L 2 RJ 46/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 13 RJ 445/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 RJ 46/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 04. Februar 2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten hat die Beklagte dem Kläger auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Beitragsforderung der Beklagten gegen den Kläger und vorrangig darum, ob der Kläger als Arbeitgeber britischer Bauarbeiter anzusehen und damit Beitragsschuldner ist.

Der Kläger betreibt als Einzelfirma in C. ein Unternehmen zur Bausanierung. Bei ihm ging ein Schreiben mit dem Absender der S.Construction Ltd. (SCL), R., England, und einer niederländischen Fax- und Telefonnummer ein. Darin wurde mitgeteilt, die SCL sei in der Lage, innerhalb einer Woche qualifizierte Facharbeiter im Baubereich einzusetzen, die nach Vereinbarung selbstständig und ordnungsgemäß Maurerarbeiten, Schalungsarbeiten, Putz- und Maschinenputzarbeiten, Flechtarbeiten, Fliesenlegearbeiten und Dachdeckerarbeiten verrichteten. Der Stundenakkordpreis betrage 39,00 DM und enthielte alle Lohnnebenkosten; Mehrwertsteuer werde nicht berechnet.

Am 18. April 1995 beziehungsweise 20. April 1995 kam es zwischen der SCL und dem Kläger zum Abschluss einer als "Bauwerkvertrag" bezeichneten Vereinbarung über die Ausführung von Betonsanierungsarbeiten der Fassaden bei einem Bauvorhaben am Brandenburgischen Ring und in der Kaltenborner Straße in Guben. Abgerechnet werden sollte nach dem Aufmaß und es war vereinbart, dass die Arbeitsgruppe einen Balkonfeinspachtelauftrag beziehungsweise vier Balkonstreichaufträge verrichten sollte. In einem Zusatz versicherte die SCL, für die Arbeitnehmer würden Lohnsteuern sowie Sozialabgaben in Großbritannien entrichtet.

Eine weitere als Bauwerkvertrag bezeichnete Vereinbarung über die Durchführung von Betonsanierungsarbeiten in sechs Blöcken der H.-B.-S. in N. schloss der Kläger mit der ebenfalls in Großbritannien registrierten Firma A.e C. Ltd. (ACL).

Am 14. und 15. Oktober 1997 führte das Finanzamt C. eine Betriebsprüfung beim Kläger für den Zeitraum vom 01. Januar 1994 bis zum 31. August 1997 durch. Im Lohnsteueraußenprüfungsbericht vom 08. Dezember 1997 gelangte das Finanzamt C. zu der Auffassung, trotz der Bezeichnung als Bauwerkverträge habe es sich in Wirklichkeit um Verträge zur Überlassung britischer Arbeitnehmer gehandelt. Diese Feststellung wurde wie folgt untermauert:

- S. Construction Ltd.

Bereits im Angebot nimmt der Auftragnehmer (im Folgenden Entleiher genannt) Bezug auf den Einsatz qualifizierter Facharbeiter, wobei die Abrechnung nach Stundenakkordpreisen (DM 39,00) erfolgt.

Weiterhin wird zugesichert, dass in diesem Preis die Lohnnebenkosten, wie Steuern, Sozialversicherung und Spesen bereits enthalten sind.

Im Werkvertrag wird Abrechnung nach Aufmaß und Schlussrechnung vereinbart. Preise werden überhaupt nicht genannt. Weiter werden Zusicherungen betreffs der Lohnnebenkosten gemacht.

Bei den wöchentlichen Rechnungen wird, entgegen den Vereinbarungen im Vertrag, die Abrechnung auf Stundenlohnbasis vorgenommen (kein Bezug auf Aufmaß). Des weiteren erhielten gelegentlich Leiharbeiter Abschläge aus der Kasse gezahlt. Es wurde weder Material abgerechnet noch nach Beendigung der Arbeiten eine Schlussabrechnung gestellt.

Auch Regelungen zur Gewährleistung fehlten.

- A.-Construction Ltd.

Neben den Feststellungen zu "S.", die grundsätzlich auch für "A." zutreffen, kommt noch Folgendes hinzu:

Im Nachweis über die Registrierung beim Valne Added Tax Office wurde die Firma unter der gleichen Anschrift eingetragen wie die "S. Ltd.".

In späteren Verträgen und Briefen gibt die Firma jedoch eine andere Anschrift an.

Im Bauwerksvertrag wurde zum einen der Auftraggeber nicht bezeichnet, zum anderen ist der Vertrag von der Auftragnehmerseite nicht unterzeichnet worden.

In der Rechnung für die 39. Kalenderwoche wurde ebenfalls vom AG gestelltes Werkzeug gegengerechnet.

Angemerkt sei ebenfalls noch, dass auf sämtlichen Rechnungen untypischerweise weder Telefon- noch FAX-Nummern zu erkennen sind.

Eine Anfrage beim Landesarbeitsamt Nordrhein-Westfalen ergab, dass keine dieser englischen "Verleihfirmen eine gültige Erlaubnis gemäß § 1 AAÜG besitzt.

Die gewerbsmäßige Überlassung von Arbeitnehmern in Betriebe des Baugewerbes ist grundsätzlich verboten.

Der Steuerberater des Klägers, Dr. L., brachte zum Ergebnis der Lohnsteueraußenprüfung eine Stellungnahme der Deutsch-Britischen Industrie- und Handelskammer vom 13. Mai 1998 bei, wonach die SCL am 21. Juli 1994 im Gesellschaftsregister für England und Wales eingetragen und im Mai 1996 zwangsweise gelöscht wurde, da sie verschiedenen Aufforderungen des Gesellschaftsregisters zur Einreichung weiterer Unterlagen nicht nachgekommen war. Die ACL, für die im Übrigen ebenso wie für die SCL ein Herr F. A.S. zum Sekretär bestellt worden war, war am 26. Oktober 1995 eingetragen und im September 1997 wegen Verletzung von Veröffentlichungspflichten zwangsweise gelöscht worden. Die Gründung beider Gesellschaften erfolgte durch die S-. Company Formations Ltd. - SCF -, eine Gründungsagentur.

Mit Bescheid vom 29. November 1999 forderte die Beklagte vom Kläger Beiträge für den Einsatz britischer Arbeitnehmer im Zeitraum vom 01. Januar 1995 bis 31. Dezember 1996 in Höhe von 77 007,45 DM. Die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Arbeitsentgelt richte sich grundsätzlich nach dem Steuerrecht und für gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung von gewerblichen Arbeitnehmern ohne Erlaubnis nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) seien Sozialversicherungsbeiträge nachzuberechnen. Arbeitnehmerüberlassung liege hier vor, da durch einen Verleiher Leiharbeitnehmer einem Entleiher zur Arbeitsleistung überlassen worden seien. Weder liege eine Erlaubnis vor noch sei diese in Betrieben des Bau- und Baunebengewerbes zulässig. Die Verträge zwischen Verleihern und Entleihern seien unwirksam und der Entleiher gelte somit als Arbeitgeber der Leiharbeitnehmer und daher träfe ihn die Zahlungspflicht für die Sozialversicherungsbeiträge.

Hiergegen richtete sich der am 10. Januar 2000 bei der Beklagten eingegangene Widerspruch des Klägers, mit dem dieser vortrug, er habe sich vor Abschuss der Verträge über seine englischen Vertragspartner informiert und dabei festgestellt, dass der Vertreter dieser Unternehmer, Herr F. A.S., in die Handwerksrolle der Stadt H. (S.) eingetragen gewesen sei. Er habe nicht gewusst, dass es sich um so genannte englische Scheinfirmen handele. Dies sei auch aus dem Umgang mit den Firmen nicht erkennbar gewesen. Er habe gegenüber den britischen Arbeitnehmern keinerlei Weisungsbefugnis besessen und es sei immer ein Repräsentant der britischen Firma auf den Baustellen anwesend gewesen. Ihm sei mitgeteilt worden, dass die britischen Arbeitnehmer in Großbritannien steuer- und sozialversicherungsrechtlich erfasst seien.

Die Beklagte wandte sich daraufhin mit einem Auskunftsersuchen an das Bundesamt für Finanzen über die Geschäftsfähigkeit der SCL und der ACL. Am 18. Juli 2000 teilte das Bundesamt für Finanzen der Beklagten mit, beide Firmen seien bereits mehrfach Gegenstand von Anfragen gewesen und es sei festgestellt worden, dass sie aus dem Handelsregister gestrichen worden seien, da sie weder Bilanzen noch Jahresmeldungen eingereicht hätten. Aus Wirtschaftsauskünften ergäbe sich, dass es sich um wirtschaftlich inaktive Briefkastengesellschaften handele, wobei es sich bei den als Gesellschafter angegebenen Personen um Registrierungsagenten handele, die wiederum durch mehrere Anfragen bekannt seien und ihre Anteile nur treuhänderisch für unbekannte Dritte hielten. Das Gleiche gelte für die Geschäftsführer. Von dem angegebenen Stammkapital seien lediglich 2,00 £ (das sind zirka 3,00 EUR) eingezahlt worden. Die Firmen verfügten in Großbritannien weder über einen Telefonanschluss noch eine Geschäftsadresse. In den vorliegenden Firmen- und Branchenverzeichnissen seien sie nicht eingetragen. Über Mitarbeiter sei nichts bekannt.

Daraufhin wies die Beklagte mit dem am 21. August 2000 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid vom 18. August 2000 den Widerspruch des Klägers zurück und wiederholte darin ihre Auffassung, es habe eine Arbeitnehmerüberlassung und kein Werkvertragsverhältnis vorgelegen. Die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung im Baubewerbe jedoch sei unzulässig, so dass den Entleiher als Arbeitgeber die Zahlungspflicht für die Sozialversicherungsbeiträge träfe. Dass keine Werkträge vorlagen, ergäbe sich daraus, dass eine bestimmte Anzahl von Arbeitskräften Balkone zu streichen und Feinspachtelarbeiten auszuführen gehabt habe und die Abrechnung nach Stunden erfolgt sei. Teilweise sei von der Firma des Klägers direkt an diese Arbeitnehmer gezahlt worden. Es habe keine Regelungen zur Nachbesserung und Gewährleistung in dem so genannten Werkvertrag gegeben. Dieser habe sich vielmehr auf die Zurverfügungstellung einer bestimmten Anzahl von Arbeitskräften bezogen. Dadurch, dass schon von vornherein die Arbeitsaufgabe festgelegt worden sei, liege eine Ausübung der Weisungsbefugnis vor. Wenn die britischen Firmen, mit denen die angeblichen Werkverträge geschlossen worden seien, inaktive Briefkastengesellschaften gewesen seien, so könnten diese nicht in der Lage gewesen sein, die zur Abwicklung von Werkverträgen notwendigen Maßnahmen zu organisieren, so dass als derjenige, der diese beaufsichtigen und überwachen könne, lediglich der Kläger beziehungsweise von ihm Beauftragte in Betracht kämen. Berechnet worden sei die Beitragsnachforderung nach dem Tariflohn für Bauhilfsarbeiten, wobei der Stundenlohn im Jahre 1995 16,52 DM und im Jahre 1996 17,07 DM betragen habe.

Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat sich die am Montag, dem 25. September 2000, beim Sozialgericht Cottbus erhobene Klage gerichtet.

Der Kläger hat auf seine Darlegungen im Vorverfahren verwiesen und ergänzend vorgetragen, die Leistungsausführung der englischen Unternehmen sei außerhalb der Betriebsorganisation des Klägers erfolgt, der keine Weisungsbefugnis gegenüber den britischen Arbeitnehmern gehabt habe. Diese sei vielmehr von einem englischen Vorarbeiter ausgeübt worden. Da die Auskunft des Bundesamtes für Finanzen vom August 2000 stamme, ergebe sich daraus nicht, dass die britischen Firmen 1995 und 1996 inaktiv gewesen seien. Darüber hinaus habe der Kläger auf eine telefonische Auskunft der Industrie- und Handelskammer Cottbus vertrauen können, die ihm 1995 erklärt habe, er könne mit den beiden Firmen in Vertragsbeziehungen treten.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, die angefochtenen Bescheide aufzuheben.

Die Beklagte ist dem unter Bezugnahme auf die Ausführungen in diesen Bescheiden entgegengetreten und hat ergänzend vorgetragen, nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 09. November 1994 in Betriebsberater 1995, Seite 1293 ff.) sei für das Bestehen eines Dienst- oder Werkvertrages zwingend erforderlich, dass der Dienstleistungserbringer beziehungsweise Werkunternehmer über die betrieblichen und organisatorischen Voraussetzungen verfüge, um eine vertraglich vereinbarte Dienst- und Werkleistung zu erbringen und den dafür eingesetzten Erfüllungsgehilfen Weisungen zu erteilen. Er müsse über eine Struktur verfügen, die ihm eine Tätigkeit ermögliche, die über das bloße Zurverfügungstellen von Arbeitnehmer hinausgehe und ihn in die Lage versetze, die für ein Arbeitsverhältnis typischen Entscheidungen zu treffen. Handele es sich um eine Briefkastenfirma, so sei dies ausgeschlossen und es liege Arbeitnehmerüberlassung vor. Darüber könne auch nicht hinwegtäuschen, dass vor Ort ein verantwortlicher Ansprechpartner für die Leiharbeiter vorhanden sei.

Mit Urteil vom 04. Februar 2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, bei den Vereinbarungen zwischen dem Kläger einerseits und der SCL und der ACL andererseits handele es sich nicht um Werkverträge gemäß § 631 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Vielmehr seien dem Kläger Arbeitnehmer zur Ausführung von Fassadenarbeiten überlassen worden. Dies ergebe sich bereits aus dem Angebot der Firma über den Einsatz qualifizierter Facharbeiter im Baubereich. Auch aus der Bezeichnung der Arbeiten ergebe sich, dass nicht die Erstellung eines bestimmten Werkes, sondern die Überlassung von Arbeitnehmern für die Ausführung einer bestimmten Art von Werken im Vordergrund stünde. Dafür spräche auch der Stundenakkordpreis.

Gegen dieses den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 20. Februar 2003 zugestellte Urteil richtet sich deren Berufung vom 20. März 2003: Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts habe es sich um Werkverträge und nicht um Arbeitnehmerüberlassung gehandelt, da zum einen Werke vereinbart und deren Durchführung vom Werkunternehmer beaufsichtigt worden sei und zum anderen die britischen Unternehmen keine Briefkastenfirmen gewesen seien.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 04. Februar 2003 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 29. November 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2000 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und durch die Beweisaufnahmen in zweiter Instanz für bestätigt.

Der Senat hat zunächst die Einwendungen des Klägers gegen die Auskunft des Bundesamts für Finanzen diesem zur Stellungnahme zugeleitet. Das Bundesamt für Finanzen - Informationszentrale für steuerliche Auslandsbeziehung (IZA) - hat unter dem 18. Februar 2004 zur ACL mitgeteilt, diese Firma habe in Großbritannien niemals über eine eigene Geschäftsadresse verfügt. Vom Tage ihrer Gründung am 26. Oktober 1995 an bis zum 30. Oktober 1995 habe sie ihren juristischen Sitz in einem Bürohaus in C. gehabt. Dort befänden sich auch die Büroräume des Registrierungsagenten SCS. Diese Anschrift sei als Massendomiziladresse bekannt, in der 26 weitere Firmen ihren Sitz hätten. Danach habe die Firma ihren Sitz an eine Anschrift in Old C. verlegt, die ebenfalls im Zusammenhang mit einer weiteren Briefkastenfirma bekannt sei. Obwohl die ACL erst am 09. September 1997 gelöscht wurde, sei sie zum Zeitpunkt der Einholung der Wirtschaftsauskunft im Februar 1997 an dieser Anschrift nicht mehr anzutreffen gewesen. Als Geschäftsführer sei vom Zeitpunkt der Gründung bis zum 30. Oktober 1995 der der IZA bekannte Massenfunktionsträger SCF eingetragen gewesen. Danach sei der ebenfalls bekannte Funktionsträger C. J. T. als Geschäftsführer benannt worden, der ausweislich des englischen Handelsregisters im Jahr 1996 vier Geschäftsführer- und zwei Schriftführermandate ausgeübt habe, so dass eine wirksame Geschäftsführung durch ihn nicht möglich gewesen sei. Als Anteilseigner seien die Gründungsagenten eingetragen gewesen und von dem Stammkapital seien lediglich 2,00 £ eingezahlt worden, so dass die Firma über keine Mittel zu einem ordentlichen Geschäftsbetrieb verfügt habe. In den einschlägigen Wirtschaftsführern sei sie nicht verzeichnet gewesen und sie habe im Jahr 1996 über keinen Telefonanschluss verfügt und auch weder Bilanzen noch Jahresmeldungen abgegeben. Die Firma sei vermutlich gegründet worden, um britische Bauarbeiter nach Deutschland zu vermitteln, wobei die Vermittlung jedoch aus den Niederlanden erfolgte, wie aus dem Angebotsschreiben zu entnehmen sei, das eine niederländische Telefon- und Faxnummer aufweise. Zur SCL teilte die IZA mit Schreiben vom selben Tage mit, dass sich diese ebenfalls zunächst in dem Bürohaus in C.befunden habe und dann in eine der IZA bekannte Domiziladresse in R. verlegt worden sei, die dem Registrierungsagenten C. Services Ltd. zuzurechnen sei. Auch dort seien als Geschäftsführer der Massenfunktionsträger SCF und Herr F. A. S. benannt worden. Auch hier seien vom Stammkapital lediglich 2,00 £ verzeichnet gewesen und die Firma sei weder in Wirtschaftsführern noch in Telefonbüchern verzeichnet gewesen und habe keine Bilanzen und Jahresmeldungen abgegeben.

Darüber hinaus hat der Senat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen J., S. und H. im Erörterungstermin am 02. Dezember 2003. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf deren Niederschrift verwiesen.

Sodann hat der Senat bei der Handwerkskammer Halle nach der vom Kläger vorgetragenen Eintragung des F. A. S. in die Handwerksrolle der Handwerkskammer H. (S.) nachgefragt, die wegen der Gebietsreform den Vorgang an die nunmehr zuständige Handwerkskammer M. weitergeleitet hat. Aus der daraufhin in Ablichtung eingereichten Registerakte der Handwerkskammer ergab sich, dass eine S. Bau Management GmbH eingetragen war, die zum 31. Dezember 1997 wegen nicht mehr Auffinden des Betriebes aus dem Gewerberegister des Landkreises A. gelöscht worden war. Herr S. wurde mit Wirkung vom 27. Juli 1998 aus der Handwerksrolle gelöscht. Eine Adresse, unter der er erreichbar wäre, ging aus den Akten nicht hervor.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die beigezogenen Akten des Bundesamtes für Finanzen, der Handwerkskammer M., der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht erhoben, somit insgesamt zulässig.

Sie ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage gegen die angefochtenen Bescheide zu Recht abgewiesen, da diese keiner Beanstandung unterliegen. Der Kläger schuldet der Beklagten als Arbeitgeber Beiträge zur Sozialversicherung für die in seinem Betrieb eingesetzten britischen Arbeitnehmer (§§ 173, 174 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch – SGB VI). Gemäß §28 e Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - SGB IV - Gemeinsame Vorschriften - hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen. Der Kläger war Arbeitgeber der bei ihm eingesetzten britischen Arbeitnehmer, da weder zwischen diesen und dem Kläger noch zwischen der SCL bzw. der ACL und dem Kläger Werkverträge abgeschlossen waren.

Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet (§ 631 Abs. 1 BGB). Hauptpflicht des Unternehmers ist dabei die mangelfreie, rechtzeitige Herstellung des Werkes, wobei das Werk nach dem Leistungsinhalt, zum Beispiel auf der Grundlage eines Leistungsverzeichnisses, oder nach seiner Funktion beschrieben sein kann. Im hier zu entscheidenden Fall liegt bereits in der vertraglichen Vereinbarung weder eine Bezeichnung eines bestimmten Werkes noch eine genaue Darlegung von dessen Beschaffenheit vor, so dass bereits von daher begrifflich kein Werkvertrag vorliegt. Nicht ein Arbeitsergebnis (Werk), sondern eine Arbeitsleistung wurde vereinbart. Weder sind die zu streichenden beziehungsweise zu verputzenden Balkone nach Ort und Lage gekennzeichnet noch ist dargelegt, mit welchen Materialien auf welche Art und Weise, etwa in welcher Farbe oder von welcher sonstigen Beschaffenheit die "Werke" errichtet werden sollten. Diese Details konnten daher zwingend nur vor Ort durch Anweisungen geregelt werden. Bereits danach liegt ein Dienstverschaffungs- beziehungsweise Arbeitnehmerüberlassungsvertrag vor, der sich im Gegensatz zum Werkvertrag nicht auf die vom Unternehmer nach eigenen Vorstellungen organisierte Herbeiführung eines Erfolges richtet, sondern auf die Überlassung geeigneter Arbeitskräfte, die der Vertragspartner des Unternehmers nach seinen eigenen betrieblichen Erfordernissen einsetzt. Dafür spricht darüber hinaus, wie vom Sozialgericht zutreffend dargelegt, schon das Angebot der SCL, in der nicht etwa die Errichtung von Werken, sondern der Einsatz qualifizierter Bauarbeiter zu Stundenakkordlöhnen angeboten worden war. Fehlt es an einem abgrenzbaren, dem Werkunternehmen als eigene Leistung zurechenbaren und abnahmefähigen Werk, deutet dies auf Arbeitnehmerüberlassung hin, weil der Besteller dann durch seine Anweisungen den Gegenstand der von dem Arbeitnehmer zu entrichtenden Leistung überhaupt erst bestimmt und damit Arbeit und Einsatz für ihn bindend organisiert (BAG, Urteil vom 09. November 1994 - 7 AZR 217/94 - in BB 1995, 1294). Diese Voraussetzungen der Arbeitnehmerüberlassung liegen hier vor.

Die britischen Firmen waren zudem tatsächlich nicht in der Lage, Werkverträge durchzuführen, da sie, wie sich aus den Auskünften der IZA ergibt, in Wirklichkeit keinerlei Geschäftstätigkeit entfaltet haben. Dabei ist es unerheblich, dass – wie vom Prozessbevollmächtigten des Klägers in der Verhandlung vorgetragen – es in Großbritannien zulässig ist, entsprechende Gesellschaften zu gründen; maßgelblich ist vorliegend die Geschäftstätigkeit in Deutschland. Bei einem Geschäftskapital von 2,00 £ lassen sich von Großbritannien aus keine Werke in Deutschland errichten. Die notwendigen Fähigkeiten, um die Errichtung eines Werkes, die Planung, die Überwachung der Ordnungsmäßigkeit, die Abnahme und dergleichen zu organisieren, waren nicht vorhanden. Darüber hinaus verfügten diese Firma weder über Telefonanschlüsse noch waren sie in Geschäftsverzeichnissen vorhanden, noch verfügten sie tatsächlich über Geschäftsräume. Entgegen der Auffassung der Prozessbevollmächtigten des Klägers beziehen sich diese Feststellungen nicht erst auf den Zeitpunkt der Auskunft der IZA, sondern ergeben sich nach diesen Auskünften von Anbeginn der "Geschäftstätigkeit" der britischen Firmen. Der Kläger hat auch nichts dazu vorgetragen, wie - davon abweichend - die Geschäftsstrukturen dort tatsächlich gewesen sein sollen. Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des BAG (a. a. O., Seite 1295), wonach bei der Prüfung der Frage, ob ein Werkvertrag oder Arbeitnehmerüberlassung vorliegt, auch auf die Unternehmensstruktur des angeblichen Werkunternehmens abzustellen ist. Dieses muss über die betrieblichen und organisatorischen Mittel verfügen, eine vertraglich vereinbarte Werkleistung zu erbringen und den hierfür eingesetzten Erfüllungsgehilfen Weisungen zu erteilen. Insgesamt muss das Unternehmen eine Struktur aufweisen, die ihm eine Tätigkeit ermöglicht, die über das bloße Zurverfügungstellen von Arbeitnehmern hinausgeht. Fehlt es daran und ist zudem, wie hier, der vertraglich festgelegte Leistungsgegenstand derart unbestimmt, dass er erst durch Weisungen des Auftraggebers konkretisiert wird, liegt Arbeitnehmerüberlassung vor.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Bekundungen der vom Senat vernommenen Zeugen. Diese haben bekundet, dass eine Gruppe britischer Arbeitnehmer dort Balkone saniert habe und dass es einen Ansprechpartner namens Steven gegeben habe. Das Material sei der Gruppe dafür zur Verfügung gestellt worden. Der Zeuge S. hat bekundet, er habe S. mitgeteilt, welche Arbeit für die Woche durch diese Gruppe zu bewältigen war, und das für die jeweilige Woche benötigte Material ausgeteilt. Der Kläger habe ihm gesagt, welches Pensum an Balkonen die Briten in einer Woche fertig stellen sollten und er habe dies dann an diese weitergegeben. Überstunden habe er nicht angeordnet. Die Briten hätten genauso wie die deutschen Arbeiter ihr Werkzeug mit auf die Baustelle gebracht und wieder mitgenommen.

Daraus ergibt sich, dass kein festes Werk beziehungsweise feste Werke im Voraus vereinbart waren, sondern dass die Arbeitskraft der Briten für eine bestimmte Art von Arbeiten, nämlich die Sanierung von Balkonen, zur Verfügung gestellt wurde, dass aber jeweils zum Wochenanfang Anweisungen darüber erteilt worden sind, welche Arbeiten in dieser Woche zu verrichten waren und dass auch das Material hierfür zur Verfügung gestellt und die Ausführung überwacht wurde. Dass es sich bei dem Ansprechpartner "S." um einen "Repräsentanten" eines britischen Unternehmens gehandelt hat, kann nicht erkannt werden, dieser hat vielmehr für die Gruppe der Arbeitnehmer die Anweisungen des Klägers entgegengenommen.

Als Ergebnis ist somit festzuhalten, dass kein Werk- sondern ein Arbeitnehmerüberlassungsvertrag vorgelegen hat. Dieser jedoch war gemäß Art. 1 § 1 b AÜG unzulässig und gemäß § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam. Folge davon ist, dass den Kläger als Arbeitgeber der Leiharbeitnehmer die Zahlungspflicht trifft. Denn nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG gilt, wenn der Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer gemäß § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam ist, ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer als zustande gekommen.

Auch die Höhe der nach § 28 f Abs. 2 SGB IV berechneten Forderung unterliegt keiner Beanstandung. Die Beklagte hat für das Jahr 1995 4 226 Arbeitsstunden der britischen Firmen und für das Jahr 1996 6 370 derartige Arbeitsstunden bei ihrer Betriebsprüfung ermittelt. Dabei ging sie so vor, dass sie die Rechnungssummen (1995 164 831,00 DM und 1996 248 446,00 DM) durch die vereinbarte Akkordstundenvergütung von 39,00 DM dividierte, was zutreffend die jeweilige Stundenzahl ergibt. Diese Stundenzahlen geleisteter Arbeit entsprechen somit den Vereinbarungen zwischen den britischen Firmen und dem Kläger. Wenn die Beklagte dann diese Stundenzahlen mit den jeweils gültigen tariflichen Entlohnungen für Bauhilfsarbeiten zugrunde legt, so ergeben sich daraus die Lohnsummen und die Sozialversicherungsbeiträge aus der Anlage "Berechnung der Beiträge" im Bescheid vom 29. November 1999 rechnerisch zutreffend. Einwendungen sind insoweit auch nicht vorgebracht worden.

Die Berufung war daher insgesamt mit der Kostenfolge aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision lag keiner der im Gesetz (§ 160 SGG) genannten Gründe vor.
Rechtskraft
Aus
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