S 2 P 192/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 2 P 192/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 P 61/04
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob und unter welchen Voraussetzungen die Beklagten Wirtschaftlichkeitsprüfungen bei der Klägerin vornehmen können. Die Klägerin betreibt in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins Einrichtungen der Altenhilfe und vollstationäre Pflegeeinrichtungen im Sinne von § 71 SGB XI. Streitgegenständlich ist die Wirtschaftlichkeitsprüfung gemäß § 79 Abs. 1 SGB XI in der vollstationären Pflegeeinrichtung im KWA-Stift R., M. Str. , G. Mit Schreiben vom 10.08.2001 haben die Beklagten angekündigt, in der o.a. Einrichtung eine Prüfung über die Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit der Pflegeleistungen durch einen Sachverständigen vornehmen zu lassen. Als Träger der Pflegeeinrichtung werde die Klägerin vor Bestellung des Sachverständigen gehört. Sie schlage als Sachverständigen gemäß § 27 Abs. 1 des Rahmenvertrages für vollstationäre Pflege, im Folgenden Rahmenvertrag, Herrn Prof. Dr. R. B., A., B. vor. Die Prüfung finde im Zeitraum zwischen September und Dezember 2001 statt. Die Prüfungskosten würden DM 7000,- zzgl. gesetzlicher Mehrwertsteuer sowie Reisekosten und Spesen entsprechend dem Bayerischen Reisekostengesetz betragen. Gemäß § 31 Abs. 1 Rahmenvertrag würden die Beklagten und die Klägerin die Kosten der Wirtschaftlichkeitsprüfung je zur Hälfte tragen, sofern eine einvernehmliche Bestellung des Sachverständigen erfolge. Die Klägerin werde gebeten, rechtsverbindlich innerhalb eines Zeitraumes von 14 Kalendertagen ihre Entscheidung zum unterbreiteten Vorschlag für die Auswahl des Sachverständigen mitzuteilen.

Mit Schreiben vom 21.08.2001 hat sich die Klägerin gegenüber der Beklagten dahingehend eingelassen, dass sie bitte, von der Absicht einer Wirtschaftlichkeitsprüfung derzeit Abstand zu nehmen. In ihrer Einrichtung sei, wie von den Beklagten angeregt, ein Umstrukturierungsprozess im Gange, an dem derzeit intensiv gearbeitet werde. Es werden spezielle Konzepte für die jeweiligen Zielgruppen insbesondere psychisch Kranke, MS-Kranke und Apalliker entwickelt, um sich auf entsprechende Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen einzustellen. Hierfür ist eine gewisse Zeit zu veranschlagen. In dieser Zeit sei eine Wirtschaftlichkeitsprüfung untunlich. Darüberhinaus bestehen von Seiten der Klägerin Zweifel daran, ob nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 14.12.2000 eine Wirtschaftlichkeitsprüfung, die auf einer Kostenbetrachtungsweise beruht, im Zusammenhang mit Pflegesätzen angebracht sei. Mit Schreiben vom 24.10.2001 hat die Klägerin nicht grundsätzlich die Sinnhaftigkeit von Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach § 79 SGB XI in Frage gestellt. Sie habe aber durchaus rechtliche Zweifel, dass eine Berechtigung der Pflegekassen zur Veranlassung von Wirtschaftlichkeitsprüfungen bestehe. Sie bitte bei Festhalten an der Prüfungsabsicht um einen rechtsmittelfähigen Bescheid. Die Beklagten haben am 22.02.2002 entsprechend der Bitte der Klägerin vom 06.11.2000 entsprochen und die Wirtschaftlichkeitsprüfung um drei Monate zurückgestellt. Seit Bekanntwerden der speziellen Umstrukturierungssituation der Klägerin seien nunmehr über sechs Monate vergangen.
Die Beklagten würden um Verständnis bitten, dass eine längere Zurückstellung der Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht mehr möglich ist, da sich die Prüfung der Wirtschaftlichkeit auf die Vergangenheit erstrecke. Im Übrigen weisen die Beklagten auf § 92 a Abs. 1 Satz 1 Nr.3 SGB XI hin. Die Klägerin hat sich mit Schreiben vom 27.03.2002 bei den Beklagten für ihr Verständnis für die Zurückstellung der Wirtschaftlichkeitsprüfung hinsichtlich der Umstrukturierungsmaßnahmen bedankt. Diese seien aber nicht abgeschlossen. Die Bedenken gegen die rechtliche Zulässigkeit einer Wirtschaftlichkeitsprüfung gemäß § 79 SGB XI seien jedoch grundlegender Art. Diese Bedenken würden vom Bundesverband des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes geteilt.
Auch andere Verbände hätte z.T. verfassungsrechtliche Bedenken gegen die von den Beklagten vorgesehenen Wirtschaftlichkeitsprüfungen vorgetragen. Trotz dieser rechtlichen Bedenken möchte sich die Klägerin einer freiwilligen Wirtschaftlichkeitsprüfung grundsätzlich nicht versagen und biete an, sowie dieses auch in Baden-Württemberg geschehen sei, eine Einrichtung der Klägerin in Bayern einer Wirtschaftlichkeitsprüfung unterziehen zu lassen.
Die Klägerin würde bei der Auswahl der Einrichtung mitbestimmen und auch wissen wollen, welche Einrichtungen bzw. Einigungstypen miteinander verglichen werden sollen. Die Beklagten sind im Schreiben vom 10.04.2002 auf die Bedenken der Klägerin eingegangen und verweisen auf die bezüglich der Durchführung von Wirtschaftlichkeitsprüfungen auf Landesebene mit Vertretern der verschiedenen beteiligten Verbände, der Pflegekassen und des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit abgehaltenen Gespräche. Sie bieten aber dennoch ein Einzelgespräch mit der Klägerin an.

Die Klägerin hat am 24.06.2002 mitgeteilt, dass sich aller Voraussicht nach die Umstrukturierungsmaßnahmen im KWA-Stift R. bis Dezember 2002 haben strukturieren lassen, sodass aus spezifisch betrieblichen Gründen keine Einwände mehr geltend gemacht würden. Sie weise aber auf die grundsätzlichen Bedenken hin, die Gegenstand eines Feststellungsverfahrens vor dem Sozialgericht sein sollen. Eine Wirtschaftlichkeitsprüfung gemäß § 79 SGB XI könne lediglich auf den stationären Bereich nach SGB XI bezogen werden. Die Beklagten haben am 25.06.2002 mitgeteilt, dass aufgrund der grundsätzlichen rechtlichen Vorbehalte die Verständigung gescheitert sei, sodass der Fall als Ablehnung demnächst in die Beschlussgremien der Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassenverbände in Bayern eingebracht werde. Der in Aussicht genommene Gutachter sei von den Beklagten verständigt worden.

Am 26.08.2002 ist beim Sozialgericht München die Klage vom 23.08.2002 eingegangen, die ursprünglich auf Aufhebung des Bescheides vom 10.08.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2000 gerichtet war und hilfsweise den Feststellungsantrag enthalten hat, dass die Beklagten nicht berechtigt sind, eine Wirtschaftlichkeitsprüfung bei der Klägerin durchzuführen.

Diese Klage wurde mit Schriftsatz vom 06.07.2003 erweitert, als festzustellen sei, dass die Beklagte nicht zur Kündigung des Versorgungsvertrages mit dem Stift R. in B. G. wegen unterbliebener Mitwirkung bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung berechtigt sei. Zusammenfassend wendet sich die klägerische Seite gegen die grundsätzliche Berechtigung der Prüfung der Wirtschaftlichkeit durch die Beklagten. Sie nimmt Bezug auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 14.12.2000. Darüberhinaus sei eine Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung ermessensfehlerhaft, da Umstrukturierungsmaßnahmen in der zu prüfenden Einrichtung laufen würden und diese von den Beklagten angeregt worden seien.
Die Beklagten halten an ihrer grundsätzlichen Prüfberechtigung fest, wie sie entsprechend dem Gesetz und dem Rahmenvertrag vorgesehen sei. Sie hätten der klägerischen Seite Zeit zur Durchführung der Umstrukturierungsmaßnahmen gegeben und entsprechende Fristverlängerungen eingeräumt. Darüberhinaus liege die Zuständigkeit, das Nähere der gesetzlichen Bestimmung durch Rahmenvereinbarungen nach § 75 Abs. 2 Nr. 7 SGB XI auf Landesebene zu vereinbaren, bei den Beteiligten bzw. deren Spitzenverbänden. Die Beklagten sind im Rahmenvertrag gemäß § 75 SGB XI, in Kraft getreten am 01.10.1998, durch die Vereinbarung der Bestimmungen der §§ 26 ff. nachgekommen.
Der Prüfbericht habe lediglich die Rechtswirkung einer gutachterlichen Stellungnahme. Auseinandersetzungen über die Richtigkeit der Prüfungsfeststellungen sind allenfalls im Rahmen der Pflegesatzverhandlungen bzw. bei einer darauf basierenden Kündigung des Versorgungsvertrages im Rahmen eines möglichen Rechtsstreits über die Rechtmäßigkeit einer solchen Kündigung auszutragen.
Weiter ist das Schreiben zur Einleitung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung kein Verwaltungsakt.

Das Sozialgericht hat den Rechtsstreit am 11.07.2003 und 15.07.2004 mündlich verhandelt.
Dabei konnte festgestellt werden, dass anlässlich der 16. Sitzung des Landespflegeausschusses beim Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen am 07.11.2002 festgestellt worden ist, dass die Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassenverbände in einem Pilotprojekt Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach § 79 SGB XI durchgeführt hat. Auf Bl. 15 der Sitzungsniederschrift (Bl. 202 und 203 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen. Von den geplanten 50 Einrichtungen seien lediglich 35 Einrichtungen geprüft worden, 9 hätten die Prüfung verweigert. Es seien Kündigungen der Versorgungsverträge ausgesprochen worden, die mit Klage und Anträgen auf vorläufigen Rechtsschutz belegt wurden.
Eine Entscheidung des Landessozialgerichts München vom 21.06.2002, Az.: L 7 B 129/02 P. ER im Rahmen eines vorläufigen Rechtschutzverfahrens liegt vor. Weiter wurde ein umfangreicher Vorgang "Umstrukturierungsmaßnahmen und Fördermaßnahmen" durch die Regierung von Niederbayern und Bezirk Niederbayern vorgelegt. Zuletzt konnte im letzten Termin zur mündlichen Verhandlung festgestellt werden, dass der Versorgungsvertrag der Klägerin mit den Beklagten nicht gekündigt ist.
Von den 98 derzeit vorhandenen Plätzen sind 16 durch Personen belegt, für die der Bezirk Niederbayern als Kostenträger aufkommt, 6 Personen sind Selbstzahler und 76 werden durch die Pflegekassen der Beklagten finanziert mit evtl. möglichen Aufstockungsleistungen des Sozialhilfeträgers.

Der Klägerbevollmächtigte beantragt, festzustellen, dass die Beklagten nicht berechtigt sind, eine Wirtschaftlichkeitsprüfung bei der Klägerin gemäß § 79 SGB XI durchzuführen und hilfsweise festzustellen, dass die Beklagten solange nicht berechtigt sind, eine Wirtschaftlichkeitsprüfung bei der Klägerin gemäß § 79 SGB XI durchzuführen, solange der Prozess der Umstrukturierung und die darauf bezogenen Vertrags- und Vergütungsverhandlungen nicht abgeschlossen sind.

Die Beklagtenvertreterin beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten widersetzen sich dem klägerischen Begehren unter Hinweis auf die rahmenvertraglichen und gesetzlichen Vorgaben nach denen es in ihrem Ermessen steht, ob sie eine Wirtschaftlichkeitsprüfung durchführen oder nicht.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren neben den Beklagtenakten die Akten des anhängigen Sozialgerichtsverfahrens. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den gesamten Akteninhalt und insbesondere auf die gewechselten Schriftsätze und die Niederschriften der beiden mündlichen Verhandlungstermine Bezug genommen (§ 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Entscheidungsgründe:

Das Sozialgericht ist sachlich und örtlich zuständig (§§ 51 Abs. 1 Nr. 2 und 57 Abs. 1 Satz 1 SGG). Maßgeblich sind die Anträge zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung. Deshalb ist die Klage als Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässig.
Dies gilt auch für den Hilfsantrag.
Im vorliegenden Rechtsstreit geht es um die Frage, welche Rechte und Pflichten gemäß §§ 26 ff. Rahmenvertrag für den Bereich der vollstationären Pflege gemäß § 75 Abs. 2 SGB XI i.V.m. § 79 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI - zwischen den Beteiligten bestehen. Die Beteiligten haben ein Interesse an der Feststellung einzelner Rechte und Pflichten aus dem Rahmenvertrag. Dieser ist ein Rechtsverhältnis und kann im Wege der Feststellungsklage einer Klärung herbeigeführt werden. Es liegt auch das besondere Feststellungsinteresse vor, da die Klägerin beabsichtigt, von ihrem Recht auf Wirtschaftlichkeitsprüfung Gebrauch zu machen.

Die Klage ist in ihrem Haupt- und ihrem Hilfsantrag nicht begründet.

Die Beklagten sind grundsätzlich berechtigt, jederzeit eine Wirtschaftlichkeitsprüfung bei der Klägerin gemäß § 79 SGB XI i.V.m. §§ 26 ff. Rahmenvertrag durchzuführen.

§ 79 Abs. 1 SGB XI hat folgenden Wortlaut:
1) Die Landesverbände der Pflegekassen können die Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit der ambulanten, teilstationären und vollstationären Pflegeleistungen durch von ihnen bestellte Sachverständige prüfen lassen; vor Bestellung der Sachverständigen ist der Träger der Pflegeeinrichtung zu hören.
2) Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass eine Pflegeeinrichtung die Anforderungen des § 72 Abs. 3 Satz 1 nicht oder nicht mehr erfüllt, sind die Landesverbände zur Einleitung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung verpflichtet.

Das konkrete Verfahren ist im Abschnitt 7 des Rahmenvertrages geregelt.
§ 26 Rahmenvertrag hat folgenden Wortlaut:
Voraussetzung zur Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung
(1) Die Landesverbände der Pflegekassen können die Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit der Pflegeleistungen durch Sachverständige gemäß § 79 SGB XI überprüfen lassen. Sofern begründete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Pflegeinrichtung die
Anforderungen zur Erbringung einer leistungsfähigen wirtschaftlichen Versorgung nicht oder nicht mehr erfüllt, sind die Landesverbände der Pflegekassen zur Einleitung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung verpflichtet.
(2) Der Träger der Pflegeeinrichtung ist vor Bestellung des Sachverständigen zur beabsichtigten Prüfung unter Angabe der Gründe der Prüfung zu hören.

§ 28 Rahmenvertrag hat auszugsweise folgenden Wortlaut: Prüfungsziel, Prüfungsgegenstand
(1) Ausgangspunkt der Prüfung ist der im Versorgungsvertrag beschriebene Versorgungsauftrag der Pflegeeinrichtung.
(2) Prüfungsziel ist die Klärung der Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit der Pflegeleistungen.

§ 30 Rahmenvertrag befasst sich mit dem Prüfungsgericht und hat auszugsweisen folgenden Wortlaut:
(1) Über die durchgeführte Prüfung ist ein Prüfbericht zu erstellen ...
(3) Der Prüfbericht und die bei der Prüfung gewonnenen Daten dürfen nur im Rahmen des Prüfungszwecks und der gesetzlichen Aufgabenerfüllung verwendet werden ...

§ 32 Rahmenvertrag hat folgenden Wortlaut:
Prüfungsergebnis Das Prüfungsergebnis ist in der nächstmöglichen Vergütungsvereinbarung zu berücksichtigen.

Ausweislich der gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen handelt es sich um eine Ermessensentscheidung der Beklagten, ob eine Wirtschaftlichkeitsprüfung bei der Klägerin durchgeführt wird. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG schreibt vor, dass das Gericht lediglich überprüft, ob die Beklagten die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten haben oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht haben. Weiter ist Prüfungsgegenstand des Gerichts, ob die Beklagte überhaupt ihr Ermessen ausgeübt hat oder keinerlei Ermessensausübung stattgefunden hat.

Die Grundsätze des § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG finden auch Anwendung wenn sich, wie im vorliegenden Fall, Klägerin und Beklagte im Gleichordnungsverhältnis einander gegenüber stehen. Das Bayerische Landessozialgericht Az.: L 7 B 129/02 P. ER hat am 07.08.2002 entschieden, dass das Begehren nach einer Wirtschaftlichkeitsprüfung kein Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - darstellt.
Die Beklagten haben nicht ermessensfehlerhaft gehandelt. Bei der Ausübung des Ermessens für die Beklagten können folgende Punkte als Richtschnur dienen: Ultima ratio ist die gesetzliche Vorgabe des § 79 Abs. 1 Satz 2 SGB XI, dass bei Vorliegen von Anhaltspunkten dafür, dass eine Pflegeinrichtung den Anforderungen des § 72 Abs. 3 Satz 1 SGB XI nicht oder nicht mehr nachkommt, die Beklagten zur Einleitung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung verpflichtet sind. Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 3 Satz 1 SGB XI müssen kumulativ vorliegen; gemäß § 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB XI muss auch § 71 SGB XI erfüllt sein.
Danach ist gemäß § 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XI Voraussetzung, dass die Klägerin Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche pflegerische Versorgung bietet. Wenn die Beklagten konkrete Anhaltspunkte erhalten, dass die Klägerin unwirtschaftlich arbeitet, ist das Ermessen auf Null reduziert, d.h. die Beklagten müssen unverzüglich eine Wirtschaftlichkeitsprüfung einleiten.
Weiter ist bei der Ausübung des Ermessens zu berücksichtigen in welchem zeitlichen Abstand bisher Prüfungen bei der Klägerin stattgefunden haben. Die Klägerin genießt unbestrittenermaßen Bestandsschutz aufgrund der Übergangsbestimmungen zur Einführung des Pflegeversicherungsgesetzes seit dem Jahre 1995. Bisher ist keine Prüfung bei der Klägerin vorgenommen worden. Ein Zeitraum von nunmehr beinahe neun Jahren seit Wirksamwerden des Bestandsschutzes legt eine Wirtschaftlichkeitsprüfung bei der Klägerin nahe. Weiter ist zu berücksichtigen, welcher Prozentsatz an Selbstzahlern und an Patienten, für die ein öffentlich-rechtlicher Träger aufkommt, in der Einrichtung der Klägerin untergebracht ist. Gut 6% sind Selbstzahler und knapp 94% sind Patienten, bei denen ein öffentlich-rechtlicher Träger für die Kosten aufkommt. Hierbei ist es gleichgültig, ob der Kostenträger die soziale Pflegeversicherung oder der Sozialhilfeträger ist. Geht, wie im vorliegenden Fall, der Prozentsatz gegen 100, so sind die Beklagten spätestens alle 5 Jahre zu Wirtschaftlichkeitsprüfungen verpflichtet und haben kein weiteres Ermessen mehr. Die grundsätzlichen Einwände der Klägerin greifen nicht durch. Zwar steht die Klägerin in ihrer Tätigkeit als Betreiberin eines Pflegeheims gemäß Art. 2 Abs. 1 und 12, Abs. 1 Grundgesetz - GG - mit ihrem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb unter verfassungsrechtlichen Schutz. Hierunter ist jede Tätigkeit zu verstehen, die in ideeller und materieller Hinsicht der Schaffung und Unterhaltung einer Lebensgrundlage dient (BVerfGE 54, 301/313).
Gemäß Art. 19 Abs. 3 GG ist der Anwendungsbereich auf die Klägerin als juristische Person des Privatrechts eröffnet (BVerfGE 75, 109/114). Die Bestimmung des § 79 SGB XI ist eine Berufsausübungsregelung gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Wirtschaftlichkeit der Einrichtungen ist eine vernünftige Erwägung des Gemeinwohls, die den Eingriff legitimiert (BVerfGE 70 1/28). Die entsprechenden rahmenvertraglichen Bestimmungen entsprechen der grundgesetzlichen Ermächtigung, da § 79 SGB XI einen Vertragsvorbehalt enthält. Verfassungsrechtlich ist deshalb die Bestimmung des § 79 SGB XI nicht zu beanstanden.
Hinsichtlich der Verfahrensvorschriften weist das Sozialgericht darauf hin, dass ein umfangreicher Schriftwechsel seit der Ankündigung vom 10.08.2001 mit der Klägerin stattgefunden hat. Beide Seiten haben umfassend Möglichkeit erhalten, ihre Auffassungen auszutauschen.
Die Gründe für die Prüfung, wie sie im Schreiben vom 10.08.2001 vorgebracht wurden, dass die Einrichtung der Klägerin im Vergleich zu anderen Einrichtungen hohe Pflegesätze vereinbart hat, sind nachvollziehbar und sachliches Kriterium, um im Rahmen der Ermessensausübung gegenüber der Klägerin vorzugehen. Die Beklagten waren auch nicht durch die laufenden Umstrukturierungsmaßnahmen gehindert, Wirtschaftlichkeitsprüfungen bei der Klägerin vorzunehmen. Es mag dahingestellt bleiben, wer letzlich in welcher Form den letztverbindlichen Anstoß gegeben hat, Umstrukturierungsmaßnahmen in der Einrichtung der Klägerin vorzunehmen. Tatsache ist, dass die Beklagten aufgrund der Einlassung der Klägerin vom 21.08.2001 einen zeitlichen Aufschub für die Wirtschaftlichkeitsprüfung bei der Klägerin eingeräumt haben. Umstrukturierungsmaßnahmen haben erhöhten Planungs- und Organisationsaufwand zur Folge und können erst als ferneres Ziel die Verbesserung der Wirtschaftlichkeitkeit zur Folge haben.
Ein Umstrukturierungsprozess beinhaltet deshalb gewisse Risiken und Unwägbarkeiten, die auch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Wann der Umstrukturierungsprozess abgeschlossen ist, bemisst sich nach dem Umstrukturierungsplan, der in eigener Verantwortung und Hoheit durch die Klägerin als Träger der Einrichtung ins Auge gefasst wurde. Ausweislich des Vorbringens der Beteiligten ist davon auszugehen, dass die Umstrukturierung zu Beginn des Jahres 2001 eingeleitet wurde. Dafür spricht auch das Schreiben der Klägerin vom 12.04.2001 an die AOK Bayern - Direktion Erding, in dem das Konzept zur Umstrukturierung bis Ende Juni 2001 versprochen wurde. Am 04.05.2001 wurde ausweislich des vorgelegten Vorgangs des Freistaates Bayern bei der Regierung von Niederbayern Antrag auf Projektförderung im Wege der Anteilsfinanzierung aus Mitteln des Behindertenplanes (Landesmittel des Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordung, Familie und Frauen) gestellt.
Bereits am 05.12.2001 hat die Regierung von Niederbayern unter dem Az.: 423-4735.2-PA-001/01 einen Bewilligungsbescheid in Höhe von 619.500,- DM (316.745,32 Euro) erlassen. Dieser Verwaltungsakt der Regierung von Niederbayern ist bestandskräftig geworden. Die Regierung von Niederbayern hat am 22.01.2003 einer Tekturplanung der Klägerin vom 11.12.2002 zugestimmt und festgetellt, dass die geplante Neukonzeption wie folgt umgesetzt werden soll:

I. Abteilung für MS-Patienten Anzahl der Pflegeplätze: 26, aufgeteilt in 2 abgeschlossene Wohneinheiten à 13 Plätze
II. Vollstationäre Einheit (aktivierende Dauerpflege) für Menschen mit apallischem Syndrom Anzahl der Pflegeplätze: 10 + 1 Intensivzimmer
III. Pflegeeinrichtung für Menschen mit Mehrfachbehinderung Anzahl der Pflegeplätze: 28 aufgeteilt in 2 Gruppen zu je 14 Plätze

Weiter wurde festgestellt, dass der Bewilligungsbescheid vom 05.12.2001 seine Gültigkeit behält.

Der Bezirk Niederbayern - Sozialverwaltung - hat am 12.02.2003 auf Beschluss des Sozialhilfeausschusses des Bezirkstags von Niederbayern vom 23.07.1999 ebenfalls eine Zuwendung als Projektförderung im Wege der Anteils-Fehlbedarfsfinanzierung mit einem Gesamtzuschuss von 40 v.H. der förderfähigen Kosten jedoch höchstens von 316.745,00 Euro bewilligt.
Der Zuschussgewährung liegen förderfähige Kosten in Höhe von 791.888,00 Euro zugrunde. Weiter hat der Bescheid die Auflage enthalten, dass die Zuwendung für die Dauer der zeitlichen Bindung zweckentsprechend zu verwenden sei. Die Fördermittel des Bezirks werden voraussichtlich ab dem Haushaltsjahr 2003 zur Verfügung gestellt. Ausweislich der Einlassung in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hat die klägerische Seite von den bewilligten Staatsmitteln 30.000,- Euro abgerufen.
Die Umstrukturierungsmaßnahmen sind zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung noch nicht beendet gewesen. Hinsichtlich der Ermessensausübung durch die Beklagtenseite ist deshalb weiter Folgendes in Erwägung zu ziehen: Es macht einen Unterschied, ob die Beklagten in ihrer Eigenschaft als Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassenverbände oder sonstige öffentlich-rechtliche Aufsichtsbehörden wie z.B. Bauaufsicht oder Heimaufsicht o.a. im Betrieb des Heimes in B. G. solche schwerwiegenden Mängel feststellen, die einer unverzüglichen Behebung bedürfen.
Sollten solche gravierenden Mängel bestehen, die als ultima ratio zu einer fristlosen Kündigung des Versorgungsvertrages führen würden, kann es ermessensfehlerhaft sein, während des Laufs der Realisierung derartiger Maßnahmen eine Wirtschaftlichkeitsprüfung bei der Klägerin durchzuführen. Im Prinzip das Gleiche gilt für die Umstellung einer Einrichtung auf eine geänderte Bedarfssituation. Im vorliegenden Fall hat die Regierung von Niederbayern im Jahre 2003 die geänderte Struktur im Wege einer Tektur genehmigt. Dieser Bescheid der Regierung von Niederbayern entfaltet für die Klägerin den Auftrag, unter Inanspruchnahme staatliche und kommunale Haushaltsmittel eine, wie im Bescheid bewilligte Umstrukturierung der Einrichtung vorzunehmen. Auch während laufender Umstrukturierungsmaßnahmen, die eine Bedarfsgerechtigkeit der Einrichtung zur Folge haben, kann eine Wirtschaftlichkeitsprüfung unstatthaft sein. Dies gilt aber nicht grenzenlos und ohne zeitliche Begrenzung. Im vorliegenden Fall ist die Umstrukturierung zu Beginn des Jahres 2001 von der Klägerin eingeleitet worden. Ein Zuwarten bis zum Jahr 2004, d.h. zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht München am 15.07.2004 ist für die Beklagten nicht zumutbar mit der Folge, keine Wirtschaftlichkeitsprüfungen bei der Klägerin durchzuführen zu dürfen.
Die Klägerin ist auch wegen der Bewilligungsbescheide gehalten, Umstrukturierungsmaßnahmen äußerst zeitnah abzuwickeln. Der Sinn und Zweck einer Wirtschaftlichkeitsprüfung ist, wie der Name schon sagt, Wirtschaftlichkeitsreserven bei der Erbringung der Leistungen durch die Klägerin auszuloten und zum Gegenstand von Veränderungen zu machen. Dazu bedienen sich die Beklagten eines externen Sachverständigen, dessen Kosten gemäß § 31 Rahmenvertrag von der Klägerin und den Beklagten je zur Hälfte getragen werden.
Zu berücksichtigen ist auch, dass gemäß § 30 Abs. 3 Rahmenvertrag die bei der Prüfung gewonnenen Daten nur im Rahmen des Prüfungszwecks und der gesetzlichen Aufgabenerfüllung verwendet werden. § 32 Rahmenvertrag schreibt vor, dass das Prüfungsergebnis in der nächstmöglichen Vergütungsvereinbarung zu berücksichtigen ist. Das bedeutet, dass die Verwendung des Ergebnisses nur prospektiv, d.h. für die Zukunft eines neuen Pflegesatzzeitraumes zu verwerten ist. § 70 SGB XI schreibt weiter vor, dass die Beklagten in den Verträgen mit der Klägerin über Art, Umfang und Vergütung der Leistung sicherstellen, dass die Leistungsausgaben der Beklagten die Beitragseinnahmen nicht überschreiten (Grundsatz der Beitragsstabilität). Der Grundsatz der Beitragsstabilität ist ein überragender Grundsatz, der das Leistungsgeschehen zwischen den Beteiligten trägt und bestimmt. Es würde dem Grundsatz der Beitragsstabilität zuwider laufen, wenn es den Beklagten im Wege der Wirtschaftlichkeitsprüfung verwehrt wäre, Erkenntnisse zu gewinnen, die die Wirtschaftlichkeit der geprüften Einrichtung verbessern könnten. Weiter bedeutet es für den vorliegenden Fall, dass es durch das Hinauszögern und Strecken einer laufenden Umstrukturierungsmaßnahme letztendlich in der Hand der Klägerin liegt, wann die Beklagten die Wirtschaftlichkeitsprüfung durchführen können. Dies ist nicht im Sinne des Regelungssystems des Elften Buchs Sozialgesetzbuchs und der hierzu ergangenen Verträge.
Der Prüfungsanspruch der Beklagten besteht aufgrund eindeutiger gesetzlicher Vorgabe und vertraglicher Vereinbarung uneingeschränkt. Es ist deshalb nicht ermessensfehlerhaft wenn die Beklagten die Klägerin einer Wirtschaftlichkeitsprüfung unterziehen. Zu berücksichtigen ist auch und gerade in diesem Zusammenhang, dass öffentlich-rechtliche Kostenträger weitgehend für den Aufwand der Klägerin aufkommen. Öffentlich-rechtliche Kostenträger sind aufgrund der Struktur des öffentlich-rechtlichen Handelns, der Aufsichts- und Haftungsregeln solvente und zuverlässige Schuldner des vereinbarten Entgeltes. Insofern unterscheidet sich das wirtschaftliche Risiko der Klägerin fundamental von einer wirtschaftlichen Tätigkeit auf dem freien Markt ohne öffentlich-rechtliche, gesetzliche Kostenträgerschaft.
Es ist deshalb der Klägerin zumutbar, verstärkt zur Wahrung des Grundsatzes der Beitragsstabilität Wirtschaftlichkeitsprüfungen über sich ergehen zu lassen. Die Wahrung berechtigter Interessen und das Betriebsgeheimnis der Klägerin sind Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Ermächtigung des § 79 Abs. 1 SGB XI eingeschränkt. Dies ist auch sachgerecht, da alle aufgrund des öffentlichen Haushaltsrechts verwalteten Körperschaften des öffentlichen Rechts dem Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit des Ausgabengebarens unterliegen (§ 4 Abs. 3 SGB XI i.V.m. §§ 68 und 69 SGB IV). Sofern die Klägerin um einen Versorgungsvertrag bei den Beklagten nachsucht, hat sie sich diesen Bedingungen zu unterwerfen. Es besteht kein Zwang einen Versorgungsvertrag abzuschließen. Sollte die Klägerin keine Prüfung wünschen, müsste sie aus dem vertraglichen System ausscheiden. Hierfür steht ihr ein jederzeitiges Kündigungsrecht des Versorgungsvertrages nach den den vertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen zur Seite (§ 74 SGB XI).

Abschließend weist das Sozialgericht darauf hin, dass der Rahmenvertrag dem Grundsatz der Subsidarität und Autonomie der Leistungserbringer weitestgehend Rechnung trägt (§ 12 Abs. 2 SGB XI).
In diesem Rahmenvertrag sind Vorgaben hinsichtlich der Wirtschaftlichkeitsprüfung und faktisch ein Verwertungsverbot der gewonnenen Erkenntnisse für die Vergangenheit verankert. Sollte der klägerischen Seite die vertragliche Konstellation nicht mehr sachgerecht erscheinen, ist sie aufgefordert, über ihren Spitzenverband eine Änderung der Vereinbarung einzuleiten. Vom Wortlaut her ist die Vereinbarung eindeutig und einer ergänzenden Auslegung nicht zugänglich.

Die Klägerin hatte deshalb keinen Anspruch auf Freistellung von Wirtschaftlichkeitsprüfungen durch die Beklagten. Der Hilfsantrag ist unter den gleichen Gründen ebenfalls nicht begründet.

Die Klage war deshalb abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf
§ 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 156 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Rechtskraft
Aus
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