L 4 KR 25/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 KR 106/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 25/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 10. Dezember 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Kostenübernahme für eine Bewegungsschiene auf Dauer.

Der 1938 geborene Kläger ist bei der Beklagten versichert. Am 01.02.2001 wurde bei ihm auf Grund einer Rotatorenmanschettenruptur eine Operation im Bereich des rechten Schultergelenks durchgeführt. Der Orthopäde Dr.W. (S.) verordnete im Anschluss an die Operation am 14.02. 2001 6 mal Krankengymnastik und am 15.02.2001, 29.03.2001, 04.05. 2001 und 06.06.2001 eine Arthromot-Bewegungsschiene jeweils für vier Wochen. Die Beklagte übernahm die Kosten der jeweiligen Mieten. Am 29.06.2001 verordnete Dr.W. erneut die Arthromot-Bewegungsschiene für weitere vier Wochen. Der Lieferant des Hilfsmittels, die Fa. ORMED GmbH & Co KG, forderte mit der Rechnung vom 02.07.2001 von der Beklagten für die Miete vom 12.05. bis 08.06.2001 649,60 DM. Der von der Beklagten gehörte Medizinische Dienst der Krankenversicherung in Bayern (MDK) hielt in der gutachtlichen Stellungnahme vom 19.07.2001 (Gutachterin Dr.S.) die Verlängerung der Miete um vier Wochen medizinisch für begründet.

Mit Bescheid vom 23.07.2001 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für die Verlängerung der Miete ab. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch vom 15.08.2001 machte der Kläger unter Beifügung einer ärztlichen Bescheinigung des Orthopäden Dr. W. geltend, er sei bis an sein Lebensende auf den Einsatz der Bewegungsschiene angewiesen. Er befand sich vom 22.08. bis 30.08.2001 und vom 15.10. bis 20.10.2001 in stationärer Behandlung. Der nochmals von der Beklagten gehörte MDK kam in der gutachtlichen Stellungnahme vom 05.09.2001 zu dem Ergebnis, es gebe keine medizinische Indikation für die Verlängerung der Therapie mit der Motorbewegungsschiene über den bereits bewilligten Zeitraum hinaus. Der Orthopäde Dr.W. verordnete am 25.09.2001 ein weiteres Mal die Bewegungsschiene.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 18.04.2002 den Widerspruch unter Bezugnahme auf die letzte Stellungnahme des MDK zurück. Eine Dauerversorgung mit der Bewegungsschiene entspräche nicht einer zweckmäßigen Therapie, die in erster Linie in einer intensiven Physiotherapie, vor allem in Form von Krankengymnastik, zu bestehen habe. Genauso wichtig seien Bewegungsübungen in Eigeninitiative und das Vermeiden von ungünstigen Bewegungen. Das Gerät sei nicht zum Muskelaufbau geeignet, sondern diene lediglich für einen befristeten Zeitraum der Verbesserung der Beweglichkeit.

Der Kläger hat hiergegen am 21.05.2002 beim Sozialgericht Augsburg (SG) Klage erhoben. Das beigefügte ärztliche Attest von Dr.W. (ohne Datum) enthält u.a. den Vermerk, durch entsprechende Hilfsmittelversorgung könnte gegebenenfalls eine Erleichterung für den Kläger erreicht werden. Das SG hat Befundberichte von Dr.W. und Dr.K. beigezogen.

Es hat mit Urteil vom 10.12.2002 die Klage auch unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid abgewiesen. Die Bewegungsschiene könne nach der Stellungnahme des MDK eine intensive Physiotherapie, Krankengymnastik und Bewegungsübungen in Eigenregie nicht ersetzten, damit könne die weitere Verordnung der Motorschiene über den von der Beklagten genehmigten Zeitraum von acht Wochen hinaus ohne gleichzeitige Anwendung von Krankengymnastik nicht als medizinisch notwendig erachtet werden. Auch dem Befundbericht von Dr.K. lasse sich die Erforderlichkeit einer Therapie mittels Bewegungsschiene nicht entnehmen. Während der stationären Behandlung im Oktober 2001 seien unter konservativer Behandlung mit Gabe von Analgetika und Verordnung von Bewegungsübungen die Schulterbeschwerden zurückgegangen und der Kläger sei gut mobilisiert worden. Von der Notwendigkeit einer Therapie mittels Bewegungsschiene sei hier nicht die Rede gewesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 06.02.2003.

Er beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 10.12.2002 sowie des Bescheides vom 23.07.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2002 zu verurteilen, ihm lebenslänglich eine Bewegungsschiene für das Schultergelenk zur Verfügung zu stellen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie teilt mit, der Kläger habe die Bewegungsschiene ungefähr bis zum Erhalt des Bescheides vom 23.07.2001 auf Kosten der Kasse in Besitz gehabt.

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Aus den Inhalt dieser Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist zulässig; der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 500,00 EUR (§ 144 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGG).

Trotz der mit der Berufung geäußerten Abneigung des Klägers, das Verfahren durchzuführen, ist seinem Vorbringen jedoch zu entnehmen, dass er an der Bewilligung der Bewegungsschiene als Hilfsmittel interessiert ist. Damit ist das Rechtsschutzinteresse noch gegeben.

Die Berufung ist unbegründet.

Das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden; das SG hat zu Recht eine (lebenslange) Überlassung einer Bewegungsschiene als Hilfsmittel abgelehnt. Streitig ist die Versorgung mit dem Hilfsmittel für die Zeit nach dem Bescheid vom 23.07.2001.

Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Freistellung von etwaigen Mietkosten für die Bewegungsschiene gemäß § 13 Abs.3 Sozialgesetzbuch V (SGB V), noch ist die Beklagte verpflichtet, ihm eine Bewegungsschiene als Hilfsmittel auf Dauer zu gewähren (§ 33 Abs.1 SGB V). Gemäß § 13 Abs.3 SGB V setzt der allgemeine Kostenerstattungsanspruch, der auch einen Freistellungsanspruch einschließt, voraus, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. In diesem Fall sind die Kosten in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Gemäß § 33 Abs.1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperer-satzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 SGB V ausgeschlossen sind.

Die Überlassung der Bewegungsschiene erfolgt nicht auf Dauer, sondern nur für einen zeitlich begrenzten Zeitraum von mehreren Wochen im Anschuss an eine ärztliche Verordnung, die allerdings für die Krankenkasse nicht bindend ist. Dies ergibt sich aus der Prüfungskompetenz der Krankenkassen nach § 275 Abs.3 Nr.2 SGB V, die unter Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme des MDK die medizinische Erforderlichkeit eines Hilfsmittels prüfen lassen können.

Die weitere mietweise Überlassung der Bewegungsschiene ist medizinisch nicht erforderlich gewesen im Sinne des § 33 SGB V. Mit diesem Tatbestandsmerkmal wird ebenso wie durch das Wirtschaftlichkeitgebot des § 12 Abs.1 SGB V, wonach die Leistungen der Krankenkasse ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen, betont, dass die Krankenkassen nur für einen unabweisbaren Bedarf eines Hilfsmittels die Kosten übernehmen dürfen. Der gutachterlichen Stellungnahme des MDK vom 05.09.2001 muss entnommen werden, dass die Bewegungsschiene bei einem Eingriff in den Weichteilen, wie im vorliegenden Fall, im Allgemeinen nur für vier Wochen eingesetzt wird. Die Bewegungsschiene kann eine intensive Physiotherapie, vor allem in Form von Krankengymnastik, nicht ersetzen, ebenso nicht Bewegungsübungen des Versicherten in Eigeninitiative. Das Gerät dient lediglich dazu, für eine befristete Zeit nach der Operation die Beweglichkeit zu verbessern, d.h. die verordnete Physiotherapie zu unterstützen. Zwar hat der MDK in der ersten Stellungnahme vom 19.07.2001 eine weitere Verlängerung um vier Wochen für medizinisch begründet gehalten, diese Stellungnahme ist jedoch für die hier streitige Frage einer lebenslänglichen Versorgung mit der Bewegungsschiene ohne Beweiswert.

Soweit der Kläger die Feststellung begehrt (§ 55 Abs.1 Nr.1 SGG), er habe für die Zukunft einen Anspruch auf eine lebenslange Versorgung mit der Bewegungsschiene, ist ihm entgegen zu halten, dass die Frage des Einsatzes und der Dauer einer Bewegungsschiene von einer entsprechenden ärztlichen Verordnung abhängt, die das Rahmenrecht auf ärztliche Behandlung (§§ 27 Abs.1 Nr.3, 33 Abs.1 SGB V) konkretisiert. Es ist nicht die Aufgabe der Krankenkasse und der Sozialgerichte, auch wenn sie an die ärztliche Verordnung nicht gebunden sind, dieser vorzugreifen. Die Bedeutung der ärztlichen Verordnung für den Anspruch auf Versorgung mit einem Hilfsmittel ergibt sich aus § 73 Abs.2 Nr.7 und § 275 Abs.3 Nr.1 SGB V. Danach umfasst das Aufgabengebiet eines Vertragsarztes auch die Erstellung von vertragsärztlichen Verordnungen von Hilfsmitteln. Die ärztliche Feststellung der medizinischen Notwendigkeit eines Hilfsmittels, also deren ärztliche Verordnung, ist Voraussetzung für die Entscheidung der Krankenkasse über das Hilfsmittel.

Unerheblich im vorliegenden Fall ist die Frage, ob es günstiger wäre, dem Kläger das Hilfsmittel leihweise zu überlassen (§ 33 Abs.5 SGB V) oder ihn das Eigentum daran zu verschaffen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nr.1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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