L 12 (9) AL 246/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 27 AL 141/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 (9) AL 246/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 06.11.2003 geändert und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosenhilfe ab 17.04.2002.

Der am 00.00.1944 geborene Kläger bezog bis 16.04.2000 Arbeitslosengeld und vom 17.04.2000 bis 16.04.2001 Arbeitslosenhilfe unter Berücksichtigung eines Anrechnungsbetrags aus dem Einkommen seiner am 00.00.1949 geborenen Ehefrau. Für die Zeit vom 17.04.2001 bis 16.04.2002 bewilligte die Beklagte dem Kläger unter Berücksichtigung eines Anrechnungsbetrags von 188,37 DM Arbeitslosenhilfe von 1,47 DM wöchentlich nach Leistungsgruppe D/0. Nach einer Zwischenbeschäftigung des Klägers bewilligte sie ihm auf seinen erneuten Antrag ab 07.12.2001 Arbeitslosenhilfe unter Berücksichtigung eines Anrechnungsbetrages von 116,20 DM in Höhe von 73,64 DM wöchentlich.

Auf den Fortzahlungsantrag des Klägers vom 11.04.2002 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit ab 17.04.2002 durch Bescheid vom 15.05.2002 wegen fehlender Bedürftigkeit ab, weil der zu berücksichtigende Anrechnungsbetrag in Höhe von 129,97 Euro wöchentlich den wöchentlichen Leistungssatz in Höhe von 96,39 Euro übersteige. Dabei ging die Beklagte von einem durchschnittlichen monatlichen Bruttoeinkommen der Ehefrau in Höhe von 2.234,36 Euro aus und berücksichtigte für davon abzusetzende Versicherungsbeiträge einen Betrag von 3% dieses Bruttoeinkommen in Höhe von 67,03 Euro (15,47 Euro wöchentlich).

Den mit der Begründung erhobenen Widerspruch des Klägers, es müssten sämtliche Lebensversicherungen berücksichtigt werden, wies die Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 21.06.2002 als unbegründet zurück.

Am 09.07.2002 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Dortmund Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Er halte es nicht für zutreffend, dass entgegen den bisherigen Regelungen statt der tatsächlich aufgewendeten Versicherungsbeiträge nur noch ein Pauschalbetrag von 3% abgesetzt werde. Zudem sei bisher unberücksichtigt geblieben, dass seine Ehefrau wegen des Weges zur Arbeit dessen einfache Entfernung 6 km betrage, Fahrtkosten absetzen könne.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.05.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.06.2002 zu verurteilen, ihm Arbeitslosenhilfe nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ab 17.04.2002 zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat an der in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Auffassung festgehalten. Die vom Kläger geltend gemachten Versicherungsbeiträge seien nach der ab 01.01.2002 geltenden Gesetzeslage (§ 194 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch 3. Buch - Arbeitsförderung - [SGB III] i. V. m. § 3 Arbeitslosenhilfeverordnung [AlhiV]) berücksichtigt worden. Auch hinsichtlich der im Klageverfahren erstmals geltend gemachten Fahrtkosten könnte die Berücksichtigung des maßgeblichen Pauschbetrags keine andere Entscheidung herbeiführen.

Mit Urteil vom 06.11.2003 hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 17.04.2002 Arbeitslosenhilfe nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Begrenzung der abzusetzenden Beiträge zur öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen aus § 3 Abs. 2 der AlhiV 2002 vom 13.12.2001 auf 3 % sei nicht wirksam. Diese Vorschrift sei bereits deshalb rechtswidrig, weil der festgesetzte Pauschbetrag den Anforderungen des § 194 Abs. 2 Nr. 2 SGB III nicht gerecht werde. Eine zulässige Pauschalierung müsse zumindest in der überwiegenden Zahl der Fälle geeignet sein. Diesen Anforderungen genüge die streitige Norm nicht, was der vorliegende Fall mit relativ hohen Beiträgen zu Lebensversicherungen zusätzlich verdeutliche. Würden dementsprechend vom Nettoeinkommen der Ehefrau von wöchentlich 382,27 Euro die gesamten Versicherungsbeiträge von wöchentlich 52,41 Euro (monatlich 227,11 Euro = 444,19 DM) anstelle des von der Beklagten berücksichtigten Betrages von 15,47 Euro wöchentlich abgesetzt, liege Bedürftigkeit des Klägers vor, weil das anzurechnende Einkommen der Ehefrau die dem Kläger grundsätzlich zustehende Arbeitslosenhilfe von wöchentlich 96,39 Euro nicht erreiche.

Gegen das ihr am 20.11.2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 03.12.2003 eingelegte Berufung der Beklagten. Zur Begründung trägt sie insbesondere vor: Mit der Neukonzeption der AlhiV 2002 sei von den in § 206 Nr. 4 SGB III vorgesehenen Pauschalierungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht worden. Für die Beträge der vom Einkommen abzusetzenden nach Grund und Höhe angemessenen Beiträge zu privaten und öffentlichen Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, die gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind, habe der Verordnungsgeber einen Pauschbetrag in Höhe von 3 % des zu berücksichtigenden Einkommens festgesetzt, wenn der Arbeitslose und sein Partner in der gesetzlichen Sozialversicherung versicherungspflichtig seien. Bei dieser Pauschalierung sei der Verordnungsgeber allein an den gesetzlichen Rahmen gebunden. Eine konkrete Regelung der Angemessenheit bei der Frage nach Vermögen oder Einkommen bei der Arbeitslosenhilfe lasse sich dem Gesetz jedoch nicht entnehmen. Insoweit stehe dem Verordnungsgeber ein Gestaltungsspielraum zu, der ihn berechtige, das gesetzlich vorgeschriebene Maß - hier als die Angemessenheit - i. S. e. Minimalprinzips zu gestalten. Die Höhe der Pauschale beruhe auf praktischen Erfahrungen der Beklagten und Erhebungen des Bundesrechnungshofs aus dem Jahre 1998. Auch im Jahre 2002 sei davon auszugehen, dass sich die Verhältnisse gegenüber 1998 noch nicht wesentlich geändert hätten. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden ebenfalls nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts brauche der Gesetzgeber bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht um die differenzierte Berücksichtigung aller denkbarer Fälle besorgt zu sein. Er sei vielmehr berechtigt, von einem Gesamtbild auszugehen, das sich aus den ihm vorliegenden Erfahrungen ergebe. Auf dieser Grundlage dürfe er generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen verwenden, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen. Während Bezieher von nicht sozialversicherungspflichtigem Einkommen selbst einen Ausgleich für die Wechselfälle des Lebens herstellen müssen, seien die Bezieher von sozialversicherungspflichtigen Einkommen schon durch die Einbindung in das System der sozialen Sicherung in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandendem Maße bei derartigen Lebensrisiken abgesichert. Insoweit bestünden unter diesen beiden Gruppen von Normadressaten erhebliche Unterschiede, die eine Andersbehandlung rechtfertigten. Das Vordergericht verkenne hier auch, dass im vorliegendem Fall die Sozialversicherungsbeiträge der Ehefrau des Klägers neben der 3%-Pauschale vom Bruttoeinkommen der Erhöhung des Freibetrags dienten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 06.11.2003 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, der ebenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet.

Begründet ist die Berufung, weil das Sozialgericht zu hohe Beiträge für Versicherungen in Abzug gebracht hat, der Beitrag für die Gebäudeversicherung nicht abzusetzen ist und aufgrund der zusätzlich als Werbungskosten abzusetzenden Fahrtkosten der Ehefrau sich auch kein wöchentlicher Anrechnungsbetrag ergibt, der niedriger ist als der wöchentliche Leistungssatz und deshalb zu einem Anspruch auf Arbeitslosenhilfe führen könnte, so dass die Beklagte damit die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ab 17.04.2002 im Ergebnis zu Recht abgelehnt hat.

Die Berufung ist unbegründet, soweit sich die Beklagte gegen die Nichtanwendung der 3%-Regelung des § 3 Abs. 2 AlhiV 2002 wendet. Mit dem Sozialgericht ist der Senat der Auffassung, dass der streitbefangene Bescheid der Beklagten insoweit rechtswidrig ist, als er die absetzbaren Versicherungsbeiträge der Ehefrau des Klägers auf 3 % des Einkommens begrenzt. § 3 Abs. 2 AlhiV 2002 ist insoweit rechtswidrig und nicht anzuwenden.

Nach § 190 Abs. 1 SGB III hat Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, wer arbeitslos ist, sich beim Arbeitsamt gemeldet hat, einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht hat, weil er die Anwartschaftszeit nicht erfüllt hat, in der Vorfrist Arbeitslosengeld bezogen hat, ohne dass der Anspruch wegen des Eintritts von Sperrzeiten mit einer Dauer von insgesamt 24 Wochen erloschen ist und bedürftig ist.

Nach § 193 Abs. 1 SGB III ist ein Arbeitsloser bedürftig, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Arbeitslosenhilfe bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Arbeitslosenhilfe nicht erreicht.

Nach § 194 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III ist zu berücksichtigen, das Einkommen des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten, soweit es den Freibetrag übersteigt. Der Freibetrag ist gem. Abs. 1 Satz 2 dieser Vorschrift ein Betrag in Höhe der Arbeitslosenhilfe, die dem Einkommen des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners oder der Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, entspricht, mindestens aber in Höhe des Betrags, bis zu dem auf Erwerbsbezüge eines Alleinstehenden Einkommenssteuer nicht festzusetzen wäre (§ 32 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Einkommenssteuergesetzes).

Nach § 194 Abs. 2 Satz 2 SGB III sind vom Einkommen abzusetzen (Nr. 1) die auf das Einkommen entfallenden Steuern, (Nr. 2) Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung, sowie Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind, (Nr. 3) die notwendigen Aufwendungen für Erwerb, zur Sicherung und Erhaltung der Einnahmen und (Nr. 4) a. F. ein Betrag in angemessener Höhe von den Erwerbsbezügen des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners oder der Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt.

Nach § 206 Nr. 4 SGB III wird das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung zu bestimmen, ob und welche Pauschbeträge für die von dem Einkommen einzusetzenden Beträge zu berücksichtigen sind. Auf dieser Verordnungsermächtigung des § 206 SGB III beruht die AlhiV 2002 vom 13.12.2001 (BGBl I S 3734), welche zum 01.01.2002 mit folgender Neuregelung in Kraft getreten ist: § 3 Abs. 2: Als Pauschbetrag für die nach § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch vom Einkommen abzusetzenden Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, die gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind, ist ein Betrag in Höhe von 3 % des Einkommens abzusetzen, wenn der Arbeitslose und sein Partner in der gesetzlichen Sozialversicherung versicherungspflichtig sind, in den übrigen Fällen die tatsächlichen Aufwendungen.

Diese Vorschrift ist zur Überzeugung des Senats wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht rechtswidrig und daher nicht anzuwenden.

Mit der Differenzierung im Gesetz zwischen Pflicht- und gesetzlich vorgeschriebenen Beiträgen einerseits und "angemessenen" Privatversicherungsbeiträgen andererseits hat der Gesetzgeber den Rahmen für eine ermächtigungskonforme Festlegung von Pauschbeträgen vorgegeben: Während Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung im Umfang der Beitragspflicht abzusetzen sind ebenso wie gesetzlich vorgeschriebene Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, gibt es nur für die übrigen freiwilligen Privatversicherungen einen Anwendungsbereich zur Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit, welcher in Form von Pauschalen auch Raum lässt für eine Unterschreitung der tatsächlichen Prämienaufwendungen (SG Berlin, Info-also 2003, 23 ff). Diesen Rahmen hat der Verordnungsgeber mit § 3 Abs. 2 AlhiV 2002 überschritten, denn er bezieht auch gesetzlich vorgeschriebene Beiträge in die Pauschalierung mit ein. Der Senat hält eine Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 3 Abs. 2 Alhi 2 2002 auf angemessene nicht gesetzlich vorgeschriebene Versicherungen angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 3 Abs. 2 AlhiV 2002 nicht für möglich.

Im Übrigen ist es unter Zugrundelegung eines generellen Pauschbetrags in der Höhe von 3 % des Einkommens gerade bei geringen Einkommen in der Regel nicht mehr möglich, die vom Gesetz nach § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III in Abzug zu bringenden Beiträge vollständig zu berücksichtigen, so dass auch die Grenzen zulässiger Pauschalierung überschritten sind. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verbietet es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nämlich, dass eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderem Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Die rechtliche Unterscheidung muss in sachlichen Unterschieden eine ausreichende Stütze finden. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen braucht der Gesetzgeber allerdings nicht um die differenzierende Berücksichtigung aller denkbaren Fälle besorgt zu sein. Er ist vielmehr berechtigt, von einem Gesamtbild auszugehen, das sich aus den ihm vorliegenden Erfahrungen ergibt. Auf dieser Grundlage darf er generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen verwenden, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Die Typisierung setzt allerdings voraus, dass die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (so BVerfGE 87,234 ff., ebenfalls zur Arbeitslosenhilfe).

Diesen Vorgaben wird § 3 Abs. 2 AlhiV 2002 nicht gerecht. Der Verordnungsgeber hat nämlich verkannt, dass die Höhe zu entrichtender Beiträge für Privatversicherungen sich am Versichertenrisiko und nicht - wie im Falle der Sozialversicherung - am Einkommen orientiert. Sein Ansatzpunkt, zur sachlichen Unterscheidung am anzurechnenden Einkommen anzuknüpfen, ist daher vonvorn herein verfehlt. Dieser Anknüpfungspunkt führt allein dazu, dass insbesondere Bezieher von niedrigen Einkommen durch die Begrenzung auf 3 % nur noch Beiträge geltend machen können, die unter den tatsächlichen Aufwendungen liegen. Dies widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz.

Weil die Höhe der für Privatversicherungen zu entrichtenden Beiträge sich nicht am Einkommen orientiert, muss letztlich auch in Frage gestellt werden, ob - wie die Beklagte vorträgt - die Höhe der gewählten Pauschale auf praktischen Erfahrungen oder Erhebungen beruhen kann (vgl. SG Berlin Info-also 2003, 23 ff, das auf andere Erhebungen mit anderen Ergebnissen verweist).

§ 3 Abs. 2 AhliV 2002 ist demnach, wie bereits das Sozialgericht zutreffend erkannt hat, rechtswidrig. Da hinsichtlich Rechtsverordnungen eine Verwerfungskompetenz der Gerichte besteht (vgl. BSG, Urteil vom 24.11.1998 - B 1 A 1/96 R -), ist diese Vorschrift zu verwerfen mit der Folge, dass § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III unmittelbar anzuwenden ist. Dies hat der Senat bereits mit Urteilen vom 28.01.2004 - L 12 AL 104/03 und L 12 AL 175/03 vom 04.02.2004 - L 12 AL 216/03 - und vom 06.10.2003 - L 12 AL 286/03 - entschieden. Er hält an dieser Rechtsauffassung fest. Der Senat sieht sich jedenfalls in der Tendenz in seiner Ansicht bestätigt durch den Entwurf einer Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld, die zum 01.01.2005 in Kraft treten könnte. Hier wird nunmehr nach gesetzlich vorgeschriebenen und privaten Versicherungen sonstiger Art differenziert. Die gesetzlich vorgeschriebenen Versicherungen sollen danach voll absetzbar sein, während die sonstigen privaten Versicherungen nach § 3 Nr. 1 des Entwurfs nur mit einem Pauschalbetrag von 30 Euro zu berücksichtigen sein sollen. Damit wird zumindest deutlich, dass der Verordnungsgeber jedenfalls für die Zukunft den vom Senat erkannten Wertungswiderspruch ebenfalls gesehen hat und ihn beheben will.

Der Senat hält an seiner Auffassung auch in Kenntnis des inzwischen bekannt gewordenen Urteils des Landessozialgerichts Berlin vom 25.06.2004 - L 10 AL 79/02 - fest. Im Gegensatz zur Auffassung des erkennenden Senats hat das Landessozialgericht Berlin § 3 Abs. 2 AlhiV 2002 für ermächtigungskonform und verfassungsgemäß gehalten. Das Landessozialgericht Berlin hat sich mit der Auffassung des erkennenden Senats auseinandergesetzt und die gegenteilige Auffassung vertreten, die der der Beklagten entspricht. Der Senat ist auch in Kenntnis der Argumente des Landessozialgerichts Berlin weiterhin der Auffassung, dass es fragwürdig ist, eine statistische Erhebung aus dem Jahre 1998 ohne weiteres auf das Jahr 2002 zu übertragen.

Auch bleibt es bei der Kritik des Senats, dass sich die Höhe zu entrichtender Beiträge für Privatversicherungen am versicherten Risiko und nicht am Einkommen orientiert.

Ob die 3%-Regelung noch aus anderen Gründen zu verwerfen gewesen wäre, braucht hier nicht entschieden zu werden. Ob eine Verwerfung auch deshalb geboten gewesen wäre, weil eine Ungleichbehandlung gegenüber sozialversicherungsfreien Personen gegeben ist oder weil ab 01.01.2002 den Steuervergünstigungen im Zusammenhang mit der Absenkung des Rentenniveaus und der Einführung der sogenannten Riesterrente nicht Rechnung getragen worden ist, kann daher offen bleiben (vgl. SG Berlin, Urteil vom 30.08.2002 - S 58 AL 2103/02 -; SG Mannheim, Urteil vom 25.04.2002 - S 11 AL 1260/01 - und Winkler Info-also Nr. 2/02 S. 59 ff.). Der Senat hält es jedenfalls für bedenklich, dass ab 01.01.2002 ein Sozialhilfebezieher im Rahmen vom § 76 Abs. 2 Nr. 3 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) die Aufwendungen für die "Riester-Vorsorge" im Rahmen von § 82 Einkommenssteuergesetz (EStG) zusätzlich zu den angemessenen Versicherungen absetzen kann, einem Arbeitslosen dies aber nur insgesamt mit 3 % seines Bruttoeinkommens für sämtliche gesetzlich vorgeschriebene und angemessene Versicherungen erlaubt sein soll.

Nach den vorstehenden Ausführungen ist die streitige Problematik, welche Versicherungsbeiträge in welcher Höhe vom Einkommen der Ehefrau des Klägers abzusetzen sind, nach § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III zu beurteilen. Dies führt dazu, dass neben den bereits von der Beklagten berücksichtigten Pflichtbeiträgen zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung noch folgende Versicherungsbeiträge vom Einkommen der Ehefrau des Klägers in Abzug zu bringen sind.

1. nach Grund und Höhe angemessene Versicherungen:

a) eine Rechtsschutzversicherung für die Ehefrau in Höhe von 10,10 Euro im Monat.

Der Senat hält den aufgewendeten Beitrag für diese sinnvolle Risiken abdeckende und üblicherweise abgeschlossene Versicherung in Höhe von 10,10 Euro im Monat für angemessen.

b) Lebensversicherungen der Ehefrau und des Klägers

Hierzu bemerkt der Senat folgendes: Die Ehefrau des Klägers hat in den Jahren 1991 und 1996 zwei kapitalbildende Lebensversicherungen über insgesamt 36.459,00 DM und der Kläger in den Jahren 1989 und 1996 zwei kapitalbildende Lebensversicherungen über zusammen 34.690,00 DM abgeschlossen. Für diese vier Lebensversicherungen zahlte die Ehefrau des Klägers im Jahre 2002 Beiträge in Höhe von monatlich 174,25 Euro (340,80 DM). Soweit das Sozialgericht diese der Altersvorsorge dienenden Beiträge in vollem Umfang als angemessenen angesehen hat, vermochte der Senat dem nicht zu folgen. Zwar mag die Versicherungssumme angesichts des Alters der Ehefrau und ihres Einkommens für die 90er Jahre durchaus üblichen Gepflogenheiten entsprochen haben. Der Senat ist jedoch der Ansicht, dass Beiträge zur kapitalbildenden Lebensversicherungen neben Pflichtbeiträgen zur Sozialversicherung nicht mehr uneingeschränkt als angemessen angesehen werden können. Auch wenn die Arbeitslosenhilfe noch zum Teil den Lebenstandard sichern soll und im Gegensatz zur Sozialhilfe nicht nur die Grundbedürfnisse absichert, so ist vom Gesetzgeber doch beabsichtigt, beide Leistungen ab 2005 zusammenzuführen. Bereits jetzt werden kapitalbildende Lebensversicherungen im Rahmen des Arbeitslosenhilfebezugs zu ihrem Verkehrswert angerechnet und den betroffenen Arbeitlosen wird der Verbrauch zugemutet (vgl. Landessozialgericht Berlin vom 02.09.2003 - L 6 AL 16/03 -). Dann erscheint es umgekehrt nicht überzeugend, Beiträge zur kapitalbildenden Lebensversicherungen uneingeschränkt vom Einkommen in Abzug zu bringen. Der Gesetzgeber selbst hat das zukünftige Rentenniveau im Jahr 2002 abgesenkt und in den §§ 82, 86 EStG aufgeführt, welche Altersvorsorge er in welcher Höhe für förderungswürdig ansieht. In § 76 Abs. 2 Nr. 3 BSHG hat er durch Gesetz festgelegt, dass solche Altersvorsorgeleistungen zusätzlich zu sonstigen angemessenen Versicherungen abzugsfähig sind. Dieser Gedanke ist nach Auffassung des Senats auch auf laufende Lebensversicherungsverträge zu übertragen, die eindeutig der Altersvorsorge dienen, auch wenn die Verträge der Ehefrau des Klägers nicht nachträglich nach § 82 EStG als förderungsfähige Altersvorsorge nach dem Riester-Modell anerkannt sind. Welchen Betrag man bei solchen Altverträgen als angemessen ansehen kann, ist schwer beurteilbar. Einerseits kann man nicht jede unbegrenzt hohe Altersvorsorgeversicherung als angemessen ansehen, andererseits hält es der Senat auch nicht für sachgerecht, im Anschluss an die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit zur Sozialhilfe Beiträge zu einer gewinnbringenden Lebensversicherung dem Grunde nach überhaupt nicht als angemessen anzusehen (vgl. OVG NRW vom 13.11.1979 - 8 A 80/78 -). Der Senat lehnt sich daher an die Regelung des § 86 EStG an und sieht bei Altverträgen zur Altersvorsorge in den Jahren 2002 sowie 2003 1% des Bruttoeinkommens und im Jahr 2004 einen Betrag von 2 % als angemessen an. Im Jahr 2005 stellt sich das Problem möglicherweise nicht mehr.

Es werden deshalb vorliegend 1 % des monatlichen Bruttoeinkommens der Ehefrau von 2.234,36 Euro als angemessene freiwillige Altersvorsorgeaufwendung angesehen, also (nur) ein Betrag von 22, 34 Euro monatlich und nicht die vollen Beiträge von 174,25 Euro. Die Differenzierung zur Rechtsschutzversicherung des Klägers hält der Senat für sachgerecht. Richtet sich die Rechtsschutzversicherung, wie z. B. eine Vollkasko - oder eine Hausratversicherung idR nach den tatsächlich vorhandenen Risiken, kann bei der Lebensversicherung der Wert vollkommen frei bestimmt werden. Daher ist hier auch zur praktischen Handhabung für die Beklagte eine Begrenzung der Angemessenheit nach leicht prüfbaren Kriterien möglich und geboten. Als ein solches leicht prüfbares Kriterium sieht des Senat die Begrenzung auf 1 % bei Altverträgen zur Lebensversicherung zur Altersvorsorge an. Die Gebäudeversicherung war vom Einkommen der Klägerin nicht in Abzug zu bringen, weil nicht nachgewiesen ist, dass der Kläger oder seine Ehefrau eine Gebäudeversicherung abgeschlossen haben. Denn die vom Kläger der Beklagten vorgelegte Beitragsrechnung (Fälligkeit: 09.2001) lautet jedenfalls nicht auf ihren Namen, sondern auf A. L und C. E. Die Vornamen des Klägers und seiner Ehefrau sind aber Nikolaus und Eleni, so dass sie jedenfalls nicht Beitragsschuldner der Gebäudeversicherung sind.

Die Berufung der Beklagten musste somit in diesem Punkt Erfolg haben. Dies bedeutet, dass vom Bruttoeinkommen der Ehefrau des Klägers in Höhe von 2.234,36 Euro die Versicherungsbeiträge in Höhe von 10,10 Euro für die Rechtsschutzversicherung und in Höhe von 22,34 Euro für Lebensversicherungen, sowie 39,60 Euro an Fahrtkosten (0,36 Euro x 6 km = 2,16 Euro täglich, 2,16 Euro x 220 Arbeitstage = 475,20 Euro jährlich; 475,20 Euro./. 12 Monate = 39,60 Euro monatlich) insgesamt als 72,04 Euro in Abzug zu bringen sind. Hiervon ausgehend ergibt sich ein zu berücksichtigendes monatliches Nettoeinkommen von 1.584,45 Euro (1.656,49 - 22,34 - 10,10 - 39,60) und ein wöchentliches Nettoeinkommen von 365,64 Euro (1.584,45 x 3./. 13). Davon abgezogen der Betrag gemäß § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III i. H. v. 34,78 Euro sowie der Freibetrag der hypothetischen Arbeitslosenhilfe der Ehefrau i. H. v. 202, 23 Euro ergibt einen Anrechnungsbetrag aus dem Einkommen der Ehefrau von 128,63 Euro. Dieser Betrag liegt über dem Leistungssatz von 96,39 Euro, der dem Kläger ohne Anrechnung bei einem gerundeten wöchentlichen Bemessungsentgelt von 365,00 Euro der Leistungsgruppe D/O zustünde. Damit ist der Kläger nicht bedürftig und ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe ab 17.04.2002 steht ihm nicht zu.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Der Senat hat die Revision gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG zugelassen, weil er den Fragen grundsätzliche Bedeutung zugemessen hat, ob der Pauschbetrag von 3 % des Einkommens in § 3 Abs. 2 AlhiV 2002 rechtswidrig ist und, wenn ja, ob die Beiträge zur Lebensversicherung in der vom Senat vorgenommenen Weise begrenzt werden dürfen.
Rechtskraft
Aus
Saved