S 7 U 227/02

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 7 U 227/02
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Wird ein Beteiligter im sozialgerichtlichen Verfahren von vornherein durch
ein einzige Beweisanordnung zu mehreren Untersuchungen durch verschiedene
Gutachter herangezogen, läuft eine einheitliche 3-Monats-Frist gemäß § 15
Abs. 2 ZSEG für die Geltendmachung der Entschädigung, die erst mit
Entlassung durch den letzten Sachverständigen beginnt, auch wenn der
Beteiligte von jedem Sachverständigen jeweils gesondert zum konkreten
Untersuchungstermin geladen wurde.
S 7 U 227/02

SOZIALGERICHT DRESDEN

In der Kostensache , - Antragsteller -

Prozessbevollmächtigte: ,

gegen

den Freistaat Sachsen – Staatskasse –, vertreten durch den Bezirksrevisor beim Sächsischen Landessozialgericht, Parkstraße 28, 09120 Chemnitz, - Antragsgegner -

erlässt der Vorsitzende der 7. Kammer des Sozialgerichts Dresden, Richter am Sozialgericht Tischer, ohne mündliche Verhandlung am 30. November 2004 folgenden

Beschluss:

Die Entschädigung des Antragstellers für die Teilnahme an den Untersuchungen durch die Sachverständigen PD Dr. med. habil. F. am 24.02.2004, Dr. med. M. am 23.04.2004 und PD Dr. med. B. am 14.06.2004 wird auf 126,82 EUR festgesetzt.

Gründe:
I. Der Antragsteller begehrt eine höhere Entschädigung für die Teilnahme an den Untersuchungen durch die Sachverständigen PD Dr. med. habil. F. am 24.02.2004, Dr. med. M. am 23.04.2004 und PD Dr. med. B. am 14.06.2004, zu denen er von den Sachverständigen auf Anordnung des Gerichts jeweils persönlich geladen worden war, wobei das Gericht alle drei Gutachter mit einer einzigen Beweisanordnung vom 27.01.2004 zu Sachverständigen bestimmt hatte. Mit Antrag vom 20.06.2004, eingegangen am 22.06.2004, machte der Antragsteller unter Vorlage der Originalfahrscheine der Deutschen Bahn AG eine Entschädigung für entstandene Fahrtkosten in Höhe von 46,- EUR für die Untersuchung am 24.02.2004, von 50,- EUR für die Untersuchung am 23.04.2004 und von 22,- EUR für die Untersuchung am 14.06.2004 geltend. Am 03.09.2004 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Entschädigung des Antragstellers auf 72,- EUR, bestehend aus Fahrtkosten in Höhe von 50,- EUR für die Untersuchung am 23.04.2004 und von 22,- EUR für die Untersuchung am 14.06.2004, fest und lehnte eine Entschädigung im Übrigen ab, weil der Entschädigungsantrag hinsichtlich der Untersuchung am 24.02.2004 nicht innerhalb der geltenden Frist von 3 Monaten bei Gericht eingegangen sei. Daraufhin beantragte der Antragsteller am 07.09.2004 sinngemäß die richterliche Festsetzung seiner Entschädigung entsprechend seinem Antrag vom 20.06.2004 und machte für jede Untersuchung sinngemäß zusätzlich Kosten für die Fahrt von seinem Wohnort zum nächstgelegenen Bahnhof mit dem eigenen Kraftfahrzeug von jeweils 14 km geltend. Ihm sei von PD Dr. med. habil. F. die Auskunft gegeben worden, dass eine Abrechnung der Fahrtkosten erst nach der letzten (Gesamt-)Begutachtung erfolge. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle erhöhte daraufhin am 05.10.2004 unter Berufung auf eine eingeholte Stellungnahme des Bezirksrevisors beim Sächsischen Landessozialgericht die Entschädigung um 2,94 EUR auf 74,94 EUR, weil für die Untersuchung am 14.06.2004 zusätzlich eine Fahrtstrecke mit dem eigenen Kraftfahrzeug von 14 km á 0,21 EUR zu berücksichtigen sei. Im Übrigen hinsichtlich der Untersuchung am 24.02.2004 und hinsichtlich der Fahrtkosten mit dem eigenen Kraftfahrzeug anlässlich der Untersuchung am 23.04.2004 sei die geltenden Frist von 3 Monaten für die Beantragung der Entschädigung verstrichen. Da die Frist von 3 Monaten eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist sei, komme eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht und es sei auch nicht ausnahmsweise Nachsicht zu gewähren, weil das Interesse der Allgemeinheit an der Einhaltung der Frist höher zu bewerten sei als die Interessen des Antragstellers, bei dem keine erheblichen, langfristigen Interessen betroffen seien. Zudem laufe eine Nachsichtgewährung dem Zweck der Ausschlussfrist zuwider. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und hier insbesondere auf die Kostenakte Bezug genommen.

II. Der Antrag auf richterliche Festsetzung der Entschädigung für die Teilnahme an den Untersuchungen durch die Sachverständigen PD Dr. med. habil. F. am 24.02.2004, Dr. med. M. am 23.04.2004 und PD Dr. med. B. am 14.06.2004 ist gemäß § 191 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 16 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG) statthaft und im tenorierten Umfang begründet. Nicht anwendbar ist demgegenüber das neue Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG), da der Antragsteller noch vor Inkrafttreten dieses Gesetzes zu den Untersuchungen herangezogen wurde (§ 24 JVEG). Die vom Antragsteller geltend gemachten Fahrtkosten sind in voller Höhe von 126,82 EUR zu entschädigen. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 ZSEG werden Fahrtkosten nur bis zur Höhe der Kosten für die Benutzung des preisgünstigsten öffentlichen Beförderungsmittels oder – bei einer Gesamtstrecke bis zu 200 km – auch bis zur Höhe der Kosten für die Benutzung eines eigenen oder unentgeltlichen von einem Dritten zur Verfügung gestellten Kraftfahrzeugs ersetzt. Höhere Fahrtkosten werden nur dann erstattet, wenn diese wegen besonderer Umstände notwendig sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 ZSEG). Danach sind die vom Antragsteller geltend gemachten Fahrtkosten mit der Deutschen Bahn AG einschließlich der Kosten für die Benutzung des eigenen Kraftfahrzeuges vom Wohnort zum nächsten Bahnhof und zurück für alle drei Untersuchungstage grundsätzlich in voller Höhe (hinsichtlich der Fahrtkosten mit dem eigenen Kraftfahrzeug in Höhe von 0,21 EUR je Kilometer, § 9 Abs. 3 Nr. 2 ZSEG) erstattungsfähig. Insoweit sind entgegen der Ansicht des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle auch die Fahrtkosten zur Untersuchung am 24.02.2004 insgesamt sowie die Fahrtkosten mit dem eigenen Kraftfahrzeug vom Wohnort zum nächstgelegenen Bahnhof und zurück anlässlich der Untersuchung am 23.04.2004 zu erstatten, weil der Entschädigungsanspruch des Antragstellers diesbezüglich nicht gemäß § 15 Abs. 2 ZSEG erloschen ist. Nach § 15 Abs. 2 ZSEG erlischt der Anspruch auf Entschädigung, wenn der Zeuge nicht binnen drei Monaten nach Beendigung der Zuziehung die Entschädigung beim zuständigen Gericht verlangt. Der Antragsteller ist insoweit gemäß § 191 SGG wie ein Zeuge zu behandeln, weil er von den Sachverständigen im Auftrag des Gerichts jeweils persönlich geladen wurde, sodass auch für ihn die Frist des § 15 Abs. 2 ZSEG gilt. Die Frist von drei Monaten lief vorliegend jedoch nicht für jede Untersuchung gesondert, sondern begann erst mit der Entlassung durch den Letzten der drei Sachverständigen am 14.06.2004 und endete somit am 14.09.2004. Sowohl der Antrag vom 22.06.2004 als auch die sinngemäße Erweiterung dieses Antrags am 07.09.2004 waren deshalb hinsichtlich aller drei Untersuchungstermine fristgemäß. Es ist zwar zutreffend, dass die Frist des § 15 Abs. 2 ZSEG bei Heranziehung eines Zeugen mit der Entlassung des Zeugen durch das Gericht beginnt und dann, wenn der Zeuge nach seiner Entlassung erneut vorgeladen wird, für diese erneute Heranziehung auch eine neue Frist läuft (Meyer/Höver/Bach, ZSEG, 22. Aufl. 2002, § 15 Rdnr. 4.3; Hartmann, Kostengesetze, 32. Aufl. 2002, § 15 ZSEG Rdnr. 6). Jedoch kommt es insoweit auf die Entlassung durch das Gericht und nicht durch den Sachverständigen an, sodass bei einem Zeugen, der durch einen Sachverständigen untersucht wurde, die Frist noch nicht mit der Entlassung durch den Sachverständigen, sondern erst mit der Beendigung der Beweisaufnahme, d.h. mit der Beendigung der Hinzuziehung durch das Gericht beginnt (Meyer/Höver/Bach, ZSEG, 22. Aufl. 2002, § 15 Rdnr. 4.5). Da der jeweilige Sachverständige den Zeugen (oder hier den Antragsteller und Kläger, der gemäß § 191 SGG entschädigungsrechtlich entsprechend einem Zeugen behandelt wird) nur im Auftrag des Gerichts persönlich vorlädt, kommt es somit darauf an, ob das Gericht den Zeugen von vornherein mit einer einzigen Beweisanordnung zu zwei oder drei Begutachtungen/Untersuchungen heranzieht, oder ob das Gericht den Zeugen zuerst mit einer Beweisanordnung nur zu einer einzigen Begutachtung/Untersuchung heranzieht und nach deren Ergebnis sich ggf. erneut entscheidet durch eine weitere Beweisanordnung den Zeugen zu einer zweiten Begutachtung/Untersuchung heranzuziehen. Im ersten Falle wird der Zeuge zu einer einzigen Beweisaufnahme herangezogen und die Frist von drei Monaten beginnt erst mit Beendigung der letzten Untersuchung, während im zweiten Fall für jede Untersuchung eine eigene Frist läuft, weil das Gericht (in dessen Auftrag der Sachverständige handelt) den Zeugen nach der ersten Beweisaufnahme (Begutachtung/Untersuchung) entlässt und sich das Gericht erst nach dieser Entlassung für eine erneute Vorladung und damit für eine erneute Beweisaufnahme entscheidet. Im ersten Fall gilt demzufolge nichts anderes, als wenn ein Zeugen von vornherein zu einem mehrtägigen Beweisaufnahmetermin herangezogen wird und die Frist des § 15 Abs. 2 ZSEG erst mit der endgültigen Entlassung am letzten Tag beginnt (Hartmann, Kostengesetze, 32. Aufl. 2002, § 15 ZSEG Rdnr. 6). Da vorliegend das Gericht den Antragsteller mit einer einzigen Beweisanordnung vom 27.01.2004 zur Begutachtung durch drei unterschiedliche Sachverständige mit jeweils eigener Untersuchung durch jeden der Sachverständigen herangezogen hat, war der Antragsteller erst nach Ende der Untersuchung durch den letzten der drei Sachverständigen von diesem letzten Sachverständigen im Auftrag des Gerichts entlassen worden, mit der Folge, dass die Frist des § 15 Abs. 2 ZSEG im vorliegenden Fall erst am 14.06.2004 – mit Entlassung durch PD Dr. med. B. – begann. PD Dr. med. habil. F. hat dem Kläger deshalb zutreffend Auskunft gegeben.
Rechtskraft
Aus
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