L 9 AL 41/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 33 AL 98/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 41/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 06. Februar 2003 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg) ab 02.04.2002.

Der 1954 geborene Kläger arbeitete vom 01.02.1979 bis 25.02.1999 als beitragspflichtiger Arbeitnehmer. Vom 26.02. bis 29.06.1999 bezog er Krankengeld und wegen der Teilnahme an einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme vom 30.06. bis 04.08.1999 Übergangsgeld. Anschließend bewilligte ihm der Rentenversicherungsträger vom 01.08.1999 bis 31.03.2002 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit. Sein ehemaliger Arbeitgeber zahlte ihm für die letzten 36 Monate vor dem 02.04.2002 kein Arbeitsentgelt.

Der Kläger meldete sich am 02.04.2002 arbeitslos und beantragte die Zahlung von Alg. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 04.04.2002 ab, weil der Kläger innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren vor dem 01.04.2002 nicht mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden und damit nicht die Anwartschaftszeit erfüllt habe. Der Kläger erhob gegen den Bescheid am 19.04.2002 Widerspruch. Er vertrat zu dessen Begründung die Auffassung, er habe die Anwartschaftszeit erfüllt, da er bis zum 31.07.1999 Krankengeld bezogen habe, von dem Beiträge entrichtet worden seien, und im Anschluss hieran eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit ab 01.08.1999. Darüber hinaus könne es nicht sein, dass er über 20 Jahre Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet habe, nunmehr aber nach einer unverschuldeten Krankheit schwerbehindert geworden und kein Leistungsträger mehr für ihn zuständig sei. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 24.04.2002 weiterhin mit der Begründung zurück, der Kläger habe seit dem Beginn der Rahmenfrist am 02.04.1999 lediglich bis zum 31.07.1999 wegen des beitragspflichtigen Krankengeld- und Übergangsgeldbezuges in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden und damit keine 12 Monate zurückgelegt (abgesandt am 24.04.2002).

Hiergegen richtete sich die am 27.05.2002 erhobene Klage. Der Kläger hat zu deren Begründung vorgetragen, das Versicherungspflichtverhältnis habe bei seinem Arbeitgeber bis zum Zeitpunkt der ordentlichen Kündigung am 05.06.2002 fortbestanden. Versicherungsrechtlich könne das Beschäftigungsverhältnis auch dann noch bestehen, wenn keine Arbeitsleistung erbracht werde. Aus diesem Grunde habe er die Anwartschaftszeit erfüllt.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 06.02.2003 abgewiesen. Es hat sich zur Begründung der Auffassung der Beklagten angeschlossen und ergänzend ausgeführt, es habe auch seit dem Beginn der Erkrankung kein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis mehr vorgelegen, weil der Kläger kein Arbeitsentgelt von seinem ehemaligen Arbeitgeber bezogen habe (§ 25 Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung - SGB III). Der Bezug der Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit sei nicht anwartschaftsbegründend bzw. versicherungspflichtig gewesen, weil der Gesetzgeber erst mit Wirkung ab 01.01.2003 (Job-AQTIV- Gesetz vom 10.02.2001 - BGBl. I S. 3443) diesen Rentenbezug der Versicherungspflicht unterworfen habe (§ 26 Abs. 2 Nr. 3 SGB III).

Gegen den am 13.02.2003 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 10.03.2003 eingelegte Berufung des Klägers. Er ist der Ansicht, die Versicherungspflicht des Rentenbezuges wegen Erwerbsunfähigkeit müsse im Wege der Auslegung auch für die Zeit vor dem 01.01.2003 angenommen werden, da eine Gesetzeslücke vorliege. Der Gesetzgeber habe durch die Neuregelung zu erkennen gegeben, dass der Kreis der Rentenbezieher in den Schutz der Arbeitslosenversicherung einzubeziehen sei. Die Nichteinbeziehung verstoße gegen Art. 14 Grundgesetz (GG), da er über 20 Jahre Beiträge zur Arbeitslosenversicherung eingezahlt und damit eine Anwartschaft erworben habe, die durch Art. 14 GG geschützt werde. Damit stehe nicht im Einklang, dass die Anwartschaft allein wegen des Rentenbezuges vollständig wegfalle. Darüber hinaus gebiete Art. 3 GG die Einbeziehung der Rentenbezieher für die Zeit vor dem 01.01.2003 in die Versicherungspflicht, da der Gesetzgeber diese für die Folgezeit eingeführt habe. Letztlich werde gegen das Sozialstaatsprinzip nach Art. 20 GG verstoßen, da eine 20-jährige Beitragszahlung und die damit erworbene Anwartschaft durch den Rentenbezug auf Zeit vernichtet werde.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 06.02.2003 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.04.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.04.2002 zu verurteilen, ihm ab 02.04.2002 bis 31.08.2003 Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und kann keine Regelungslücke erkennen. Darüber hinaus verweist sie auf die Entscheidung des Bundessozial- gerichts (BSG) vom 30.03.1994 - 7 RAr 86/94 -, nach der die Nichteinbeziehung von Beziehern einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit in den geschützten Personenkreis nicht verfassungswidrig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie der Verwaltungsakte der Beklagten - Kundennr.: 000 - Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Der Senat sieht von einer Darstellung der Entscheidungsgründe im Wesentlichen ab, weil er die Berufung bereits aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung sowie des Widerspruchsbescheides zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Wortlaut des § 26 Abs. 2 Nr. 3 SGB III, mit dem die Versicherungspflicht erst ab 01.01.2003 eingeführt worden ist, eindeutig und damit nicht einer Auslegung zugängig ist. Es hat für die vorhergehende Zeit zudem auch keine Regelungslücke vorgelegen. Denn der Gesetzgeber hat Bezieher einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit bereits unter der Geltung des AFG bis 31.12.1997 nicht in den begünstigten Personenkreis einbezogen, weil er die Zeit des Rentenbezugs nicht der Versicherungspflicht unterworfen bzw. ihr nicht gleichgestellt hat (vgl. § 107 Nr. 5 AFG). Er hat dies auch nicht unter der Geltung des SGB III ab 01.01.1998 bis zum 31.12.2002 getan (§ 26 Abs. 2 SGB III a.F.). Angesichts der über Jahre gleichbleibenden Regelung und zwischenzeitlichen Gesetzesänderungen zur Versicherungspflicht, die im Hinblick auf die Kenntnis der geltenden Gesetzeslage Möglichkeiten zu einer Neuregelung auch in diesem Punkt - insbesondere ab 01.01.1998 - gegeben hätte, ist eine Gesetzeslücke nicht ersichtlich.

Der Senat hält die Regelung bis 31.12.2002 in Übereinstimmung mit der Entscheidung des BSG vom 30.03.1995 - 7 RAr 86/94 - auch nicht für verfassungswidrig. Er sieht hierin keinen Verstoß gegen die vom Kläger angeführten Art. 14, 3 und 20 GG. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidungsgründe des BSG-Urteils Bezug genommen, das dem Kläger im vollständigen Wortlaut übersandt und bekannt gegeben worden ist. Ergänzend wird hervorgehoben, dass der Kläger mit seiner Beitragszahlung lediglich einen insoweit eingeschränkten Leistungsanspruch durch seine Beitragsleistung hat erwerben können, als er die Anspruchsvoraussetzungen in der jeweils gültigen Fassung zum Zeitpunkt der Antragstellung und damit der Erstarkung des Rechts zu erfüllen hatte. Diese haben im Hinblick auf den begrenzten Alg-Leistungszeitraum Veränderungen durch die Gesetzgebung unterlegen und daher seit der erstmaligen Beitragsentrichtung des Arbeitnehmers dauerhaft keine festgelegte Rechtsposition geschaffen, in die durch eine Verschärfung der Anspruchsvoraussetzungen bzw. eine Nichteinbeziehung in den begünstigten Personenkreis eingegriffen würde. Der Zeitpunkt der Einbeziehung in die Versicherungspflicht unterliegt vielmehr dem weiten gesetzgeberischen Ermessen und der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, der die entsprechende Regelungsnotwendigkeit vorliegend erst für die Zeit ab 01.01.2003 mit der Begründung gesehen hat, " ... Lücken der sozialen Sicherung zu schließen" (BT-Drucks. 14/6944, S. 26). Diesen gesetzgeberischen Ermessensspielraum, den der Gesetzgeber bewusst erst mit einer Regelung für die Zeit ab 01.01.2003 ausgenutzt hat, kann ein Gericht nicht durch eine rückwirkende Verlegung einschränken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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