L 16 RJ 93/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 5 RJ 1072/00 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 RJ 93/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. In Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 28. Oktober 2002 und des Bescheides der Beklagten vom 24.01.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.2000 wird die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab Antrag Rente wegen Berufsunfähigkeit, ab 01.11.2001 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren.
II. Die Beklagte erstattet dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach §§ 43, 44 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung bzw. Rente wegen Erwerbsminderung nach §§ 43, 240 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung (n.F.).

Der 1939 geborene Kläger ist Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina und hat seinen Wohnsitz in seiner Heimat. Dort bezieht er Rente vom bosnischen Versicherungsträger, dabei werden insgesamt 22 Jahre und 7 Monate berücksichtigungsfähige Zeiten zugrunde gelegt. Der bosnische Träger hat Versicherungszeiten zwischen 02.07.1962 und 03.04.1992 und erneut ab 05.06. 1995 bis 01.08.1998 mitgeteilt. In der Bundesrepublik hat der Kläger von Februar 1969 bis November 1973 für insgesamt 54 Monate Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung entrichtet. Mit dem Rentenantrag vom 07.09.1998 hat der bosnische Träger einen Untersuchungsbericht der Invalidenkommission vom 07.09. 1999 vorgelegt, den die Beklagte durch Dr.D. auswerten ließ. Darin sind folgende Diagnosen genannt:

1. Lungenfunktionsminderung bei Zustand nach Lungen-Tbc und Lungenüberblähung.

2. Gastroduodenitis.

3. Nierensteine links.

4. Funktionsminderung der Wirbelsäule bei Verschleißerscheinungen ohne Wurzelreizung.

5. Minderung des Hörvermögens beidseits.

6. Alkoholmissbrauch.

Dr.D. war der Auffassung, der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig, als Zimmermann dagegen nur mehr weniger als zwei Stunden täglich arbeiten. Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 24.01. 2000 wegen des vollschichtigen Leistungsvermögens ab. Mit seinem Widerspruch vom 01.03.2000, eingegangen am 09.03. 2000 legte der Kläger medizinische Unterlagen vor. Diese ließ die Beklagte erneut durch Dr.D. auswerten, der keine Änderungen feststellen konnte; es handele sich nur um eine vorübergehende Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Veränderungen am Bewegungsapparat, ab Rentenantrag sei der Kläger aber nicht mehr umstellungsfähig. Die Arbeitgeberauskunft der Firma W. AG ergab, dass der Kläger dort zwischen 1971 und 1973 als Zimmerer beschäftigt war und eine Facharbeitertätigkeit ausgeübt hat; bezahlt wurde er nach Lohngruppe V des Tarifvertrags für das Baugewerbe. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.07.2000 hat die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen mit der Begründung, es läge weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vor, da der Kläger als einfach Angelernter einzustufen sei und noch acht Stunden täglich arbeiten könne.

In der Klageschrift vom 27.09.2000 gab der Kläger an, sein Gesundheitszustand, insbesondere die Wirbelsäulen- und Nierenerkrankung, seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Er teilte mit, keinen Beruf erlernt zu haben; vor 1971 sei er als Hausmeister beschäftigt gewesen. Auf Veranlassung des Sozialgerichts untersuchte Dr.Z. , Facharzt für Allgemeinmedizin, den Kläger am 30.10.2001 und erstellte ein Gutachten. Er diagnostizierte:

1. Nachlassende Hirnfunktion bei allgemeiner Voralterung, Altersdepression, Verdacht auf Hirndurchblutungsstörungen, früherer Alkoholmissbrauch.

2. Lungenfunktionsbeeinträchtigung bei abgelaufener Tbc und Lungenemphysem.

3. Wirbelsäulensyndrom bei Abnutzungserscheinigungen ohne neurologische Ausfallerscheinungen.

Dr.Z. war der Auffassung, dass ab dem Untersuchungstag das Leistungsvermögen mit nur mehr weniger als drei Stunden zu bewerten sei. Er führte dies auf die Verschlechterung der Hirnfunktion zurück, denn bei der Voruntersuchung sei noch ein altersgemäßer psychischer Befund erhoben worden, obwohl der Kläger bereits damals als vorgealtert beschrieben worden sei. Bereits ab April 2001 sei das Leistungsvermögen aber auf weniger als sechs Stunden abgesunken gewesen, ab diesem Zeitpunkt habe sich der Kläger nicht mehr auf allereinfachste Tätigkeiten umstellen können.

Die Beklagte teilte in den Schriftsätzen vom 07.12.2001 und 28.06.2002 mit, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt, da der Kläger im maßgeblichen Fünfjahreszeitraum vom 15.04.1996 bis 14.05.2001 lediglich 28 Pflichtbeiträge bezahlt habe. Der Beurteilung des Leistungsvermögens durch Dr.Z. stimmte die Beklagte zu. Der Kläger sei aber kein Facharbeiter und genieße keinen Berufschutz. Sie beantragte daher, die Klage abzuweisen. Der Klägerbevollmächtigte hat hingegen vortragen lassen, der Kläger sei bereits seit Antragstellung, spätestens aber im Januar 1999, erwerbsunfähig gewesen und wies auf den Versicherungsverlauf des bosnischen Versicherungsträgers hin. Danach habe der Kläger zur Zeit der Rentenantragstellung die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt.

Nach Auskunft des Arbeitgebers hat der Kläger Facharbeitertätigkeiten als Zimmerer, nämlich Ausschalen, Einschalen und Beton einbringen verrichtet und war nach Lohngruppe V bezahlt.

Mit Urteil vom 28.10.2002 wies das Sozialgericht die Klage ab mit der Begründung, der Kläger sei zwar seit April 2001 erwerbsgemindert, nicht jedoch zu einem früheren Zeitpunkt. In seinem Beruf als Zimmerer sei er bereits bei Antragstellung nicht mehr einsetzbar gewesen, da er sich entsprechend den Feststellungen von Dr.D. auf andere Tätigkeiten nicht mehr umstellen konnte. Trotz dieser Feststellung der teilweisen Erwerbsminderung habe der Kläger aber keinen Anspruch auf Rente, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmals am 01.05.1994 erfüllt seien. Er könne auch keine Beiträge nach- entrichten, da nicht alle Zeiten ab 01.01.1984 belegt seien.

Mit dem Berufungsschriftsatz vom 04.02.2003, eingegangen am 14.02.2003 beim Bayer. Landessozialgericht, wandte sich der Kläger gegen das Urtel des Sozialgerichts Landshut, das ihm am 27.11.2002 zugestellt worden war. Zur Begründung trug er vor, er sei bereits bei Antragstellung berufs- bzw. erwerbsunfähig gewesen, dies ergebe sich aus den beigefügten Entlassungsberichten des Krankenhauses S. von 1992 bzw. den übrigen Unterlagen aus den Jahren 1998, 1999 und 2000.

Die Beklagte beantragte im Schriftsatz vom 18.03.2003, die Berufung zurückzuweisen, da die Berufungsschrift keine neuen Gesichtspunkte enthalte. Sie vertrat die Auffassung, der Kläger habe zum Zeitpunkt der Antragstellung die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, da nur 34 Monate und 18 Tage Pflichtbeiträge nachgewiesen seien. Diese Berechnung ergebe sich unter Berücksichtigung ihrer Arbeitsanweisungen zur Zusammenrechnung von Versicherungszeiten nach Art.25 des Sozialversicherungsabkommens mit Jugoslawien. Der Klägerbevollmächtigte beantragte im Schriftsatz vom 29.03. 2004, die zur Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen fehlenden zwei Monate nachentrichten zu können. Auf Anfrage des Senats teilte der Arbeitgeber mit, der Kläger sei nach der Lohngruppe IV entlohnt worden, die Arbeiten hätte er unter Anleitung vorgenommen, andere Arbeitnehmer seien ihm nicht unterstellt gewesen. Es könne mangels fehlender Unterlagen nicht geprüft werden, ob er Pläne lesen konnte.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 28.10.2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24.01.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit ab Antragstellung zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Landshut und des Bayer. Landes- sozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig und begründet.

Der Kläger hat Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit ab Antragstellung sowie Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.11.2001. Das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 28.10. 2002 sowie der Bescheid der Beklagten vom 24.01.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.2000 waren daher abzuändern. Dabei ist der Senat mit dem Sozialgericht der Auffassung, dass der Kläger am 07.09.1998 berufsunfähig war und ihm als angelerntem Arbeiter ab dieser Zeit wegen der fehlenden Umstellungsfähigkeit keine zumutbare Verweisungstätigkeit benannt werden kann. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, die 3/5-Belegung, jedoch erfüllt, denn der Kläger hat ausweislich des Versicherungsverlaufes vom 15.03.1999 in seiner Heimat zwischen dem 05.06.1995 und dem 01.08.1998 insgesamt 38 Monate Beitragszeit zurückgelegt.

Der Anspruch des Klägers richtet sich nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.), da er den Rentenantrag vor dem 03.04.2001 gestellt hat und Rente auch für Zeiten vor dem 01.01.2001 begehrt (§ 300 Abs.2 SGB VI i.V.m. § 26 Abs.3 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - SGB X -). Nach § 43 SGB VI (a.F.) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahrs Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie

1. berufsunfähig sind,

2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und

3. vor Eintritt der Berufsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Diese Voraussetzungen sind beim Kläger ab Antragstellung am 07.09.1998 erfüllt.

Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs.2 SGB VI a.F.).

Das danach festzustellende berufliche Leistungsvermögen des Klägers ist deutlich eingeschränkt, was zwischen den Beteiligten ab dem Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr.Z. unstreitig ist. Sowohl die Beklagte als auch das Sozialgericht sind Dr.Z. insoweit gefolgt, als dieser für die Zeit seit 15.04.2001 auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch ein Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden und ab 30.10. 2001 von weniger als drei Stunden angenommen hat. Keine Einwendungen hat die Beklagte auch gegen die Feststellung von Dr. Z. erhoben, dass der Kläger im April 2001 sich nur noch auf allereinfachste Tätigkeiten umstellen konnte, wobei die Umstellungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht mehr gegeben war. Dr.Z. beschreibt in seinem Gutachten einen deutlich vorgealtert wirkenden, verlangsamten, verbrauchten und umständlichen Mann in reduziertem Allgemeinzustand, dessen Auffassungsvermögen herabgesetzt war und der beim orientierenden Gedächtnistest Defizite zeigte. Es wurde von Dr.Z. bei seiner Untersuchung eine erhebliche Beeinträchtigung der Hirnfunktion des Klägers festgestellt, wobei das Gedächtnis, die Umstellungsfähigkeit, die Stresstoleranz und die Ausdauer betroffen waren. Dr.Z. vermerkte auch, dass es zu einem sozialen Rückzug gekommen sei, der sicher mit der beginnenden Altersdepression zusammenhänge. Im Vordergrund des Beschwerdebilds steht deshalb die nachlassende Hirnfunktion. Während die übrigen Gesundheitsstörungen sich im Wesentlichen bei der Untersuchung durch Dr.Z. ähnlich wie bei der Untersuchung durch die Invalidenkommission dargestellt haben, ergab sich bei der Hirnfunktion eine deutliche Verschlechterung des Beschwerde- und Zustandsbildes, was unstreitig in der weniger als sechs- stündigen Leistungsbeurteilung ihren Niederschlag findet. Das Gutachten von Dr.Z. ist schlüssig, wurde aufgrund eigener Befunderhebung und Untersuchung erstellt und hat alle zur Verfügung stehenden Unterlagen ausgewertet. Daneben hat Dr.D. im Verwaltungsverfahren in Auswertung der zahlreichen Unterlagen aus dem Heimatland des Klägers festgestellt, dass dieser bereits bei der Untersuchung durch die Invalidenkommission als vorgealtert beschrieben wurde und dieser Befund auch für den Zeitpunkt Juli 1998 durch den Facharzt für Neuropsychiatrie Dr.M. D. festgestellt wurde. Auch damals waren ein erschwertes Gedächtnis, eine Pelzigkeit in Armen und Beinen, nervöse Zustände sowie angespannte und depressive Phasen erkennbar. Dr.D. hat bereits in seiner Anhörung zum Widerspruch festgestellt, dass der Kläger ab Rentenantrag nicht mehr umstellungsfähig war. Durch diese Unterlagen ist somit nachgewiesen, dass, wie es auch vom Sozialgericht angenommen wurde, das Leistungsvermögen des Klägers bei Antragstellung im September 1998 deutlich eingeschränkt war und er sich zu diesem Zeitpunkt bereits nur noch auf allereinfachste Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt umstellen konnte. Darüber hinaus war zwischen den Beteiligten bereits im Verwaltungsverfahren unstreitig, dass der Kläger den in der Bundesrepublik zwischen September 1971 und November 1973 zuletzt bei der Firma W. ausgeübten Beruf als Zimmerer nicht mehr ausüben konnte.

Neben dem beruflichen Leistungsvermögen ist weiterer Ausgangspunkt für die Feststellung der Berufsunfähigkeit der Hauptberuf des Versicherten. Bei dessen Bestimmung ist grundsätzlich von der zuletzt ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit auszugehen (vgl. Niesel, Kasseler Kommentar, § 43 SGB VI Rdnrn.21 ff. m.w.N.). Maßgeblicher Hauptberuf ist vorliegend der Beruf des Zimmerers, wie ihn der Kläger bei der Firma W. bis November 1973 ausgeübt hat. Diesen Beruf kann er unstreitig, das heißt auch von der Beklagten eingeräumt, nicht mehr ausüben. Es sind also keine anderen als ganz leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr denkbar, die der Kläger mit dem verbliebenen Leistungsvermögen noch ausüben könnte. Für die Annahme von Berufsunfähigkeit reicht es nicht aus, wenn Versicherte ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben können; vielmehr sind - wie sich aus § 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI a.F. ergibt - Versicherte nur dann berufsunfähig, wenn ihnen auch die Verweisung auf andere Berufstätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen oder sozial nicht mehr zumutbar ist (ständige Rechtsprechung des BSG vgl. u.a. SozR 2200 § 1246 RVO Nr.138). Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der sozialen Wertigkeit des bisherigen Berufs. Um diese zu beurteilen, hat das BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 RVO Nrn.138 und 140). Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. z.B. BSG SozR 3-2200 § 1246 RVO Nrn.27 und 33). Grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächstniedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 143 mit weiteren Nachweisen; SozR 3-2200 § 1246 Nr.5).

Unter Anwendung diser Grundsätze ist der Kläger der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters und zwar im oberen Bereich (Ausbildungs- oder Anlernzeit von mehr als einem Jahr, vgl. BSG-Urteil vom 29.03.1994 - Az.: 13 RJ 35/93 = SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr.45), zuzuordnen. Dies hat bereits überzeugend das Sozialgericht im angefochtenen Urteil vom 28.10.2000 festgestellt. Dieses Ergebnis und die Überlegungen des Sozialgerichts, dass der Kläger als Einschaler und Betonierer der Gruppe der angelernten Arbeiter zuzuordnen ist, bestätigt sind durch die vom Senat vorgenommene Rückfrage beim letzten Arbeitgeber. Auch wenn nicht mehr geprüft werden konnte, ob der Kläger selbständig Pläne lesen konnte, ergibt sich doch aus der vom Arbeitgeber mitgeteilten Lohngruppe IV, dass er über den Baufachwerker hinaus tariflich eingestuft war. Dies rückt auch die Mitteilung des Arbeitgebers im Verwaltungsverfahren, der Kläger habe Facharbeiten verrichtet, die andere Arbeitnehmer nur mit dreijähriger Ausbildung ausüben, in verständlicheres Licht. Bei dieser ersten Auskunft hat der Arbeitgeber auch vermerkt, der Kläger habe die für eine Facharbeitertätigkeit erforderliche Qualifikation durch mehrjährige Tätigkeit erlangt und über alle praktischen und theoretischen Kennnisse eines voll ausgebildeten Facharbeiters verfügt. Bei dieser Sach- und Rechtslage hat der Senat keine Zweifel, dass es sich beim Kläger um einen Angehörigen der Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten im oberen Bereich handelt. Deshalb kann er - wie das BSG im genannten Urteil vom 29.03.1994 (BSG a.a.O.) ausführlich dargestellt hat - nicht auf den allgemeinen Arbeits- markt schlechthin verwiesen werden, vielmehr scheiden ungelernte Tätigkeiten von nur ganz geringem qualitativen Wert aus. Die dem Kläger zumutbaren Verweisungstätigkeiten müssen sich durch Qualitätsmerkmale wie z.B. das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruficher und betrieblicher Vorkenntnisse auszeichnen. Solche Tätigkeiten sind in der Regel der Gruppe mit dem Leitbild des Angelernten im unteren Bereich zuzurechnen, es können aber auch durch Qualitätsmerkmale herausgehobene ungelernte Tätigkeiten hierfür in Betracht kommen (BSG a.a.O. unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung). Diesen Anforderungen genügte das Leistungsvermögen des Klägers bereits ab Antragstellung nicht mehr, da, wie bereits ausgeführt, es an der nötigen Umstellungsfähigkeit fehlte und gerade die nachlassende Hirnleistungsfunktion die Tätigkeiten verhindert, die sich aus dem allgemeinen Arbeitsmarkt entweder durch Verantwortung oder durch eine erforderliche Einweisungs- und Anlernzeit herausheben. Entgegen der Auffassung der Beklagten, wie sie sowohl in den Schriftsätzen gegenüber dem Sozialgericht als auch im Berufungsverfahren vertreten wurde, ist der Kläger somit nicht auf alle ungelernten Tätigkeiten verweisbar. Ihm zumutbare herausgehobene Tätigkeiten sind aber aufgrund des eingeschränkten Leistungsvermögens ausgeschlossen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Sozialgerichts erfüllt der Kläger auch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, so dass ihm Rentenleistungen zustehen. Der maßgebliche Fünfjahreszeitraum umfasst die Zeit vom 07.09.1993 bis 06.09.1998. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind in diesem Zeitraum folgende Beitragszeiten in Bosnien nachgewiesen:

05.06.1995 bis 22.07.1995 = 2 Monate,

01.09.1995 bis 17.09.1995 = 1 Monat,

11.10.1995 bis 21.11.1995 = 2 Monate,

18.12.1995 bis 31.12.1995 = 1 Monat,

15.01.1996 bis 31.12.1996 = 12 Monate,

01.01.1997 bis 01.08.1998 = 20 Monate,

so dass insgesamt im maßgeblichen Zeitraum 38 Beitragsmonate nachgewiesen sind. Anders die Berechnung der Beklagten, die bei der Berücksichtigung bosnischer Versicherungszeit die Gesamtbeitragszeit nach Jahren, Monaten und Tagen addiert und sich dafür auf Art.25 Abs.1 des Sozialversicherungsabkommens Jugoslawien vom 12.10. 1968 beruft sowie der Auffassung ist, dass § 122 Abs.1 SGB VI bei der Bewertung jugoslawischer Versicherungszeiten, keine Anwendung finde. Dieser Auffassung ist nicht zuzustimmen.

Das deutsch-jugoslawische Sozialversicherungsabkommen vom 12.10.1968 (BGBl.II 1969 S.1438) in der Fassung des Änderungsabkommens vom 30.09.1974 (BGBl.I 1975 S.93) - DJSVA -, das im Verhältnis zu Bosnien-Herzegowina gemäß der Bekanntmachung vom 16.11.1992 (BGBl.II S.1196) weiter anzuwenden ist und somit auch für den hier vorliegenden Rentenantrag Anwendung findet, enthält keine die bundesgesetzliche Regelung des § 122 Abs.1 SGB VI abändernde oder ersetzende Regelung über die Anrechnung der im ehemaligen Jugoslawien zurückgelegten, abkommensrechtlich als rentenrechtliche Zeit im Sinne des § 51 Abs.3 SGB VI zu berücksichtigenden Versicherungszeiten. Weder die hierfür allein in Betracht kommenden Art.25 Abs.1, 27 Nr.5 DJSVA noch die zu diesem Sozialversicherungsabkommen ergangenen Zustimmungsgesetze lassen einen dahingehenden Willen der Abkommenstaaten bzw. des deutschen Gesetzgebers erkennen. Art.27 Nr.5 DJSVA soll - wie die Beklagte im vergleichbaren Verfahren (L 16 RJ 110/03) eingeräumt hat - lediglich dem Umstand Rechnung tragen, dass nach bosnischem Recht Versicherungszeiten auch über deren kalendermäßig bestimmte Dauer hinaus rentenrechtlich Anrechnung finden können. Demgegenüber bestimmt Art.25 Abs.1 Satz 3 DJSVA lediglich, dass es für die Frage, ob Versicherungszeiten in ihrer vollen Dauer oder nur zeitlich begrenzt zu berücksichtigen sind, allein auf das Recht des Staates ankommt, in dem die Zeit zurückgelegt worden ist. Beide Vorschriften regeln damit zeitliche Grenzen der abkommensrechtlich zu berücksichtigenden Versicherungszeiten, nicht aber die Art und Weise ihrer Berücksichtigung nach dem Recht des jeweils anderen Staates. Eine gesetzliche Grundlage für die von der Beklagten vorgenommene Umrechnung der vom bosnischen Versicherungsträger mitgeteilten Gesamtversicherungszeit in Monate und deren kalendermäßige Zuordnung im Versicherungsverlauf des Versicherten gibt es nicht. Die früher in der RVO vorhandene Umrechnungsregelung von Wochen in Monate (§ 1250 Abs.2 RVO a.F.) wurde in das neue Recht nicht übernommen, in Anwendung der deutschen Vorschriften - und dies bestreitet die Beklagte für deutsche Versicherungszeiten ja auch nicht - werden deshalb in der Folge für eine in zwei Kalendermonate hineinreichende Woche der Beitragszahlung zwei Kalendermonate auf die Wartezeit angerechnet (vgl. dazu Niesel in Kasseler Kommentar § 122 Anm.3). Die Berücksichtigung von Abkommenszeiten wäre, folgte man der Rechtsansicht der Beklagten, bei ausländischen Versicherungszeit nur zur Erfüllung der Wartezeit, nicht aber bei der Prüfung besonderer versicherungsrechtlicher Voraussetzungen möglich. Denn als Folge wären diese Zeiten, vergleichbar mit den durch Versorgungsusgleich übertragenen Anwartschaften, eine bloße Summe von Versicherungszeiten und könnten nicht kalendermäßig zugeordnet werden. Dass dies weder bundesgesetzlich noch abkommensrechtlich gewollt ist und im Übrigen von der Beklagten für Zeiträume, die den vollen Monat betreffen, auch nicht so angewandt wird, muss nicht weiter erläutert werden. Bei Prüfung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach §§ 43 Abs.1 Satz 1 Nr.4 bzw. 44 Abs.1 Satz 1 Nr.2 und 38 Satz 1 Nr.3 SGB VI (in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung a.F.) ist eine kalendermäßige Zuordnung der Beitragszeiten unabdingbar. Es ist keine gesetzliche Grundlage erkennbar, warum die für Teilmonate gezahlten Beiträge im Wege einer Zusammenrechnung und die dann erfolgte Teilung auf andere kalendermäßig zu erfassende Zeiten umgerechnet werden. Dabei ist außerdem zu berücksichtigen, dass die Frage der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzung eine rein deutsche Vorschrift ist, so dass sich die Berücksichtigung dieser Zeiten auch rein nach deutschen Bestimmungen, also § 122 Abs.1 SGB VI, zu richten hat. Für die von der Beklagten im Verfahren L 16 RJ 110/03 vorgetragene unterschiedliche Behandlung der Versicherungszeiten bei Prüfung der Wartezeit (hier Anrechnung der aus der Summe aller Versicherungstage gebildeten Zahl von Monaten, wobei eine Restzeit von weniger als drei Tagen als voller Monat angerechnet wird) und der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (hier kalendermäßige Anrechnung, d.h. Berücksichtigung jedes teilbelegten Monats als voller Versicherungsmonat), ist ebenfalls keine rechtliche Grundlage ersichtlich. Weder das SGB VI noch die genannten Abkommen sehen eine solche unterschiedliche Anrechnung identischer Versicherungszeiten vor. Im Übrigen würde eine andere Berechnungsweise auch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Außerdem begegnet es keinen tatsächlichen Schwierigkeiten, die vom ausländischen Versicherungsträger kalendermäßig übermittelten Versicherungszeiten in Anwendung des § 122 Abs.1 SGB VI ohne erkennbaren Widerspruch zum Regelungssystem des SGB VI und des DJSVA im bundesdeutschen Rentenversicherungssystem zu berücksichtigen. Das deutsch-jugoslawische Abkommen bezweckt vielmehr, wie eine Vielzahl gleichartiger anderer Sozialversicherungsabkommen, gerade die weitgehende versicherungsrechtliche Gleichstellung der von den beiderseitigen Staatsangehörigen im jeweiligen anderen Staat zurückgelegten Beschäftigungszeiten. Für die von der Beklagten angewandte Berechnungsmethode ergeben sich weder rechtliche Grundlagen noch tatsächliche Notwendigkeiten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Hinblick darauf, dass der Kläger beginnend ab Antrag im Wesentlichen mit seinem Klagebegehren erfolgreich war, hielt der Senat eine vollständige Kostenerstattung für gerechtfertigt.

Der Senat hat die Revision zugelassen, da zum Verhältnis des § 122 Abs.1 SGB VI zu Art.25 Abs.1 Satz 3 und Art.27 Nr.5 DJSVA - soweit ersichtlich - noch keine Entscheidung des Bundessozialgerichts vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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