L 7 P 27/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 P 81/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 P 27/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 21. April 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Leistungen aus der Pflegeversicherung streitig.

Der 1962 geborene Kläger beantragte am 27.03.2003 Leistungen aus der Pflegeversicherung und legte einen Schwerbehindertenausweis vor, der einen GdB von 90 sowie die Merkzeichen "G", "H" und "RF" aufweist. Er wurde am 03.04.2003 durch eine Pflegefachkraft des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen in Bayern (MDK) aufgesucht. In dem Gutachten vom 22.04.2003 heißt es, aufgrund eines 1987 erlittenen Verkehrsunfalles sei das linke Auge erblindet und das rechte Auge nur stark eingeschränkt leistungsfähig. Mit Starbrille könnten Personen in etwa 20 m Entfernung noch gesehen werden. Das Telefon sei mit einer Lupe bedienbar. Für die Hilfe beim Baden, bei der Zahnpflege und beim Rasieren seien jeweils 1 Minute erforderlich, ebenso für das An- und Entkleiden. Insgesamt betrage der Grundpflegebedarf 5 Minuten und der Bedarf in der hauswirtschaftlichen Versorgung 45 Minuten.

Mit Bescheid vom 29.04.2003 lehnte die Beklagte eine Leistungsgewährung ab. Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch wurde ein Pflegetagebuch vorgelegt. Am 04.07.2003 wurde der Kläger durch eine andere Pflegefachkraft des MDK zu Haus aufgesucht. In dem Gutachen vom 14.07.2003 wurde ein Hilfebedarf bei der Teilwäsche der Hände und des Gesichts von 3 Minuten, beim Baden von 1 Minute, bei der Zahnpflege von 2 Minuten, beim Rasieren von 1 Minute, bei der Ernährung von 2 Minuten, beim Ankleiden von 2 Minuten und beim Entkleiden von 1 Minute, insgesamt ein Grundpflegebedarf von 12 Minuten angenommen. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.09.2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Das vom Kläger angerufene Sozialgericht Augsburg (SG) hat einen Befundbericht des Augenarztes Dr.H. angefordert. Es hat die Pflegefachkraft H. R. zum Sachverständigen bestellt. Dieser hat den Kläger am 02.01.2004 zu Hause aufgesucht und das Gutachten vom 05.01.2004 erstellt. Danach besteht im Bereich der Körperpflege ein Pflegebedarf von 7 Minuten, im Bereich der Ernährung von 2 Minuten und der Mobilität von 3 Minuten, in der Grundpflege somit ingesamt von 12 Minuten, während in der hauswirtschaftlichen Versorgung der Hilfebedarf 45 Minuten beträgt.

Hierzu hat der Kläger vorgetragen, für die Teilwäsche des Gesichts seien 5 Minuten, für das dreimal wöchentlich stattfindende Baden mit Haarewaschen 45 Minuten für das Zähneputzen 10 Minuten und für das Kämmen 2 Minuten erforderlich.

Das SG hat mit Urteil vom 21.04.2004 die Klage abgewiesen. Selbst wenn man die Angaben des Klägers in der Stellungnahme zu dem Gutachten zugrunde lege, ergebe sich unter Berücksichtigung der Zeitkorridore, die die Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigen nach dem Elften Buch des Sozialgesetzbuches vorgeben, kein anspruchs- begründender Sachverhalt. Danach seien für eine Teilwäsche des Gesichts ein Hilfebedarf von 1 bis 2 Minuten, beim Baden von 20 bis 25 Minuten, für das Putzen der Zähne und das Kämmen jeweils 2 Minuten, in der Mobilität von 2 bzw. 3 Minuten erforderlich, im Bereich der Grundpflege durchschnittlich 33 Minuten kalendertäglich. Im Übrigen könnten die Angaben in dem Pflegetagebuch, geführt vom 10.05. bis 20.05.2003, nicht schlüssig nachvollzogen werden, wenn dort am 11.05.2003 ein Gesamt-Hilfebedarf einschließlich der hauswirtschaftlichen Versorgung von 357 Minuten angegeben worden sei.

Zur Begründung der Berufung verweist der Kläger auf das Pflegetagebuch und macht geltend, an der Hand behindert zu sein, weshalb er viele Verrichtungen selbst überhaupt nicht mehr ausführen könne.

Er beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 21.04.2004 und des Bescheides vom 29.04.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2003 zu verurteilen, Leistungen aus der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I für die Zeit ab März 2003 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

In der mündlichen Verhandlung am 27.08.2004 hat der Senat die Mutter des Klägers I. K. als Zeugin vernommen; bezüglich ihrer Aussage wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagne der Beklagte und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.

Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, da dem Kläger gegenwärtig kein Anspruch auf Pflegegeld zusteht.

Der Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe I setzt gemäß § 15 Abs.3 Nr.1 SGB XI voraus, dass der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege - das heißt der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität - und der hauswirtschaftlichen Versorgung mindestens 90 Minuten beträgt, wobei auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen müssen. Im vorliegenden Fall kann dahinstehen, in welchem Umfang bei der hauswirtschaftlichen Versorgung ein Pflegebedarf besteht, da in der Grundpflege der Hilfebedarf nicht mehr als 45 Minuten umfasst. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den schlüssigen Gutachten des MDK und der Pflegefachkraft R ...

Danach kann der Kläger die im Bereich der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität anfallenden gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Sinne des § 14 Abs.4 Nr.1 bis 3 SGB XI grundsätzlich selbst durchführen, benötigt lediglich bei einigen Verrichtungen Hilfe in Form der Unterstützung. Dies gilt für die Teilwäsche des Gesichts, die zweimal täglich anfällt; der Hilfebedarf beträgt insoweit 2 Minuten, ebenso für die Unterstützung beim Zähneputzen und Kämmen. Unterstützung ist auch beim Baden erforderlich. Bezüglich der Häufigkeit dieser Verrichtung sind im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben gemacht worden. Gegenüber dem Sachverständigen R. wurde erklärt, es werde einmal in der Woche gebadet. In der Stellungnahme vom 14.01.2004 zu diesem Gutachten ist sodann erklärt worden, das Baden finde dreimal wöchentlich statt. Als Zeugin hat die Mutter des Klägers vor dem Senat angegeben, das Baden würde täglich erfolgen, weil der Kläger an einer sehr speziellen Hautverfettung leide. Welche dieser Angaben richtig ist, kann dahinstehen, da auch bei täglichem Baden kein Hilfebedarf anfällt, der zusammen mit der Pflege bei den übrigen Verrichtungen mehr als 45 Minuten täglich erfordert. Wie die Mutter angegeben hat, kann der Kläger sich den Körper grundsätzlich selber waschen. Lediglich im Kopfbereich müsse sie das Waschen übernehmen, weil man darauf achten müsse, dass nichts in die Augen gelange. Außerdem müsse sie das Wasser in die Badewanne einlaufen lassen, um sicher zustellen, dass es richtig temperiert sei. Für diese Verrichtungen im Zusammenhang mit dem Badens können nicht mehr als 15 Minuten an Hilfebedarf angerechnet werden, da die Pflegeperson zum Beispiel während des Einlaufens des Wassers nicht so gebunden ist, dass sie keinen anderen Verrichtungen nachgehen kann, weshalb dieser Vorgang nur insoweit angerechnet werden kann, als die Temperatur des einlaufenden Wassers zu prüfen ist. Für das Waschen im Kopfbereich könnten auch mit der Maßgabe, dass darauf geachtet werden muss, dass nichts in die Augen gelangt, nicht mehr als 10 Minuten angesetzt werden. Das anschließende Putzen des Bades ist nicht der Grundpflege, sondern der hauswirtschaftlichen Versorgung zuzuordnen.

Wie die Zeugin ausgesagt hat, kann der Kläger das Essen grundsätzlich alleine einnehmen, lediglich Fleisch und andere festere Speisen müssen mundgerecht hergeschnitten werden. Den hierfür erforderlichen Hilfebedarf haben die Sachverständigen zutreffend mit 2 Minuten angesetzt. Auch für das Herrichten der Kleidung und die Kontrolle, ob sie richtig angezogen wurde, sind nicht mehr als 3 Minuten erforderlich.

Insgesamt kann auch unter Würdigung der Angaben der Mutter ein Hilfebedarf in der Grundpflege von nicht höher als ca. 30 Minuten angenommen werden. Dafür, dass beim Kläger wegen einer Behinderung der Hände ein höherer Pflegebedarf besteht, ergaben sich bei der Untersuchung durch den MDK und des Sachverständigen R. keine Anhaltspunkte; solches ergibt sich auch nicht aus der Aussage der Mutter.

Somit war die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 21.04.2004 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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