L 2 KA 17/03

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 27 KA 3/99
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 KA 17/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 26. März 2003 wird zurückgewiesen. 2. Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu erstatten. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen. 4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 63.911,49 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die weitere Zulassung der Klägerin zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit (trotz Überschreitens der Altersgrenze von 68 Jahren und Vollendung des 77. Lebensjahres im Sommer 1998) über den 31. Dezember 1998 hinaus streitig.

Die am X.XXXXXXX 1921 geborene, seit 1948 als Vertragszahnärztin zugelassene Klägerin ist der Auffassung, dass der Ausschluss der über 68jährigen Zahnärzte von der vertragszahnärztlichen Versorgung verfassungswidrig sei und wendet sich deswegen gegen den Bescheid des Zulassungsausschusses vom 4. November 1998, mit dem ihr mitgeteilt wurde, dass ihre Zulassung am 1. Januar 1999 ende und kein Ausnahmefall für eine darüber hinaus gehende vertragszahnärztliche Tätigkeit gegeben sei, sowie gegen den diese Entscheidung bestätigenden Bescheid des Beklagten vom 14. Dezember 1998.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 26. März 2003 abgewiesen.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin – nach erfolgloser Beantragung der Zulassung der Sprungrevision - Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, die Altersgrenzenregelung für Vertragszahnärzte sei verfassungswidrig. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Altersgrenze für Vertragsärzte lasse sich auf die Situation der Vertragszahnärzte nicht übertragen. Außerdem liege ein Verstoß gegen Europarecht vor.

Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 26. März 2003 sowie den Bescheid des Beklagten vom 14. Dezember 1998 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin über den 31. Dezember 1998 hinaus zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit zuzulassen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 1) beantragen, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Sie halten die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Die übrigen Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die in der Sitzungsniederschrift vom 1. Dezember 2004 aufgeführten Akten und Unterlagen verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig (vgl. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) Insbesondere ist sie fristgemäß eingelegt worden, denn die Berufungsfrist ist durch die Entscheidung des Sozialgerichts (Beschluss vom 4. Juni 2003) über den (innerhalb der Frist des § 161 Abs. 1 Satz 2 SGG gestellten) Antrag auf Zulassung der Sprungrevision, dem die Zustimmungserklärung der Gegenseite beigefügt war, neu eröffnet worden. Innerhalb der gemäß § 161 Abs.3 Satz 1 SGG neu eröffneten Monatsfrist hat die Klägerin Berufung eingelegt.

Die Berufung ist nicht begründet.

Einfachgesetzlich ist die Altersgrenzenregelung zutreffend angewendet worden. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die Begründung im Beschluss des Berufungsausschusses vom 14. Dezember 1998 Bezug (§ 136 Abs. 3 SGG). Auch die Klägerin selbst trägt hiergegen nichts vor.

Ein Verstoß gegen Verfassungsrecht liegt nicht vor. Die Altergrenze ist vom Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 31. März 1998 für verfassungsgemäß gehalten worden (1 BvR 2167/93 und 1 BvR 2198/93, SozR 3-2500 § 95 Nr. 17). Nachfolgende Verfassungsbeschwerden hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (vgl. Beschlüsse vom 18.5.01- 1 BvR 522/01 und 4.10.01 – 1 BvR 1481/01 und 1435/01, NZS 2002, 144) und seine verfassungsrechtliche Beurteilung von Altersgrenzen für Vertragsärzte in Bezug auf die Zulassungsaltersgrenze von 55 Jahren erneut dargelegt (20.3.01 – 1 BvR 491/96, BVerfGE 103, 172).

Soweit die Klägerin meint, für die Berufsfreiheit von Vertragszahnärzten im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz könne die bisher zu Vertragsärzten ergangene Rechtsprechung nicht gelten, ist ihr nicht zu folgen. Vertragszahnärzte sind wie Vertragsärzte in die Versorgung der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen. Auch ihre Anzahl muss aus Gemeinwohlbelangen mit hinreichendem Gewicht – nämlich zur Sicherung der finanziellen Stabilität und damit der Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung - beschränkt werden. Eine Altersgrenze stellt dabei eine ausgewogene Altersstruktur sicher und gibt jüngeren Zahnärzten die Chance, sich als Vertragszahnärzte niederzulassen. Dass sich die von den Vertragszahnärzten angebotenen bzw. erbrachten Leistungen von der im Übrigen auch nicht leistungskonformen sonstigen Ärzteschaft unterscheiden mögen, ist für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Altersgrenzenregelung ohne Bedeutung.

Ein Verstoß gegen europäisches Recht ist nicht ersichtlich. Insbesondere liegt ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot (Art. 12 EG-Vertrag) schon deswegen nicht vor, weil in der Bundesrepublik Deutschland auch kein ausländischer Arzt zur vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung zugelassen wird, der die Altersgrenze überschreitet. Deswegen fehlt es an einer Diskriminierung. Wenn sich verschiedene Hoheitsträger in ihrem Kompetenzbereich unterschiedlich verhalten, also insbesondere verschiedene nationale Vorschriften in den Mitgliedstaaten bestehen, scheidet ein europarechtlicher Diskriminierungstatbestand von vornherein aus (vgl. Epiney in Calliess u. a., Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, Rdnr. 5 und 27 zu Art. 12 EG-Vertrag).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG iVm § 116 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung sowie § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGG (in den bis Ende 2001 geltenden Fassungen) und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache. Hinsichtlich der Begründung der Streitwertfestsetzung verweist der Senat auf seine Ausführungen im den Beteiligten im Verfahren L 2 B 237/03 KA zugestellten Beschluss vom 24. November 2004.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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