L 4 KR 66/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 44 KR 6/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 66/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 7. November 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, Kosten zu erstatten, die der Klägerin durch Inanspruchnahme des nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Kinderarztes Dr.S. ab Oktober 2000 bis 31.12.2003 entstanden sind.

Die 1993 geborene Klägerin ist über ihre versicherungspflichtige Mutter bei der Beklagten versichert. Die Beklagte hat bereits mit Bescheid vom 13.04.2000 mitgeteilt, sie könne in Zukunft Kosten für privat abgerechnete Leistungen nicht mehr erstatten. Nach telefonischem Widerspruch hiergegen wurden Rechnungen des Kinderarztes G. S. aus dem Jahr 2000 nochmals erstattet.

Mit Bescheid vom 16.02.2001 hat dann die Klägerin entschieden, eine Kostenerstattung für Kosten der Behandlung durch Dr.S. könnte in Zukunft nicht mehr vorgenommen werden, weil er nicht als Vertragsarzt tätig sei. Hiergegen legte die Mutter der Klägerin mit Schreiben vom 20.03.2001 Widerspruch ein. Sie bezog sich auf Bestandschutz. Ihre Tochter werde seit Anfang 1994 durch Dr.S. ärztlich betreut. S. sei schwerstbehindert. Ein Arztwechsel wäre ein Risiko für das Leben des Kindes.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.11.2001 zurück.

Mit der hiergegen zum Sozialgericht München erhobenen Klage wurde das Ziel Kostenübernahme privatärztlicher Behandlung und und privatärztlich verordneter Rezepte weiter verfolgt. Die Klägerin, die als Drillingskind 1993 geboren worden war, leide an infantiler Cerebralparese mit ausgeprägter Tetra- spastik, sie bedürfe aufgrund ihrer Schwerstbehinderung der Betreuung in einer stationären Einrichtung. Sie sei bereits im Alter von neun Monaten von dem damals im S. Kinderkrankenhaus tätigen Kinderarzt und Homoöpathen Dr.S. behandelt worden. Nach seinem Ausscheiden aus dem S. Kinderkrankenhaus habe sich Dr.S. als selbständiger Kinderarzt niedergelassen und keine kassenärztliche Zulassung beantragt. Dennnoch habe die Beklagte bis einschließlich 1998 die Kosten des Dr.S. erstattet. Die Klägerin bedürfe weiter der Behandlung durch Dr.S. , dem sie durchschnittlich zweimal pro Jahr vorgestellt werde. Eine alternative Behandlung durch einen Vertragskinderarzt, der die homoöpathische Behandlung wie Dr.S. praktiziere, sei nicht zu finden. Die Klägerin befinde sich in einer Notsituation.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 07.11.2003 abgewiesen. Als Anspruchsgrundlage für die geltend gemachte Kostenerstattung komme ausschließlich § 13 SGB V in Betracht. Die Behandlung durch Ärzte, die keine Zulassung besitzen, d.h., die nicht in das vertragliche System mit den Krankenkassen einbezogen sind, sei zu Lasten der Kassen grundsätzlich ausgeschlossen. Die Voraussetzungen des § 13 Abs.3 SGB V seien nicht gegeben. Im vorliegenden Fall stünden keine aufschiebbaren Leistungen, insbesondere keine Notfälle im Sinne des § 76 Abs.1 Satz 2 SGB V in Frage. Auch ein sonstiges Systemversagen durch Vorliegen einer Versorgungslücke könne das Gericht nicht bejahen. Auch wenn das Gericht anerkenne, dass der behandelnde Privatarzt durch seine langjährige Kenntnis der Klägerin besonders gezielt auf ihre Gesundheit einwirken könne, begründe dies noch nicht das Vorliegen einer Versorgungslücke im Sinne des § 13 Abs.3 SGB V. Die Krankenkassen schuldeten den Versicherten und ihren Familienangehörigen eine bedarfsgerechte und gleichmäßige Versorgung unter Berücksichtigung des jeweiligen Standes der medizinischen Wissenschaft und Technik, sie hätten Leistungen zu gewähren, die zur Heilung und Linderung nach den Regeln der ärtzlichen Kunst zweckmäßig und ausreichend sind. Auf eine optimale, über den beschriebenen gesetzlichen Standard hinausgehende Versorgung bestehe hingegen grundsätzlich kein Anspruch. Eine Versorgungslücke könne auch nicht dadurch begründet werden, dass ein Vertrauensverhältnis zu einem bestimmten Behandler bestehe oder dieser über besondere Kenntnisse verfüge.

Die Beklagte habe die Leistung auch nicht zu Unrecht abgelehnt, weil grundsätzlich kein Anspruch auf Inanspruchnahme eines nicht zugelassenen Leistungserbringers gegeben sei. Da aufgrund der Rechtslage weder eine Erstattung der privatärztlichen Behandlungen noch der privaten Verordnungen möglich sei, könne auch dem Feststellungsantrag, gerichtet auf zukünftige Inanspruchnahme des Dr.S. , nicht entsprochen werden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die am 15.03.2004 eingegangene Berufung der Klägerin, zu deren Begründung vorgetragen wird, das Sozialgericht habe sich nicht ausreichend mit der Problematik Versorgungslücke und Vertrauensschutzgesichtspunkt befasst. Eine Versorgungslücke bestehe, weil sich in der näheren Umgebung der Klägerin kein Kinderarzt befinde, der zugleich Homoö- path und in der ganzheitlichen Behandlungsmethode ausgebildet ist. Auch die Beklagte sei nicht in der Lage gewesen, einen solchen Kinderarzt zu benennen. Außerdem sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Beklagte bereit sein sollte, einen Kassenarzt zu bezahlen, obwohl die Kosten des Dr.S. geringer seien.

Auch der Vertrauensschutzgesichtspunkt sei nicht ausreichend gewürdigt worden. Allein der Umstand, dass die gesetzlichen Vertreter der Klägerin mehrmals von der Beklagten auf die Beendigung der Kostenerstattung für Dr.S. hingewiesen wurden, könne einen Vertrauensschutz nicht entfallen lassen. Die Beklagte habe jahrelang die Kosten erstattet. Die Klägerin habe also darauf vertrauen dürfen, dass auch zukünftig die Kosten des Privatarztes bezahlt würden. Die Klägerin könne unter dem Prinzip des venire contra factum proprium gegenüber der Beklagten auf Vertragserfüllung bestehen, also auf Bezahlung der Behandlungskosten Dr.S. wie gehabt. Schließlich habe die Beklagte der Klägerin im Schreiben vom 13. April 2000 ausdrücklich weitere Kostenerstattung zugesagt. Dies ergebe sich daraus, dass zwar im 2. Satz dieses Schreibens die Kostenerstattung ausgeschlossen wird. Laut Satz 3 ("Einzige Ausnahme: Sie haben schon vor dem 01.01.1999 Kostenerstattung in Anspruch genommen. Wenn dies der Fall ist, informieren Sie micht bitte.") bestehe jedoch für die Klägerin, der vor dem 01.01.1999 Kosten erstattet wurden, eine Ausnahme.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.11.2003 und den Bescheid der Beklagten vom 16.02.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.11.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für die privatärztliche Behandlung bei Dr.S. sowie Medikamentenkosten ab Oktober 2000 bis 31.12.2003 in einer Gesamthöhe von 1.500,00 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Das angefochtene Urteil enthält nach ihrer Auffassung eine zutreffende rechtliche Würdigung des Sachverhalts.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der bei- gezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die wegen der Höhe des Beschwerdewertes nicht der Zulassung gemäß § 144 SGG bedarf, ist zulässig, sie erweist sich aber als unbegründet.

Das Sozialgericht hat im angefochtenen Urteil zutreffend entschieden, dass die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung nicht gegeben sind. Es hat darauf hingewiesen, dass als einzige Anspruchsgrundlage § 13 SGB V in Betracht kommt. Nach dessen Abs.1 darf die Krankenkasse anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht. Das bedeutet, eine Kostenerstattung setzt grundsätzlich einen Sachleistungsanspruch voraus. Ein Sachleistungsanspruch besteht nicht, wenn nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte die Leistung erbringen. Dr.S. ist nach seinem Ausscheiden aus dem S. Krankenhaus nicht als Vertragsarzt tätig geworden.

Eine Kostenerstattung gemäß § 13 Abs.2 SGB V scheitert daran, dass die Eltern der Klägerin nicht freiwillig versichert sind. Selbst dann dürften nur die im 4. Kapitel genannten Leistungs- erbringer in Anspruch genommen werden (§ 13 Abs.2 Satz 2 SGB V). Das Sozialgericht hat auch zutreffend ausgeführt, dass keine Versorgungslücke und kein Systemversagen besteht. Insoweit weist der Senat die Berufungen auf die Ausführungen des Sozialgerichts bezogen zurück und sieht gemäß § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Es ist auch Rechtsprechung des Senats (siehe z.B. Urteil vom 25.06.1998, L 4 Kr 77/96), dass es keinen Vertrauensschutz dahingehend gibt, Privatärzte, die in ihrer Stellung als Vertragsärzte (oder Krankenhausärzte) die Versicherten vorher behandelt haben, weiterhin in Anspruch nehmen zu können (zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung). Ein Arztwechsel ist zumutbar und in zahlreichen Fällen (Beendigung der Tätigkeit des Kassenarztes, Tod des Kassenarztes) unvermeidlich.

Das Schreiben der Beklagten vom 13.04.2000 an die Mutter der Klägerin enthält keine bindende Zusicherung im Sinne des § 34 SGB X. Satz 3 dieses Schreibens muss im Kontext mit Satz 2 gesehen werden. Satz 2 lehnt Kostenerstattung ausdrücklich ab, Satz 3 weist auf eine (angebliche) Ausnahmemöglichkeit hin und bedeutet damit nicht die Zusicherung einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen (§ 34 Abs.1 Satz 1 SGB X). Die Regelung des Verwaltungsakts vom 13.04.2000 enthält bereits Satz 2 des Schreibens.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Unterliegen der Klägerin.

Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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