L 8 AL 386/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 AL 223/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 386/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 293/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 17. Juni 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung von Reisekosten und die Erstattung von 1.570,80 DM bzw. 802,73 Euro streitig.

Der 1950 geborene Kläger ist gelernter Bankkaufmann. Er war bis 31.03.1997 als Organisationsleiter bei der Kreissparkasse beschäftigt und erhielt ab 01.04.1997 Arbeitslosengeld (Alg) bis zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit am 26.01.1999.

Am 04.06.1998 hatte der Kläger einen Antrag auf Bewilligung von Reisekosten gestellt. Diesen Antrag reichte er erst am 29.03.2000 bei der Beklagten ein und gab an, sich am 12.04., 15.06., 02.11.1998 und 18.10.1999 bei einer Firma K. mit Sitz in den Niederlanden vorgestellt zu haben. Er legte auf Aufforderung hin eine von einem Herrn M. unterzeichnete schriftliche Erklärung vom 13.03.2000, die den Briefkopf der Firma K. trägt, vor, wonach dieser die Vorstellungsgespräche 15.06., 02.11.1998, 12.04. und 18.10.1999 bestätige.

Mit Bescheid vom 31.03.2000 bewilligte die Beklagte die Erstattung von Fahrkosten für drei Vorstellungsgespräche am 15.06., 02.11.1998 und 18.10.1999 in Höhe von insgesamt 1.390,80 DM, wobei sie pro zurückgelegten Kilometer 0,38 DM erstattete. Auf den Widerspruch hin, mit dem Übernachtungskosten und höhere Fahrtkosten geltend gemacht wurden, bewilligte sie zusätzlich die Übernahme von Übernachtungskosten in Höhe von 180,- DM und wies im Übrigen den Widerspruch als unbegründet zurück. Die hiergegen zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobene Klage S 1 AL 389/00 wies dieses mit Urteil vom 14.08.2001 ab.

Noch während dieses Klageverfahrens hatte die Beklagte eine Anfrage an die Firma K. vom 26.07.2001 gerichtet. Diese teilte schließlich mit Schreiben vom 24.10.2001 mit, Herr B. M. sei zu keinem Zeitpunkt Mitarbeiter ihrer Firma gewesen. Man habe seine Firma B. für Ladetätigkeiten "angemietet"; Anwerbung und Annahme von Lagerpersonal hätten nur in Absprache mit dem zuständigen Leiter der Filiale in den Niederlanden erfolgen dürfen. Diese Filiale werde Ende November definitiv geschlossen. Von Herrn M. habe man telefonisch die Auskunft erhalten, er habe den Kläger niemals zu Vorstellungen aufgefordert. Der Kläger habe ihn um einen Job und ein Gespräch gebeten. Es seien zwei Gespräche geführt worden, und zwar eines in dem Privathaus des Herrn M. und eines anläßlich einer Hundemesse in Deutschland. In dem ersten Gespräch sei es um einen Arbeitsplatz als Lagerarbeiter gegangen, bei dem zweiten um eine Stelle als Buchhalter; in beiden Fällen habe Herr M. nichts für den Kläger tun können. Die Ausführungen in dem Schreiben vom 13.03.2000 beruhten auf einem Sprachmissverständnis. Herr M. habe diese Gespräche als B. führen wollen und irrtümlicherweise das Papier der Firma K. benutzt.

Von der Beklagten auf eine bevorstehende Aufhebung und Erstattung hingewiesen gab der Kläger an, ihm sei bekannt gewesen, dass Herr M. für die Firma K. tätig gewesen sei; eine Legitimation habe er nicht verlangt, da dies nicht üblich sei. Für Rückfragen sei Herr M. über eine Handy-Nummer erreichbar.

Mit Bescheid vom 13.12.2001 hob die Beklagte die Bewilligung der Reisekosten auf und forderte die Erstattung von 1.570,80 DM. Die Bewilligung sei unter der Voraussetzung erfolgt, dass die beruflichen Eingliederungschancen verbessert würden und der Arbeitgeber mehrere Gespräche für notwendig erachtet und ihn deshalb wiederholt zu Vorstellungen eingeladen habe. Nach Auskunft der Firma K. sei er niemals zu Vorstellungsgesprächen aufgefordert worden, auch nicht von Herrn M ... Den Widerspruch, mit dem der Kläger angab, sich am 11.01.1998 schriftlich bei Herrn M. , der ihm aufgrund privater Kontakte als Mitarbeiter der Firma K. vorgestellt worden sei, beworben zu haben, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.04.2002 als unbegründet zurück. Der Kläger habe gewusst, dass kein Gespräch bei der Firma K. stattgefunden habe.

Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, nach seinem Rechtsempfinden hätte die Beklagte Rückforderungsansprüche in dem Verfahren S 1 AL 389/00 einbringen müssen. Er versuche, von Herrn M. eine Bestätigung zu erhalten, wonach ihm nicht bekannt gewesen sei, in welchem Vertragsverhältnis er zur Firma K. gestanden habe, und dass die drei Termine stattgefunden hätten.

Mit Gerichtsbescheid vom 17.06.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe hat es im Hinblick auf § 136 Abs.3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) abgesehen.

Mit seiner Berufung macht der Kläger weiterhin geltend, nicht gewusst zu haben, dass Herr M. die Gespräche nicht im Auftrag der Firma K. geführt habe. Er habe ihm jedenfalls nicht mitgeteilt, dass er Mitarbeiter für sein eigenes Subunternehmen gesucht habe.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 17.06.2002 und den Bescheid der Beklagten vom 13.12.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2002 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten, der Verfahrensakten beider Rechtszüge und der Klageakte S 1 AL 389/00 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.

Die Voraussetzungen für die Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 31.03.2000 liegen gemäß §§ 45 Abs.2 Satz 3 Nr.2, Abs.4 Satz 1 SGB X, 330 Abs.2 SG III vor. Bei diesem Bescheid handelt es sich um einen von Anfang an rechtswidrigen Bescheid. Die Beklagte hat die Erstattung von Reisekosten in Höhe von DM 1.570,- bewilligt für Vorstellungsgespräche mit der Firma K. in den Niederlanden; bei dieser Firma haben jedoch keine Vorstellungsgespräche stattgefunden.

Dieser Bewilligungsbescheid wäre selbst dann nicht rechtmäßig, wenn nachgewiesen wäre, dass der Kläger sich an den angegebenen Tagen in der Firma des Herrn B. M. vorgestellt habe und hierbei die Kosten in der bewilligten Höhe angefallen wären. Denn die Übernahme von Kosten im Zusammenhang mit Fahrten zu Vorstellungsgesprächen steht gemäß §§ 45 Satz 2 Nr.2, 46 Abs.2 SGB III im Ermessen der Beklagten. Eine rechtmäßige Ermessensentscheidung liegt nur vor, wenn ihr ein zutreffender Sachverhalt zugrunde liegt. Dies ist hier nicht der Fall, da die Vorstellungsgespräche bei der Firma K. , für die Kosten übernommen wurden, nicht stattgefunden haben. Eine Umdeutung der in dem Bewilligungsbescheid getroffenen Entscheidung in eine solche, bezogen auf Vorstellungsgespräche bezüglich einer Einstellung in der Firma des Herrn B. M. , ist nicht möglich. Vielmehr würde dies eine eigene Ermessensentscheidung voraussetzen, bei der die Beklagte zu prüfen gehabt hätte, ob die Art der Einladungen und Bewerbungen und die damit verbundene Aussicht auf eine Wiedereingliederung in das Arbeitsleben eine Förderung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach rechtfertigten. Eine solche Entscheidung liegt aber nicht vor.

Die rechtswidrige Entscheidung der Beklagten beruht auf den Angaben des Klägers, die dieser zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig gemacht hat. Der Kläger hat im Rahmen des Klageverfahrens S 1 AL 389/00 angegeben, die Vorstellungsgespräche - und zwar mehr als die drei durch Übernahme der Reisekosten geförderten - hätten an drei verschiedenen Firmensitzen der Firma K. stattgefunden. Er hat keine Erklärung dafür angeboten, weshalb ihm bei diesen zahlreichen Kontakten nicht habe klar werden können, dass Herr M. nicht Angestellter der Firma K. sei.

Zudem ist nicht nachgewiesen, dass förderungsfähige Vorstellungsgespräche bei Herrn M. überhaupt stattgefunden haben. Die bloße Anfrage nach einem Arbeitsplatz rechtfertigte jedenfalls nicht mehrere Fahrten in die Niederlande; für die in der schriftlichen Auskunft der Firma K. geschilderte Kontaktaufnahne hätte eine telefonische Anfrage genügt. Zudem wäre es Aufgabe des Klägers gewesen, nachzuweisen, dass solche Vorstellungsgespräche mit Herrn M. stattgefunden haben. Die im Klageverfahren angekündigte schriftliche Bestätigung des Herrn M. hat der Kläger nicht vorgelegt. Zwar trägt die Beklagte in dem Verfahren nach § 45 SGB X grundsätzlich die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen, die die Rücknahme des begünstigenden Bescheides rechtfertigen. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Bescheid auf objektiv unrichtigen Angaben des Antragstellers beruht, und dieser nun einen anderen Sachverhalt vorträgt; in diesem Fall obliegt ihm die Beweisführungslast dahingehend, dass die von ihm jetzt vorgebrachten neuen Tatsachen zutreffend sind. Der Kläger konnte sich nicht damit begnügen, lediglich eine Handy-Nummer des Herrn M. anzubieten. Bei diesem Sachverhalt durfte sich die Beklagte jedenfalls darauf beschränken, von der schriftlichen Auskunft der Firma K. und den darin angegebenen Äußerungen des Herrn M. , deren Richtigkeit der Kläger nicht widerlegt hat, auszugehen.

Das Vorbringen des Klägers, die Rechtmäßigkeit des Bewilligungsbescheides hätte in dem Verfahren S 1 AL 89/00 geklärt werden müssen, geht ins Leere. Zwar hat die Beklagte die Ermittlungen mit dem Ziel, die Rechtsmäßigkeit der Entscheidung zu überprüfen, noch während dieses Klageverfahrens eingeleitet; dass die Auskunft der Firma K. erst nach Abschluss dieses Klageverfahrens einging, bedeutet aber nicht, dass damit eine Aufhebung dieses Bescheides ausgeschlossen wäre. Gegenstand des Verfahrens war nicht die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides, soweit er überhaupt Leistungen bewilligt hat, sondern ausschließlich die Bewilligung höherer Leistungen. Die Rücknahme dieses Bescheides, soweit er einen begünstigenden Verwaltungsakt darstellt, ist aber innerhalb der Fristen des § 45 Abs.3, Abs.4 Satz 2 SGB X jederzeit möglich. Die Jahresfrist des § 45 Abs.4 SAtz 2 SGB X, die frühestens mit dem Eingang des Schreibens der Firma K. vom 24.10.2001 begann, hat die Beklagte mit dem am 13.12.2001 erlassenen Bescheid eingehalten.

Somit war die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid vom 17.06.2003 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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