L 13 V 37/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 40 V 75/99
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 V 37/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Juli 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Anerkennung weiterer Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen und die Gewährung einer Rente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Der 1933 geborene Kläger stammt aus dem Beitrittsgebiet. Er beantragte im Januar 1997 bei dem Beklagten Leistungen nach dem BVG. Hierzu machte er geltend, unter einem hirnorganischen Psychosyndrom, posttraumatischen Belastungsstörungen, Leistungseinschränkung nach Tuberkulose, vertobratogenem Schmerzsyndrom, totalem Haarausfall, allgemeinem ständigen Überforderungssyndrom und inneren Unruhe-/Angstzuständen, Hörstörungen, Atemnot, Herzrasen auch im Ruhezustand zu leiden. Er sei am 23. November 1943 durch Bombentreffer auf das Wohnhaus der Familie in der E Straße 44 in Berlin drei Tage im Luftschutzkeller eingeschlossen gewesen. Von März bis Juni 1945 sei er im damaligen Pommern durch Russen und polnische Militärangehörige an verschiedenen Orten - meist in Nähe von Kolberg - interniert gewesen. Des Weiteren sei er von April bis Mai 1947 in einem Lager in Kolberg unter polnischer Militäraufsicht interniert gewesen, bevor sie am 21. Mai 1947 aus polnischem Gebiet ausgewiesen und nach Dresden verbracht worden seien. Während der Internierung habe er an Unterernährung gelitten, sei fortgesetzter Bedrohung mit dem Tod sowie Schlägen mit Stöcken und Fußtritten ausgesetzt gewesen. Er habe als 12- bis 13-Jähriger Getreidesäcke tragen müssen, Holz fällen und schwere Hebearbeiten über 10 bis 16 Stunden verrichten müssen. Hierdurch habe er neben körperlichen Schäden auch bis gegenwärtig andauernde Angstzustände davongetragen. Nachdem er 1944/45 an kreisrundem Haarausfall gelitten habe, sei 1952 totaler Haarausfall eingetreten. Er legte eine Bescheinigung des Bezirkskrankenhauses für Psychiatrie und Neurologie E vom 28. März 1969 vor, nach der er (Beruf: Staatsanwalt) an den Folgen einer im Kindesalter erlittenen und durch Kriegseinwirkung hervorgerufenen Gehirnschädigung leide, aufgrund dieser Tatsache in seiner quantitativen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt sei.

Der Beklagte holte ein hals-nasen-ohren-ärztliches (HNO) Gutachten von Dr. F vom 6. April 1998, ein versorgungsärztlich-internistisches Gutachten von Dr.D vom 17. Juni 1998 ein, die die jeweils festgestellten Gesundheitsstörungen als Nichtschädigungsfolgen einordneten. Der Chirurg Dr. B bewertete in seinem Gutachten vom 30. Juni 1998 die objektiv nachgewiesenen Veränderungen der Wirbelsäule als durch schädigungsunabhängige Einflüsse bedingt und mit einem schädigenden Ereignis nicht im Zusammenhang stehend.

Die Nervenärztin Dr. Hkam in ihrem Gutachten vom 9. Dezember 1998 zu dem Ergebnis, eine durch die Kriegsereignisse bestehende Hirnbeschädigung liege nicht vor, so dass eine Anerkennung des hirnorganischen Psychosyndroms als Schädigungsfolge nicht begründet werden könne. Bei den geklagten Kopfschmerzen handele es sich teilweise um Migräne, teilweise um einen Spannungskopfschmerz unter Belastungssituation. Da diese erst 10 Jahre nach Rückkehr aus der Internierung aufgetreten seien, könnten sie nicht mehr mit den zurückliegenden seelischen Belastungen in ursächlichen Zusammenhang gebracht werden. Ein Teil der belastenden Träume, unter denen der Kläger leide, wie aktualisierte belastende Erinnerungen an den Krieg und an die Internierung seien als Folgen der damaligen Belastungen zu verstehen. Der Kläger sei als 10-Jähriger drei Tage bei einer Verschüttung mit seinen Angehörigen eingeschlossen gewesen, so dass die geschilderte Angst bei körperlicher Einengung damit in Zusammenhang gebracht werden könne. Als 12-Jähriger sei er schweren belastenden Erlebnissen ausgesetzt gewesen, indem er Tote und Tierkadaver zu bergen und zu begraben gehabt habe. Die davon wiederauftretenden Träume seien als Folge der damaligen seelischen Belastungen zu berücksichtigen. Es handele sich jedoch nicht um eine posttraumatische Belastungsstörung. Vielmehr seien sie nach dem Verlust der ersten Ehefrau und der beruflichen sozialen Position aufgetreten. Die belastenden Träume und Erinnerungen und situationsbezogenen Ängste seien mit einer MdE von 15 v.H. zu bewerten. Im Schwerbehindertenbereich seien u.a. totaler Haarausfall mit einem GdB von 30 zu berücksichtigen. Der Gesamt-GdB betrage 80.

Mit Bescheid vom 22. Januar 1999 erkannte der Beklagte als Schädigungsfolgen

belastende Träume und Erinnerungen und situationsbedingte Ängste

hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 BVG an. Es werde als glaubhaft unterstellt, dass die genannten Gesundheitsstörungen auf ein schädigendes Ereignis zurückzuführen seien. Der Grad der durch die Schädigungsfolgen bedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage weniger als 25 v.H. Anspruch auf Gewährung einer laufenden Rente bestehe daher nicht.

Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 1999 zurück.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Berlin hat der Kläger darauf verwiesen, dass der komplette Haarausfall als im Zusammenhang mit der Typhuserkrankung 1946 stehend angesehen worden sei. Der vom Sozialgericht zum psychiatrischen Sachverständigen bestellte Prof. Dr. S hat in seinem Gutachten vom 18. Januar 2000 dargelegt, die vom Kläger geltend gemachten Beschwerden würden die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung zwar weitgehend erfüllen, diese sei jedoch nur zu diagnostizieren, wenn die typische Symptomatik innerhalb von sechs Monaten nach dem Trauma auftrete. Dies sei nicht der Fall. Trotz schwerer familiärer Traumata (der Vater wurde von den Nazis im Gefängnis Tegel ermordet, als der Kläger 10 Jahre alt war, und die Mutter starb an Typhus, als der Kläger 13 Jahre alt war) habe der Kläger sowohl im beruflichen als auch im familiären Bereich ein gelingendes Leben geführt. Trotz unzureichender Schulbildung habe er eine Lehre als Schriftsetzer beendet und habe während seiner NVA-Zeit eine erfolgreiche Karriere bis zur Offiziersschule durchlaufen. Anschließend habe er ein Jurastudium erfolgreich abgeschlossen. Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau sei er in der Lage gewesen, wieder eine erfüllende Ehe einzugehen. Auch die vorzeitige Berentung mit 55 Jahren habe der Kläger letztlich gut bewältigt. Die mäßiggradige Hirnleistungsschwäche sei mit Sicherheit nicht auf die Kriegsfolgen zurückzuführen. Dies gelte auch für ein subjektives Störsyndrom mit belastenden Träumen, Nachhallerinnerungen, Grübelneigung und erhöhter psychischer Sensitivität. Die aktuelle Symptomatik sei vielmehr als Auseinandersetzung und Fehlverarbeitung einer gegenwärtigen Konfliktlage zu verstehen. Die damaligen Kriegsereignisse lieferten lediglich die Bilder für seine momentane seelische Befindlichkeit. Frau Dr. Hkönne deshalb auch nicht gefolgt werden, wenn sie für "belastende Träume und Erinnerungen und situationsbezogene Ängste" eine MdE von 15 = 20 angegeben habe. Eine Schädigungsfolge liege überhaupt nicht vor.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger medizinische Unterlagen, die vor allem seine 1956 festgestellte Tuberkuloseerkrankung betreffen, eingereicht. Des Weiteren überreichte er ein amtsärztliches Zeugnis des Rates der Stadt Dresden vom 30. April 1952, in dem als frühere Krankheiten "1946/47 Typhus abdominales, seitdem wechselnder Haarausfall" aufgeführt sind, sowie als Befund "Haarausfall im Bereich der rechten und linken Augenbraue, Wimpern rechts, im Nackenbereich".

Der Beklagte entnahm den Unterlagen keinen Zusammenhang einer möglicherweise 1946 durchgemachten Typhuserkrankung mit dem Verlust der Kopfhaare, die erstmals im körperlichen Untersuchungsbefund des Rentengutachtens der Kreistuberkuloseärztin Dr. ZSvom 1. Dezember 1954 beschrieben würden.

Das Sozialgericht hat im Hinblick auf neuere Erkenntnisse zur posttraumatischen Belastungsstörung ein neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten von Dr. G (vom 8. Februar 2002) eingeholt. Diesem gegenüber hat der Kläger geschildert, bereits 1944 nach der Verschüttung unter kreisrundem Haarausfall gelitten zu haben. Psychische Probleme mit der Glatze habe er schon 1949 gehabt. Dr. G hat Zeichen eines hirnorganischen Psychosyndroms, außerdem Beschwerden, die für anhaltende traumaspezifische Ängste mit körperlicher Begleitreaktion bei nächtlich alptraumhaften und am Tage auftretenden Erinnerungen an die Kriegsereignisse sowie für anhaltende somatoforme Schmerzstörungen in Form von ursprünglich psychogenen Kopf- und Rücken-/Nackenschmerzen sprächen, festgestellt. Auch er könne unter Beachtung der anerkannten diagnostischen Merkmale nicht die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung stellen. Weder sei die Mindestzahl der Teilsymptome der drei Hauptsymptomgruppen vorhanden, noch lasse sich die zur Diagnosestellung notwendige Feststellung treffen, dass der Störungskomplex in wesentlicher Weise Leiden oder Beeinträchtigungen seiner sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereiche verursacht habe. Dies lasse sich am aktendokumentiert vorbeschriebenen und auch ihm gegenüber dargelegten Lebenslauf und an der Lebensgestaltung des Klägers ablesen. Es liege ein kriegsbedingtes Kindheitstrauma aufgrund wiederkehrend lebensbedrohender Belastungen vor. Es habe auch keine Verschiebung der Wesensgrundlage hinsichtlich der Ängste und Schmerzstörungen stattgefunden. Vielmehr habe der Kläger den Krebstod seiner Ehefrau und die Wendezeit einschließlich des Ausscheidens aus seiner beruflichen Tätigkeit als Staatsanwalt angemessen verarbeitet. Neuropsychischerseits seien die anhaltenden traumaspezifischen Ängste mit Wahrscheinlichkeit durch unmittelbare Kriegseinwirkungen verursacht worden. Hierfür betrage die Einzel-MdE 15. Die Einzel-MdE bezüglich der somatoformen Schmerzstörung liege zwischen 5 und 10 v.H., insgesamt ergebe sich eine Gesamt-MdE von 20 v.H. Hinsichtlich des vom Kläger geltend gemachten kreisrunden partiellen Haarausfalls nach seiner Verschüttung wäre die Einholung einer internistischen und/oder hautärztlichen Sachverständigenmeinung nach Aktenlage nötig, wenn diesbezüglich weiterer Aufklärungsbedarf bestehe.

Der Beklagte erkannte als Schädigungsfolgen nach dem BVG "anhaltende traumaspezifische Ängste mit körperlicher Begleitreaktion bei nächtlich alptraumhaften und am Tage auftretenden - sich aufdrängenden - Erinnerungen an die Kriegsereignisse sowie seither anhaltende somatoforme Schmerzstörungen in Form von psychogenen Kopf- und Rücken-/Nackenschmerzen" im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 8. Juli 2002 an.

Durch Urteil vom 8. Juli 2002 wies das Sozialgericht die Klage ab. Auf der Grundlage des Gutachtens von Dr. G habe sich das Gericht die Überzeugung gebildet, dass bei dem Kläger die umschriebenen alptraumhaften Erinnerungen und traumatischen Ängste sowie eine somatoforme Schmerzstörung bestünden. Diese Gesundheitsstörungen seien auf unmittelbare Kriegseinwirkungen, namentlich die Erlebnisse während der Bombenangriffe und während der russischen Besatzung in Pommern zurückzuführen. Dem Gutachten von Prof. Dr. S, wonach andere bedeutende biographische Einschnitte im Leben des Klägers hierfür maßgeblich seien, folge das Gericht nicht. Nach den Feststellungen von Dr. G führten die psychischen und psychosomatischen Störungen nicht zu einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Gemäß Seite 60 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (Anhaltspunkte) 1996 Nr. 26.3 scheide eine höhere Bewertung des psychischen Leidens des Klägers als mit einer MdE von 20 v.H. aus. Der vollständige Haarausfall sei nicht mit Wahrscheinlichkeit auf schädigende Einwirkungen im Sinne von § 1 Abs. 1 BVG zurückzuführen. Die anamnestisch angegebene Erkrankung im Jahre 1946 sei nicht auf unmittelbare Kriegseinwirkungen zurückzuführen, da der Kläger nach seinen Angaben an Typhus erkrankt sei, während er nach dem Tod seiner Mutter bei einer Familie untergebracht gewesen sei. Eine Typhusinfektion während der unmittelbaren Zeit nach dem 2. Weltkrieg sei eine allgemeine Gefahr gewesen, der weite Teile der Bevölkerung ausgesetzt gewesen seien. Eine besondere Gefahr, die mit der Besetzung deutschen oder ehemals deutsch besetzten Gebietes zusammenhänge, sei nicht erkennbar. Es bedürfe daher nicht der medizinischen Aufklärung, ob der bei dem Kläger vorliegende totale Haarausfall durch die Typhuserkrankung mit Wahrscheinlichkeit verursacht worden sei. Die übrigen gesundheitlichen Störungen seien ebenfalls nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die Kriegsereignisse bzw. Auswirkungen der Besetzung zurückzuführen. Insoweit folge das Gericht den im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. D, Dr. F und Dr. B.

Gegen das am 11. September 2002 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 30.September 2002. Er rügt, dass neueste Erkenntnisse zum Problemkreis der posttraumatischen Belastungsstörungen nicht ausreichend gewürdigt worden seien. Bereits im Jahre 1943 nach der Verschüttung im Luftschutzkeller in Berlin und nach den damaligen Todesängsten habe der Haarausfall eingesetzt.

Durch Bescheid vom 7. Oktober 2002 hat der Beklagte das im Termin vom 8. Juli 2002 abgegebene Anerkenntnis umgesetzt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Juli 2002 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 22. Januar 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 1999 und des Beschei- des vom 7. Oktober 2002 zu ändern und den Beklagten zu verur- teilen, ihm unter Anerkennung einer posttraumatischen Belastungs- störung und eines totalen Haarausfalls als weiterer Schädigungs- folgen eine Beschädigtenrente nach einer MdE von mindestens 30 v.H. zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten von der Ärztin für Psychiatrie und Neurologie Dr. S vom 2. Juni 2002 eingeholt. Die Sachverständige hat ausgeführt, im Unterschied zu Prof. Dr. S und Dr. G, die eine relevante posttraumatische Belastungsstörung vor dem Hintergrund der gelungenen beruflichen und sozialen Anpassung des Klägers nicht in Betracht zögen, halte sie das Beschwerdebild aus sich aufdrängenden unwillkürlichen Erinnerungen und der chronifizierten alptraumbedingten Durchschlafstörung neben den phobischen Ängsten für Teile einer chronifizierten posttraumatischen Belastungsstörung. Allerdings stimme sie mit den Vorgutachtern darin überein, dass die subjektive Bedeutung des Ganzen für den Kläger erst dann dramatische Formen angenommen habe, als wesentliche selbstwertstärkende und materielle Sicherheit bietende Bedingungen nicht mehr gegeben gewesen seien. Die mittlerweile eingetretene stenisch anmutende und mit einer gewissen Einengung einhergehende Konzentration der Bemühungen auf das Thema der Anerkennung als Kriegsopfer dürften neben primär-persönlichen Strukturanteilen auf die diskrete kognitive Störung mit zunehmender Rigidität zurückzuführen seien. Dem sehr akzentuiert beklagten Haarausfall sei vor dem Hintergrund der bis 1989 trotz vielfältiger Widrigkeiten gelungenen Vita des Klägers keine berücksichtigungsfähige Bedeutung beizumessen. Die von ihr als "phobische Ängste als Teil der chronischen posttraumatischen Belastungsstörung mit unwillkürlichem Wiedererleben belastender Ereignisse sowie Alpträumen und Schlafstörungen" bezeichneten Störungen seien mit Wahrscheinlichkeit ebenso wie diese und die somatoforme Schmerzstörung durch unmittelbare Kriegseinwirkung verursacht oder verschlimmert worden. Diese Gesundheitsstörungen seien mit den anerkannten Schädigungsfolgen identisch. Für die phobischen Ängste sowie die Symptome der posttraumatischen Belastungsstörung ergebe sich eine MdE von zusammen 15 v.H., für die somatoforme Schmerzstörung 10 v.H. und eine Gesamt-MdE von 20 v.H. Die laut Angaben des Klägers bereits seit Jahrzehnten bestehenden Ängste und Schlafstörungen hätten seiner beruflich erfolgreichen Laufbahn nicht im Wege gestanden.

Der Kläger hat einen Befundbericht der Hautärztin Dr. B vom 17. Juli 2002 eingereicht, nach dem der Beginn der totalen Alopezie nach anamnestischen Angaben zeitlich im Zusammenhang mit Kriegstraumata und einer Typhusinfektion stehe. Inwieweit die totale Alopezie und deren Folgen als psychisch mitbedingte Erkrankung infolge der Kriegstraumata zu werten seien, solle gutachterlich geklärt werden.

Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Verwiesen wird außerdem auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und auf die Versorgungsakten des Beklagten, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Anerkennung weiterer Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen noch auf Gewährung einer Rente.

Gemäß § 1 Abs. 1 BVG erhält auf Antrag Versorgung, wer im Zusammenhang mit dem militärischen Dienst durch eine Dienstverrichtung einen Unfall oder diensteigentümliche Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Gemäß § 1 Abs. 2 Buchstabe a BVG steht einer Schädigung in diesem Sinne eine Schädigung durch unmittelbare Kriegseinwirkung gleich. Eine unmittelbare Kriegseinwirkung liegt nur dann vor, wenn einer der Tatbestände des § 5 BVG verwirklicht ist. Als unmittelbare Kriegseinwirkung gelten nach § 5 Abs. 1 a Kampfhandlungen und damit unmittelbar zusammenhängende militärische Maßnahmen, insbesondere die Einwirkung von Kampfmitteln und nach Buchstabe d schädigende Vorgänge, die infolge einer mit der militärischen Besetzung deutschen oder ehemals deutsch besetzten Gebietes oder mit der zwangsweise Umsiedlung oder Verschleppung zusammenhängenden besonderen Gefahr eingetreten sind. Nach § 1 Abs. 3 BVG genügt zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Die Wahrscheinlichkeit ist dann gegeben, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr bzw. gewichtigere Tatsachen für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang sprechen. Lediglich die Möglichkeit eines Zusammenhangs oder ein zeitlicher Zusammenhang genügen allerdings nicht (vgl. insoweit Fehl in Wilke, Soziales Entschädigungsrecht - Kommentar -, 7. Auflage § 1 BVG Rdnr. 64, 65 mit weiteren Nachweisen). Als schädigende Tatbestände sind die vom Kläger glaubhaft gemachte Verschüttung im Jahre 1943 sowie die vom Kläger glaubhaft geschilderten Internierungen von März bis Juni 1945 in Pommern und von April bis Mai 1947 in Kolberg zu berücksichtigen.

Nach seinen seit 1952 aktenkundigen Angaben hat der Kläger die Typhuserkrankung 1946 erlitten. Danach besteht zwischen der Typhuserkrankung und den Internierungstatbeständen nicht der erforderliche zeitliche Zusammenhang. Sie ist auch nicht als gesundheitliche Schädigung infolge eines schädigenden Vorgangs nach § 5 Abs. 1 Buchstabe d BVG anzusehen. Wie das Sozialgericht bereits unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dargelegt hat, ist ein wesentliches Tatbestandsmerkmal der unmittelbaren Kriegseinwirkung die in § 5 Abs. 1 Buchstabe d BVG näher bezeichnete besondere Gefahr, die den schädigenden Vorgang verursacht haben muss. Zustände, denen alle Bevölkerungskreise längere Zeit in gleicher Weise ausgesetzt waren, wie Mangelzustände hinsichtlich der Ernährung und Versorgung mit Arzneimitteln können begrifflich nicht als "besondere Gefahr" im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchstabe d BVG angesehen werden, selbst wenn die Gefahr ursächlich mit der Besetzung zusammenhängt. Unter Berücksichtigung dieses fehlenden Kausalitätserfordernisses hatte der Kläger in der Folgezeit auch nicht mehr auf die Typhuserkrankung als Ursache der mittelbaren Gesundheitsstörung des totalen Haarausfalles abgestellt, sondern geltend gemacht, der Haarausfall sei Folge der durch den Beklagten anerkannten Schädigungsfolgen der anhaltenden traumaspezifischen Ängste mit körperlicher Begleitreaktion.

Es ergibt sich jedoch nach dem gesamten Akteninhalt kein Anhaltspunkt für das Bestehen der guten Möglichkeit, dass der Haarausfall Folge dieser Schädigungsfolgen ist. Schon ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen dem totalen Haarausfall und der psychischen Belastung durch die Verschüttung bzw. die Internierung kann nicht festgestellt werden. Noch in dem amtsärztlichen Zeugnis vom 30. April 1952 ist als Befund "Haarausfall im Bereich der rechten und linken Augenbraue, Wimpern rechts, im Nacken rechts" angegeben. Diese genaue Beschreibung macht deutlich, dass zu diesem Zeitpunkt gerade noch kein totaler Haarausfall vorgelegen hat. Auch hat der Kläger Dr. S gegenüber angegeben, 1952 sei es wieder zum "Mottenfraß" gekommen. Ein totaler Haarausfall ist gutachterlich erst in dem Gutachten vom 1. Dezember 1964 festgehalten worden. Auch hat der Kläger durch Vorlage von Fotos das Vorliegen eines totalen Haarausfalls im September 1954 nachgewiesen. Schon im Hinblick auf diese zeitliche Differenz zwischen schädigendem Ereignis und Haarausfall sah der Senat keine Veranlassung, die Ursache des Haarausfalls durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zu klären. Ergänzend war zu berücksichtigen, dass Dr. G die Frage, ob die Einholung eines weiteren medizinischen Gutachtens erforderlich sei, dahingehend beantwortet hatte, dass die Einholung einer Sachverständigenmeinung nach Aktenlage dann nötig sei, wenn hinsichtlich des vom Kläger geltend gemachten kreisrunden Haarausfalls weiterer Aufklärungsbedarf bestehe. Hierfür besteht jedoch schon deshalb kein Aufklärungsbedarf, weil lediglich totaler Haarausfall nach den Anhaltspunkten Ziffer 26.17 S. 133 mit einer MdE von 30 v.H. zu bewerten ist.

Abgesehen davon umfasst der Amtsermittlungsgrundsatz nicht die Pflicht, Ermittlungen "ins Blaue hinein" durchzuführen. Derartige Ermittlungen wären jedoch auch nach dem Attest der Hautärztin B vom 17.Juli 2002 erforderlich. Danach sollte lediglich gutachterlich geklärt werden, "inwieweit die totale Alopezie und deren Folgen als psychisch mitbedingte Erkrankung infolge der Kriegstraumata zu werten" sei. Weitere Unterlagen aus denen sich Anhaltspunkte für die gute Möglichkeit des Kausalzusammenhangs ergeben, hat der Kläger, der sich nach seinen Angaben von entsprechenden Spezialisten hat untersuchen lassen, nicht eingereicht.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen im Sinne einer "posttraumatischen Belastungsstörung". Der Senat folgt insoweit dem Gutachten von Dr. G, der die Mindestzahl der Teilsymptome der drei Hauptsymptomgruppen Wiedererleben, Vermeiden bzw. verminderte Ansprechbarkeit, anhaltende Übererregung nicht hat feststellen können. Zwar weicht Dr. S in ihrem Gutachten von der Beurteilung von Dr. G dahingehend ab, dass sie die Auffassung vertritt, die Flashback-Erlebnisse und mit Alpträumen einhergehenden Schlafstörungen des Klägers seien als typische Elemente einer posttraumatischen Belastungsstörung zu klassifizieren. Die von ihr als phobische Ängste als Teil der chronischen posttraumatischen Belastungsstörung und somatoforme Schmerzstörung beschriebenen Gesundheitsstörungen werden von der Gutachterin jedoch als mit den anerkannten Schädigungsfolgen identisch bezeichnet. Danach kann auch nach dem Gutachten von Dr. S die von ihr als Teil einer posttraumatischen Belastungsstörung bezeichnete Gesundheitsstörung nicht als weitere Schädigungsfolge anerkannt werden.

Die nach alledem vom Beklagten im Bescheid vom 17. Juli 2002 zutreffend festgestellte Gesundheitsstörung bedingt keine MdE von mehr als 20 v.H. Dr. G hat in seinem Gutachten schlüssig und nachvollziehbar dargestellt, dass die bei dem Kläger vorliegende Störung nicht in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen seiner sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereiche verursacht habe. Diese Einschätzung deckt sich mit den vom Kläger geschilderten Lebensumständen, die eine soziale und berufliche Integration ohne erkennbar bedeutsame Beeinträchtigungen deutlich machen. Auch Dr. S weist darauf hin, dass die nach Angaben des Klägers bereits seit Jahrzehnten bestehenden Ängste und Schlafstörungen einer beruflich erfolgreichen Laufbahn nicht im Wege gestanden hätten. Die demnach vorliegenden leichteren psychischen Störungen sind nach Ziffer 26.3 S. 60 der Anhaltspunkte mit einer MdE von 0 bis 20 v.H. zu bewerten, während erst stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit eine MdE von 30 v.H. bedingen. Auch die Bildung einer Gesamt-MdE unter Berücksichtigung der somatoformen Schmerzstörung mit einer MdE von 10 v.H. zu einer MdE von 20 v.H. unterliegt keinen Bedenken. Gemäß Ziffer 19 der Anhaltspunkte ist in dem Fall, dass mehrere Schädigungsfolgen vorliegen, der Grad der MdE nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Insbesondere verbietet sich eine Addition der einzelnen MdE-Grade. Dabei ist nach Ziffer 19 Abs. 4 der Anhaltspunkte zu berücksichtigen, dass leichte Gesundheitsstörungen, die lediglich eine Einzel-MdE von 10 v.H. bedingen, in der Regel nicht zu einer wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigungen führen, so dass die somatoforme Schmerzstörung nicht zu einer Erhöhung der Gesamt-MdE auf 25 v.H. führt.

Die Berufung des Klägers konnte nach alledem keinen Erfolg haben, sie war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache und beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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