L 2 RA 94/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 7 RA 850/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 RA 94/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neuruppin vom 17. März 2004 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVtI) für die Zeit vom 01. Dezember 1973 bis 31. Mai 1990 und die Berücksichtigung der während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte.

Der im ... 1945 geborene Kläger ist Ingenieur (Urkunde vom 30. November 1973).

Vom 01. Januar 1971 bis 14. März 1975 war er als BFN-Bearbeiter bzw. Ingenieur für Rationalisierung beim Kombinat VEB Lokomotivbau Elektrotechnische Werke (LEW), vom 17. März 1975 bis 31. Januar 1976 als BFN-Bearbeiter und vom 01. Februar 1976 bis 31. Mai 1990 als Leiter Versand/Transport beim VEB Infrarot-Anlagen O.g tätig. Vom 01. Juni 1990 bis wenigstens 30. Juni 1990 war er Bürgermeister der Gemeinde L ...

Zum 01. Dezember 1984 trat er der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) bei und entrichtete Beiträge nur für das Einkommen bis 1.200 Mark monatlich bzw. 14.400 Mark jährlich.

Im September 2001 beantragte der Kläger, die Zugehörigkeit zur AVtI festzustellen.

Mit Bescheid vom 12. März 2003 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Weder habe eine positive Versorgungszusage (Anwartschaft) zu Zeiten der DDR vorgelegen, noch sei am 30. Juni 1990 (Schließung der Zusatzversorgungssysteme) eine Beschäftigung ausgeübt worden, die - aus bundesrechtlicher Sicht - dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen gewesen wäre. Er sei nicht als Ingenieur beschäftigt gewesen.

Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, die Beklagte habe ihr zustehendes Ermessen nicht ausgeübt. Die Entscheidung sei nicht verhältnismäßig und verstoße gegen das Prinzip der Gleichbehandlung, da er lediglich im Monat Juni 1990 nicht anspruchsberechtigt gewesen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. November 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Wegen der Tätigkeit als Bürgermeister habe der Kläger zwar einen Anspruch, wenn die davor ausgeübte Tätigkeit einem Zusatzversorgungssystem zugeordnet werden könne (so genannte Nachwirkungsfrist). Dies sei jedoch nicht der Fall, weil er nicht als Ingenieur, sondern als Leiter Versand beschäftigt gewesen sei.

Dagegen hat der Kläger am 17. Dezember 2003 beim Sozialgericht Neuruppin Klage erhoben und vorgetragen:

Die Tätigkeit als Leiter Versand sei kein Grund für die Nichtanerkennung, da er die Ingenieurprüfung bestanden und auch das Gehalt nach einer Ingenieurgruppe erhalten habe. Ohne ingenieurtechnisches Wissen sei die Tätigkeit des Leiters Versand nicht möglich gewesen. Im Betrieb seien insbesondere Oberflächenbehandlungen in enormen Größen, elektrische Ausrüstungen für Lokomotiven und andere elektrische Geräte produziert worden, die verpackt in Kisten, unverpackt oder zu größeren Einheiten gebündelt oder auf speziellen Transportvorrichtungen per LKW, Bahn und Container für den Versand vorbereitet worden seien, wobei zum Teil längere Lagerungen unter extremen Bedingungen am Ural oder im Kaukasus bis zu 3 Jahren erforderlich gewesen seien. Seine Aufgabe habe darin bestanden, mit ca. 40 Beschäftigten, darunter 2 Meister, eigenverantwortlich und selbständig unter Beachtung aller Gegebenheiten ohne eine Vorgabe der Technologie, ohne Gewichtsangaben und ähnliche Anhaltspunkte die Versandart, die Verpackungsart, die Zusammenstellung der Ladungen bis hin zur Abfertigung durch die Transportunternehmen und den Zoll zu organisieren sowie den Versand und Transport entsprechend abzuwickeln. Dazu sei ein erhebliches ingenieurtechnisches Wissen erforderlich gewesen. Der Kläger hat verschiedene arbeitsrechtliche Unterlagen vorgelegt.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 17. März 2004 die Klage abgewiesen: Der Kläger sei am 30. Juni 1990 in keinem Betrieb beschäftigt gewesen, der von der Versorgungsordnung der AVtI erfasst gewesen sei. Die Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl DDR 1950, 844) - AVtI-VO - i. V. m. der Zweiten Durchführungsbestimmung zur AVtI-VO vom 24. Mai 1951 (GBl DDR 1951, 487) - 2. DB zur AVtI-VO habe eine staatliche Gebietskörperschaft nicht umfasst. Gebietskörperschaften seien auch den volkseigenen Produktionsbetrieben nicht gleichgestellt gewesen. Bei der Gleichstellungsregelung in § 1 Abs. 2 2. DB zur AVtI-VO handele es sich um eine abschließende Aufzählung, die einer Erweiterung nicht zugänglich sei. Der vom Kläger gesehene Ermessensspielraum bestehe somit nicht. Die Ausführungen der Beklagten zu einer Nachwirkungsfrist seien nicht nachvollziehbar. Ein Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) liege nicht vor. Eine "Bestrafung" sei angesichts eines nie erworbenen positiven Zusatzversorgungsanspruches nicht zu erkennen.

Gegen den ihm am 20. März 2004 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 24. März 2004 eingelegte Berufung des Klägers.

Er ist der Ansicht, dass er bis zum 31. Mai 1990 einen Anspruch gehabt habe. Die Tätigkeit als Bürgermeister falle zwar ersichtlich nicht unter die Regelung der AVtI. Dies beruhe aber auf einer Lücke im Gesetz. Deswegen seien die Ausführungen der Beklagten zur Nachwirkungsfrist auch nachvollziehbar. Der Kläger hat die Bestätigung des E. S. vom 13. Mai 2004 zu den in seinem Schriftsatz vom 13. Dezember 2003 genannten Aufgaben vorgelegt.

Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Neuruppin vom17. März 2004 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2003 zu verpflichten, die Zeit vom 01. Dezember 1973 bis 31. Mai 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVtI sowie die während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Eine Nachwirkungsfrist nach § 2 Abs. 4 2. DB zur AVtI-VO komme vorliegend deswegen nicht Betracht, weil der Kläger als Leiter Versand keine Versorgungszusage (Urkunde, Einzelentscheidung) erhalten habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten ( ...), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 12. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2003 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Zeit vom 01. Dezember 1973 bis 31. Mai 1990 und die während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte feststellt, denn der Kläger hat eine Anwartschaft aufgrund einer Zugehörigkeit zur AVtI nicht erworben.

Nach § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 und Abs. 2 Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) hat der vor die Überführung der Ansprüche und Anwartschaften zuständige Versorgungsträger dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung unverzüglich die Daten mitzuteilen, die zur Durchführung der Versicherung und zur Feststellung der Leistungen aus der Rentenversicherung erforderlich sind. Dazu gehören auch das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen des Berechtigten oder der Person, von der sich die Berechtigung ableitet, die Daten, die sich nach Anwendung von §§ 6 und 7 AAÜG ergeben, sowie die Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist, und die als Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung gelten (§ 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG). Der Versorgungsträger hat dem Berechtigten den Inhalt der Mitteilung nach § 8 Abs. 2 AAÜG durch Bescheid bekannt zu geben (§ 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG).

Solche Zeiten der Zugehörigkeit liegen nach § 4 Abs. 5 AAÜG vor, wenn eine in einem Versorgungssystem erworbene Anwartschaft bestanden hatte (§ 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 3 AAÜG). Eine solche Anwartschaft setzt die Einbeziehung in das jeweilige Versorgungssystem voraus. Im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG genügt es grundsätzlich nicht, dass ein Anspruch auf Einbeziehung bestand, soweit dieser nicht auch verwirklicht wurde. Wie der Wortlaut dieser Vorschrift zeigt, wird allein auf Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem abgestellt. Dies setzt zwingend voraus, dass der Berechtigte tatsächlich in ein Versorgungssystem einbezogen worden war. Von diesem Grundsatz macht lediglich § 5 Abs. 2 AAÜG eine Ausnahme. Danach gelten als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem auch Zeiten, die vor Einführung eines Versorgungssystems in der Sozialpflichtversicherung zurückgelegt worden sind, wenn diese Zeiten, hätte das Versorgungssystem bereits bestanden, in dem Versorgungssystem zurückgelegt worden wären.

Eine solche Einbeziehung erfolgte in der AVtI grundsätzlich durch eine Entscheidung des zuständigen Versorgungsträgers der DDR. Lag sie am 30. Juni 1990 vor, hatte der Begünstigte durch diesen nach Art. 19 Satz 1 Einigungsvertrag (EV) bindend gebliebenen Verwaltungsakt eine Versorgungsanwartschaft. Einbezogen war aber auch derjenige, dem früher einmal eine Versorgungszusage erteilt worden war, wenn diese durch einen weiteren Verwaltungsakt in der DDR wieder aufgehoben worden war und wenn dieser Verwaltungsakt nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EV unbeachtlich geworden ist; denn dann galt die ursprüngliche Versorgungszusage fort. Gleiches gilt für eine Einbeziehung durch eine Rehabilitierungsentscheidung (Art. 17 EV). Schließlich gehörten dem Kreis der Einbezogenen auch diejenigen an, denen durch Individualentscheidung (Einzelentscheidung, zum Beispiel aufgrund eines Einzelvertrages) eine Versorgung in einem bestimmten System zugesagt worden war, obgleich sie von dessen abstrakt-generellen Regelungen nicht erfasst waren. Im Übrigen - dies trifft jedoch auf die AVtI nicht zu - galten auch ohne Versorgungszusage Personen als einbezogen, wenn in dem einschlägigen System für sie ein besonderer Akt der Einbeziehung nicht vorgesehen war (vgl. BSG, Urteil vom 09. April 2002 - B 4 RA 41/01 R).

§ 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG hat den Kreis der einbezogenen Personen jedoch in begrenztem Umfang erweitert. Er hat damit das Neueinbeziehungsverbot des EV Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchstabe a, wonach die noch nicht geschlossenen Versorgungssysteme bis zum 31. Dezember 1991 zu schließen sind und Neueinbeziehungen vom 03. Oktober 1990 an nicht mehr zulässig sind, sowie den nach EV Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 8 zu Bundesrecht gewordenen § 22 Abs. 1 Rentenangleichungsgesetz der DDR, wonach mit Wirkung vom 30. Juni 1990 die bestehenden Zusatzversorgungssysteme geschlossen werden und keine Neueinbeziehungen mehr erfolgen, modifiziert. Danach gilt, soweit die Regelung der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, dieser Verlust als nicht eingetreten. Dies betrifft jedoch nur solche Personen, die auch konkret einbezogen worden waren. Der Betroffene muss damit vor dem 30. Juni 1990 in der DDR nach den damaligen Gegebenheiten in ein Versorgungssystem einbezogen gewesen sein und aufgrund dessen eine Position wirklich innegehabt haben, dass nur noch der Versorgungsfall hätte eintreten müssen, damit ihm Versorgungsleistungen gewährt worden wären. Derjenige, der in der DDR keinen Versicherungsschein über die Einbeziehung in die AVtI erhalten hatte, hatte nach deren Recht keine gesicherte Aussicht, im Versorgungsfall Versorgungsleistungen zu erhalten (BSG, Urteil vom 09. April 2002 - B 4 RA 31/01 R in SozR 3-8570 § 1 Nr. 1).

Die AVtI kannte den in § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG angesprochenen Verlust von Anwartschaften. Nach § 2 Abs. 1, 3 und 4 Zweite Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (2. DB zur AVtI-VO) wurde die zusätzliche Altersversorgung gewährt, wenn sich der Begünstigte im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles in einem Anstellungsverhältnis zu einem volkseigenen oder ihm gleichgestellten Betrieb befand. Erloschene Ansprüche auf Rente lebten wieder auf, wenn spätestens vor Ablauf eines Jahres ein neues Arbeitsverhältnis in der volkseigenen Industrie zustande kam und die Voraussetzungen nach § 1 dieser Durchführungsbestimmung in dem neuen Arbeitsverhältnis gegeben waren. Für die Dauer von Berufungen in öffentliche Ämter oder in demokratische Institutionen (Parteien, Freier Deutscher Gewerkschaftsbund usw.) erlosch der Anspruch auf Rente nicht.

War der Betroffene in die AVtI einbezogen, endete die zur Einbeziehung führende Beschäftigung jedoch vor dem Eintritt des Versicherungsfalles, ging der Betroffene, vorbehaltlich der oben genannten Ausnahmen, seiner Anwartschaft verlustig.

Das BSG hat wegen der bundesrechtlichen Erweiterung der Anwartschaft nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG über die Regelungen der Versorgungssysteme hinaus einen Wertungswiderspruch innerhalb der Vergleichsgruppe der am 30. Juni 1990 Nichteinbezogenen gesehen. Nichteinbezogene, die früher einmal einbezogen gewesen seien, aber ohne rechtswidrigen Akt der DDR nach den Regeln der Versorgungssysteme ausgeschieden gewesen seien, würden anders behandelt als am 30. Juni 1990 Nichteinbezogene, welche nach den Regeln zwar alle Voraussetzungen für die Einbeziehung an diesem Stichtag erfüllt hätten, aber aus Gründen, die bundesrechtlich nicht anerkannt werden dürften, nicht einbezogen gewesen seien (BSG, Urteil vom 09. April 2002 - B 4 RA 31/01 R). Wie oben ausgeführt, konnten zwar weder die ehemals einbezogenen, aber ausgeschiedenen Betroffenen, noch die Betroffenen, die zwar am 30. Juni 1990 alle Voraussetzungen für eine Einbeziehung erfüllt hatten, tatsächlich aber nicht einbezogen waren, nach den Regelungen der DDR mit einer Versorgung rechnen. Wenn bundesrechtlich jedoch einem Teil dieses Personenkreises, nämlich dem der ehemals einbezogenen, aber ausgeschiedenen Betroffenen, eine Anwartschaft zugebilligt wird, so muss nach dem BSG § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass eine Anwartschaft auch dann besteht, wenn ein Betroffener aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage nach den zu Bundesrecht gewordenen abstrakt-generellen und zwingenden Regelungen eines Versorgungssystems aus bundesrechtlicher Sicht einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätte (BSG, Urteile vom 09. April 2002 - B 4 RA 31/01 R und B 4 RA 41/01 R). Der aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete rechtfertigende sachliche Grund für eine solche Auslegung ist darin zu sehen, dass bundesrechtlich wegen der zu diesem Zeitpunkt erfolgten Schließung der Versorgungssysteme am 30. Juni 1990 angeknüpft wird und es aus bundesrechtlicher Sicht zu diesem Zeitpunkt nicht auf die Erteilung einer Versorgungszusage, sondern ausschließlich darauf ankommt, ob eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt worden ist, derentwegen eine zusätzliche Altersversorgung vorgesehen war (zu Letzterem Urteile des BSG vom 24. März 1998 - B 4 RA 27/97 R - und 30. Juni 1998 - B 4 RA 11/98 R).

Die oben genannte Rechtsprechung des BSG zum so genannten Stichtag des 30. Juni 1990 hat das BSG mit den weiteren Urteilen vom 18. Dezember 2003 - B 4 RA 14/03 R und B 4 RA 20/03 R - fortgeführt und eindeutig klargestellt. Im Urteil vom 08. Juni 2004 - B 4 RA 56/03 hat das BSG betont, es bestehe kein Anlass, diese Rechtsprechung zu modifizieren. Auch im weiteren Urteil vom 29. Juli 2004 - B 4 RA 12/04 R hat es an dieser Rechtsprechung festgehalten. Eine Anwartschaft im Wege der verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, die eine Zugehörigkeit zum Versorgungssystem begründet, beurteilt sich allein danach, ob zum Zeitpunkt des 30. Juni 1990 die Voraussetzungen für eine Einbeziehung vorgelegen haben.

Mit der oben genannten Rechtsprechung befindet sich das BSG nicht im Widerspruch zu seinen Urteilen vom 24. März 1998 - B 4 RA 27/97 R - und 30. Juni 1998 - B 4 RA 11/98 R. In jenen Urteilen wird zwar nicht auf den 30. Juni 1990 abgestellt. Dies rührt ersichtlich daher, dass bereits durch den Zusatzversorgungsträger jeweils Zeiten der Zugehörigkeit bis zum 30. Juni 1990 festgestellt waren und lediglich um einen vor dem Zeitpunkt der Aushändigung beziehungsweise Gültigkeit der ausgehändigten Urkunde gestritten wurde. Diese Entscheidungen betrafen somit tatsächlich Einbezogene. Allerdings haben diese Urteile zu erheblichen Missverständnissen geführt, die unter anderem zur Folge hatten, dass seitens des Versorgungsträgers - aber auch durch Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit - Zeiten der Zugehörigkeit, insbesondere zur AVtI, entgegen der tatsächlichen Rechtslage festgestellt wurden. Insbesondere die Formulierung, die Typisierung solle immer dann Platz greifen, wenn in der DDR zu irgendeinem Zeitpunkt (nicht notwendig noch zum 01. Juli 1990) eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden sei, derentwegen ein Zusatz- oder Sonderversorgungssystem errichtet gewesen sei, ist hierfür maßgebend gewesen. Dabei wurde jedoch verkannt, dass das BSG damit ausschließlich Zeiten von tatsächlich einbezogenen Berechtigten hat erfassen wollen. Über sonstige, nicht einbezogene Berechtigte, die also keinen Versicherungsschein erhalten hatten, hat das BSG mit diesen Urteilen überhaupt nicht entschieden.

Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, lagen beim Kläger am 30. Juni 1990 nicht die Voraussetzungen für eine Einbeziehung in die AVtI vor. Der Senat folgt dem Sozialgericht insoweit aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung, so dass er von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absieht (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Das Sozialgericht hat zwar bei seiner Entscheidung die so genannte Nachwirkungsfrist des o. g. § 2 Abs. 4 2. DB zur AVtI-VO nicht berücksichtigt. Diese verfolgte den Zweck, erworbene Anwartschaften aus der AVtI für die Dauer von Berufungen u. a. in öffentliche Ämter aufrecht zu erhalten. Dazu zählte grundsätzlich auch die Tätigkeit als Bürgermeister.

Diese Vorschrift findet auf den Kläger allerdings deswegen keine Anwendung, weil er vor dem 01. Juni 1990 tatsächlich nicht in die AVtI einbezogen worden war. Eine entsprechende Entscheidung des zuständigen Versorgungsträgers der DDR liegt nicht vor. Fehlt es jedoch an einer solchen Entscheidung, wurde auch keine Anwartschaft mit der weiteren denknotwendigen Konsequenz begründet, dass eine nicht bestehende Anwartschaft eben nicht durch die Tätigkeit als Bürgermeister aufrecht erhalten werden konnte.

Hatte der Kläger damit mangels Versorgungsurkunde nach dem Recht der DDR keine Anwartschaft auf eine Versorgung aus der AVtI, kann eine Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur AVtI ausschließlich nach Bundesrecht in Betracht kommen. Dafür ist jedoch, wie oben dargelegt, nach der Rechtsprechung des BSG erforderlich, dass am 30. Juni 1990 eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt worden ist, derentwegen eine zusätzliche Altersversorgung vorgesehen war.

Die AVtI erfasste jedoch nicht eine Gemeinde.

Nach § 1 AVtI-VO wurde für die Angehörigen der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben über den Rahmen der Sozialpflichtversicherung hinaus eine Versorgungsversicherung eingeführt.

Nach § 1 Abs. 2 2. DB zur AVtI-VO wurden den volkseigenen Produktionsbetrieben gleichgestellt: Wissenschaftliche Institute; Forschungsinstitute; Versuchsstationen; Laboratorien; Konstruktionsbüros; technische Hochschulen; technische Schulen; Bauakademie und Bauschulen; Bergakademie und Bergbauschulen; Schulen, Institute und Betriebe der Eisenbahn, Schifffahrt sowie des Post- und Fernmeldewesens; Maschinenausleihstationen und volkseigene Güter, Versorgungsbetriebe (Gas, Wasser, Energie); Vereinigungen volkseigener Betriebe, Hauptverwaltungen und Ministerien.

Eine Gemeinde ist weder volkseigener Produktionsbetrieb noch ist sie diesem gleichgestellt gewesen.

Es bestand am 30. Juni 1990 auch keine Anwartschaft aus einem anderen Versorgungssystem. In Betracht käme insoweit allein die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates (AVSt).

Nach § 1 Abs. 1 Ordnung über die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates - Beschluss des Ministerrates vom 29. Januar 1971 - AVSt-Ordnung - wurde für Leiter und Mitarbeiter des Staatsapparates (nachstehend Mitarbeiter genannt) eine freiwillige zusätzliche Altersversorgung (nachstehend Versorgung genannt) eingeführt. Der Versorgung konnten grundsätzlich alle Mitarbeiter des Staatsapparates beitreten, soweit sie zu dem gesondert festgelegten Kreis der Mitarbeiter (§ 1 Abs. 2 AVSt-Ordnung) gehörten und bereits bestimmte Zeiten im Staatsapparat tätig waren oder noch tätig sein konnten (§ 2 Abs. 1 AVSt-Ordnung).

Der Beitritt zur Versorgung erfolgte durch Abgabe einer schriftlichen Beitrittserklärung des Mitarbeiters gegenüber dem Staatsorgan. Der Mitarbeiter erhielt vom Staatsorgan einen Nachweis über den Beitritt (§ 2 Abs. 2 AVSt-Ordnung).

Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger der AVSt beigetreten sein könnte, liegen nicht vor. Er selbst hat einen solchen Beitritt auch nicht behauptet.

Der Kläger wird nicht in seinem Grundrecht auf Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG berührt. Dazu hat das BSG im Urteil vom 09. April 2002 - B 4 RA 3/02 R - bereits entschieden, dass eine nachträgliche Korrektur der im Bereich der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme am 30. Juni 1990 gegebenen (abstrakt-generellen) Regelungen der DDR, auch soweit sie in sich willkürlich seien, durch die vollziehende oder die rechtsprechende Gewalt nicht zulässig sei. Der EV habe grundsätzlich nur die Übernahme zum 03. Oktober 1990 bestehender Versorgungsansprüche und -anwartschaften von "Einbezogenen" in das Bundesrecht versprochen und Neueinbeziehungen ausdrücklich verboten (vgl. Anlage II zum EV, a. a. O., Nr. 9 Buchstabe a, und Nr. 8 in Verbindung mit § 22 Abs. 1 Rentenangleichungsgesetz der DDR). Eine Erweiterung des einbezogenen Personenkreises durch die vollziehende Gewalt oder die Rechtsprechung wäre im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG, wonach die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden sind, verfassungswidrig.

Eine weitergehende verfassungskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, also von bundesdeutschem Recht, ist nicht geboten. Ein Wertungswiderspruch entsteht nicht dadurch, dass für den Kläger keine Zeiten der Zugehörigkeit zur AVtI festgestellt werden, denn er hatte nie eine Rechtsposition inne, die mit der der beiden oben genannten Personengruppen vergleichbar war. Das Verbot der Neueinbeziehung würde unterlaufen, wenn § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, ohne dass dies von Verfassungs wegen geboten ist, erweiternd ausgelegt würde (BSG, Urteil vom 09. April 2002 - B 4 RA 31/01 R).

Die Berufung des Klägers muss daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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