L 11 KR 896/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 3238/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 896/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Bauchdeckenkorrektur zu Lasten der Krankenkasse kommt nur als ultima ratio in Betracht, wenn die üblichen Behandlungsmöglichkeiten erschöpft sind. Psychische Störungen sind in der Regel mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu behandeln.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 3. Februar 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Kostenübernahme für die Durchführung einer Bauchdeckenplastik.

Die 1964 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert.

Sie beantragte am 27.5.2003 unter Vorlage eines Schreibens der Dipl.-Psychologin G. und eines nervenärztliches Attestes des Arztes O. die Kostenübernahme für eine operative Korrektur der Bauchwand. In den Bescheinigungen heißt es, die Klägerin befinde sich seit dem Jahr 2002 wegen einer schweren Depression in psychotherapeutischer bzw. psychiatrischer Behandlung. Seit Beginn ihrer Erkrankung habe sie ihr Gewicht von ca. 110 kg auf 68 kg reduziert. Durch die starke Gewichtsabnahme habe sich im Bereich des Ober- und Unterbauchs überflüssiges Gewebe und Haut gebildet. Darunter leide sie sehr. Dies wirke sich auf den positiven Verlauf der Therapie aus. Der Wunsch einer plastischen Korrektur werde befürwortet, um der Klägerin eine weitere psychische Stabilisierung zu ermöglichen.

Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MdK). Im Gutachten vom 13.06.2003 beschrieb Dr. K. eine starke Striaebildung und Erschlaffung der Haut an den Oberarminnenseiten sowie in den Kniekehlen und vor allem im Bereich des Bauches zu beiden Seiten im Hüft- und Taillenbereich. Der Taillenumfang wurde mit 82 cm, der Umfang der Hüften über den Throchanteren mit 107,0 cm gemessen. Die Fettschürze überlappte in der Leiste beidseits jeweils um 3 cm. Entzündungszeichen, feuchte Stellen und Hautmazerationen fanden sich nicht. Die Wirbelsäule war im Stehen im Lot. Hüftbeugung und Finger-Boden-Abstand waren ohne Einschränkungen altersentsprechend. Eine Narbenhernie bestand nicht. Der Gutachter führte weiter aus, die Klägerin leide sehr unter einer Störung ihrer Körperakzeptanz. Das Zusammensein mit ihrem Partner falle ihr sehr schwer. Es bestehe ein ausgeprägtes Schamgefühl sich entblößt zu zeigen. Von der Operation erhoffe sich die Klägerin eine Behebung dieser Störungen. Abschließend diagnostizierte Dr. K. eine Erschlaffung der Bauchdecke nach massiver Gewichtsabnahme und eine bekannte schwere Depression - Stabilisierung. Eine Fettschürze im medizinischen Sinne liege nicht vor. Funktionsstörungen bestünden nicht. Rezidivierende therapieresistente Hautveränderungen seien auf Befragen nicht aufgetreten. Fachärztliche und psychologische Behandlung zur Behandlung der Depression fänden bereits statt.

Mit Bescheid vom 17.06.2003 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für die beantragte Entfernung der Fettschürze ab.

Den von der Klägerin erhobenen Widerspruch, den sie im Wesentlichen mit der durch die Fettschürze aufgetretenen starken psychischen Belastung begründete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.08.2003 zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Sie vertrat die Ansicht, die Beklagte müsse die Kosten für eine plastische Korrektur übernehmen, weil das aufgrund der Gewichtsabnahme von mehr als 50 Kilogramm entstandene Fettgewebe im Ober- und Unterbauch bei ihr zu starken Depressionen führe.

Die Beklagte brachte dagegen vor, dass es sich bei der Klägerin nach dem Gutachten des MdK um keine Fettschürze im medizinischen Sinne handele. Eine Kostenübernahme komme deshalb nicht in Betracht.

Mit Gerichtsbescheid vom 03.02.2004 wies das SG die Klage ab. Zwar sei es bei der Klägerin infolge einer massiven Gewichtsabnahme zu einer Erschlaffung der Bauchdecke gekommen. Das Gewebe überlappe im Bereich der Leiste um ca. 3 cm. Dies führe aber zu keinen relevanten Funktionseinschränkungen und bisher sei es nach Aussage der Klägerin gegenüber dem MdK auch zu keinen Hautreizungen gekommen. Da es sich bei der Klägerin auch nicht um eine schwere sichtbare Entstellung handele, liege keine Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung vor. Die Tatsache, dass die Gewebeerschlaffung die Klägerin psychisch belaste, vermöge eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu begründen. Die von der Krankenkasse geschuldete Krankenbehandlung umfasse grundsätzlich nur solche Maßnahmen, die unmittelbar an der eigentlichen Krankheit ansetzen würden. Psychische Störungen seien in der Regel nur mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu behandeln.

Hiergegen hat die Klägerin am 26.02.2004 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht sie wiederum geltend, der Grund für die Bauchdeckenstraffung sei, dass ansonsten eine erfolgreiche ambulante psychische Therapie nicht möglich sei. Seit mehreren Monaten nehme sie wieder regelmäßig starke Medikamente gegen ihre Depression und bekomme auch Spritzen.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 3. Februar 2004 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheides vom 17. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. August 2003, ihr eine Operation zur plastischen Korrektur ihrer Bauchdecke zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und verweist erneut auf das vom MdK erstattete Gutachten.

In einem von der Berichterstatterin durchgeführten Erörterungstermin hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie die Hautwulst im Bereich des Bauches psychisch total fertig mache. Mittlerweile sei auch ihre Partnerschaft draufgegangen. Wenn es heiß werde, schwitze sie im Bereich der Hautfalte. Es würde dann jucken. Der Bauchnabel sei ständig etwas entzündet. In Behandlung befinde sie sich deshalb nicht. Im Winter sei es einigermaßen gegangen, im Sommer werde es wohl wieder schlimmer werden.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung der beantragten operativen Korrektur der Bauchdecke.

Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Krankenbehandlung und das Vorliegen von Krankheit sind im Gerichtsbescheid des SG zutreffend dargestellt. Darauf wird verwiesen.

In Ansehung dieser Vorschriften hat das SG zu Recht entschieden, dass bei der Klägerin trotz des Überlappens des Gewebes im Bereich der Leiste um ca. 3 cm in diesem Bereich keine Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung vorliegt. Soweit bei der Klägerin in Folge der Hauterschlaffung eine psychische Erkrankung vorliegt, ist diese mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu behandeln. Der Senat schließt sich den begründeten und zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid in vollem Umfang an und sieht deswegen insoweit von einer weiteren Stellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass auch das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren zu keinem anderen Ergebnis führt. Zwar hat die Klägerin im Rahmen des Erörterungstermins auf Hautveränderungen im Bereich der Hautfalte insbesondere im Sommer hingewiesen. In Behandlung befindet sie sich deshalb jedoch weiterhin nicht. Dass die Klägerin in diesem Bereich im Sommer schwitzt und die Haut dann auch juckt, stellt, zumindest solange noch nicht die Notwendigkeit besteht insoweit ärztliche Behandlung in Anspruch zu nehmen, nur eine geringfügige Beeinträchtigung dar. Dies führt noch nicht dazu, dass die Hautfalte operativ entfernt werden müsste. Dasselbe gilt auch für den nach Angaben der Klägerin ständig entzündeten Bauchnabel, zumal diese Entzündung anlässlich der Begutachtung durch Dr. K. nicht festgestellt werden konnte. Eine schwere sichtbare Entstellung durch diese Hautfalte liegt bei der Klägerin auch nicht vor. Insoweit verkennt der Senat nicht, dass die Klägerin selbst ihre Erscheinung als entstellend ansieht und sich deshalb auch nicht mehr entblößt oder gering bekleidet zeigen möchte. Maßgebend für die Annahme einer Regelabweichung ist jedoch nicht die subjektive Betrachtung des betroffenen Versicherten, sondern allein ein objektiver Maßstab. Eine schwere Entstellung liegt objektiv, worauf das SG zu Recht hingewiesen hat, erst dann vor, wenn sie bei Menschen, die nur selten Umgang mit Behinderten haben, üblicherweise Missempfindungen wie Erschrecken oder Abscheu oder eine anhaltende Abneigung auszulösen vermögen. Ein solcher Zustand ist bei der Klägerin nicht gegeben, insbesondere nachdem dieser Bereich in der Regel mit Kleidung bedeckt ist. Auch mit den unbestrittenermaßen gravierenden psychischen Beschwerden der Klägerin lässt sich die Notwendigkeit der Operation nicht begründen. Zum einen ist insoweit zu beachten, dass die psychische Störung bei der Klägerin bereits vor Auftreten der Hauterschlaffung vorlag. Damit ist fraglich, ob sich durch die Korrektur der Bauchdecke überhaupt eine Besserung des psychischen Zustands einstellen würde. Dies kann letztendlich jedoch dahingestellt bleiben, denn auch wenn die Erkrankung nunmehr im Zusammenhang mit der Erschlaffung der Bauchdecke stehen sollte, führt dies nicht dazu, dass deswegen ein Anspruch der Klägerin auf die Beseitigung der Hautfalten bestünde. Insoweit hat das SG zu Recht darauf hingewiesen, dass Versicherte nur Maßnahmen der Krankenbehandlung in Anspruch nehmen können, die unmittelbar an der eigentlichen Erkrankung ansetzen. Psychische Störungen sind danach in der Regel nur mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu behandeln. Es würde zu einer mit der Vorschrift des § 27 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) und dem in § 12 SGB V niedergelegten Wirtschaftlichkeitsgebot unvereinbaren Ausweitung der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen führen, wenn Versicherte auf Kosten der Krankenkassen operative Eingriffe vornehmen lassen könnten, um einen im Normbereich liegenden Körperzustand zu verändern, weil sie psychisch auf die gewünschte Veränderung fixiert sind. Eine Grenzziehung zu rein kosmetischen Operationen wäre nicht möglich (vgl. BSG Urteil vom 10.02.1993 -1 RK 14/92-, BSGE 72,96 ff). Es muss deshalb das psychische Grundproblem angegangen und unmittelbar behandelt werden. Zu beachten ist insoweit auch, dass durch die Operation zur Behandlung der psychischen Erkrankung in ein im Grunde gesundes Gewebe und eine gesunde Haut eingegriffen würde. Dies ist, worauf das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Entscheidung zur Magenverkleinerungsoperation hingewiesen hat (BSG Urteil vom 19.02.2003 -B 1 KR 1/02 R-), nur als Ultima ratio in Betracht zu ziehen. Bei der Klägerin sind zumindest im dermatologischen Bereich noch nicht alle Behandlungsmöglichkeiten erschöpft.

Die Berufung der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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