L 6 RJ 234/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 2 RJ 488/02 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 234/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 19. März 2003 sowie der Bescheid der Beklagten vom 10. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2002 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 1. Januar 2000 Rente wegen Berufsunfähigkeit und ab 1. April 2004 Rente wegen voller Erwerbsfähigkeit zu zahlen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Beklagte trägt drei Viertel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, hilfsweise - ab 01.01.2001 - auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Der Kläger, 1945 geboren und Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, gibt an, nach dem Besuch der Volksschule und einer weiterführenden Schule in Bosnien als Grundschullehrer beschäftigt gewesen zu sein. 1971/72 habe er als Fabrikarbeiter und Bauhelfer in Luxemburg gearbeitet. Von 1972 bis 1985 und sodann von 1991 bis 1998 sei er in der Bundesrepublik Deutschland als Kellner versicherungspflichtig beschäftigt gewesen.

In Bosnien und Herzegowina weist der Kläger Pflichtbeitragszeiten in den Jahren 1966/67 und 1969/70 sowie vom 01.01.1991 bis 31.08.1991 auf. In Deutschland hat der Kläger vom 22.05.1972 bis 18.10.1984 rentenrechtliche Zeiten zurückgelegt (im wesentlichen Pflichtbeiträge); eine ununterbrochene Pflichtbeitragsleistung liegt sodann vom 01.09.1991 bis 03.03.1998 vor.

Mit Bescheid vom 10.10.2001 und Widerspruchsbescheid vom 21.01. 2002 lehnte die Beklagte den am 16.12.1999 gestellten Antrag des Klägers auf Zahlung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit ab, weil der Kläger leichte Arbeiten ohne Akkord noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne und nach seiner maßgeblichen Berufstätigkeit als Kellner als ungelernter Arbeiter zu beurteilen sei.

Gesundheitszustand und berufliches Leistungsvermögen entnahm die Beklagte einem in S. am 16.02.2000 erstatteten Rentengutachten, das den Kläger aufgrund langjährigen Alkoholmißbrauchs für nur noch unter zwei Stunden täglich leistungsfähig erachtete, weiteren medizinischen Unterlagen aus der Heimat des Klägers und dem Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. vom 20.09.2001, das auf einer dreitägigen stationären Untersuchung des Klägers in der Ärztlichen Gutachterstelle Regensburg beruhte und zum Ergebnis gekommen war, der Kläger könne leichte Arbeiten in Tagesschicht und ohne Akkordarbeit, insbesondere auch als Kellner, täglich noch sechs Stunden und mehr verrichten.

Mit der am 03.04.2002 zum Sozialgericht Landshut (SG) erhobenen Klage verfolgte der Kläger seinen Rentenanspruch weiter. Er könne wegen seines schlechten Gesundheitszustands nicht mehr arbeiten. Zum Nachweis hierfür legte er Befunde aus den Jahren 2001 und 2002 vor.

Das SG erhob über Gesundheitszustand und berufliches Leistungsvermögen des Klägers Beweis durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens von der Ärztin für Psychiatrie/Psychotherapie, Sozialmedizin Dr. M. (vom 18.11.2002).

Die Sachverständige stellte beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen fest:

- Reaktiv depressive Verstimmungszustände.

- Vegetative Labilität.

- Alkoholabhängigkeit (seit zwei Jahren in Abstinenz).

- Verdacht auf leichte sensible Polyneuropathie.

- Benzodiazepin-Missbrauch.

- Lendenwirbelsäulenabhängige Beschwerden ohne neurologische Funktionsausfälle.

Dr. M. führte unter Berücksichtigung der vom Kläger neu vorgelegten medizinischen Befunde aus, diese Gesundheitsstörungen lägen seit dem Zeitpunkt des Rentenantrags vor. Gegenüber dem Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. vom 20.09.2001 habe sich keine wesentliche sozialmedizinisch relevante Befundänderung ergeben. Der vorgealtert und verbraucht wirkende Kläger könne leichte Arbeiten ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit, ohne Zeitdruck, ohne Nachtschicht und ohne Akkordarbeit noch vollschichtig verrichten. Unübliche Arbeitspausen seien nicht erforderlich. Einschränkungen des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte bestünden nicht. Als Kellner sei der Kläger wegen der Alkoholgefährdung nicht mehr einsetzbar. Er sei in seiner Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit eingeschränkt und könne sich geistig nicht mehr in einen anderen Berufsbereich einarbeiten, sondern könne sich nur noch auf einfachste Arbeiten umstellen.

Nachdem der Kläger Arbeitszeugnisse über seine Berufstätigkeit als Kellner vorgelegt hatte und eine vom SG angeforderte Auskunft des letzten Arbeitgebers des Klägers vorlag (H. , Auskunft vom 05.12.2002), wies das SG die Klage mit Urteil vom 19.03.2003 ab. Der Kläger sei vollschichtig leistungsfähig und auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar.

Am 24.04.2003 ging die Berufung des Klägers gegen dieses ihm in seiner Heimat zugestellte Urteil beim Bayer. Landessozialgericht ein. Er könne wegen der Folgen seiner Alkoholkrankheit nicht mehr arbeiten. In Bosnien habe er nach seiner Rückkehr nur kurze Zeit Arbeitslosengeld bekommen; arbeitslos gemeldet gewesen sei er vom 25.03.1998 bis 28.07.2000. Jetzt erhalte er Invalidenrente von umgerechnet etwa 3,00 Euro. Der Kläger legte weitere medizinische Unterlagen vor.

Der Senat erholte Auskünfte von früheren Arbeitgebern des Klägers und führte durch den berufskundlichen Sachverständigen Andreas Auer eine Überprüfung seiner Kenntnisse und Fertigkeiten als Kellner durch. Der Sachverständige kam zum Ergebnis (zwei Schreiben vom 03.03.2004), der Kläger sei als angelernter Arbeiter des oberen Bereichs im Sinn der Rechtsprechung des BSG zu beurteilen (entsprechend einem Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwölf Monaten bis zu zwei Jahren).

Außerdem holte der Senat medizinische Sachverständigengutachten ein von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. (Gutachten vom 10.03.2004), von dem Arzt für Orthopädie Dr. F. Gutachten vom 03.03.2004) und von dem Internisten Dr. E. (Gutachten vom 13.05.2004); in diesen Gutachten sollten sich die Sachverständigen vor allem auch zu Gesundheitszustand und beruflichem Leistungsvermögen des Klägers für die Zeit vom Rentenantrag im Dezember 1999 bis einschließlich April 2000, dem Zeitpunkt, in dem letztmalig die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erfüllt gewesen sind (vgl. Schreiben der Beklagten vom 08.06.2004), äußern.

Dr. F. konnte für das orthopädische Fachgebiet mangels Vorbefunden für den maßgeblichen Zeitraum keine Aussagen machen; die von ihm festgestellten leichten Verschleißerscheinungen seien möglicherweise inzwischen hinzugekommen.

Auf internistischem Fachgebiet wurden durch Dr. E. auch noch im Zeitpunkt seiner Untersuchung keine sozialmedizinisch relevanten Gesundheitsstörungen gesehen.

Dr. K. bestätigte für den entscheidungserheblichen Zeitraum insbesondere die Beurteilung, die Dr. M. abgegeben hatte. Ab dem Zeitpunkt der jetzigen Untersuchung (02.03.2004) sei dem Kläger keine Erwerbstätigkeit mehr möglich.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass das von Dr. M. festgestellte eingeschränkte Umstellungsvermögen erst ab dem Zeitpunkt dieser Begutachtung (November 2002) nachgewiesen sei. Es bestehe mit der Beurteilung Dr. K. Einverständnis, dass der Kläger ab 02.03.2004 nicht mehr erwerbstätig sein könne.

Der in der mündlichen Verhandlung nicht anwesende und auch nicht vertretene Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 19.03.2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10.10.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm aufgrund seines Antrags vom 16.12.1999 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise - ab 01.01.2001 - eine Rente wegen Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten - Klageakte des SG Landshut; Rentenakten der Beklagten - und der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und auch im wesentlichen begründet. Der Kläger hat ab 01.01.2000 Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit und ab 1.4.2004 Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Der Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit ist wegen des Rentenbeginns vor dem 01.01.2001 an den Vorschriften des SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.) zu messen.

Der Kläger kann ab 01.01.2000 von der Beklagten Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI a.F. beanspruchen, weil er seit dem Zeitpunkt des Rentenantrags vom 16.12. 1999 berufsunfähig im Sinn der Legaldefinition des zweiten Absatzes dieser Vorschrift ist.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI a.F. haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie 1. berufsunfähig sind, 2.in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Berufsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Nach § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen auf weniger als die Hälfte derjenigen von gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist (Satz 1). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt hierbei alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Satz 2). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 4). Die hier genannten Tatbestandsmerkmale der Berufsunfähigkeit liegen beim Kläger seit dem Zeitpunkt des Rentenantrags (Dezember 1999) vor.

Das nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI zunächst festzustellende berufliche Leistungsvermögen des Klägers war schon seit Dezember 1999 eingeschränkt. Er konnte nämlich seit dem Zeitpunkt des Rentenantrags vom Dezember 1999 (und noch weiter bis 02.03.2004) nur noch leichte Arbeiten ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit, ohne Zeitdruck, ohne Nachtschicht und ohne Akkordarbeit vollschichtig verrichten. Unübliche Arbeitspausen waren nicht erforderlich. Einschränkungen des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte bestanden nicht. Er war bereits seit Dezember 1999 in seiner Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit eingeschränkt und konnte sich geistig nicht mehr in einen anderen Berufsbereich einarbeiten, sondern sich nur noch auf einfachste Arbeiten umstellen.

Dieses berufliche Leistungsvermögen des Klägers, das vom Dezember 1999 bis 02.03.2004 vorgelegen hat, ergibt sich vor allem aus dem vom SG eingeholten Gutachten der Ärztin für Psychiatrie/Psychotherapie, Sozialmedizin Dr. M. , dem sich der Senat anschließt. Dieses Gutachten ist inhaltlich durch das Gutachten, das der Senat von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. erholt hat, auch ausdrücklich bestätigt worden.

Nicht gefolgt werden kann der Auffassung der Beklagten, die von Dr. M. festgestellte Beschränkung des Umstellungsvermögens sei erst im Zeitpunkt der Untersuchung des Klägers durch die Sachverständige (18.11.2002) nachgewiesen. Dr. M. stellt ausdrücklich fest, dass die Gesundheitsstörungen, die die Einschränkungen der beruflichen Leistungsbreite zur Folge haben, schon seit dem Zeitpunkt des Rentenantrags vorliegen. Ihre Auffassung wird gestützt durch den von ihr festgehaltenen Eindruck, der Kläger sei vorgealtert und verbraucht, da eine solcher Zustand erfahrungsgemäß erst über einen längeren Zeitraum eintritt. Auch dem in S. am 16.02.2000 (also schon zwei Monate nach dem Rentenantrag) erstattete Rentengutachten kann, selbst wenn man ihm nicht in allen Punkten zu folgen vermag, ein wertvoller Hinweise entnommen werden: es weist vor allem auf die Folgen des Alkoholismus hin, insbesondere auf eine damals bereits beobachtbare Einschränkung der geistig-seelischen Leistungsbreite und stützt sich dabei auf (in der Akte der Beklagten enthaltene) Vorbefunde, die dies näher ausführen. Auch wenn diese Unterlagen möglicherweise mit einer gewissen Vorsicht zu betrachten sind, so geben sie doch ein in sich stimmiges Bild, das für Dr. M. eine relativ verläßliche weitere Grundlage ihrer Aussage geboten hat. Im Übrigen ist die Sachverständige aus ihrer ärztlichen Erfahrung in Verbindung mit dem persönlichen Eindruck in der Untersuchungssituation und unter Berücksichtigung der vorhandenen medizinischen Dokumentation der Lage, auch eine Aussage für einen (hier nicht allzu lange) zurückliegenden Zeitraum mit der nötigen Sicherheit zu treffen. Dass Dr. M. sich zur Frage der Umstellungsfähigkeit nicht geäußert hat, kann auch darauf zurückzuführen sein, dass er ihr keine besondere Bedeutung beigemessen hat, weil die Beklagte damals beim Berufsbild des Klägers von einem angelernten Arbeiter (allenfalls) des unteren Bereichs ausgegangen ist.

Nach dem beruflichen Leistungsvermögen ist weiterer Ausgangspunkt für die Feststellung der Berufsunfähigkeit der Hauptberuf des Versicherten. Bei dessen Bestimmung ist grundsätzlich von der zuletzt ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit auszugehen (vgl. KassKomm-Niesel § 43 SGB VI Rdnr. 21 ff. mit weiteren Nachweisen). Maßgeblicher Hauptberuf ist vorliegend der eines angelernten Kellners, wie ihn der Kläger auch zuletzt in Deutschland ausgeübt hat.

Diesen Beruf konnte der Kläger seit Dezember 1999 schon wegen seiner Alkoholgefährdung nicht mehr ausüben, aber auch deshalb, weil er nur noch für leichte Arbeiten ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit und ohne Zeitdruck geeignet war.

Daß der Kläger seinen maßgeblichen Beruf seit Dezember 1999 nicht mehr ausüben konnte, reicht für die Annahme von Berufsunfähigkeit noch nicht aus. Vielmehr sind - wie sich aus § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. ergibt - Versicherte nur dann berufsunfähig, wenn ihnen auch die Verweisung auf andere Berufstätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen oder sozial nicht mehr zumutbar ist (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. u.a. SozR 2200 § 1246 Nr.138).

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der sozialen Wertigkeit des bisherigen Berufs. Um diese zu beurteilen, hat das BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 138 und 140). Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht auschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. z.B. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 27 und 33). Grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächstniedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 143 m.w.N.; SozR 3-2200 § 1246 Nr. 5).

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist der Kläger der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters, und zwar des oberen Bereichs (Ausbildungs- bzw. Anlernzeit von mehr als einem bis zu zwei Jahren, vgl. BSG-Urteil vom 29.03.1994 - 13 RJ 35/93 = SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr. 45), zuzuordnen. Dies ergibt sich aus seiner Berufstätigkeit als angelernter Kellner, aus den entsprechenden Arbeitgeberauskünften und den Feststellungen, die der berufskundliche Sachverständige Auer aufgrund einer praktischen und theoretischen Überprüfung der Kenntnisse und Fertigkeiten des Klägers in dem Beruf des Restaurantfachmanns getroffen hat.

Als angelerntem Arbeiter des oberen Bereichs ist dem Kläger die Verweisung auf Berufstätigkeiten der einfachsten Art, auf die er sich seit Dezember 1999 nur noch umstellen könnte, sozial nicht zumutbar.

Damit ist der Kläger berufsunfähig, wie es die Anspruchsgrundlage des § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI in ihrer Nummer 1 verlangt. Aber auch die beitragsrechtlichen Voraussetzungen der Nummern 2 und 3 liegen (unstreitig) beim Eintritt des Leistungsfalls im Dezember 1999 vor.

Der Kläger hat somit ab 01.01.2000 Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit (zum Zeitpunkt des Beginns vgl. § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI).

Der Kläger, der zwar Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit hat, hat ab 01.01.2000 keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß der Bestimmung des bis 31.12.2000 in Kraft befindlichen § 44 Abs. 1 SGB VI, weil er bis einschließlich Februar 2004 die strengeren Voraussetzungen des Begriffs der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des zweiten Absatzes dieser Vorschrift nicht erfüllt hat. Nach § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI a.F. sind solche Versicherte nicht erwerbsunfähig, die - wie der Kläger - (irgend)eine (auch eine sozial nicht zumutbare) Berufstätigkeit noch vollschichtig ausüben können; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach der ab 01.01.2001 geltenden Vorschrift des § 43 Abs. 2 SGB VI neue Fassung (n.F.) hat der Kläger ab 01.01.2001 bis 31.03.2004 keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI n.F. haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind und dieselben beitragsrechtlichen Voraussetzunge erfüllen, die § 43 Abs. 1 Satz 1 Nummern 2 und 3 SGB VI a.F. verlangt haben.

Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI n.F. Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 3 betrifft den Kläger, der ein normales Erwerbsleben zurückgelegt hat, nicht). § 43 Abs. 3 SGB VI n.F. stellt klar, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, und dass dabei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Weil der Kläger bis 02.03.2004 einfachste Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes (sogar) noch vollschichtig hat verrichten können, hat bis zu diesem Zeitpunkt keine volle Erwerbsminderung vorgelegen. Diese Beurteilung ergibt sich aus den Gutachten der Sachverständigen Dr. M. , Dr. K. , Dr. F. und Dr. E ...

Erst ab 01.04.2004 hat der Kläger dann diesen Anspruch, weil er ab 02.03.2004 (unbestritten) zu keiner lohnbringenden Tätigkeit mehr in der Lage ist. Die beitragsrechtlichen Voraussetzungen sind aufgrund der vorausgehenden Rente wegen Berufsunfähigkeit auch für die erst am 01.04.2004 beginnende Rente wegen voller Erwerbsminderung noch erfüllt, vgl. § 43 Abs. 4 Nr. 1 Alternative 2 SGB VI n.F. Es besteht Anspruch auf eine unbefristete Rente, weil es unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann, vgl. § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI n.F.

Auf die Berufung des Klägers waren damit das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 19.03.2003 sowie der Bescheid der Beklagten vom 10.10.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2002 abzuändern und die Beklagte war zu verurteilen, dem Kläger ab 01.01.2000 Rente wegen Berufsunfähigkeit und sodann ab 01.04.2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu zahlen. Im Übrigen - hinsichtlich der weitergehenden Ansprüche auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.01.2000 bzw. auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab 01.01.2001 - war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved