L 8 AL 344/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 AL 328/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 344/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26. August 2003 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen. IV. Der Streitwert wird auf 2.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Zahlung von 2.000,00 EUR aus einem Vermittlungsgutschein streitig.

Der 1955 geborene Beigeladene bezog ab 19.01.2002 Arbeitslosengeld (Alg). Ihm wurde am 29.07.2002 ein Vermittlungsgutschein über 2.000,00 EUR ausgestellt.

Am 30.07.2002 beantragte die Klägerin die Auszahlung von 1.000,00 EUR aus diesem Vermittlungsgutschein und legte einen Vermittlungsvertrag vom 29.07.2002 vor, nach dem zwischen ihr und dem Beigeladenen ein Vermittlungsvertrag für die Zeit vom 29.07. bis 28.10.2002 geschlossen worden sei; die Klägerin verpflichtete sich darin, sofort im Interesse des Arbeitsuchenden tätig zu werden, um die Erfüllung des Auftrages bemüht zu sein und alle sich ergebenden Abschlusschancen zu sondieren. Gleichzeitig reichte sie eine Vermittlungsbestätigung der S. GmbH, Arbeitnehmerüberlassung und private Arbeitsvermittlung, ein, wonach auf Vermittlung der Klägerin am 29.07. 2002 mit dem Beigeladenen ein Arbeitsvertrag für die Zeit vom 30.07. bis 29.11.2002 geschlossen worden war.

Mit Bescheid vom 05.09.2002 lehnte die Beklagte die beantragte Zahlung mit der Begründung ab, zu dem Begriff der Vermittlung gehöre, dass ein Dritter tätig werde; Dritter sei ein privater Vermittler nur, wenn er von den Vertragsparteien verschieden und unabhängig sei. Hier bestehe eine Personenidentität zwischen dem privaten Vermittler und dem Arbeitgeber, da die Gesellschafterinnen der Klägerin einerseits und die Geschäftsführerinnen der GmbH andererseits identisch seien. Für beide Firmen sei im Handelsregister als Gewerbezweck die Arbeitnehmerüberlassung (Zeitarbeit) und die private Arbeitsvermittlung angegeben.

Mit dem Widerspruch wurde geltend gemacht, die GmbH sei eine eigenständige juristische Person, weshalb eine Parteiidentität zur Klägerin, einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR), gerade nicht bestehe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.10.2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Dritter im Sinne des § 652 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sei ein Vertragspartner nur, wenn er vom Vermittler verschieden sei, wobei es nicht auf die formelle gesellschaftsrechtliche Stellung, sondern auf die zugrundeliegenden wirtschaftlichen Verhältnisse ankomme. Ein Anspruch auf Auszahlung eines Vermittlungsgutscheines nach § 421g des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) entstehe nicht, wenn die Gesellschaft, die als Bevollmächtigte des Dritten die Entscheidung über das Zustandekommen des Hauptvertrages treffe, mit der Vermittlungsgesellschaft so eng verflochten sei, dass beide vom wirtschaftlichen Standpunkt aus als identisch angesehen werden müssen. Entscheidend sei, ob der Vermittler und der Dritte die Fähigkeit zur selbständigen, voneinander unabhängigen Willensbildung besäßen. Dies sei hier nicht der Fall.

Zur Begründung ihrer zum Sozialgericht Regensburg (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, es sei richtig, dass die GdbR und die GmbH auf der Seite der Gesellschafter und Geschäftsführer momentan die gleiche Besetzung aufwiesen. Dennoch handle es sich um eigenständige Rechtspersönlichkeiten, die auch eigenständig im Geschäftsverkehr aufträten. Es sei weder unmöglich noch unüblich, dass sich die Gesellschafterstrukturen und Geschäftsführungsbefugnisse in den Gesellschaften änderten. § 652 BGB regle den zivilrechtlichen Mäklervertrag und könne im Rahmen des § 421g SGB III weder direkt noch analog angewendet werden.

Mit Bescheid vom 02.04.2003 hat die Beklagte die Restzahlung aus dem Vermittlungsgutschein über 1.000,00 EUR abgelehnt.

Mit Urteil vom 26.08.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Von einer Vermittlung im Sinne des § 421g SGB III und der Vorgängerregelung des § 291 SGB III könne nur gesprochen werden, wenn der Vermittler einerseits und der Arbeitgeber andererseits personenverschieden seien. Hierbei sei letztlich nicht auf die formale Rechtspersönlichkeit abzustellen, vielmehr sei die wirtschaftliche Betrachtungsweise maßgebend. Zumindest analog könne auf die zivilrechtlichen Vorschriften über den Mäklervertrag (§§ 652 ff. BGB) zurückgegriffen. Zwischen der Klägerin und der Firma S. GmbH bestünden derartig enge wirtschaftliche Verflechtungen, dass aus der Sicht der Klägerin ein Vertrag mit einem Dritten nicht angenommen werden könne. Im Übrigen beschäftigten sich beide Firmen mit der Arbeitnehmerüberlassung. Die vorgetragene vorzugsweise Tätigkeit im Raum A. durch die Klägerin korrespondiere ergänzend mit der bundesweiten Tätigkeit der Firma S. GmbH, so dass insoweit eine wirtschaftlich sinnvolle ergänzende Tätigkeit angenommen werden könne.

Mit ihrer Berufung trägt die Klägerin vor, ein Missbrauchstatbestand liege nicht vor, da beide Firmen bereits 1994 gegründet worden. Auch sei keine der Firmen schwerpunktmäßig damit betraut, Vermittlungen mit Vermittlungsgutscheinen abzuwickeln. Auf Seiten der Klägerin und der GmbH seien auch verschiedene Angestellte tätig geworden, so dass weder die Personenidentität auf der Geschäftsführungs- und Gesellschafterebene noch eine irgendwie geartete wirtschaftliche Verflechtung für das Vermittlungsgeschäft ausschlaggebend gewesen seien.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26.08.2003 sowie den Bescheid vom 05.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2002 und den Bescheid vom 02.04.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, 2.000,00 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf das Urteil des Sozialgerichts Strahlsund vom 21.08.2003, S 4 AL 36/03.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, da die Klägerin keinen Anspruch auf Auszahlung einer Vermittlungsgebühr aufgrund des dem Beigeladenen ausgestellten Vermittlungsgutscheines hat.

Gemäß § 421g Abs.1 Satz 2 SGB III, eingefügt durch das Gesetz vom 23.03.2002 (BGBl.I, S.1130), verpflichtet sich das Arbeitsamt mit dem dem Arbeitnehmer ausgestellten Vermittlungsgutschein, den Vergütungsanspruch eines vom Arbeitnehmer eingeschalteten Vermittlers, der den Arbeitnehmer in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich vermittelt hat, nach Maßgabe der Absätze 2 bis 4 zu erfüllen; gemäß Abs.2 Satz 4 wird die Leistung unmittelbar an den Vermittler gezahlt. Ein solcher Zahlungsanspruch ist hier nicht entstanden, da eine Vermittlung im Sinne des § 421g nicht stattgefunden hat. Deshalb kann dahinstehen, ob, wie die Klägerin vorträgt, § 421g Abs.3 abschließend die Fälle regelt, in denen nach einer Vermittlung die Zahlung der Vergütung dennoch ausgeschlossen ist.

Zu Recht weisen die Beklagte und das SG darauf hin, dass von einer Vermittlung nur gesprochen werden kann, wenn das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses durch einen Dritten herbeigeführt wird. Davon kann hier nicht ausgegangen werden, da zwischen den Gesellschafterinnen und Geschäftsführerinnen der Klägerin einerseits und den Gesellschafterinnen und Geschäftsführerinnen der S. GmbH andererseits Personenidentät besteht. Hierbei ist unerheblich, dass es sich bei der GmbH um eine juristische Person handelt; entscheidend ist, dass die Gesellschafter dieser juristischen Person, die für sie auch verantwortlich handeln, mit der Klägerin identisch sind.

Das Interesse des im Rahmen von § 421g SGB III tätigen Vermittlers muss sich in dem Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses erschöpfen, ein darüber hinausgehendes Interesse darf nicht gegeben sein. Im vorliegenden Fall sind die Vermittler aber auch die Arbeitgeber des Vermittelten, der ihnen gegenüber weisungsunterworfen ist, so dass wirtschaftlich gesehen der Vermittler auch der Arbeitgeber ist. An dieser Weisungsunterworfenheit gegenüber den für die GmbH agierenden natürlichen Personen ändert die Tatsache, dass rechtlich gesehen der Arbeitgeber eine juristische Person ist, nichts. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise, die auf die tatsächlichen und nicht auf die formal-rechtlichen Verhältnisse abstellt, gilt hier in gleicher Weise wie bei der Frage, ob ein Gesellschafter/Geschäftsführer einer juristischen Person, der die Geschicke der Gesellschaft wesentlich mitbestimmen kann, Arbeitnehmer dieser Gesellschaft ist (vgl. z.B. BSG NZA 1989, 288).

Diese Auslegung des Begriffes Vermittlung ist deshalb erforderlich, weil der Vermittler die Interessen des Arbeitnehmers, seines Auftraggebers, wahrzunehmen hat. In einem Fall wie dem vorliegenden besteht die Gefahr, dass er den Arbeitnehmer aus Eigeninteresse nur an den Arbeitgeber "vermittelt", mit dem er - der Vermittler - wirtschaftlich verflochten ist, und unter Umständen ihm vorliegende günstigere Stellenangebote nicht in die Vermittlung einbezieht.

Es kann dahinstehen, ob es sich bei dem zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zustande gekommenen Vermittlungsvertrag um einen Mäklervertrag im Sinne des § 652 BGB handelt. Jedenfalls sind diese Bestimmung und die hierzu ergangene Rechtsprechung zumindest analog anzuwenden. Auch danach liegt die Vermittlung eines Rechtsgeschäftes mit einem Dritten durch den Makler nicht vor, wenn dieser Dritte von dem Makler nicht wirklich verschieden ist, wobei es nicht auf die formell-rechtliche Stellung, sondern auf die zugrundeliegenden wirtschaftlichen Verhältnisse ankommt (vgl. Palandt, BGB, 62. Auflage, Rdnr.29 zu § 652). Hierbei genügt auch eine sog. unechte Verflechtung, das heißt, wenn der Makler zum Vertragspartner seines Auftraggebers in einer Beziehung steht, aufgrund deren er sich, unabhängig vom Verhalten im Einzelfall, wegen eines institutionalisierten Interessenkonflikts im Streitfall bei regelmäßigem Verlauf auf die Seite des Vertragspartners seines Auftraggebers stellen wird. Im vorliegenden Fall sind die zwischen der Klägerin und der GmbH bestehenden gleichlaufenden Interessen und die hieraus resultierende Besorgnis im obigen Sinne offensichtlich.

Somit war die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26.08.2003 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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