L 19 RJ 117/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 RJ 1074/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 RJ 117/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.02.2002 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der 1947 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und hält sich seit 1970 in Deutschland auf. Er war bis 1992 überwiegend als Maschinenarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt.

Einen ersten Rentenantrag des Klägers vom 06.12.1991 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.04.1992 ab, da der Kläger nicht berufs- oder erwerbsunfähig sei.

Einen weiteren Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vom 18.04.1994 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 01.07.1994 ab, da der Kläger noch leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in Vollschicht leisten könne. Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Bescheid vom 03.05.1995 zurück. Die dagegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Nürnberg - nach Untersuchung des Klägers durch den Sozialmediziner Dr.H. - mit Urteil vom 15.11.1995 ab. Beim Kläger bestehe vordergründig eine chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung, die ihn aber nicht hindere, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch in Vollschicht zu verrichten. Das Urteil ist rechtskräftig geworden. Die Beklagte erteilte den Kontenklärungsbescheid vom 28.02.1996; der dazugehörige Versicherungsverlauf endet mit dem 08.11.1995.

Am 13.06.2000 beantragte der Kläger erneut die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte ließ ihn untersuchen durch den Sozialmediziner Dr.H. , der im Gutachten vom 20.07.2000 die Diagnosen nannte: Verzögerte Rekonvaleszenz nach Operation bei linksseitigem Kehlkopfkarzinom (Dezember 1999), Zustand nach Chemo-Radiotherapie,

chronische Pankreatitis,

alkoholtoxische Leberschädigung,

Blutgerinnungsstörungen,

erhöhter Blutdruck,

statische Rückenbeschwerden bei Fehlhaltung der Wirbelsäule.

Der Kläger könne auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt derzeit nur unter halbschichtig eingesetzt werden, was zumindest für die Dauer eines Jahres anzunehmen sei. Mit Bescheid vom 03.08.2000 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Beim Kläger bestehe seit 27.12.1999 bis voraussichtlich 31.07.2001 Erwerbsunfähigkeit; er habe jedoch nicht die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung erfüllt, denn im maßgeblichen Zeitraum vom 01.08.1993 bis 26.12.1999 sei nur ein Jahr mit Pflichtbeiträgen belegt. Auch habe der Kläger die Zeit von 1984 bis zum Eintritt des Leistungsfalles nicht durchgehend mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt, da Anrechnungszeiten nur bis 08.11.1995 gegeben seien und der Kläger danach nicht mehr beim Arbeitsamt als arbeitsuchend gemeldet gewesen sei. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte im Wesentlichen geltend, er sei bereits seit November 1995 erwerbsunfähig. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 16.11.2000 zurück. Der Eintritt eines Leistungsfalles bereits im Jahre 1995 könne schon deswegen nicht anerkannt werden, weil mit Urteil des SG Nürnberg vom 15.11.1995 festgestellt worden sei, dass der Kläger nicht berufs- oder erwerbsunfähig sei bzw. gewesen sei.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 08.12.2000 Klage beim Sozialgericht Nürnberg erhoben. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung am 20.06.2001 erklärt, er habe sich auch nach dem Gerichtsurteil vom 15.11.1995 erneut beim Arbeitsamt Nürnberg gemeldet; dort habe er die Auskunft erhalten, dass er seine Arbeitsuche nicht erneuern müsste, da eine Vermittlung auf einen zustandsangemessenen Arbeitsplatz nicht zu erwarten sei. Dies sei ihm wiederum bestätigt worden bei seiner Vorstellung beim Arbeitsamt im Dezember 2000 (mit Hinweis auf eine Besucherkarte des Arbeitsamtes). Die Ehefrau des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung am 05.02.2002 vor dem SG über die fraglichen Kontakte ihres Ehemannes zum Arbeitsamt ausgesagt. Mit Urteil vom 05.02.2002 hat das SG die Beklagte verurteilt, ausgehend von einem am 27.12.1999 eingetretenen Leistungsfall dem Kläger ab 01.07.2000 bis zunächst 31.07.2001 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren. Der Kläger sei seit Dezember 1999 für jegliche Berufstätigkeiten nur im Umfang von unter halbschichtig belastbar; er sei als erwerbsunfähig auf Zeit anzusehen. Die Beklagte habe die Versagung der Rente nicht auf das Fehlen der versicherungsrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen stützen dürfen. Die Erfordernisse für eine Rentengewährung seien vielmehr in Anwendung des § 241 Abs. 2 SGB VI als erfüllt anzusehen. Nach § 241 Abs. 2 Satz 2 SGB VI bedürfe es einer Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten nicht für Kalendermonate, für die eine Beitragszahlung noch zulässig sei. Auch wenn nach Verstreichen der in § 197 Abs. 2 SGB VI geregelten Fristen die wirksame Beitragsentrichtung für den unbelegten Zeitraum ab Dezember 1995 nicht mehr möglich sei, könne dies dem Kläger nicht entgegengehalten werden, da dies im Widerspruch stehe zu den Rechtsfolgen, zu denen die Beklagte aus den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches verpflichtet sei. Der Verlust der versicherungsrechtlichen Anwartschaft sei kausal auf eine fehlerhafte Beratung und Unterrichtung durch die Beklagte zurückzuführen, was nunmehr im Wege des Herstellungsanspruches auszugleichen sei. Der Verlust der Rentenanwartschaft beim Kläger hätte verhindert werden können, wenn dieser für den Zeitraum ab Dezember 1995 freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet hätte. Auf diese rechtliche Gestaltungsmöglichkeit hätte die Beklagte den Kläger ausdrücklich nach § 14 SGB I hinweisen müssen. Gerade im Hinblick auf den für den Kläger negativen Verfahrensausgang im Gerichtstermin am 15.11.1995 und der bekannten bereits langjährigen Arbeitslosigkeit, zuletzt ohne Leistungsbezug, habe ein konkreter Anlass bestanden, den Kläger auf offensichtlich zweckmäßige Gestaltungsmöglichkeiten zur Aufrechterhaltung seiner Anwartschaft hinzuweisen. Ein entsprechend deutlicher Hinweis sei weder in der Sitzung vor dem SG am 15.11.1995 erfolgt noch im Anschluss daran durch die Beklagte. Auch in dem anschließend dem Kläger zugeleiteten Kontenklärungsbescheid vom 28.02.1996 habe sich die Beklagte auf die sinngemäße Wiedergabe gesetzlicher Vorschriften beschränkt, obwohl dabei nach der Überzeugung des Gerichts wegen der unmittelbar drohenden Rechtsverluste bei dem der deutschen Sprache nur unzureichend mächtigen Kläger ein konkreter und individualisierter Hinweis erforderlich gewesen wäre. Aufgrund der Unvollständigkeit der gegebenen Beratung sei diese als fehlerhaft zu werten und geeignet einen Herstellungsanspruch auszulösen. Dieser Würdigung könne auch nicht entgegengehalten werden, dass die Beklagte dem Kläger mit der Bekanntgabe des Rentenablehnungsbescheides vom 01.07.1994 bereits ein Merkblatt zu den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Rentengewährung zugeleitet habe. Der sich nach erfolglosem Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens ergebende Sachverhalt habe einen erneuten Beratungsbedarf und eine konkrete Hinweis- und Beratungspflicht für die Beklagte begründet. Dem Kläger hätten aufgrund des Arbeitseinkommens seiner Ehefrau auch ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung gestanden, die eine Entrichtung von freiwilligen Mindestbeiträgen ermöglicht hätten. Insoweit habe das Gericht auch keine Bedenken, dass die unterbliebene Beitragsleistung durch die unzureichende Beratung der Beklagten verursacht worden sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die am 08.03.2002 beim Bayer. Landessozialgericht eingegangene Berufung der Beklagten. Seitens der Beklagten werde nicht in Abrede gestellt, dass ein anhängiges Verwaltungsverfahren über die Gewährung einer Rente einen hinreichend konkreten Anlass für eine Beratung des Versicherten über die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Rentengewährung darstelle. Das Bundessozialgericht (BSG) habe jedoch bereits 1994 entschieden, dass die der Beklagten obliegende Pflicht zur Beratung in jedem Stadium des Verwaltungsverfahrens erfüllt werden könne. Dem im zweiten Rentenverfahren ergangenen Ablehnungsbescheid vom 01.07.1994, der dem Bevollmächtigten des Klägers zugegangen sei, sei ausweislich von Blatt 12 der Rentenakte (Band 2) ein Merkblatt beigefügt gewesen, das über das Erfordernis einer freiwilligen Beitragsleistung unterrichtet habe. Insoweit habe die Beklagte ihrer Verpflichtung, den Kläger über das Erfordernis freiwilliger Beitragsleistung zu unterrichten, Genüge getan. Nicht zugestimmt werden könne der Auffassung des Gerichts, dass für die Beklagte bei Erteilung des Feststellungsbescheides im Jahre 1996 ein konkreter Anlass zur Beratungspflicht bestanden habe bzw. ein weiterer Beratungsbedarf erkennbar gewesen sei. Der vom SG angenommene erneute Beratungsbedarf sei für die Beklagte jedenfalls nicht erkennbar gewesen, da die Jahresmeldungen durch die Arbeitsverwaltung erst im April des Folgejahres abgegeben werden, der Bescheid aber bereits im Februar ergangen sei. Selbst wenn man das Vorliegen einer Beratungspflicht aber bejahen würde, würden die vom Erstgericht durchgeführten Ermittlungen nicht für den Nachweis einer Kausalität zwischen fehlender Beratung und dem Anwartschaftsverlust ausreichen. Die Aussage der Ehefrau des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem SG genüge nicht den Anforderungen, um die für eine Kausalität erforderliche Leistungsfähigkeit für die Entrichtung freiwilliger Beiträge über den gesamten Zeitraum von 1995 bis 1999 zu belegen. Im Übrigen sei dem Kläger bekannt gewesen, dass das Arbeitsamt ihn "von Amts wegen abgemeldet" habe; er habe jedoch im Anschluss daran die kostenlose Möglichkeit, durch fortgesetzte Meldung beim Arbeitsamt den gleichen Effekt wie mit einer Beitragsentrichtung zu erzielen, nicht genutzt.

Der Kläger hat auf gerichtliche Anforderung seine Kontoauszüge für das Jahr 1996 vorgelegt, erstellt von der Deutschen Bank AG, Filiale F ... Er hat erklärt, dass er über kein weiteres Bankkonto verfüge; von 1996 bis 1999 habe er auch keine Verbindlichkeiten gehabt. In der mündlichen Verhandlung am 16.06.2004 hat der Kläger nähere Angaben über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse gemacht.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.02.2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten und die Prozessakten des SG Nürnberg sowie die Leistungsakte des Arbeitsamtes Nürnberg vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig.

Die Berufung der Beklagten erweist sich im Ergebnis als nicht begründet.

Das SG hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit nach einem am 27.12.1999 eingetretenen Leistungsfall ab 01.07.2000 zusteht. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger seit Dezember 1999 in seiner Erwerbsfähigkeit so erheblich eingeschränkt ist, dass er - zumindest vorübergehend - nur unter halbschichtig für berufliche Tätigkeiten belastbar ist. Es liegt somit, unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage, Erwerbsunfähigkeit iS des § 44 Abs 2 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung vor. Unstreitig ist unter den Beteiligten auch, dass der Kläger in den letzten 5 Jahren vor diesem angenommenen Leistungsfall nicht die erforderlichen 36 Kalendermonate an Pflichtbeitragszeiten erreicht hat, denn für ihn sind nur 12 Monate im maßgeblichen Zeitraum nachgewiesen. Der Kläger erfüllt somit nicht die Erfordernisse des § 44 Abs 1 Nr 2 SGB VI aF.

Für den Kläger kommt die Erfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen jedoch über die Sonder- bzw Übergangsregelung des § 241 Abs 2 SGB VI in Frage und in diesem Zusammenhang nur im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Nach § 241 Abs 2 SGB VI sind Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit (iS des § 44 Abs 1 SGB VI aF) für Versicherte nicht erforderlich, die vor dem 01.01.1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 01.01.1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt des Versicherungsfalles mit Beitragszeiten oder Anwartschaftserhaltungszeiten belegt ist oder wenn die Erwerbsunfähigkeit vor dem 01.01.1984 eingetreten ist. Für Kalendermonate, für die eine Beitragszahlung noch zulässig ist, ist eine Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten nicht erforderlich.

Aus dem Versicherungsverlauf des Klägers wird deutlich, dass dieser bereits vor dem 01.01.1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt hat und dass im Versicherungsverlauf bis zu dessen Ende im November 1995 keine Lücken bestehen; eine Pflichtbeitragszahlung erfolgte aufgrund Bezugs von Arbeitslosengeld bis Juli 1994. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt tatbestandlich voraus, dass der Sozialleistungsträger aufgrund Gesetzes oder bestehenden Rechtsverhältnisses eine dem Betroffenen gegenüber obliegende Pflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 SGB I), verletzt und dadurch dem Betroffenen einen rechtlichen Nachteil zugefügt hat. Auf der Rechtsfolgenseite ist der Herstellungsanspruch auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung derjenigen Rechtsfolge gerichtet, die eingetreten wäre, wenn der Versicherungsträger die ihm gegenüber dem Versicherten obliegenden Pflichten rechtmäßig erfüllt hätte.

Das SG hat zutreffend festgestellt, dass ein Beratungsmangel nicht bei den Vorsprachen des Klägers beim Arbeitsamt F. festgestellt werden konnte. Das Erinnerungsvermögen des Klägers und seiner Ehefrau war hinsichtlich der Zeiten und Inhalte der angegebenen Vorsprachen bei der Arbeitsverwaltung eingeschränkt und nicht hinreichend zuverlässig. Der Verlust der Rentenanwartschaft beim Kläger hätte aber verhindert werden können, wenn dieser für den Zeitraum ab Dezember 1995 freiwillige Beiträge bis zum Monat vor Eintritt des Leistungsfalles (im Dezember 1999) entrichtet hätte. Auf diese rechtliche Gestaltungsmöglichkeit hätte die Beklagte den Kläger nach § 14 SGB I ausdrücklich hinweisen müssen, gerade im Hinblick auf den Ausgang des sozialgerichtlichen Verfahrens mit Urteil vom 15.11.1995. Die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass ein anhängiges Verwaltungsverfahren, wohl auch ein Gerichtsverfahren, über die Gewährung einer Rente einen hinreichend konkreten Anlass für eine Beratung des Versicherten über die Erhaltung der Anwartschaften darstellt. Die von der Beklagten vertretenen Auffassung, dass sie ihre Beratungspflicht bereits mit Übersendung eines Merkblattes zum Ablehnungsbescheid vom 01.07.1994 ausreichend erfüllt habe, wird vom Senat nicht geteilt. Das im Berufungsverfahren vorgelegte Merkblatt nennt die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erhaltung der Rentenanwartschaft und erwähnt dabei auch die Möglichkeit der Entrichtung von freiwilligen Beiträgen. Ein Eingehen auf die besondere persönliche Situation des Klägers konnte mit der Wiedergabe von Gesetzestexten naturgemäß nicht erfolgen. Der Senat sieht vielmehr eine Verpflichtung der Beklagten, nach Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens mit Urteil vom 15.11.1995, spätestens jedoch mit Erteilung des Kontenklärungsbescheides vom 28.02.1996 erneut oder weiterhin iS einer Beratung oder durch Erteilen konkreter Hinweise bezüglich der Notwendigkeit der Erhaltung der Anwartschaft tätig zu werden. Immerhin waren zwischen dem Rentenablehnungsbescheid und dem Urteil des Sozialgerichts ca. eineinhalb Jahre vergangen und die Situation des Klägers hatte sich insoweit geändert, als er nun arbeitslos ohne Leistungsbezug war. Der weiteren Argumentation der Beklagten, dass für sie ein "erneuter Beratungsbedarf" hinsichtlich einer zwingend erforderlichen freiwilligen Versicherung nicht erkennbar gewesen sei, da die Jahresmeldungen durch die Arbeitsverwaltung erst im April des Folgejahres abgegeben würden, kann nicht gefolgt werden. Ein Hinweis inform einer Beratung oder Unterrichtung der Versicherten ist vielmehr immer und schon dann erforderlich, wenn der Verlust der Anwartschaft droht. Die Ansicht der Beklagten würde darauf hinauslaufen, erst dann in die Beratung eintreten zu müssen, wenn der "Schadensfall" bereits eingetreten ist. Es ist vielmehr vertretbar und auch erforderlich, von der Beklagten eine Beratung bei Abschluss eines sozialgerichtlichen oder auch eines Verwaltungsverfahrens zu verlangen, die dem Versicherten wenigstens die Möglichkeit eröffnet, auf den drohenden Verlust der Rentenanwartschaft zu reagieren. In welcher Form dies dann geschieht, sei es durch Entrichtung von freiwilligen Beiträgen oder durch weitere Meldung als Arbeitsuchender beim Arbeitsamt (soweit dies noch anschlusswahrend möglich gewesen wäre), muss dem Versicherten überlassen bleiben. Auf die konkrete Nachentrichtungsmöglichkeit für freiwillige Beiträge, die durch den Abschluss des Sozialgerichtsverfahrens entstanden war, hätte ausdrücklich hingewiesen werden müssen; insbesondere hätte dem Kläger auch eine konkrete Frist für die Leistung freiwilliger Beiträge noch für das Jahr 1995 benannt werden müssen (die wegen der Zustellung des SG-Urteils im Januar 1996 über den März 1996 hinausgegangen wäre). Eine diesbezügliche Information über die Notwendigkeit einer Beitragsleistung noch für das Jahr 1995 und über eine möglicherweise verlängerte Nachentrichtungsfrist ist dem vorerwähnten Merkblatt nicht zu entnehmen. Nach der Einlassung des Klägers und den Bekundungen seiner Ehefrau hätten dem Versicherten auch ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung gestanden, die eine Entrichtung von freiwilligen Mindestbeiträgen ermöglicht hätten. Die Ehefrau des Klägers war in der Zeit von 1995 bis 1999 und darüber hinaus in Vollzeit erwerbstätig. Ihr sind regelmäßig Einkünfte zugeflossen, deren Höhe sich aus den Kontoauszügen für 1996 entnehmen lässt. Es ist auch glaubhaft, wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass das von seiner Ehefrau erzielte Einkommen die wesenliche Basis des Familieneinkommens darstellte; auch insoweit ist den Kontoauszügen nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Der Senat hat auch keine Zweifel, dass sich das Familieneinkommen in dem Zeitraum von 1995 bis 1999 im gleichbleibenden Rahmen bewegt hat, da das Beschäftigungsverhältnis der Ehefrau unverändert bestanden hatte. Der Kläger wäre somit zur Überzeugung des Senats auch in der Lage gewesen, in dem fraglichen Zeitraum ab 1995 freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung in der Mindesthöhe zu entrichten, und zwar ohne dass es des Rückgriffs auf das Erwerbseinkommen der Tochter oder sonstiger Verwandter bedurft hätte.

Da die Beklagte den Kläger bei oder unmittelbar nach Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens (Urteil vom 15.11.1995, an die Beteiligten zugestellt im Januar 1996) nicht auf das Erfordernis der Erhaltung der Rentenanwartschaft und die dafür gegebenen konkreten Möglichkeiten hingewiesen hat, ist der Kläger im Wege des Herstellungsanspruches so zu stellen, als ob er - ohne Beachtung bereits abgelaufener Fristen - noch Beiträge ab Dezember 1995 nachentrichten dürfte. Soweit eine Beitragszahlung noch zulässig ist, wenn auch im Wege des Herstellungsanspruches, ist eine Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten nicht erforderlich (§ 241 Abs 2, letzter Satz SGB VI). Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, erfüllt der Kläger damit auch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung aufgrund des im Dezember 1999 eingetretenen Leistungsfalles.

Die Berufung der Beklagten war zurückzuweisen mit der Folge, dass dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten sind.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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