L 2 KN 182/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 7 KN 52/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 KN 182/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 18.11.2003 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Neuberechnung seiner Rente wegen Erwerbsunfähigkeit unter Anrechnung eines 1984 durchgeführten Versorgungsausgleichs.

Der am 00.00.1939 geborene Kläger war vom 03.12.1960 bis zum 09.07.1984 mit C E verheiratet. Das Amtsgericht/Familiengericht M schied die Ehe mit Urteil vom 09.07.1984 und übertrug vom Versicherungskonto des Klägers bei der beklagten Bundesknappschaft Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 386,40 DM bezogen auf den 31.05.1983 auf das bei der LVA Westfalen bestehende Konto der geschiedenen Ehefrau (Beschluss vom 10.09.1984, rechtskräftig seit dem 30.10.1984). In der Folgezeit heiratete die geschiedene Ehefrau des Klägers X E1.

Ab dem 14.01.1993 gewährte die Beklagte dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit(Bescheid vom 29.12.1993). Den monatlichen Wert der Rente stellte sie mit 1543,70 DM fest; hierbei berücksichtigte sie die rentenversicherungsrechtlichen Folgen des durchgeführten Versorgungsausgleichs durch entsprechende Kürzungen der Entgeltpunkte wegen der übertragenen Rentenanwartschaften (Anlage 6 des Bescheides: 24,0534 Entgeltpunkte (EP), gekürzt um 5,3313 EP).

Die geschiedene Ehefrau des Klägers starb am 31.03.1994. Deshalb beantragte der Kläger bei der Beklagten, den Versorgungsausgleich auszugleichen. Die LVA Westfalen teilte mit, sie habe der geschiedenen Ehefrau keine Rente gezahlt und von ihr keinen Rentenantrag bekommen. Leistungen -auch an Hinterbliebene- erbringe sie nicht (18.10.1994). Die Beklagte berechnete die Rente ohne Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs zugunsten des Klägers neu (neuer monatlicher Zahlbetrag 2134,42 DM bei voll anrechenbaren 24,0534 EP, Bescheid vom 25.01.1995).

Die Beklagte informierte im Februar 2002 den Kläger, aus der Versicherung seiner der früheren Ehefrau sei eine Rente beantragt worden (Schreiben vom 22.02.2002, dem Kläger zugestellt am 27.02.2002). Sofern der Rentenanspruch anerkannt werde, sei die Erwerbsunfähigkeitsrente um 324,30 Euro zu mindern. Die LVA Westfalen teilte mit, sie zahle aus der Versicherung der geschiedenen Ehefrau seit dem 01.08.1998 Witwerrente. Die Beklagte hörte den Kläger am 24.04.2002 dazu an, sie beabsichtige, die bisherige Rentenhöhe ab 01.03.2002 auf monatlich 871,75 Euro zu ändern. Gleichzeitig kündigte sie an, die bis zur Korrektur zum 01.05.2002 entstehende Überzahlung in Höhe von 600,60 Euro zurückzufordern. Der zweite Ehemann der geschiedenen Ehefrau des Klägers verstarb am 08.04.2002, so dass seine Witwerrente am 30.04.2002 endete.

Die Beklagte hob den Rentenbescheid vom 25.01.1995 hinsichtlich der Rentenhöhe nach § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Wirkung vom 01.03.2002 auf, setzte den Zahlbetrag der Rente auf 871,75 Euro fest, und forderte für die Zeit vom 01.03. bis 30.04.2002 von dem Kläger 600,60 Euro überzahlte Rente zurück (Bescheid vom 16.08.2002).

Zur Begründung seines Widerspruchs trug der Kläger vor, die Rentenkürzung sei grob unbillig. Er dürfe nicht durch den Rentenbezug des zweiten Ehemannes belastet werden. Die Beklagte zog die Berechnung der LVA Westfalen vom 24.10.2002 bei und wies den Widerspruch zurück (Bescheid vom 25.03.2003).

Mit seiner Klage zum Sozialgericht (SG) Münster hat der Kläger ausgeführt, nach seiner Meinung sei der Versorgungsausgleich nach dem Tod seiner geschiedenen Ehefrau endgültig abgeschlossen gewesen. Die zweite Ehe seiner geschiedenen Ehefrau sei zu diesem Zeitpunkt bereits wieder gescheitert gewesen. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs sei grob unbillig. Der nunmehr verstorbene zweite Ehemann seiner geschiedenen Frau sei der Grund für seine Scheidung gewesen. Aufgrund dieser Scheidung habe er seine Kinder allein erziehen müssen. Es sei unverhältnismäßig, dass die Grenzwertüberschreitung von nur 1443,69 Euro bei ihm eine prognostizierbare Rentenkürzung von rund 60.000 Euro verursachen werde.

Das SG hat erfolglos versucht, bei der LVA Westfalen die die geschiedene Ehefrau des Klägers betreffende Rentenakte beizuziehen. Die LVA Westfalen hat den Kontenspiegel mit den entsprechenden Leistungsdaten übersandt; die Leistungsakten seien zwischenzeitlich nach dem Tod des Witwers vernichtet worden. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 18.11.2003).

Mit seiner Berufung vertritt der Kläger weiterhin die Rechtsansicht, nach dem Tod seiner geschiedenen Ehefrau sei der Versorgungsausgleich rechtlich abgeschlossen gewesen und habe nachträglich nicht wieder aufleben können. Die LVA Westfalen habe den Kläger bei der Witwerrentengewährung nicht einbezogen. Er könnte die Rechtmäßigkeit der Witwerrente lediglich bestreiten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 18.11.2003 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 16.08.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass ihm seine Erwerbsunfähigkeitsrente über den 01.03.2002 weiterhin ungekürzt, also einschließlich der aufgrund der Entscheidung des Amtsgerichts/Familiengerichts M auf das Rentenkonto der geschiedenen Ehefrau übertragenen Rentenanwartschaften, ausgezahlt wird. Die Beklagte war nach § 48 Abs 1 Satz 1 und 2 Nr 4 SGB X iVm § 4 Abs 2 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) berechtigt, ab dem 01.03.2002 die vom Kläger bezogene Erwerbsunfähigkeitsrente unter Berücksichtigung des 1984 durchgeführten Versorgungsausgleichs neu zu berechnen. Für den Zeitraum vom 01.03. bis zum 30.04.2002 fordert sie vom Kläger gestützt auf die §§ 48 Abs 1 Satz 1 und 2 Nr 4, 50 Abs 1 Satz 1 SGB X zu Recht 600,60 Euro an überzahlten Rentenleistungen zurück.

Nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes ganz oder teilweise weggefallen ist (Abs 1 Satz 2 Nr 4). Diese Voraussetzungen liegen hier vor: Der bindend gewordenen Rentenbescheid vom 25.01.1995 ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Gegenüber den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die im Zeitpunkt seines Erlasses vorgelegen haben, ist durch die ab dem 01.08.1998 von der LVA Westfalen aus den im Rahmen des Versorgungsausgleichs auf das Versicherungskonto der geschiedenen Ehefrau übertragenen Rentenanwartschaften geleistete Witwerrente eine Änderung eingetreten. Die Änderung war auch "wesentlich", weil die Beklagte nach § 4 Abs 2 VAHRG jedenfalls zum 01.03.2002 materiell-rechtlich verpflichtet war, die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers um den Wert der übertragenen Rentenanwartschaften zu kürzen.

Nach § 4 Abs 1 VHARG wird die Versorgung des (Ausgleichs)-Verpflichteten oder seiner Hinterbliebenen nicht aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzt, wenn ein Versorgungsausgleich gemäß § 1587 b Abs 1 oder 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) durchgeführt worden ist und der Berechtigte vor seinem Tod keine Leistungen aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht erhalten hat. Gemäß Abs. 2 dieser Vorschrift gilt Abs. 1 entsprechend, wenn der Berechtigte verstorben ist und aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht Leistungen gewährt wurden oder werden, die insgesamt zwei Jahresbeträge einer auf das Ende des Leistungsbezugs ohne Berücksichtigung des Zugangsfaktors berechneten Vollrente wegen Alters aus der Rentenversicherung der Arbeiter oder der Angestellten nicht übersteigen, jedoch sind die gewährten Leistungen auf die sich aus Abs 1 ergebende Erhöhung anzurechnen. § 4 Abs 2 VAHRG greift hier ein.

Die Regelung des § 4 VAHRG ist verfassungsgemäß(vgl. zum Erfordernis der Regelung Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 28.02.1980, Az: 1 BvL 17/77, 1 BvL 7/78, 1 BvL 9/78, 1 BvL 14/78, 1 BvL 15/78, 1 BvL 16/78, 1 BvL 37/78, 1 BvL 64/78, BvL 74/78, 1 BvL 78/78, 1 BvL 100/78, 1 BvL 5/79, 1 BvL 16/79, 1 BvR 807/78, SozR 7610 § 1587 Nr. 1 = BVerfGE 53, 257; zur Verfassungsmäßigkeit von § 4 Abs 2 VAHRG BVerfG, Urteil vom 05.07.1989, Az: 1 BvL 11/87, 1 BvR 1053/87, 1 BvR 556/88, SozR 5795 § 4 Nr. 8 = BVerfGE 80, 297; zuletzt wie hier: Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 25.02.2004, Az: B 5 RJ 3/03 R, SGb 2004, 710ff. Denn die Festlegung des sogenannten Grenzbetrags für die Anwendung der Härtefallregelung stellt zwar einen Eingriff in die durch Art 14 Abs 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) geschützte rentenrechtliche Position des Ausgleichsverpflichteten dar, ist jedoch gleichzeitig mit Blick auf Art 6 Abs 1 GG und Art 3 Abs 2 GG eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung iSv Art 14 Abs 1 Satz 2 GG durch den Gesetzgeber.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Anwendung von § 4 Abs 2 VAHRG durch den Tod des Ausgleichsberechtigten nicht ausgeschlossen. Der Rentenversicherungsträger ist unter den weiteren Voraussetzungen des § 48 SGB X nicht gehindert, im Rahmen des § 4 VAHRG eine Rente neu zu berechnen. Dass die ausgleichsberechtigte geschiedene Ehefrau des Klägers bereits gestorben ist, ohne noch zu Lebzeiten Leistungen aus dem durch dem Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht erhalten zu haben, bedeutet nur, dass § 4 Abs 1 VAHRG als Grund für eine Kürzung entfällt. Anders verhält es sich jedoch hinsichtlich § 4 Abs 2 VAHRG. Da das Gesetz hier, ohne den Empfängerkreis der Leistung zu benennen, darauf abhebt, ob aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht Leistungen gewährt "wurden oder werden", sind auch nach dem Tod der Ausgleichsberechtigten gezahlte Hinterbliebenenrenten erfasst (vgl. bereits BSG, Urteil vom 08.11.1989, Az: 1 RA 23/86 , SozR 5795 § 7 Nr. 1; v. 26.06.1991, Az: 8 RKn 15/90, SozR 3-5795 § 4 Nr. 3; v. 31.03.1992, Az: 4 RA 22/91, SozR 3-5795 § 4 Nr. 4, jeweils mit weiteren Nachweisen). Dem nach § 4 Abs 2 VAHRG zu ermittelnden Grenzbetrag sind daher nicht nur die Leistungen, die der Ausgleichsberechtigten selbst gewährt worden sind, sondern auch die Leistungen gegenüberzustellen, die einem Dritten aus dem durch den Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht tatsächlich erbracht worden sind. Soweit, wie hier, ein Versorgungsausgleich durchgeführt worden ist, bedeutet dies daher nicht, dass die bisherige Wertfestsetzung dauerhaft bindend und eine zukünftige Rentenneufeststellung rechtswidrig wäre (vgl. dazu BSG, Urteil vom 24.07.2001, Az: B 4 RA 94/00 R, SozR 3-5795 § 4 Nr. 7).

Die dem Witwer aufgrund der übertragenen Rentenanwartschaften im Zeitraum vom 01.08.1998 bis zum 30.04.2002 gezahlten Leistungen überschreiten den Grenzbetrag von zwei Jahresbeträgen im Sinne der Vorschrift des § 4 Abs 2 VAHRG. Diesen Grenzwert und die aus dem übertragenen Anrecht gewährten individualisierten Leistungen hat die LVA Westfalen, wie das SG zu Recht bestätigt hat, zutreffend berechnet. Unstrittig und im Einklang mit dem Kontenspiegel und der Berechnung der LVA Westfalen hat diese allein aufgrund der durch den Versorgungsausgleich übertragenen Anwartschaften an den Witwer Rentenleistungen in Höhe von 9.236,63 Euro gezahlt (Gesamtzahlung: 15040, 53 Euro; Verhältnis übertragene EP zu Gesamt-EP: 12,8271: 20,8871). Dieser Betrag überschreitet den nach § 4 Abs 2 Satz 1 VAHRG maßgebenden Grenzwert von 7.792,94 Euro, berechnet wie folgt: 12,8271 (EP) x 25,31406 Euro (aktueller Rentenwert) x 24 Monate. Der Kläger muss sich diese Zahlungen auch entgegenhalten lassen. Im Einklang mit der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 14.05.1996, Az: 4 RA 22/95, SozR 3-5795 § 4 Nr. 6) hat ihn die LVA-Westfalen zu Recht nicht zu dem Bewilligungsverfahren der Witwerrentengewährung hinzugezogen (§ 12 Abs 2 SGB X). Er muss den Tatbestand, dass die LVA Westfalen wirksam entschieden hat, aus den durch Versorgungsausgleich übertragenen Anwartschaften Witwerrente zu gewähren, gegen sich gelten lassen. Dies entspricht dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in seiner gesetzlichen Ausgestaltung durch das VAHRG. Der Versorgungsausgleich verfolgt das Ziel, dem Ehegatten mit den geringeren Anrechten statt einer nur abgeleiteten Versorgung eigenständige Anwartschaften auf Leistungen für den Fall des Alters und der Invalidität zu verschaffen (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zum 1. EheRG, BTDrucks. 7/650, S. 155; Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zum 1. EheRG, BTDrucks. 7/4361, S 18f). Nach Durchführung des Versorgungsausgleichs bestehen zwei selbständige Versorgungsverhältnisse, so dass die versorgungs- oder rentenrechtlichen Schicksale der geschiedenen Ehegatten grundsätzlich unabhängig voneinander zu sehen sind (vgl. BVerfGE 80,297 (312).

Bereits bei im Rahmen des sogenannten Quasi-Splittings begründeten Anwartschaften gilt entsprechend der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 09.01.1991, Az.: 1 BvR 207/87, E 83, 182ff, Rdnr. 54 = SozR 3-1100, Art. 19 GG Nr. 2, 2ff, 8): Die im Rahmen des sogenannten Quasi-Splittings zugunsten des ausgleichsberechtigten Ehegatten begründeten Rentenanwartschaften werden diesem als eigenes Recht zugeordnet, das er durch eine entsprechende Antragstellung nach Belieben wahrnehmen kann, wenn in seiner Person ein Versicherungsfall eingetreten ist. Erst recht gilt Entsprechendes bei der Übertragung von Anwartschaften im Rahmen des Splittings nach § 1587b Abs 1 BGB (vgl. auch BSG, Urteil vom 29.01.1991, Az: 4 RA 67/90, SozR 3-2200 § 1304b RVO Nr. 1, 1ff, 3f, mwN). Daraus folgt, dass der Versicherungsverlauf des Ausgleichsverpflichteten regelmäßig nicht von dem des Ausgleichsberechtigten beeinflusst werden kann (BVerfGE 80, 297ff, 312 = SozR 5795 § 4 VAHRG Nr. 8, 25ff, 28). Soweit Härtefallregelungen hierzu Ausnahmen schaffen, etwa das Pensionisten- bzw. Rentnerprivileg (vgl. dazu BSG, Urteil vom 25.11.1986, Az.: 11a RA 18/85, SozR 1500 § 54 SGG Nr 71, 70ff) eine vorläufige "Stornierung der Auswirkungen des Versicherungsausgleichs" (BVerfG SozR 7610 § 1587 BGB Nr. 1) bewirkt, indem das Ruhegehalt (die Rente) des ausgleichsverpflichteten Ehegatten erst gekürzt wird, wenn aus der Versicherung des Ausgleichsberechtigten eine Rente zu gewähren ist, widerspricht es der Zielsetzung des Versorgungsausgleichs, durch Teilung der Versorgungsanwartschaften die vermögensrechtliche Auseinandersetzung der geschiedenen Ehegatten umfassend und abschließend zu regeln, um so spätere Auseinandersetzungen unter ihnen über die wirtschaftlichen Folgen von Ehe und Scheidung zu vermeiden (BVerfG aaO, BT-Drucks 7/650 S 159), dem Ausgleichsverpflichteten noch nach dem durchgeführten Versorgungsausgleich auf die Ausübung der Rechte aus den übertragenen Anwartschaften noch Rechtspositionen zuzuerkennen, ihm etwa ein Anfechtungsrecht einzuräumen (vgl. dazu BSG-Urteil vom 25.11.1986, aaO, S. 73, BVerfG, Beschluss vom 09.01.1991, aaO). Dies würde das Risiko der Durchsetzung von Rentenansprüchen zu Ungunsten des Ausgleichsberechtigen verlagern und könnte sogar für eine "Verhinderungsstrategie" (Sendler, DVBl 1982, S 157ff, 165) genutzt werden (BVerfG, ebenda). Nichts anderes kann für die Härteregelung des § 4 Abs 2 VAHRG gelten, einem Sonderrecht für geschiedene Eheleute (BVerfG, Urteil vom 05.07.1989, aaO, S 29), das mit der Rückausgleichsberechtigung den Grundsatz durchbricht, dass es ausgeschlossen ist, beim Tod des Versicherten seine Rentenanwartschaften zu übertragen, auch wenn er nur geringfügige oder keine Leistungen vom Versicherungsträger erhalten hat (vgl. ebenda, S 28). Überdies ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Gewährung von Witwerrente rechtswidrig gewesen ist.

Auf die Behauptung des Klägers, auch die 2. Ehe seiner geschiedenen Ehefrau sei 1994 bereits gescheitert gewesen, kommt es für den Anspruch auf Zahlung von Witwerrente nicht an. Voraussetzung einer Witwerrente nach § 46 SGB VI ist, dass der Witwer bei Eintritt des Versicherungsfalles Ehegatte war, also mit einer Person anderen Geschlechts in eine Ehe iSv Art. 6 Abs 1 GG verbunden war (vgl. BSG, Urteil vom 29.01.2004, Az: B 4 RA 29/03 R, SozR 4-2600, § 46 SGB VI, Nr. 1, Rdnr 52; BVerfGE 62, S 323ff = SozR 2200, § 1246 RVO Nr. 6). Diese Ehe muss beim Tod des versicherten Ehegatten noch Bestand gehabt haben (vgl. KassKomm:Gürtner, § 46 SGB VI RdNr. 11). Dies ist unabhängig von ihrem Scheitern bei bestehender Ehe wie hier solange der Fall, wie die Ehe noch nicht rechtskräftig geschieden ist (§ 1564 Satz 2 BGB). Selbst wenn einer der Ehegatten stirbt, bevor das Scheidungsurteil rechtskräftig ist, ist der andere Ehegatte im Rechtssinne. Nach § 619 der Zivilprozessordnung (ZPO) ist in diesem Fall das Scheidungsverfahren in der Hauptsache als erledigt anzusehen mit der Folge, dass das Urteil wirkungslos wird (vgl BGH NJW 1981, S 686 mwN). Selbst dann ist diese Voraussetzung der Witwenrente erfüllt (vgl. bereits LSG NRW, Urteil vom 05.12.1982, Az: L 14 An 73/80).

Soweit der Kläger die Entscheidung der Beklagten als unbillig ansieht, ist dies im Ergebnis ohne Belang. Das 1 EheRG hat das Scheidungsprinzip von §§ 42, 43 EheG aF durch das Zerrüttungsprinzip ersetzt (BT-Drucks 7/650, S 75; §§ 1565, 1566 BGB). Auch die Regelung der Scheidungsfolgen ist von der Schuldfrage weitgehend gelöst. Für Billigkeitsgesichtspunkte ist nur bei der Entscheidung des Familiengerichts Raum (vgl. §§ 1587 c, d und h sowie § 10a VAHRG). Die Entstehungsgeschichte des VAHRG zeigt, dass der Gesetzgeber eine Erweiterung der Möglichkeit einer nachträglichen Suspendierung des Versorgungsausgleichs ausdrücklich auf die im Urteil des BVerfG vom 23.02.1980 (aaO) aufgezählten Fälle hat beschränken wollen und nicht etwa für alle denkbaren Fälle einer Belastung des Ausgleichsverpflichteten eine allgemein geltende Billigkeitsregelung hat einführen wollen (BSG, Urteil vom 08.12.1988, Az: 1 RA 35/86, SozR 2200 § 1304a RVO Nr. 15; LSG NRW, Urteil vom 12.06.2001, Az: L 18 KN 81/00). Letzteres ist um so weniger anzunehmen, als Billigkeitserwägungen schon bei der Frage, ob überhaupt ein Versorgungsanspruch durchzuführen ist, anzustellen sind (vgl. oben) und somit für eine Berücksichtigung bei der rentenrechtlichen Umsetzung des Versorgungsausgleichs kein Raum mehr ist. Dies bestätigt die Regelung des § 10 a VAHRG, wonach lediglich das Familiengericht unter den dort genannten Voraussetzungen auf Antrag zur nachträglichen Abänderung seiner Entscheidung über den Versorgungsausgleich befugt ist. Spätere Änderungen der für diese Entscheidungen maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse finden ohne eine Entscheidung des Familiengerichts beim rentenrechtlichen Vollzug eines rechtskräftig durchgeführten Versorgungsausgleichs keine Berücksichtigung (vgl. BSG, Urteil vom 08.12.1988, aaO).

Auch die weiteren Voraussetzungen nach § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr 4 SGB X liegen vor: Die Beklagte hat den Kläger im ersten Anhörungsschreiben vom 22.02.2002 ausdrücklich über die Auswirkungen des Versorgungsausgleichs und den Rentenantrag nebst seinen Folgen informiert. Der Kläger musste davon ausgehen, dass er ab März 2002 nur noch einen in der angekündigten Höhe geminderten Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente hat und konnte sich dem allenfalls grob fahrlässig verschließen. Anhaltspunkte für einen eine Ermessensentscheidung erfordernden sog. atypischen Fall (dazu BSG Urteil vom 03.07.2001 - Az: 9b Rar 2/90 - (= SozR 3-1300 § 48 Nr. 10))lagen nicht vor. Die Beklagte konnte mit Wirkung vom 01.03.2002, d.h. nach Bekanntgabe des Anhörungsschreibens am 27.02.2002, die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers unter Anrechnung des Versorgungsausgleichs neu berechnen. Der Rückzahlungsanspruch von 600,60 Euro für die Zeit vom 01.03. bis 30.04.2002 ergibt sich aus den §§ 48 Abs 1 Satz 1 und 2 Nr 4, 50 Abs 1 Satz 1 SGB X.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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