L 6 RJ 553/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 RJ 5008/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 553/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 RJ 265/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 29. September 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise - ab 01.01.2001 - auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Der 1940 geborene Kläger ist italienischer Staatsangehöriger.

Er ist in der Bundesrepublik Deutschland vom 14.09.1959 bis 22.08.1975 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen; weitere Pflichtbeiträge liegen vom 27.08.1975 bis 15.10.1975 aufgrund eines Rehabilitationsverfahrens vor (Versicherungsverlauf vom 19.01.1994). Der Kläger hat am 25.06.1974 einen Arbeitsunfall erlitten (Sturz von einem Dach), der von der Bau-Berufsgenossenschaft Hamburg durch eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v.H. entschädigt wird.

In Italien hat der Kläger vom 01.03.1977 bis 31.10.1979 als abhängig Beschäftigter und vom 01.03.1980 bis 30.06.1981, vom 01.10.1981 bis 31.12.1981 sowie vom 01.01.1983 bis 31.12.1983 als selbständiger Handwerker Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt (Auszug aus dem Versicherungskonto vom 03.04.1997; Formblatt E 205 des I.N.P.S. Imperia vom 01.03.1999); nach seinen Angaben ist der Kläger bereits seit einem am 20.02.1983 in seiner Heimat erlittenen Arbeitsunfall arbeitsunfähig (Sturz vom Dach wegen eines plötzlichen Windstoßes) und auch nach Dezember 1983 nicht mehr berufstätig gewesen.

Der Kläger hat zunächst in Italien den Beruf eines Brauers und Mälzers erlernt (Prüfungszeugnis vom 30.06.1959). Sodann hat er in der Bundesrepublik Deutschland, wie aus seinen Versicherungskarten, Arbeitszeugnissen und Angaben (insbesondere anläßlich der Vorsprache am 18.11.1974 bei der Bau-Berufsgenossenschaft Hamburg) zu entnehmen ist, zunächst - bis Dezember 1961 - in seinem erlernten Beruf gearbeitet. Anschließend ist er in verschiedenen Branchen in jeweils relativ kurzen Arbeitsverhältnissen gestanden; vom 02.03.1965 bis 30.09.1970 hat sich ein längeres Beschäftigungsverhältnis bei der "W. ", H. , angeschlossen.

Neben seiner laufenden Berufstätigkeit (wie sich aus der ununterbrochenen Beitragszahlung ergibt) hat der Kläger vom 06.01. 1970 bis 11.06.1970 (132 Stunden) einen Kunststoff-Lehrgang über die Verarbeitung von Halbzeugen aus nichthärtbaren Kunststoffen (Thermoplasten) und parallel - vom 04.05.1970 bis 11.06.1970 - einen Lehrgang über die Verarbeitung von Bodenbelägen aus thermoplastischen Kunststoffen sowie vom 09.02.1971 bis 29.04.1971 einen Kunststofflehrgang über die Verarbeitung glasfaserverstärkten Polyesterharzen absolviert (Zeugnisse bzw. Berufsbildungspaß der Gewerbeförderungsanstalt der Handwerkskammer H. vom 11.06.1970 und vom 07.05.1971).

In der Folge hat der Kläger, wie aus seinen Versicherungskarten zu ersehen ist, ab 01.10.1970 bis 31.05.1974 in der Kunststoffbranche gearbeitet (01.10.1970 bis 26.02.1971 Firma Kunststofftechnik W. B. , H. ; 01.03.1971 bis 26.04.1972 Firma i. gmbh, H. ; 17.04.1972 bis 31.10.1973 Firma E. KG, A. ; 01.11.1973 bis 31.05.1974 erneut Firma i. gmbh, H.). Vom 24.06.1974 bis 08.04.1975 ist der Kläger als Bauhilfsarbeiter - so die Berufsbezeichnung in der Akte der Bau-Berufsgenossenschaft Hamburg - bei der Firma H. GmbH, H. , beschäftigt gewesen, bei der er den bereits oben erwähnten Arbeitsunfall erlitt.

Seine Berufstätigkeit bis einschließlich der Beschäftigung bei der Firma H. GmbH beschrieb der Kläger damals (anläßlich seiner Vorsprache bei der Bau-Berufsgenossenschaft Hamburg am 18.11.1974) dahingehend, er sei in verschiedenen Wirtschaftszweigen als Helfer beschäftigt gewesen, so auch als Barkeeper, Dachteerer, Isolierer, Kraftfahrer, Montagehelfer usw.; er habe wegen besserer Verdienstmöglichkeiten häufig den Arbeitsplatz gewechselt.

Nach der Beschäftigung bei der Firma H. GmbH hat der Kläger nach seinen Versicherungskarten und seinen Angaben (insbesondere am 01.09.1975 bei der Bau-Berufsgenossenschaft Hamburg und in einem Schreiben an das Sozialgericht Augsburg vom 21.04.1997) noch kurzfristig in Restaurants als Kellner gearbeitet (22.04.1975 bis 25.06.1975 Fa. f. Restaurant-Betriebs-GmbH & Co. KG , H.; 25.06.1975 bis 22.08.1975 Pizzeria C. , Inh. M. S. , H.).

Nach seiner Rückkehr nach Italien ist der Kläger vom März 1977 bis Oktober 1979 bei der Firma S. in grosso di Piscine-Saune, Attrezzature sportive, B. , als Kunststofftechniker-Angestellter (so die Bezeichnung beim Einwohnermeldeamt) beschäftigt gewesen.

Der Kläger hat sich dann mit einer eigenen Firma in R. selbständig gemacht und hat nach seinen Angaben beim Bau von Schwimmbädern und Saunen Aufträge als Subunternehmer ausgeführt, außerdem Arbeiten an Dächern übernommen. Durch das Provinzinspektorat für Arbeit in B. erhielt der Kläger unter dem 11.10.1982 die Genehmigung, in seinem Betrieb einen Lehrling für die Ausbildung zum Maurer ("muratore") zu beschäftigen. Die Lohnabrechnungen des im Hinblick auf diese Genehmigung am selben Tag eingestellte L. T. bezeichnen als Gegenstand der Ausbildung eine "Lehre für Schwimmbadpflege und -instandhaltung".

Seine selbständige Erwerbstätigkeit hat der Kläger aufgrund des bereits erwähnten Arbeitsunfalls vom 02.02.1983 aufgegeben. Nach seinen Angaben (insbesondere Schreiben vom 08.04.2002) hat er in der Folgezeit bis Oktober 1995 in seiner Heimat Leistungen wegen Arbeitslosigkeit bezogen und anschließend private Unterstützung erfahren.

Bezüglich der für die Zeit ab 01.01.1984 angegebenen Arbeitslosigkeit kann der Kläger keine Nachweise vorlegen. Angaben über eine über den 31.12.1983 hinaus dauernde Krankheit oder den Bezug von Sozialleistungen wegen Krankheit hat der Kläger nicht gemacht.

Mit Bescheid vom 19.01.1994 und Widerspruchsbescheid vom 26.01. 1995 (am 30.01.1995 mit eingeschriebenem Brief zur Post gegeben) lehnte die Beklagte den am 16.07.1992 gestellten Antrag des Klägers auf Zahlung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit ab, weil der Versicherte noch vollschichtig arbeiten könne und auf alle Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verweisbar sei. Außerdem seien auch die Voraussetzungen für eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht mehr erfüllt; insbesondere sei diesbezüglich der in Italien erlittene Arbeitsunfall ohne Auswirkung.

Hiergegen erhob der Kläger am 01.03.1995 Klage, die vom Sozialgericht Augsburg (SG) mit Urteil vom 06.08.1996, dem Kläger am 23.08.1996 zugestellt, abgewiesen worden. Auf die am 17.09.1996 eingelegte Berufung verwies der Senat mit Urteil vom 03.12.1996 den Rechtsstreit wegen mangelnder Sachaufklärung an das SG zurück.

Das SG zog die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten der Bau-Berufsgenossenschaft Hamburg bei und holte sodann medizinische Sachverständigengutachten ein von dem Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. L. (Gutachten vom 10.05.1999) und von dem Facharzt für Neurologie Dr. D. (Gutachten vom 01.06.1999).

Folgende Gesundheitsstörungen wurden beim Kläger festgestellt:

1. Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma Grad II am 25.06.1974 (temporale Schädelfraktur rechts), posttraumatische Epilepsie mit Anfallsfreiheit seit 1987.

2. Geringgradige Schädigung des Nervus ulnaris links in seinem Sulcusbereich ohne neurologisches Defizit.

3. Zustand nach sensiblen Mißempfindungen an den Fingern 3 bis 5 rechts unklarer ätiologischer Zuordnung.

4. Zustand nach Ellbogengelenkfraktur am 02.02.1983.

5. Ausgeprägte Arthrose des linken Ellbogengelenks mit Funktionseinschränkung.

6. Leichte Handgelenksarthrose links und ausgeprägte Arthrose im rechten Handgelenk mit begleitender Funktionseinschränkung, aber Ausübbarkeit der Grob- und Feingriffformen.

7. Leichtes Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom ohne neurologisches Defizit.

8. Coxalgie links bei Senk- und Spreizfüßen beidseits ohne gravierende Geh- und Stehminderung.

Durch den Arbeitsunfall vom 25.06.1974 - so die Sachverständigen - werde der Kläger in seiner Erwerbsfähigkeit nicht mehr beeinträchtigt. Er könne unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses (insbes. ohne zusätzliche Pausen) leichte Arbeiten mit der Möglichkeit zum Wechsel der Ausgangsposition vollschichtig verrichten, wobei keine Anforderungen an die Kraft und Geschicklichkeit der Finger beider Hände gestellt werden dürften; zu vermeiden sei sehr häufiges Bücken und häufige Überkopfarbeit. Beschränkungen des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte bestünden nicht.

Nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 29.09.1999 sein Klagebegehren auf Zahlung von Rente wegen Berufsunfähigkeit ab dem Zeitpunkt des Rentenantrags beschränkt hatte, wies das SG die Klage mit Urteil vom 29.09.1999 ab, weil der Kläger nicht berufsunfähig sei. Selbst wenn man den Kläger nach seiner in Italien zuletzt ausgeübten, inhaltlich nicht mehr genau feststellbaren selbständigen Tätigkeit dem oberen Anlernbereich im Sinn der Mehrstufentheorie des Bundessozialgerichts (BSG) zuordnen wollte, wäre er bei dem festgestellten beruflichen Leistungsvermögen auf die Berufstätigkeit eines einfachen Pförtners verweisbar.

Am 10.11.1999 ging die Berufung des Klägers gegen dieses ihm am 14.10.1999 zugestellte Urteil beim Bayer. Landessozialgericht ein. Zur Begründung trug er vor, er habe seinerzeit seine selbständige Tätigkeit zusammen mit dem (näher benannten) Zeugen H. S. begonnen und bis zu sechs Hilfsarbeiter beschäftigt. Unter dem 11.10.1982 sei ihm von der zuständigen Behörde genehmigt worden, einen Lehrling einzustellen für die Ausbildung zum Maurer bzw. - dies sei in dem Wort "muratore" enthalten - für die ganz allgemeine Ausbildung zur Errichtung von Baulichkeiten auf oder unter dem Erdboden. Er habe dann tatsächlich einen Lehrling ausgebildet habe, wie aus den (vorgelegten) Lohnabrechnungen für L. T. für die Monate Oktober bis Dezember 1982 zu ersehen sei. Aufgrund dieser Tätigkeit sei ihm Berufsschutz zumindest als Facharbeiter zuzugestehen. Sein Gesundheitszustand habe sich seit 1999 nicht verschlechtert.

Der Senat zog die Klageakten des SG Augsburg S 13 Ar 5010/95 It sowie S 5 RJ 5008/97 It, die erledigte Berufungsakte des Bayer. Landessozialgerichts L 6 Ar 417/96, die Verwaltungsakten der Beklagten und die Akten der Bau-Berufsgenossenschaft Hamburg bei.

Bei seiner im Weg der Rechtshilfe durch das Sozialgericht Hamburg durchgeführten Einvernahme erklärte der Zeuge S. , er sei ab 1976 gemeinsam mit dem Kläger bei der Firma S. als Folienschweißer berufstätig gewesen. Zu ihren Aufgaben habe das Verschweißen von Flachdächern und Schwimmbädern, auch die Errichtung von Schwimmbädern aus vorgefertigten Teilen gehört. Den Aufbau der Schwimmbäder habe er dem Kläger anläßlich der praktischen Arbeit beigebracht, der seinerseits ihm das Schweißen der Folien gelehrt habe. Er - der Zeuge - sei Vorarbeiter einer Dreiergruppe gewesen, die die Schwimmbäder montiert habe, wobei alle anfallenden Arbeiten gemeinsam erledigt worden seien. Nach einem dreiviertel bis einem Jahr sei der Kläger ebenfalls Vorarbeiter einer solchen Gruppe geworden. Sie - der Zeuge und der Kläger - hätten sich dann selbständig gemacht; grundsätzlich habe das Unternehmen nur aus dem Kläger und ihm bestanden. Sie hätten im Rahmen eines Großprojekts als Subunternehmer einer Mailänder Firma einen Kanal mit Folie ausgekleidet, wobei sie zwei Mitarbeiter gehabt hätten; bauliche Maßnahmen seien nicht erforderlich gewesen. Ob von ihnen damals auch Schwimmbäder und Saunen gebaut worden seien, wisse er nicht mehr. Für die Zeit nach seiner Rückkehr nach Deutschland 1981 könne er über das Schicksal des Unternehmens des Klägers keine Angaben machen.

In Stellungnahmen vom 31.05.2002 bzw. 28.11.2002 äußerten die Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern bzw. die Handwerkskammer für Hamburg die Auffassung, der Kläger sei im Hinblick auf die 1970 und 1971 besuchten Kurse zur Kunststoffverarbeitung dem unteren Anlernbereich im Sinn der Mehrstufentheorie des BSG zuzuordnen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 29.09.1999 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 19.01.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.1995 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01.07.1992 Rente wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise - für die Zeit ab 01.01.2001 - Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu zahlen, weiter hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des SG Augsburg vom 29.09.1999 ist nicht zu beanstanden, weil der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit und - ab 01.01.2001 - auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat.

Der Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit ist wegen der Antragstellung am 16.07.1992, somit nach dem 31.03.1992 und vor dem 31.03.2001, an den Vorschriften des SGB VI in der vom 01.01.1992 bis 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.) zu messen, da geltend gemacht ist, dass dieser Anspruch bereits seit einem Zeitpunkt vor dem 01.01.2001 besteht, vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI. Für den Anspruch des Klägers sind aber auch die Vorschriften des SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung (n.F.) maßgebend, soweit sinngemäß auch (hilfsweise) vorgetragen ist, dass jedenfalls ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit seit einem Zeitpunkt nach dem 31.12.2000 gegeben sei, vgl. § 300 Abs. 1 SGB VI.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI a.F., da er ab dem Zeitpunkt des Rentenantrags vom 16.07.1992 bis jetzt nicht im Sinne des zweiten Absatzes dieser Vorschrift berufsunfähig ist. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. sind nämlich nur solche Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen auf weniger als die Hälfte derjenigen von gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist (Satz 1). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt hierbei alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Satz 2). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 4). Die hier genannten Tatbestandsmerkmale der Berufsunfähigkeit liegen beim Kläger nicht vor.

Das nach Satz 1 dieser Vorschrift zunächst festzustellende berufliche Leistungsvermögen des Klägers ist bereits eingeschränkt. Er kann aber unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses (insbes. ohne zusätzliche Pausen) leichte Arbeiten mit der Möglichkeit zum Wechsel der Ausgangsposition vollschichtig verrichten, wobei keine Anforderungen an die Kraft und Geschicklichkeit der Finger beider Hände gestellt werden dürfen; zu vermeiden ist sehr häufiges Bücken und häufige Überkopfarbeit. Beschränkungen des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte bestehen nicht (vgl. hierzu BSG SozR 3-2200 § 1247 RVO Nr. 10).

Dieses berufliche Leistungsvermögen des Klägers ergibt sich vor allem aus den vom SG eingeholten überzeugenden Gutachten des Arztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. L. und des Facharztes für Neurologie Dr. D. , denen sich der Senat anschließt. Sie sind noch immer aktuell, nachdem der Kläger selbst eine bedeutsamere Verschlechterung seines Gesundheitszustands seit 1999 ausschließt (Schreiben vom 26.07.2004). Auch hat der Kläger keine Einwendungen gegen die Ergebnisse dieser Begutachtung vorgebracht.

Folgende Gesundheitsstörungen liegen beim Kläger vor:

1. Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma Grad II am 25.06.1974 (temporale Schädelfraktur rechts), posttraumatische Epilepsie mit Anfallsfreiheit seit 1987.

2. Geringgradige Schädigung des Nervus ulnaris links in seinem Sulcusbereich ohne neurologisches Defizit.

3. Zustand nach sensiblen Mißempfindungen an den Fingern 3 bis 5 rechts unklarer ätiologischer Zuordnung.

4. Zustand nach Ellbogengelenkfraktur am 02.02.1983.

5. Ausgeprägte Arthrose des linken Ellbogengelenks mit Funktionseinschränkung.

6. Leichte Handgelenksarthrose links und ausgeprägte Arthrose im rechten Handgelenk mit begleitender Funktionseinschränkung, aber Ausübbarkeit der Grob- und Feingriffformen.

7. Leichtes Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom ohne neurologisches Defizit.

8. Coxalgie links bei Senk- und Spreizfüßen beidseits ohne gravierende Geh- und Stehminderung.

Hierdurch wird das berufliche Leistungsvermögen des Klägers nur qualitativ - wie oben dargestellt - beeinträchtigt, nicht jedoch quantitativ.

Nach dem beruflichen Leistungsvermögen ist weiterer Ausgangspunkt für die Feststellung der Berufsunfähigkeit der Hauptberuf des Versicherten. Bei dessen Bestimmung ist grundsätzlich von der zuletzt ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit auszugehen (vgl. KassKomm-Niesel § 240 SGB VI Rdnr. 10, Stand: Januar 2002, mit weiteren Nachweisen). Maßgeblicher Hauptberuf ist vorliegend die selbständige Tätigkeit, die der Kläger zuletzt - ab der zweiten Jahreshälfte 1981, also nach dem Ausscheiden des Zeugen S. aus dem gemeinsamen Unternehmen - als selbständiger Handwerker in Italien ausgeübt hat (vgl. KassKomm-Niesel § 240 SGB VI Rdnr. 14, Stand: Januar 2002). Das Ausscheiden des Zeugen S. ist deshalb wesentlich, weil sich die Berufstätigkeit des Klägers ab diesem Zeitpunkt möglicherweise geändert hat; jedenfalls läßt sich der genaue Inhalt der unternehmerischen Tätigkeit des Klägers ab diesem Zeitpunkt nicht mehr exakt fassen.

Auch wenn man davon ausgeht, dass der Kläger seit dem Zeitpunkt des Rentenantrags diesen Beruf nicht mehr ausüben kann, ist er aber dennoch nicht berufsunfähig. Für die Annahme von Berufsunfähigkeit reicht es nämlich nicht aus, wenn Versicherte ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben können; vielmehr sind - wie sich aus § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. ergibt - Versicherte nur dann berufsunfähig, wenn ihnen auch die Verweisung auf andere Berufstätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen oder sozial nicht mehr zumutbar ist (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. u.a. SozR 2200 1246 Nr. 138).

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der sozialen Wertigkeit des bisherigen Berufs. Um diese zu beurteilen, hat das BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als 2 Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu 2 Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 138 und 140). Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht auschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. z.B. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 27 und 33). Grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächstniedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 143 m.w.N.; SozR 3-2200 § 1246 Nr. 5).

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist der Kläger höchstens der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters, und zwar des oberen Bereichs (Ausbildungs- bzw. Anlernzeit von mehr als einem bis zu 2 Jahren, vgl. BSG-Urteil vom 29.03.1994 - 13 RJ 35/93 = SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45), zuzuordnen. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Zunächst können - und dies ist der wesentlichste Gesichtspunkt - genauere Feststellungen zum Inhalt der zuletzt ausgeübten selbständigen Tätigkeit mit der erforderlichen an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nicht mehr getroffen werden, wie bereits oben erwähnt; dies geht nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz, dass jeder die objektive Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen, zu Lasten des Klägers (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl., § 118 Rdnr. 5 und 6 mit weiteren Nachweisen).

Darüber hinaus ist es aber nach dem Ergebnis der Ermittlungen völlig unwahrscheinlich, dass die Berufstätigkeit des Klägers Ansprüche erfordert hätte, wie sie ein Ausbildungsberuf mit mehr als zweijähriger Ausbildungszeit stellt. Die Ausbildung des Klägers im Berufsbereich des Isolierers - dies dürfte zuletzt nach den Angaben des Klägers eines der wesentlichen Arbeitsgebiete gewesen sein, auch der Sturz vom Dach hing damit zusammen - hat keinesfalls einer mehr als zweijährigen Lehrzeit entsprochen, wie zunächst schon aus der kurzen Dauer der drei Kunststoff-Lehrgängen ersichtlich ist; diese sind nebenberuflich absolviert worden (vgl. die volle Rentenversicherungs-Beitragsleistung für die fraglichen Zeiträume). Der längste Kurs (vom 06.01. bis 11.06.1970) hat 132 Stunden umfasst, was (bei einem achtstündigen Arbeitstag) rund 14 Arbeitstagen oder guten drei Wochen entspricht; für die anderen beiden Kurse, für die keine Stundenzahlen vorliegen, kann im Hinblick auf ihre Nebenberuflichkeit insgesamt nicht mehr veranschlagt werden, so dass der Kläger im Bereich der Kunststoffverarbeitung bzw. der Isolierung mit Kunststoffmaterialien tatsächlich höchstens sechs Wochen ausgebildet worden ist. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger in Deutschland noch bis 08.04.1975 als Bauhilfsarbeiter beschäftigt gewesen ist (bei der Firma Hansa-Bauwerkabdichtung GmbH), also nachdem er bereits die Kunststofflehrgänge zurückgelegt hatte. Wenn man dann noch eineinhalb Jahre für die sonstigen Kenntnisse und Fertigkeiten des Klägers im Bau von Schwimmbädern und Saunen veranschlagt, die er sich anlässlich seiner fachlich eng begrenzten Berufstätigkeiten hat aneignen können, so ist dies bereits sehr hoch gegriffen.

Die Tatsache, dass dem Kläger die Genehmigung erteilt worden ist, einen Lehrling auszubilden, und er den Lehrling L. T. auch tatsächlich eingestellt hat, vermag ihn auf keine höhere Stufe des Mehrstufenschemas zu heben. Die Tätigkeit des Klägers als Ausbilder ist nämlich in keiner Weise mit der Tätigkeit eines deutschen Facharbeiters-Ausbilders vergleichbar. Ausweislich der Lohnabrechnungen sollte L. T. nämlich nur in einem ganz schmalen Bereich - "Schwimmbadpflege und -instandhaltung" - ausgebildet werden. Dies entspricht ganz offensichtlich auch nicht annähernd dem Inhalt eines deutschen Ausbildungsberufs, sondern liegt näher am Anlernen eines Hilfsarbeiters. Wenn ein angelernter Arbeiter einen anderen nur in einem Teilbereich des von ihm ausgübten eng begrenzten Anlernberufs seinerseits wieder anlernt, wird er dadurch nicht zum Facharbeiter, weil sich seine berufliche Stellung qualitativ nicht entscheidend ändert. Auch die Tatsache, dass dem Kläger die Erlaubnis zur Lehrlingsausbildung in einem EU-Staat erteilt worden ist, führt nicht dazu, dass er einem deutschen Facharbeiter-Ausbilder - gar Handwerksmeister - gleichgestellt werden könnte; vielmehr ist der Beruf nach innerstaatlichen Kriterien qualitativ zu prüfen und in das innerstaatliche Mehrstufenschema einzuordnen, um einer Über- oder Unterbewertung der Berufstätigkeit entgegenzuwirken (vgl. KassKomm-Niesel § 240 SGB VI Rdnr. 14, Stand: Januar 2002, mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung des BSG). Völlig unbegründet sind die vom Kläger geäußerten Zweifel an der Richtigkeit der deutschen Übersetzung der von ihm vorgelegten Lohnabrechnungen des L. T ... Das linke obere Feld bezieht sich ausschließlich auf den Lehrling. Der Passus "MANSIONI: APPR. MAN. RIP. PISCIN." ist zutreffend mit "Aufgabe: Lehre für Schwimmbadpflege und -instandhaltung" wiedergegeben worden, wie ein Blick in das italienisch-deutsche Taschenwörterbuch von Langenscheidt ergibt (mansione = Obliegenheit; apprendista = Lehrling bzw. Lehre; manutenzione = Instandhaltung; riparazione = Reparatur; piscina = Schwimmbad). Letztlich ist aber nochmals darauf hinzuweisen, dass der eigentliche Inhalt der letzten Berufstätigkeit des Klägers nicht mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellbar ist, was aber erforderlich wäre.

Als - höchstens - angelerntem Arbeiter des oberen Bereichs ist dem Kläger die Verweisung auf den Beruf eines einfachen Pförtners sozial zumutbar, worauf er bereits im Urteil des SG vom 29.09.1999 zutreffend hingewiesen worden ist. Nach der Rechtsprechung des BSG dürfen "obere Angelernte" nicht schlechthin auf das allgemeine Arbeitsfeld verwiesen werden. Soweit ungelernte Tätigkeiten in Betracht gezogen werden, müssen sich diese durch Qualitätsmerkmale auszeichnen. Derartige Merkmale liegen bei der fraglichen Pförtnertätigkeit vor, denn es ist zu berücksichtigen, dass sich eine Pförtnertätigkeit schon im Hinblick auf die ihr innewohnende Kontrollfunktion typischerweise aus dem Kreis einfachster ungelernter Tätigkeiten heraushebt (vgl. BSG-Urteil vom 05.04.2001 - B 13 RJ 61/00 R).

Ob dem Kläger ein Arbeitsplatz als einfacher Pförtner auf dem dafür maßgeblichen Gebiet der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich vermittelt werden könnte, ist rechtlich unerheblich, da bei vollschichtig einsatzfähigen Versicherten der Arbeitsmarkt als offen anzusehen ist und das Risiko der Arbeitsvermittlung von der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung zu tragen ist; dementsprechend bestimmt § 43 Abs. 2 Satz 4 SGB VI a.F., dass nicht berufsunfähig ist, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, und dass hierbei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (vgl. zum Vorstehenden zusammenfassend den Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996 - GS 2/95 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8).

Der Kläger hat somit keinen Anspruch auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI a.F., weil er nicht im Sinn des zweiten Absatzes dieser Vorschrift berufsunfähig ist.

Nach den §§ 43 Abs. 1, 240 Abs. 1 SGB VI n.F. hat der Kläger auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, da hiernach - wie bisher - ein Rentenanspruch jedenfalls dann ausgeschlossen ist, wenn ein Versicherter - wie der Kläger - einen zumutbaren anderen Beruf als den bisherigen (sogar noch) vollschichtig ausüben kann. Der Begriff der Berufsunfähigkeit ist gegenüber dem bis 31.12.2000 geltenden Recht unverändert geblieben, vgl. § 240 Abs. 2 SGB VI n.F.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Augsburg vom 29.09.1999 war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG. Eine Erstattung der Kosten des zurückverweisenden Urteils des Senats an den Kläger (durch wen?) kommt nicht in Betracht, da der letztlich Unterlegene sämtliche Kosten zu tragen hat (vgl. Zeihe, § 193 SGG, Rdnr. 2d); es ist kein Gesichtspunkt erkennbar, unter dem die Beklagte diese Kosten zu tragen hätte.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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