L 5 RJ 725/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 11 RJ 660/00 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 725/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 9. November 2001 wird zurückgewiesen.
II. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 9. November 2001 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 17. Mai 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2000 abgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der Kläger ist 1968 im vormaligen Jugoslawien geboren, er besitzt die bosnische Staatsangehörigkeit und hat seinen Wohnsitz in Z./Kroatien. Er besuchte in seiner Heimat von September 1983 bis 1987 die Fachschule für Bautechniker und schloss dort die vierte Klasse gemäß Zeugnis vom 04.06.1987 mit "sehr gut" in sechs und "gut" in zwei fachlichen Bereichen ab. Mit diesem Abschluss wechselte er auf die Hochschule in Z. , um dort das Studium der Bautechnik zu ergreifen. Im Jahr 1991 verbrachte er drei Sommermonate als Austauschstudent in der Schweiz. Von dort wechselte er nach M. und nahm eine Tätigkeit als Kabelarbeiter auf. Nach Rückkehr in die Heimat und Ausbruch des Bürgerkrieges 1992 kehrte er als Flüchtling nach Deutschland zurück. Hier arbeitete er in M. , bis er von der Landeshauptstadt M. in Vollzug des Ausländerrechts aufgefordert wurde, die Bundesrepublik zum 29.08.1998 zu verlassen. Bis dahin arbeitete er von November bis Mai 1994 bei der Firma E. Elektroinstallation und Service GmbH als Monteur und Elektroinstallateur, von Mai bis Oktober 1994 bei der Firma E. Elektro als Installateur, sodann bei der Firma L. Bau GmbH als Polier und schließlich gemäß Arbeitgeberbescheinigung vom 14.06.1999 bei der Bauunternehmung Dipl.Ing.W. M. GmbH, als Zimmerer-Vorarbeiter vom 26.06.1995 bis 01.01.1998 bei Bezahlung nach der Lohngruppe II des Tarifvertrages des Bauhauptgewerbes in Bayern. Anschließend bezog er Arbeitslosengeld.

Wegen Wirbelsäulenbeschwerden beantragte der Kläger am 27.07.1998, ihm eine Rente wegen Berufsunfähigkeit/Erwerbsunfähigkeit (EU/BU) zu gewähren. Nach Beiziehung der einschlägigen Befundberichte der behandelnden Ärzte aus M. einschließlich einer Kernspintomographie vom 24.06.1998 veranlasste die Beklagte eine ärztliche Begutachtung in Z. durch Dr.N. (10.11.1999). Dieser diagnostizierte eine Ischialgie, einen Bandscheibenprolaps L 4/5, eine Bandscheibenprotrusion L 5/S 1, eine Chondropathia patellae links sowie kompensierte Herzbeschwerden. Er hielt den Kläger seit 28.06.1999 für nicht mehr in der Lage, im bisher ausgeübten Beruf als Bauvorarbeiter mehr als zweistündig bis unter halbschichtig tätig zu sein. Zu Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt machte Dr.N. keine Angaben. Mit Bescheid vom 17.05.1999 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen EU/BU ab mit der Begründung, der Kläger könne trotz der festgestellten Erkrankungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig leichte Arbeiten ohne Bücken und ohne schweres Heben und Tragen vollschichtig verrichten. Ein hiergegen eingelegter Widerspruch blieb ohne Erfolg. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.05.2000 ordnete die Beklagte die zuletzt in Deutschland ausgeübte Tätigkeit der Stufe der Facharbeiter zu und benannte als zumutbare vollschichtig auszuübende Tätigkeiten Büroarbeiten in einem größeren Zimmereibetrieb oder -unternehmen, Hausmeistertätigkeiten in größeren Wohnanlagen sowie Arbeiten als Verwalter eines Holzlagers.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Landshut hat der Kläger beantragt, ihm entsprechend Antrag vom 27.07. 1998 EU-, hilfsweise BU-Rente zu gewähren. Er hat vorgetragen, in seiner Heimat keine versicherungsrechtlichen Zeiten zurückgelegt zu haben und auch keine zurückzulegen. Das Sozialgericht hat terminsnahe Sachverständigengutachten auf orthopädisch-rheumatologischem Fachgebiet von Dr.S. (20.06.2001) und auf sozialmedizinischem Fachgebiet von Dr.T. (21.06.2001) eingeholt. Dr.S. hat einen computertomographisch nachgewiesenen Bandscheibenvorfall mit länger bestehender Sequestrierung und Ausfall der Schmerzempfindung der Wurzel S 1 festgestellt. Er hat den Kläger für nicht mehr in der Lage gesehen, Arbeiten als Zimmerervorarbeiter zu erbringen. Tätigkeiten ohne Haltungskonstanz im Stehen oder Sitzen sowie ohne Arbeiten im Bücken, ohne schweres Heben und Tragen hat er für unter zwei Stunden zumutbar erachtet. Dr.T. hat ein chronisches Schmerzsyndrom bei Bandscheibenvorfall L 4/L 5, Bandscheibenprotrusion L 5/S 1, eine Nierenzyste links, beginnende Fettleber mit leichter Erhöhung von Cholesterin und Triglyzerinwerten festgestellt. Infolgedessen könne der Kläger nicht mehr unter arbeitsmarktüblichen Bedingungen regelmäßig tätig sein. Dieser Zustand bestehe seit der Begutachtung in Z. und sei durch eine Bandscheibenoperation reversibel.

Mit Urteil vom 09.11.2001 hat das SG dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.01.2002 bis 31.12.2004 mit der Begründung zugesprochen, nach den Feststellungen der gerichtlichen Sachverständigen sei das Leistungsvermögen auf unter zwei Stunden herabgesetzt. Mangels konkreten Nachweises für den Zeitpunkt des Eintritts der Leistungseinschränkung könne nur die gerichtlich angeordnete Begutachtung herangezogen werden. Wegen der Besserungsaussicht bestehe aber kein Dauerzustand, so dass die Rente bis Ende 2004 zu befristen sei. Eine Rente wegen BU sei nicht zu gewähren, weil der Kläger bis Eintritt der EU noch im Verweisungsberuf als Bautechniker habe vollschichtig tätig sein können.

Dagegen haben der Kläger und die Beklagte Berufung eingelegt. Der Kläger hat eine EU-Rente auf Dauer ab November 1999 begehrt, weil die Leistungseinschränkung bei der Untersuchung in Z. festgestellt worden sei und ein Dauerzustand bestehe, denn eine Bandscheibenoperation sei unzumutbar. Die Beklagte hat sich darauf berufen, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bei Eintritt der Leistungsminderung im Juni 2001 nicht vorlägen, weil der Kläger nach einer Bescheinigung des kroatischen Sozialversicherungsträgers dort keine Sozialleistungen bezogen habe und nach seinen eigenen Angaben keiner Beschäftigung nachgegangen sei. Zudem seien die Sachverständigengutachten nicht ausreichend fundiert, weil sie das Hobby des Klägers als Keramiker nicht berücksichtigt hätten und ein Abgleich der Leistungseinschätzung mit dem Tagesablauf des Klägers nicht stattgefunden habe.

Der Senat hat ein orthopädisches Sachverständigengutachten des Dr.K. (14.09.2003) und ein psychiatrisch-neurologisches des Dr.S. (25.09.2003) einschließlich kernspintomographischer Diagnostik eingeholt. Dr.K. hat diagnostiziert:

1. überwiegend funktionelles HWS-Syndrom mit Muskelreizerscheinungen,

2. Bandscheibenschäden der LWS (Nukleusprotrusion L 5/4 rechts mediolateral, Prolaps L 5/S 1),

3. beginnender Hüftverschleiß bei Pfannenfehlanlage,

4. beginnender Knieverschleiß rechts sowie

5. fehlstatische Sprunggelenksbeschwerden bei initialen Aufbrauchserscheinungen, Senk-Spreizfüße.

Dr.K. hat den Kläger in den Bewegungen dynamisch und kraftvoll beschrieben, das Aus- und Ankleiden sei zeitgerecht ohne fremde Hilfe unter gleichzeitiger Benutzung beider Arme und Hände erfolgt. Nervendehnungstests seien letztlich negativ geblieben, radikulär-neurologische Ausfälle klinisch nicht objektivierbar gewesen. Die Schmerzschilderung sei mit Verdeutlichungsbemühungen verbunden gewesen. Die Kernspintomographie habe eine partiell knöchern gedeckte zirkuläre Protrusion L 4/5 sowie einen partiell knöchern gedeckten Prolaps L 5/S 1 mediolateral beidseits ergeben, der die Wurzel S 1 beidseits tangiere. Der Kläger könne deshalb lediglich leichte, kurzfristig mittelschwere Arbeiten überwiegend aus sitzender Ausgangslage mit selbstbestimmtem Positionswechsel acht Stunden täglich verrichten unter Ausschluss von Arbeiten in Zwangshaltungen insbesondere des Kopfes und des Rumpfes, von Hantieren mit Lasten über 10 Kilogramm, von Arbeiten in Rumpfbeugehalten sowie von Überkopfarbeiten. Dr.K. hat deutliche Inkohärenzen und Diskrepanzen zwischen der vorliegenden medizinischen Dokumentation und der angegebenen Lokalisation der Gefühlsstörungen festgestellt. Wegen der vom Kläger im Wesentlichen gleich gebliebenen Beschwerdeschilderung hat er das Leistungsbild seit Antragstellung 1998 angegeben.

Dr.S. hat diagnostiziert:

altersentsprechende degenerative Veränderungen der Wirbelsäule im HWS- und Brustbereich, LWS-Bandscheibenprotrusion LWK 4/5 partiell knöchern gedeckt, partiell knöchern gedeckter zirkulärer Prolaps mediolateral beidseits L 5/S 1 mit leichter Tangierung der beiden Nervenwurzeln S 1.

Dr.S. hat keine Hinweise für eine akute Wurzelkompression erkennen können, motorische Reflexausfälle hätten nicht bestanden, die vordiagnostizierten Hyposensibilitäten könnten als Ganzkörpersyndrom beschrieben werden. Aktuell bestünden keine nachweisbaren objektivierbaren sensomotorischen Ausfälle, wohl aber zeitweise auftretende leichte bis eventuell auch mäßige Nervenwurzelreizerscheinungen. Die sensible Symptomatik des Klägers habe nicht wirklich überzeugt, ebenso wenig hätten radikulär-neurologische Ausfälle belegt werden können. Der Kläger habe bei der eigenen Untersuchung andere Beschwerden demonstriert als bei Dr.K ... Tatsächlich sorge der Kläger für das familiäre Einkommen durch eine Tätigkeit als Fliesenleger. Unter Berücksichtigung einer etwa neunstündigen Autofahrt vor der Untersuchung sei der Kläger noch in der Lage, täglich acht Stunden mit den üblichen Arbeitsunterbrechungen leichte, nur kurzfristig mittelschwere Tätigkeiten auszuüben bei Ausschluss von Heben und Tragen von Lasten von 10 bis 15 Kilogramm, häufigem Bücken, Zwangshaltungen des Achsenorgans sowie häufiger Überkopfarbeit.

Die Beklagte hat ausgeführt, mit dieser Leistungseinschätzung könne der Kläger als Bautechniker vollschichtig tätig sein, jedenfalls als Bauabrechner.

Der Senat hat den Beteiligten im Verhandlungstermin 10.02.2004 eine berufskundliche Stellungnahme des LAA Bayern vom 27.03. 2003 zur Verweisbarkeit eines Maurermeisters übergeben und ergänzende Stellungnahmen des Dr.S. und der Dr.T. eingeholt, die ihre Einschätzung zum Untersuchungszeitpunkt 2001 als zutreffend erachtet haben, aber von einer Besserung ab September 2003 ausgegangen sind.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 09.11.2001 abzuändern und ihm auf Grund Antrags vom 27.07.1998 EU-, hilfsweise BU-Rente zu bewilligen sowie die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 09.11.2001 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 09.11.2001 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 27.05.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2000 abzuweisen sowie die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 09.11.2001 im Übrigen zurückzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlungen vom 10.02.2003 und 13.07.2004 waren die Verwaltungsakten der Beklagten. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 153, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte Rente hat. Die zulässige Berufung der Beklagten hat vollumfänglich Erfolg, weil der Kläger die Voraussetzungen der begehrten Rente nicht erfüllt. Das dem entgegenstehende Urteil des SG Landshut war deshalb aufzuheben und die Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid vom 17.05. 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2000 abzuweisen.

Der Anspruch auf Versichertenrente wegen EU/BU richtet sich wegen der Antragstellung am 23.07.1998 nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2000 gültigen alten Fassung (a.F. - vor der Änderung durch das Gesetz zur Neuregelung der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 - BGBl.I S.1827). Die ab 01.01. 2001 gültige neue Fassung (n.F.) des SGB VI ist maßgebend, soweit Rente für eine Zeit nach diesem Datum begehrt wird (vgl. § 300 SGB VI).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen BU gemäß § 43 Abs.1 SGB VI, weil er nicht berufsunfähig ist. Berufsunfähig sind solche Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist demnach, wer weder seine bisherige Tätigkeit noch eine andere ihm sozial zumutbare Verweisungstätigkeit ausüben kann.

Bisheriger Beruf ist in der Regel die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in Deutschland, von der auch bei einer nur kurzfristigen Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten war (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr.49 m.w.N.). Die Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Um diese Beurteilung zu erleichtern, hat die Rechtsprechung ein Mehrstufenschema entwickelt, das die Berufe in Qualifikationsgruppen unterteilt, die - von oben nach unten - durch den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters, des angelernten Arbeiters und des ungelernten Arbeiters charakterisiert werden (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr.39 m.w.N.).

Der Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters ist zuzuordnen, wer einen anerkannten Ausbildungsberuf mit regelmäßig mehr als zweijähriger Ausbildung erlernt und bisher ausgeübt hat oder dessen tarifliche Einordnung in eine Lohn- bzw. Gehaltsgruppe den Schluss zulässt, dass diese Tätigkeit als Facharbeitertätigkeit zu qualifizieren ist (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr.38).

Ausgehend von diesen Kriterien ist festzustellen, dass der Kläger in seiner Heimat nach Abschluss der allgemeinen Schulbildung die Berufsfachschule als Bautechniker am 04.06.1987 mit überwiegend sehr guten Fachnoten abgeschlossen hat. Er hat anschließend ein Hochschulstudium in Zagreb aufgenommen und dies mehrere Semester betrieben. Zu einem Abschluss des Studiums ist es bürgerkriegsbedingt zwar nicht gekommen, jedoch hat sich der Kläger durch den gesamten Ausbildungsgang wesentliche baufachliche Kenntnisse angeeignet. Er hat diese Kenntnisse bei den verschiedenen Tätigkeiten in M. , die er bis zu seiner Abschiebung in die Heimat 1998 ausgeübt hatte, fachspezifisch eingesetzt. Gemäß der Arbeitgeberbestätigung vom 14.06.1999 der Bauunternehmung Dipl.Ing.W. M. GmbH konnte er die Qualifikation eines Facharbeiters durch das (nicht abgeschlossene) Studium ersetzen. Deswegen wurde er dort als Vorarbeiter eingesetzt und tariflich nach der Gruppe II des bayerischen Bauhauptgewerbes entlohnt. Der Kläger ist deshalb der obersten Qualifikationsstufe des besonders qualifizierten Facharbeiters zuzuordnen. Dem steht nicht entgegen, dass er in Deutschland keine Facharbeiterausbildung durchlaufen und auch keine Meisterprüfung abgelegt hat. Denn maßgeblich ist der tatsächliche Einsatz und die tarifliche Entlohnung im Betrieb, nach welcher die Beschäftigung tatsächlich eingeordnet worden ist. Der Kläger ist damit nur auf die Ebene der Facharbeiter verweisbar.

Nach den überzeugenden Feststellungen sämtlicher im Verwaltungs- und in den gerichtlichen Verfahren gehörten Sachverständigen kann der Kläger die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Vorarbeiter nicht mehr ausüben, da seine wirbelsäulenabhängigen Erkrankungen ihn hindern, mehr als leichte Tätigkeiten auszuüben. Der Kläger ist gleichwohl nicht berufsunfähig, weil er den ihm zumutbaren Verweisungsberuf des Bauabrechners noch vollschichtig ausüben kann. Nach der in der mündlichen Verhandlung vom 10.02.2003 eingeführten Stellungnahme des Landesarbeitsamtes Bayern vom 27.03.2003, zu welcher der Klägerbevollmächtigte durch die Vertagung Gelegenheit hatte sich zu äußern (vgl. BSG Beschluss vom 31.03.2004 - B 4 RA 224/03 B), ist es die Aufgabe des Bauabrechners, Mengen zu ermitteln, Aufmaße zu erstellen, um die erbrachte Bauleistung nach den Bestimmungen der VOB (Verdingungsordnung für Bauleistungen) abrechnen zu können. Der Bauabrechner entnimmt die für die Abrechung erforderlichen Daten/Angaben aus den ihm zur Verfügung stehenden Ausführungsplänen (z.B. Schal- und Bewehrungspläne für Maurer-, Beton- und Stahlbetonarbeiten). Direkt auf der Baustelle - außerhalb des Baustellenbüros - ist der Bauabrechner nur dann tätig, wenn es Zweifelsfragen zu klären gilt und um erbrachte Bauleistungen durch Aufmessungen selbst zu ermitteln, falls keine Ausführungspläne gefertigt worden sind. Die Aufgabe des Bauabrechners endet meist mit der Erstellung des Rechnungskonzeptes nach dem Leistungsverzeichnis, das zur weiteren Bearbeitung der kaufmännischen Abteilung zugeleitet wird. Der Bauabrechner arbeitet zu ca. 95 % am Schreibtisch, d.h. meist im Sitzen, auch im Baustellenbüro der Baustelle, um erforderlichenfalls sofort Nachprüfungen vornehmen zu können.

Damit ist ein körperliches Leistungskalkül beschrieben, welches der Kläger noch ausüben kann. Es handelt sich um leichte Bürotätigkeiten zu 95 % im Sitzen am Schreibtisch. Nur in Ausnahmefällen sind Tätigkeiten auf der Baustelle durchzuführen, die aber im Abmessen und Nachprüfen von Aufmaßen bestehen. Es handelt sich insoweit um leichte körperliche Tätigkeiten, die keine besonderen Anforderungen an das Achsorgan stellen. Tätigkeiten dieser Art kann der Kläger aus gesundheitlicher Sicht vollschichtig ausüben. Diese Einschätzung entnimmt der Senat den überzeugenden Sachverständigengutachten des Dr.K. und des Dr.S ... Beide haben festgestellt, dass bei dem Kläger insbesondere Erkrankungen der unteren Wirbelsäule (Bandscheibenvorfall und -protrusion der LWS) bestehen, so dass er nur noch leichte Tätigkeiten ausüben kann. Entsprechend den Feststellungen des Dr.S. , dass der Kläger eine ca. neunstündige Anfahrt aus der Heimat zum Untersuchungsort und eine anschließende ca. dreistündige Exploration im Untersuchungssessel hat auf sich nehmen können, sind ihm auch länger dauernde Tätigkeiten im Sitzen zumutbar. Diese Einschätzung deckt sich zudem mit der von Dr.K. und Dr.S. in Auftrag gegebenen Kernspintomographie, die als einschlägige bildgebende Diagnostik keine wesentlichen dauerhaften Nervenwurzelreizerscheinungen ergeben hat. Beide Sachverständige haben ausgeführt, dass der Kläger in seinen Bewegungen nicht eingeschränkt war und objektive Anhaltspunkte für weiter gehende Beschwerden nicht haben gefunden werden können. Dr.S. hat zudem darauf hingewiesen, dass bei ihm die andere Körperseite als schmerzhaft angegeben worden ist als die, die der Kläger gegenüber Dr.K. angegeben hatte. Beide Ärzte haben Verdeutlichungstendenzen festgestellt. Der Senat folgt deshalb der Einschätzung dieser beiden Sachverständigen. In Übereinstimmung insbesondere mit Dr.K. , welcher auf Grund der Angaben des Klägers, sein Zustand habe sich seit 1998 nicht wesentlich verändert, ein gleich bleibendes Leistungskalkül angegeben hat, ergibt sich seither keine geänderte Leistungsbeurteilung.

Nicht gefolgt werden kann hingegen den Einschätzungen der erstinstanzlich gehörten Sachverständigen Dr.S. und Dr.T ... Beide habe ihre Gutachten terminsnah erstellt, d.h. ihre Exploration und Untersuchung konnte schon allein vom Zeitlichen her nicht die Intensität der Untersuchungen der Dres.K. und S. aufweisen. Auch haben beide nicht ausreichend abgegrenzt zwischen subjektiven und objektivierbaren Beschwerden insbesondere im Bereich der vom Kläger angegebenen sensiblen Störungen. Dr.S. hat die kernspintomographische Dokumentation als computertomographische beschrieben, er hat damit zwei unterschiedliche, für die Beurteilung von bandscheibenbedingten Einschränkungen maßgebliche Methoden der bildgebenden Diagnostik verwechselt. Beiden Sachverständigen stand zudem die kernspintomographische Untersuchung durch Dr.K. und Dr.S. nicht zur Verfügung, sodass auch die von den erstinstanzlich gehörten Sachverständigen angewandte Methodik weit hinter der im Berufungsverfahren angewandten zurückbleibt.

Gefolgt werden kann ferner nicht den ergänzenden Stellungnahmen der Dres.S. und T. , wonach bei ihrer Untersuchung im Jahre 2001 ein anderes Leistungsbild vorgelegen habe als im Jahre 2003, mithin eine Besserung anzunehmen sei. Weder Dr.K. noch Dr.S. haben eine seit Rentenantragstellung zeitlich differenzierte Beurteilung als notwendig erachtet noch gibt es dafür Anhaltspunkte. Vielmehr ist der Senat überzeugt, dass die anderweitige Beurteilung der erstinstanzlichen Sachverständigen im Jahre 2001 auf die nicht so tiefgreifende Untersuchung wie durch Dr.K. und Dr.S. zurückzuführen ist.

Die Tätigkeit eines Bauabrechners, die der Kläger gesundheitlich ausüben kann, ist ihm auch fachlich zuzumuten. Er hat durch seine Ausbildung an einer Fachschule, sein mehrjähriges Studium der Bautechnik sowie durch seine hoch qualifizierte Vorarbeitertätigkeit von 1996 bis 01.01.1998 die Fähigkeiten erworben, die man für die Bauabrechnertätigkeit braucht. Er ist in der Lage, Mengen zu ermitteln, Aufmaße zu erstellen, die entsprechenden Daten den Plänen zu entnehmen und mit den in Rechnung gestellten Leistungen zu vergleichen. Er kann auch Rechnungskonzepte nach einem Leistungsverzeichnis erstellen. Weitergehende Arbeiten werden vom Bauabrechner nicht verlangt, weil die endgültige Abrechnung und Rechnungsstellung der kaufmännischen Abteilung im Bauwesen obliegt. Die Tätigkeit als Bauabrechner ist dem Kläger auch sozial zumutbar, denn es handelt sich nach den im Verhandlungstermin 10.02.2003 eingeführten Tätigkeitsbeschreibungen, insbesondere nach der berufskundlichen Stellungnahme des Landesarbeitsamtes Bayern sowie nach den Beschreibungen in Nr.441a der GABI, um eine Facharbeitertätigkeit.

Der Kläger ist damit nicht berufsunfähig. Er ist damit auch nicht erwerbsunfähig oder voll oder teilweise erwerbsgemindert, denn sowohl § 44 SGB VI a.F. als auch §§ 43, 240 SGB VI n.F. fordern, dass das gesundheitliche Leistungsvermögen auf untervollschichtig bzw. unter sechs Stunden gesunken ist. Dies ist beim Kläger wegen der vollschichtig zumutbaren Tätigkeit als Bauabrechner nicht der Fall.

Die Berufung der Beklagten erweist sich damit in vollem Umfange als begründet, sodass die Klage gegen die Verwaltungsentscheidung der Beklagten unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils vollumfänglich abzuweisen war. Die Berufung des Klägers erweist sich vollumfänglich als unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich, § 160 Abs.2 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved