L 9 KR 33/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 88 KR 521/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 33/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. Dezember 2003 geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie der beklagten Krankenkasse als freiwilliges Mitglied wirksam beigetreten ist.

Die 1963 geborene Klägerin war bis zur Beendigung ihrer versicherungspflichtigen Beschäftigung am 22. September 1992 versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Eine Arbeitslosmeldung erfolgte nicht, weil sie ein Kind zu betreuen hatte. Sie bezog deshalb im Anschluss Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Der zuständige Träger gewährte ihr dementsprechend auch Hilfen bei Krankheit.

Am 8. Mai 2002 beantragte die Klägerin die Fortsetzung ihrer Mitgliedschaft bei der Beklagten vom 23. September 1992 an als freiwilliges Mitglied. Sie gab an, erst aufgrund eines Zuständigkeitswechsels bei ihrem Sozialhilfeträger durch die nunmehr zuständige Sachbearbeitung erfahren zu haben, dass die Beklagte die Pflicht gehabt hätte, sie auf die Möglichkeit einer freiwilligen Weiterversicherung hinzuweisen. Da dies nicht geschehen sei, habe sie die Beitrittsfrist zur freiwilligen Versicherung von drei Monaten nicht einhalten können. Ihr sei deshalb Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheiden vom 15. Mai 2002 sowie vom 6. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. März 2003 ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein Jahr nach dem Ende der versäumten Frist nicht mehr möglich sei, sofern nicht die Einhaltung der versäumten Frist oder die Nachholung der versäumten Handlung wegen höherer Gewalt ausgeschlossen gewesen sei. Ein solcher Fall läge hier aber nicht vor. Da sie auch nicht verpflichtet sei, nach dem Ende einer bisherigen Pflichtversicherung einen Versicherten über das Erlöschen der Versicherung und den Beginn und den Lauf der Beitrittsfrist zur freiwilligen Versicherung zu informieren, bestünde auch kein Anspruch der Klägerin im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt zu werden, als sei ihr Beitritt zur freiwilligen Versicherung rechtzeitig erfolgt.

Im anschließenden Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen, dass sie nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs einen Anspruch auf freiwillige Weiterversicherung habe, weil die Beklagte sie auf diese Möglichkeit nach dem Ende ihrer Versicherungspflicht nicht hingewiesen habe. Ihren Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand habe sie auch fristgemäß gestellt, weil sie erst im Jahre 2002 von dem Sozialhilfeträger auf die Möglichkeit einer freiwilligen Versicherung hingewiesen worden sei.

Mit Urteil vom 5. Dezember 2003 hat das Sozialgericht die angefochtene Entscheidung der Beklagten aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin seit dem 8. Mai 2002 freiwilliges Mitglied der Beklagten geworden sei. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass offen bleiben könne, ob die Beklagte in eigener Zuständigkeit verpflichtet gewesen wäre, bei "Eingang der Abmeldung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung allgemein auf die Möglichkeit einer freiwilligen Weiterversicherung hinzuweisen". Denn jedenfalls hätte der zuständige Sozialhilfeträger die Klägerin rechtzeitig auf das "Antragsrecht" zur freiwilligen Weiterversicherung hinweisen müssen, weil ein hilfebedürftiger Antragsteller ein solches "Antragsrecht" nur dann sinnvollerweise ausüben könne, wenn ihm gegenüber klargestellt worden sei, dass die freiwilligen Krankenversicherungsbeiträge von dem Sozialhilfeträger übernommen werden. Weil aber der sozialrechtliche Herstellungsanspruch keine "systemsprengenden Auswirkungen" entfalten dürfe, sei bei der freiwilligen Versicherung auf ein angemessenes Verhältnis zwischen Beitragsentrichtung und Versicherungsleistung zu achten. Eine einschränkungslose Anwendung der Rechtsfolge des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, nämlich die Klägerin so zu stellen wie sie stünde, wenn sie ordnungsgemäß beraten worden wäre, hätte zur Folge, dass sie ab dem 23. September 1992 freiwilliges Mitglied der Beklagten geworden wäre. Dies wiederum würde aber bedeuten, dass die Beklagte wegen der zwischenzeitlich teilweise eingetretenen Verjährung ihrer Beitragsansprüche mit unverhältnismäßig hohen Kosten bei vergleichsweise geringen Beitragsansprüchen belastet würde. Deshalb sei das Beitrittsrecht "systemkonform auf den Eingang der schriftlichen Beitrittserklärung, also hier auf den 8. Mai 2002, zu beschränken".

Gegen das ihr am 29. Januar 2004 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 20. Februar 2004. Sie trägt vor, dass sich aus ihrer Sicht die Entscheidungsgründe des sozialgerichtlichen Urteils "um Annahmen und Vermutungen rankten", denen es letztendlich aber an Beweiskraft mangele. Der Sozialhilfeträger habe keine Beratungs- und Aufklärungspflicht gegenüber einem Hilfesuchenden hinsichtlich einer möglichen Fortsetzung einer Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse als freiwilliges Mitglied. Jedenfalls müsse sie sich einen möglichen Beratungsfehler nicht zurechnen lassen. Im Übrigen habe das Sozialgericht den Beginn der freiwilligen Weiterversicherung im vorliegenden Fall willkürlich festgesetzt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. Dezember 2003 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

die sie für unbegründet hält. Sie weist darauf hin, dass vom 1. Januar 2004 an die Techniker Krankenkasse ihre Krankenbehandlung gemäß § 264 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) übernommen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen hat und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Das angefochtene Urteil war abzuändern. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten ist rechtmäßig. Die Klägerin ist der freiwilligen Versicherung bei der Beklagten nicht wirksam beigetreten.

Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Weiterversicherung im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung bei der Beklagten ist § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Danach können der Krankenversicherung Personen beitreten, die als Mitglieder aus der Versicherungspflicht ausgeschieden sind und in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindestens 24 Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen mindestens 12 Monate versichert waren. Die hiernach notwendige Vorversicherungszeit hat die Klägerin unstreitig erfüllt. Nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 SGB V ist der Beitritt der Krankenkasse allerdings innerhalb von drei Monaten nach Beendigung der Mitgliedschaft anzuzeigen. Diese Frist hat die Klägerin nicht eingehalten. Ihre Pflichtversicherung endete gemäß § 190 Abs. 2 SGB V mit Ablauf des Tages, an dem ihr Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt endete, also hier am 22. September 1992. Das Ende der Mitgliedschaft trat an diesem Tag kraft Gesetzes ein, ohne dass es einer Feststellung durch die Beklagte durch Verwaltungsakt bedurfte (Peters in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht [Std.: 43. EL/1. März 2004], § 190 SGB V RdNr. 3). Hiernach hätte die Klägerin ihren Beitritt zur freiwilligen Versicherung bis zum 22. Dezember 1992 (Dienstag) erklären müssen (§§ 26 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch [SGB X], 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Die Beitrittserklärung ist jedoch erst nach Fristablauf, nämlich am 8. Mai 2002, bei der Beklagten eingegangen und war deshalb nicht wirksam.

Der Klägerin ist hinsichtlich dieses Fristversäumnisses keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Wiedereinsetzung sieht § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB X dann vor, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Diese Vorschrift findet auch auf die hier vorliegende materiell-rechtliche Ausschlussfrist des § 9 Abs. 2 SGB V Anwendung (Urteil des Bundessozialgerichts [BSG] vom 14. Mai 2002 - B 12 KR 14/01 R -, SozR 3-2500 § 9 Nr. 4).

Nach § 27 Abs. 3 SGB X kann nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist die Wiedereinsetzung aber nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war. Diese Jahresfrist hat die Klägerin nicht gewahrt. Sie hat erst fast zehn Jahre nach dem Ende der Frist zum Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung am 22. Dezember 1992 mit bei der Beklagten am 8. Mai 2002 eingegangenen Schreiben einen entsprechenden Antrag gestellt. An einer rechtzeitigen Antragstellung war die Klägerin nicht infolge höherer Gewalt gehindert. Höhere Gewalt in diesem Sinne ist ein außergewöhnliches Ereignis, dessen Eintritt nicht vorauszusehen und auch bei äußerster Sorgfalt nicht mit den üblichen Mitteln abzuwenden ist; schon das geringste Verschulden schließt höhere Gewalt aus (Urteil des BSG vom 10. Dezember 2003 - B 9 VJ 2/02 R -, SozR 4-3100 § 60 Nr. 1; Krasney in Kasseler Kommentar, a.a.O., § 27 SGB X RdNr. 12 und von Wulffen in von Wulffen, SGB X, 4. Auflage 2001, § 27 RdNr. 9 jeweils m.w.Nachw.). Die Klägerin beruft sich insoweit auf eine unterbliebene Beratung des für sie im Jahre 1992 zuständigen Sozialhilfeträgers über die Möglichkeit ihre Versicherung als freiwillige Krankenversicherung fortzusetzen. Eine derartige bloße Untätigkeit einer Behörde stellt aber keine höhere Gewalt im dargestellten Sinne dar (Meyer-Ladewig, SGG, 7. neubearbeitete Auflage 2002, § 67 RdNr. 14 a).

Der Vortrag der Klägerin, der ehemals zuständige Sozialhilfeträger habe im Hinblick auf den Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe durch die Gewährung von Krankenhilfe nach dem BSHG ihr inzident zu erkennen gegeben, dass für sie keine anderweitige Möglichkeit eines Krankenversicherungsschutzes bestehe, und sie deshalb keine Veranlassung gehabt habe, insoweit initiativ zu werden, gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Die Aussagekraft der Gewährung von Krankenhilfe nach dem BSHG erschöpft sich in der Anerkennung eines derartigen Anspruchs. Eine darüber hinausgehende Aussagekraft kommt einer solchen Gewährung nicht zu. Der Senat kann im Übrigen offen lassen, ob ein Hilfesuchender aufgrund einer möglichen ausdrücklichen Erörterung seines Krankenversicherungsschutzes mit einem Sozialhilfeträger und einer im Rahmen dieser Beratung erfolgten fehlerhaften Auskunft über die bestehende Möglichkeit, eine Krankenversicherung aufgrund einer Pflichtmitgliedschaft im Falle des Ausscheidens aus der Versicherungspflicht als freiwillige Versicherung fortzuführen, seinen Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung infolge höherer Gewalt nicht erklären konnte. Denn eine solche fehlerhafte Beratung hat die Klägerin nicht behauptet. Sie rügt die unterbliebene Aufklärung über das Recht, ihre Mitgliedschaft nach Ausscheiden aus der Versicherungspflicht als freiwillige Versicherung fortzusetzen. Die bloße Unkenntnis über anspruchsbegründende Umstände und Rechtsnormen stellt aber auch dann keinen Umstand höherer Gewalt im Sinne von § 27 Abs. 3 SGB X dar, wenn sie im Wesentlichen auf einer mangelnden Aufklärung der betroffenen Person durch die zuständigen staatlichen Stellen beruht (Urteil des BSG vom 10. Dezember 2003 - B 9 VJ 2/02 R -, a.a.O.).

Entgegen der Auffassung des Sozialgericht kann die Klägerin ihr Begehren auch nicht auf das sozialrechtliche Herstellungsrecht stützen. Dieses richterliche Recht knüpft an die Verletzung von Auskunfts-, Beratungs- und Betreuungspflichten im Sozialversicherungsverhältnis an. Werden diese Pflichten durch den Sozialversicherungsträger verletzt, so ist grundsätzlich und soweit notwendig sowie rechtlich und tatsächlich möglich der Zustand wiederherzustellen, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht eingetreten wäre und der Sozialleistungsträger sich rechtmäßig verhalten hätte (Urteil des BSG vom 24. Juli 2003 - B 4 RA 13/03 R -, SozR 4-1200 § 46 Nr. 1 m.w.Nachw.).

Für einen Herstellungsanspruch ist aber dann kein Raum, wenn der Gesetzgeber selbst die Rechtsfolgen einer Verletzung von Nebenpflichten des Sozialleistungsträgers geregelt hat. An einer der Ausfüllung durch Richterrecht zugänglichen Regelungslücke fehlt es insbesondere dann, wenn das Fachrecht selbst im Einzelnen bestimmt, unter welchen Voraussetzungen die Behörde einen nachträglich gestellten fristgebundenen Antrag ausnahmsweise noch berücksichtigen darf, obwohl der Antragsteller die gesetzliche Antragsfrist versäumt hat. Eine solche gesetzliche Regelung lässt von vornherein keinen Raum für einen Herstellungsanspruch, der damit begründet wird, das Verhalten des Sozialleistungsträgers sei ursächlich oder mitursächlich dafür geworden, dass die Leistung nicht fristgerecht beantragt worden sei (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts [BVerwG] vom 18. April 1997 - 8 C 38/95 -, NJW 1997, 2966 ff. sowie Urteile des BSG vom 23. Juli 1986 - 1 RA 31/85 -, BSGE 60, 158 [167] = SozR 1300 § 44 Nr. 23, vom 18. Juni 1997 - 5 RJ 36/96 -, NZS 1998, S. 247 [249] und vom 10. Juli 2003 - B 11 AL 11/03 R -, SGb 2003, S. 575 f.).

Eine den richterlichen Herstellungsanspruch ausschließende Norm hat der Gesetzgeber hier mit der Regelung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand getroffen (vgl. für die Versäumung einer Antragsfrist Urteil des BVerwG vom 18. April 1997 - 8 C 38/95 - a.a.O. und für die Versäumung einer Widerspruchsfrist Urteil des BSG vom 10. Juli 2003 - B 11 AL 11/03 R - a.a.O.; offen gelassen für die Beitragsfrist nach § 9 Abs. 2 SGB X Peters in Kasseler Kommentar, a.a.O., § 9 SGB V RdNr. 49).

Die Frist für die Anzeige des Beitritts zur freiwilligen Krankenversicherung nach dem Ende einer Pflichtmitgliedschaft aufgrund des Ausscheidens aus der Versicherungspflicht ist, wie ausgeführt, eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist. Ihre Wahrung ist Voraussetzung für einen wirksamen Beitritt. Die Versäumung dieser Frist führt zum Erlöschen des Beitrittsrechts (Peters in Kasseler Kommentar, a.a.O. § 9 SGB V RdNr. 47). Materiell-rechtliche Ausschlussfristen sind für Behörden und Beteiligte gleichermaßen verbindlich. Sie stehen nicht zur Disposition der Verwaltung oder der Gerichte (Urteil des BVerwG vom 18. April 1997 - 8 C 38/95 -, a.a.O.). Dass und unter welchen Voraussetzungen nach Versäumung der Beitrittsfristen zur freiwilligen Krankenversicherung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statthaft ist, regelt § 27 SGB X abschließend. Dies folgt aus § 27 Abs. 3 und 5 SGB X. Der danach bestimmte Zeitraum von einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist, innerhalb dessen die Wiedereinsetzung beantragt oder die versäumte Handlung nachgeholt worden sein muss, außer wenn dies wegen höherer Gewalt unmöglich war, stellt eine endgültige Ausschlussfrist dar. Denn die absolute Zeitgrenze für die Wiedereinsetzung verfolgt den Zweck, Verfahren für vergangene Zeiträume angemessen zu beschränken. Insoweit dient sie der gerade im Rahmen einer Massenverwaltung besonders wichtigen Rechtssicherheit und Vereinfachung, weil der Säumige mit der Rechtshandlung ohne weitere Prüfung ausgeschlossen wird. Diese absolute Wirkung des Fristablaufs ergibt sich aus § 27 Abs. 5 SGB X. Ist ein Jahr seit dem Ende der versäumten Frist verstrichen, darf Wiedereinsetzung allein dann noch gewährt werden, wenn die Jahresfrist wegen höherer Gewalt nicht gewahrt werden konnte (Urteil des BVerwG vom 18. April 1997 - 8 C 38/95 -, a.a.O.).

Diese spezielle und abschließende Regelung der Voraussetzungen, unter denen die Versäumung der Beitrittsfrist zur freiwilligen Krankenversicherung unschädlich ist, verbietet einen Rückgriff auf das Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stellt den Antragsteller so, als hätte er rechtzeitig seinen Beitritt zur freiwilligen Versicherung erklärt. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch zielt auf die Herbeiführung desselben Ergebnisses. Ist die Wiedereinsetzung wie hier mangels Vorliegens ihrer gesetzlichen Voraussetzungen von Rechts wegen zu versagen, kann mit dem Herstellungsanspruch nicht erreicht werden, dass die verspätete Anzeige als fristgemäß gilt. Die Schaffung dieses Zustandes wäre gesetzeswidrig. Hat der Gesetzgeber selbst die Voraussetzungen der Beseitigung eines Rechtsnachteils, der infolge einer Fristversäumnis entstanden ist, bestimmt und die Möglichkeiten einer richterlichen Billigkeitsentscheidung durch die Vorschriften über die Wiedereinsetzung sachlich und zeitlich eingeschränkt, bleibt für eine richterrechtliche Modifizierung dieses gesetzten Rechts im Sinne eines Herstellungsanspruchs und einer Regelungslücke kein Raum (Urteil des BVerwG vom 18. April 1997 - 8 C 38/95 -, a.a.O., m.w.Nachw.).

Im Hinblick hierauf kann der Senat offen lassen, ob die einzelnen Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs hier vorliegen. Hierbei ist fraglich, ob die Beklagte verpflichtet war, die Klägerin anlässlich ihrer sozialversicherungsrechtlichen Abmeldung von sich aus über die Möglichkeit einer Fortführung ihrer Krankenversicherung als freiwillige Versicherung zu beraten. Bedenken bestehen insoweit deswegen, weil es sich bei der An- bzw. Abmeldung eines Arbeitnehmers von der Sozialversicherungspflicht um einen Vorgang der Massenverwaltung handelt. Es hieße die Einzugsstellen zu überfordern, müssten sie jede eingehende Abmeldung zum Anlass nehmen, den Versicherten anzuschreiben, um ihn auf weitere Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich seines Versicherungsschutzes hinzuweisen. Hierzu besteht im Übrigen auch kein konkreter Anlass. Denn die Abmeldung eines Arbeitnehmers kann eine Vielzahl von Gründen haben, die eine Weiterversicherung im Rahmen der freiwilligen Versicherung nicht notwendig machen. Beispielsweise ist daran zu denken, dass der abgemeldete Arbeitnehmer eine Folgebeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber aufgenommen und anlässlich dieses Beschäftigungswechsels eine andere Krankenkasse gewählt hat. Es kann aber auch ein anderweitiger Versicherungsschutz, wie z.B. im Rahmen der Familienversicherung, bestehen. § 14 SGB I verpflichtet daher die Krankenkasse nicht, von sich aus auf ein Beitrittsrecht hinzuweisen, wenn bisher eine Versicherung bei ihr bestanden und diese geendet hat (Wollenschläger in Wannagat, Sozialgesetzbuch [Std.: 62. Lfg. = 7. Lfg. SGB V/Oktober 2000], § 9 SGB V RdNr. 24 und Klattenhoff in Hauck/Noftz, SGB V [Std.: 54. Erg.-Lfg. III/01], § 9 SGB V RdNr. 50). Der Senat kann aber auch unentschieden lassen, ob der ehemals für die Klägerin zuständige Sozialhilfeträger verpflichtet war, sie entsprechend zu beraten, und ob ein möglicher Beratungsfehler der Beklagten überhaupt zuzurechnen wäre. Dies begegnet deshalb Zweifeln, weil eine derartige Verpflichtung zur Beratung in Fremdangelegenheiten von der Rechtsprechung grundsätzlich nur dann bejaht worden ist, wenn verschiedene Leistungsträger zur gemeinsamen Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe eng miteinander verbunden sind, der eine Träger gegebenenfalls von Gesetzes wegen arbeitsteilig mit in den Verwaltungsablauf eines anderen Trägers eingeschaltet ist oder er Aufgaben des anderen Versicherungsträgers wahrnimmt bzw. die Zuständigkeitsbereiche beider Träger materiell-rechtlich eng miteinander verknüpft sind (Klattenhoff in Hauck/Noftz, SGB I [Std.: 23. Erg.-Lfg. X/03], § 14 RdNr. 39 m.w.Nachw.). Ob im vorliegenden Fall im Verhältnis der Beklagten zu dem zuständigen Sozialhilfeträger von einer derartigen "Funktionseinheit" (Mrozynski, SGB I, 3. Auflage 2003, § 14 RdNr. 28) auszugehen ist, ist zumindest zweifelhaft.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Rechtskraft
Aus
Saved