatbestände kommen ersichtlich nicht in Betracht), ist nach dem Versicherungsleben des Klägers auszuschließen. Es gibt keinerlei entsprechende Hinweise (vgl. zum Fragenkreis KassKomm-Niesel § 53 SGB VI Rdnr. 8).

Nach § 241 Abs. 2 sind Pflichtbeiträge vor Eintritt der Erwerbsminderung für solche Versicherte nicht erforderlich, die vor dem 01.01.1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn die Zeit vom 01.01.1984 bis zum Eintritt der Erwerbsminderung mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt oder noch belegbar ist. Im konkreten Fall des Klägers kommen nur freiwillige Beiträge als Anwartschaftserhaltungszeiten in Betracht. Nach der nicht zu bezweifelnden Mitteilung des Klägers vom 11.06.2004 besteht in Mazedonien keine rechtliche Möglichkeit einer freiwilligen Beitragsentrichtung für die seit dem 01.01.1984 noch nicht belegten Monate. Aber auch in Deutschland kann der Kläger, der sich erstmals im August 1996 an die Beklagte gewandt hat, keine freiwilligen Beiträge mehr zahlen, weil die Beitragszahlungsfristen damals für die Zeit ab 01.01.1988 bis 31.12.1995 und für die früheren Zeiten längst verstrichen gewesen sind; freiwillige Beiträge waren bzw. sind nämlich nach § 1418 Abs. 1 RVO bzw. § 197 Abs. 2 SGB VI nur wirksam, wenn sie bis zum Ende des Jahres bzw. zum 31.03. des Jahres, das dem Jahr folgt, für das sie gelten sollen, gezahlt wurden bzw. werden. Auch die Härteregelung des § 197 Abs. 3 SGB VI hilft dem Kläger nicht; überhaupt ist keine Tatsache ersichtlich, die es ermöglichen würde, nachträglich die nicht belegten Zeiten ab 01.01.1984 mit deutschen freiwilligen Beiträgen aufzufüllen (vgl. hierzu im einzelnen BSG-Urteil vom 11.05.2000 - B 13 RJ 85/98 R = SozR 3-5750 Art. 2 § 6 Nr. 18).

Ein Anspruch aus § 240 Abs. 1 SGB VI auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit kommt deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger als ungelernter Arbeiter zu bewerten ist und damit keinerlei Berufsschutz hat. Dass der Kläger in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nur als ungelernter Arbeiter angesehen werden kann, ergibt sich aus der Tatsache, dass er am Anfang seines Versicherungslebens vor Erreichen des 60. Beitragsmonats aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung ausgeschieden ist (vgl. hierzu KassKomm-Niesel § 240 SGB VI Rdnr. 17).

Da der Kläger somit keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat, war die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG Landshut vom 29.01.2004 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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