L 12 RA 627/03

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 17 RA 1616/98
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 12 RA 627/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Gesetzgeber hat keinesfalls daran gedacht, eine Antragspflichtversicherung für Personen zu eröffnen, die bereits mit Krankengeldanspruch versicherungspflichtig waren und nur wegen Überschreitens der Anspruchshöchstdauer beim Krankengeld nunmehr ohne Anspruch auf Krankengeld versichert sind. Es ist daher eine einschränkende Auslegung dahingehend geboten, dass §§ 58 Abs. 3, 252 Abs. 3 SGB VI nicht auf solche Versicherten anwendbar sind, die lediglich wegen Erreichens der Anspruchshöchstdauer beim Krankengeld gemäß § 48 SGB V nur noch ohne Krankengeldanspruch versichert sind (im Anschluss an: BSG - Urteil vom 13. Dezember 2000 - Az.: B 5 RJ 18/99 R m.w.N. in SozR 3 - 2600 § 252 SGB VI Nr. 3). Nichts anderes kann für Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit ab 1. Januar 1992 gelten.
Die Regelungen der §§ 58 Abs. 3, 252 Abs. 3 SGB VI sollen lediglich ungerechtfertigte Vorteile ausschließen, die eintreten würden, wenn der nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VI versicherungsberechtigte Arbeitsunfähige (z. B. befreite Angestellte und selbständig Tätige) von der beitragspflichtigen Versicherung absähe, die Zeit, für welche die Versicherung durchgeführt werden könnte, aber als beitragsfreie Zeit gutgebracht erhielte.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 27. Mai 2003 aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 4. Dezember 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. April 1998 verurteilt, im Versicherungsverlauf der Klägerin eine Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit vom 1. September 1992 bis 31. März 1999 vorzumerken.

Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Vormerkung einer Anrechungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit (AU) vom 1. September 1992 bis 31. März 1999.

Die am 23. Oktober 1949 geborene Klägerin ist gelernte Bauzeichnerin und hat diesen Beruf bis zum 3. Dezember 1990 versicherungspflichtig ausgeübt. Ab dem 4. Dezember 1990 war sie arbeitsunfähig erkrankt wegen "Lumboischialgie li., Fehlhaltung der WS" und bezog von der Barmer Ersatzkasse (BEK) bis zur Anspruchshöchstdauer am 14. Mai 1992 Krankengeld. Anschließend war sie bei der BEK weiterhin freiwillig versichert ohne Anspruch auf Krankengeld und bezog laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz. Seit dem 1. April 1999 ist sie wieder angestelltenversicherungspflichtig beschäftigt.

In ihrem Kontenklärungsantrag vom 23. Oktober 1997 gab die Klägerin an, ab 15. Mai 1992 weiterhin arbeitsunfähig mit Sozialhilfebezug gewesen zu sein.

Mit Bescheid vom 4. Dezember 1997 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Zeit vom 1. Juni 1992 bis 31. Dezember 1996 als rentenrechtliche Zeit ab. In dem anschließenden Widerspruchsverfahren legte die Klägerin zum Nachweis einer ab 15. Mai 1992 fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit Atteste des Arztes für Allgemeinmedizin M. vom 12. Dezember 1997 über eine "seit dem 10. August 1993" bestehende Arbeitsunfähigkeit und vom 4. November 1996 über eine ab 1. Januar 1996 bestehende Arbeitsunfähigkeit, des Arztes Dr. L. vom 20. Juli 1992, 6. September 1993, 29. September 1993 und 6. Dezember 1993 über erhobene Befunde und durchgeführte Behandlungen sowie einen Entlassungsbericht der Rheumaklinik B. vom 12. August 1992 vor, wo sie sich vom 3. Juni bis 14. Juli 1992 in stationärer Behandlung befand. Ferner legte sie Bescheide der Versorgungsverwaltung vom 14. Juli 1993 und vom 4. September 1995 vor, wonach bei ihr ab September 1992 der Grad der Behinderung (GdB) mit 40 und ab Juli 1993 mit 60 festgestellt worden war.

Mit dem am 7. April 1998 abgesandten Widerspruchsbescheid vom 1. April 1998 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägern zurück, weil sie gemäß §§ 58 Abs. 3, 252 Abs. 3 SGB VI im streitigen Zeitraum nur dann eine Anrechungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit erworben haben könne, wenn sie von ihrem Recht auf Antragspflichtversicherung gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VI Gebrauch gemacht hätte, was aber nicht der Fall sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 6. Mai 1998 beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben (Az.: S 17 RA 1616/98). Zur Begründung hat sie auf die bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegten ärztlichen Atteste und Befunde Bezug genommen. Das Sozialgericht hat schriftliche Auskünfte der BEK vom 3. Dezember 1998 und vom 11. Dezember 2000 eingeholt, wonach der Krankengeldanspruch der Klägerin am 14. Mai 1992 wegen Erschöpfens der Anspruchshöchstdauer endete und ab 15. Mai 1992 eine freiwillige Versicherung wegen Sozialhilfebezugs gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ohne Anspruch auf Krankengeld bestand. Die Erkrankung, die zur Erschöpfung des Krankengeldanspruchs führte, wurde mit "Lumboischialgie li., Fehlhaltung der WS" bezeichnet. Ab 15. Mai 1992 könnten wegen des fehlenden Krankengeldanspruchs Arbeitsunfähigkeitszeiten nicht mehr bestätigt werden. Ferner hat das Sozialgericht Entlassungsberichte der D. Klinik I. U. vom 29. September 1997 über die stationäre Behandlung der Klägerin vom 19. August bis 9. September 1997 und des Zentrums der Neurologie und Neurochirurgie am Universitätsklinikum F. vom 16. März 1998 über die stationäre Behandlung der Klägerin vom 27. Februar 1998 bis 6. März 1998 sowie eine ärztliche Bescheinigung des Arztes für Allgemeinmedizin M. vom 16. August 2000 über die von ihm seit 1993 bei der Klägerin erhobenen Befunde beigezogen. Schließlich hat der Kreisausschuss des Hochtaunuskreises als Sozialhilfeträger die in der Sozialhilfeakte enthaltenen medizinischen Unterlagen in Ablichtung vorgelegt, u. a. den Bericht der Klinik für Neurochirurgie an den Städtischen Kliniken K. vom 30. Juli 1998 über die stationäre Behandlung der Klägerin vom 14. Juli bis 30. Juli 1998. Mit Schriftsatz vom 8. April 1999 hat die Beklagte eine Anrechnungszeit wegen Arbeits-unfähigkeit für die Zeit vom 15. Mai bis 31. August 1992 anerkannt. Dieses Teilanerkenntnis hat die Klägerin mit Schriftsätzen vom 11. Mai 1999 und vom 21. November 2001 ausdrücklich angenommen. Mit Schriftsatz vom 1. Februar 2001 hat die Beklagte ihre Auffassung dargelegt, wonach ihr Anerkenntnis vom 8. April 1999, das für sie allerdings verbindlich sei, unter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Rechtsstandpunktes rechtswidrig sei.

Mit dem der Klägerin am 13. Juni 2003 zugestellten Urteil vom 27. Mai 2003 hat das Sozialgericht die Klage im Übrigen abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Eine Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit könne gemäß § 252 Abs. 3 SGB VI bis zum 31. Dezember 1997 schon deshalb nicht vorliegen, weil sie von der Möglichkeit einer Beitragsentrichtung während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit ohne Krankengeldbezug keinen Gebrauch gemacht habe. Ab 1. Januar 1998 komme eine Anerkennung von Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit nicht in Betracht, weil ab 1. September 1992 keine durchgängigen Arbeitsunfähigkeitszeiten nachgewiesen seien und daher der Unterbrechungstatbestand im Sinne des § 58 Abs. 2 Satz 1 SGB VI nicht erfüllt sei. Dies sei auch schon deshalb der Fall, weil bis 31. Dezember 1997 die Anerkennung einer Anrechnungszeit bereits an § 252 Abs. 3 SGB VI scheitere.

Gegen das ihr am 13. Juni 2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10. Juli 2003 beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt Berufung eingelegt. Der Senat hat die von der Beklagten geführte Reha-Akte der Klägerin sowie die Akten des Sozialgerichts Frankfurt am Main über das wegen eines Rehabilitationsantrages zwischen den Beteiligten anhängig gewesene Streitverfahren (Az.: S 17 RA 2418/98) beigezogen. Danach hatte die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 7. Januar 1997 auf berufsfördernde Rehabilitation mit Bescheid vom 5. Dezember 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 1998 abgelehnt, weil die Klägerin den Beruf der Bauzeichnerin ohne Minderung oder Gefährdung ihrer Erwerbsfähigkeit noch habe ausüben können. Auf die hiergegen beim Sozialgericht Frankfurt am Main erhobene Klage war vom Sozialgericht das Entlassungsgutachten der Klinik am H. über das Heilverfahren vom 25. August bis 22. September 1998 beigezogen worden, das folgende Diagnosen nannte:

1. Pseudoradikuläres LWS-Syndrom bei Zustand nach NPP-Operation L4/L5 am 20. Juli 1998
2. Cervicocephales Syndrom
3. PVS mit somatoformer Schmerzstörung.

Wegen noch bestehender Restbeschwerden werde die Klägerin zunächst arbeitsunfähig entlassen. Im Beruf der Bauzeichnerin habe sie wegen bestehender Restbeschwerden nur noch halb- bis untervollschichtig arbeiten können. Im Übrigen seien für die Klägerin vollschichtig körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung, ohne monotone Zwangshaltungen und ohne Heben und Tragen schwerer Lasten in Betracht gekommen. In einem von der Klägerin vorgelegten Attest ihres Hausarztes vom 28. September 1998 wurde seit 22. September 1998 bestehende Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, wobei der voraussichtliche Wiederbeginn der Arbeitsfähigkeit als fraglich angegeben wurde.

Die Klägerin ist der Auffassung, mit den vorgelegten Unterlagen wäre eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit vom 1. September 1992 bis 31. März 1999 nachgewiesen. Im Zweifel sei die Mitarbeiterin des Sozialamtes, F. R., als Zeugin hierzu auch zu vernehmen. Aufgrund ihrer finanziellen Situation sei sie außerstande gewesen, für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit Beträge in die gesetzliche Rentenversicherung zu zahlen. Der Gesetzgeber habe möglicherweise bei den von der Beklagten in Bezug genommenen Regelungen nicht an Fälle wie den ihren gedacht.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 27. Mai 2003 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 4. Dezember 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. April 1998 zu verurteilen, in ihrem Versicherungsverlauf eine Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit auch vom 1. September 1992 bis 31. März 1999 vorzumerken.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt hierbei auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils Bezug.

Wegen weiterer Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Soweit zwischen den Beteiligten die Vormerkung einer Anrechnungszeit wegen Arbeits-unfähigkeit vom 15. Mai bis 31. August 1992 streitig war, ist der Rechtsstreit durch angenommenes Anerkenntnis in der Hauptsache erledigt (§ 101 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die zulässige Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist auch sachlich begründet.

Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 27. Mai 2003 ist aufzuheben und der Bescheid der Beklagten vom 4. Dezember 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. April 1998 abzuändern, denn die Beklagte ist verpflichtet, bei der Klägerin eine weitere Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit vom 1. September 1992 bis 31. März 1999 vorzumerken.

Anrechnungszeiten sind u. a. solche Zeiten, in denen Versicherte wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen sind (§ 58 Abs. 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -). Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt war und damit auch der erforderliche Unterbrechungstatbestand gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 SGB VI erfüllt ist. Eine Unterbrechung im Sinne von § 58 Abs. 2 Satz 1 SGB VI liegt schon dann vor, wenn die Zeit der AU der versicherungspflichtigen Beschäftigung unmittelbar nachgefolgt ist; eine "Umrahmung" der Anrechungszeit durch versicherungspflichtige Beschäftigungen oder Tätigkeiten ist nicht erforderlich (siehe Bundessozialgericht - BSG - Urteile vom 19. November 1997 - Az.: 5 RJ 24/96 und vom 16. Januar 1962 - Az.: 1 RA 21/61). Die Zeit der Arbeitsunfähigkeit schloss sich unmittelbar an eine Zeit der Arbeitsunfähigkeit mit Krankengeldbezug, während der Versicherungspflicht gemäß § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI bestand, an. Zwar handelt es sich hierbei nicht um Zeiten einer versicherten Beschäftigung, gleichwohl wird durch die Arbeitsunfähigkeit mit Krankengeldbezug der Anschluss an die bis zum 3. Dezember 1990 andauernde versicherungspflichtige Beschäftigung gewahrt, weil es sich um einen Überbrückungstatbestand handelt (so zutreffend: Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, § 58 SGB VI Anm.: 11a).

Zur Überzeugung des Senats steht darüber hinaus fest, dass die Klägerin bis zum Beginn ihrer erneuten versicherungspflichtigen Beschäftigung am 1. April 1999 arbeitsunfähig war. Hierbei stützt sich der Senat auf die zahlreichen vorliegenden ärztlichen Befunde und Entlassungsberichte, insbesondere auch auf das Entlassungsgutachten der Klinik am H. vom 16. September 1998, wonach die Klägerin auch nach Abschluss des Heilverfahrens vom 25. August bis 22. September 1998 weiterhin als arbeitsunfähig entlassen wurde.

Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht fähig ist, seine zuletzt ausgeübte oder eine ähnlich geartete Beschäftigung auszuüben. Unbeachtlich ist hierbei, ob der Versicherte noch in der Lage ist, eine sonstige Tätigkeit zu verrichten (so zutreffend: Eicher/Haase/Rauschenbach, a.a.O., Anm.: 3). Dabei kommt eine Verweisung auf andersartige Tätigkeiten innerhalb der auch die letzte Tätigkeit umfassenden Berufsgruppe nicht in Betracht. Sind die Unterschiede zwischen der bisherigen und der "ähnlichen" Tätigkeit so groß, dass sich der Versicherte erheblich umstellen müsste, kann von einer ähnlichen Tätigkeit nicht mehr die Rede sein. Hierbei ist eine Einkommenseinbuße allenfalls von weniger als 10 v.H. hinzunehmen (so: BSG - Urteil vom 9. Dezember 1986 - Az.: 8 RK 12/85 in SozR 2200 § 182 RVO Nr. 104). Nach dem Entlassungsgutachten der Klinik am H. vom 16. September 1998 ist die Klägerin aber auf Dauer nur noch halb- bis allenfalls untervollschichtig imstande, die Tätigkeit einer Bauzeichnerin auszuüben, weil sie nur noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnden Körperhaltungen, insbesondere ohne monotone Zwangshaltungen, vollschichtig ausüben kann. Dass bei der Tätigkeit einer Bauzeichnerin monotone Zwangshaltungen einzunehmen sind, ist offenkundig und folgt im Übrigen auch aus der Beschreibung der Tätigkeit des Bauzeichners in dem von der Bundesanstalt für Arbeit herausgegebenen "BERUFEnet", das unter anderem folgende "körperliche Aspekte" nennt: " - Statische Belastung der Beine und der Wirbelsäule bei Arbeit im Stehen - Statische Belastung der Arme, des Schultergürtels und der Wirbelsäule bei Arbeit im Sitzen". Die Einschätzung eines untervollschichtigen Leistungsvermögens für die Tätigkeit einer Bauzeichnerin durch das Entlassungsgutachten der Klinik am H. ist für den Senat damit nachvollziehbar und überzeugend. Damit aber ist nachgewiesen, dass die Klägerin auch nach Entlassung aus dem Heilverfahren für ihren bisherigen Beruf als Bauzeichnerin arbeitsunfähig ist, denn diese oder eine ähnliche Tätigkeit kann sie auf Dauer nicht mehr vollschichtig ausüben. Dies ist zur Überzeugung des Senats erst recht für die Zeit vor dem Heilverfahren nachgewiesen, denn nach sämtlichen vorliegenden ärztlichen Unterlagen stand bei der Klägerin seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit im Dezember 1990 ihr Wirbelsäulenleiden im Vordergrund, das auch Ursache für die durchgehende Arbeitsunfähigkeit vom 4. Dezember 1990 bis zum 14. Mai 1992 war und sich bis hin zur Bandscheibenoperation am 20. Juli 1998 wegen eines "Wurzelkompressionssyndroms L5 links" verschlimmerte. Der Senat hat daher keine ernsthaften Zweifel daran, dass die Klägerin auch nach Beendigung des Krankengeldbezuges bis zur Bandscheibenoperation am 20. Juli 1998 weiterhin arbeitsunfähig erkrankt war, was durch zahlreiche ärztliche Atteste, allerdings immer nur für bestimmte Einzelzeiträume, bestätigt wird, wie die Beklagte mit ihrem Schriftsatz vom 14. November 2000 selbst einräumt. Die Krankenkasse hat Arbeitsunfähigkeitszeiten nach Ende der Krankengeldzahlung nicht dokumentiert, weshalb aus einer Auskunft der BEK hierzu keine neuen Erkenntnisse zu gewinnen waren. Allerdings hatte der die Klägerin seit 1993 behandelnde Arzt für Allgemeinmedizin M. unter dem 16. August 2000 nicht nur die von ihm erhobenen Befunde bescheinigt, sondern darüber hinaus mit dem schon im Widerspruchsverfahren vorgelegten Attest vom 12. Dezember 1997 eine Arbeitsunfähigkeit der Klägerin seit dem 10. August 1993 mit dem Hinweis bestätigt, die Arbeitsunfähigkeit sei auch bereits 1992 längerfristig von der Reha-Klinik B. dokumentiert worden. Dass für alle einzelnen Zeiträume eine ärztliche Bescheinigung über den Eintritt von Arbeitsunfähigkeit vorgelegt werden kann, ist weder zwingende Voraussetzung noch hinreichende Bedingung für den Nachweis von AU, von deren Fortbestehen auch nach Ende des Krankengeldbezuges der Senat aufgrund der ausreichend dokumentierten weiteren gesundheitlichen Entwicklung der Klägerin überzeugt ist, zumal auch der Entlassungsbericht der D. Klinik I. U. vom 29. September 1997 davon ausgeht, dass die Klägerin weiterhin "berufsunfähig" war. Dem lag im Wesentlichen bereits ein Bandscheibenvorfall L3/L4 sowie eine Rheumatoidarthritis zugrunde.

Die Vormerkung einer Anrechungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit scheitert auch weder vor dem 1. Januar 1998 an § 252 Abs. 3 SGB VI noch nach dem 31. Dezember 1997 an § 58 Abs. 3 SGB VI.

Von § 252 Abs. 3 SGB VI werden auch nach dem 31. Dezember 1991 nämlich nur solche Personen erfasst, bei denen Versicherungspflicht auf Antrag nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VI bestand. Zu diesem Personenkreis gehört die Klägerin jedoch nicht.

§ 252 Abs. 3 SGB VI entspricht in seinen Formulierungen hinsichtlich des erfassten Personenkreises sowie der Versicherungsdauer und der Höhe der Beitragszahlung weitgehend § 1385 b Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw. § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 166 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI. Indem bestimmt wird, dass im Zeitraum vom 1. Januar 1984 bis 31. Dezember 1997 Anrechungszeiten wegen Arbeits-unfähigkeit oder Leistungen zur Rehabilitation nur vorliegen, wenn für diese Zeiten die entsprechenden Beiträge für längstens 18 Monate gezahlt worden sind, wird inhaltlich die Regelung des § 1259 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b zweite Alternative RVO für einen Übergangszeitraum bis zum 31. Dezember 1997 fortgeführt. Dass insoweit keine Rechtsänderung beabsichtigt war, kommt auch in der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 11/4124, S. 200 zu § 247 SGB VI = § 252 SGB VI) zum Ausdruck, wenn es dort heißt:

"Die Vorschrift enthält ergänzende Regelungen über die Berücksichtigung von Anrechnungszeiten vor dem 1. Januar 1992. Abs. 1 enthält die Anrechnungszeiten, die nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht mehr anfallen können, sowie Zeiten mit Übergangscharakter im Bereich der knappschaftlichen Rentenversicherung ... Abs. 2 ermöglicht die Berücksichtigung von Zeiten vor 1998 als beitragsgeminderte Zeiten, für die wegen des Bezugs von Sozialleistungen Beiträge gezahlt worden sind ... Abs. 4 enthält eine Übergangsregelung, die die Auswirkungen der Begrenzung von Anrechnungszeiten wegen des Besuchs einer Schule ... abmildert. Im Übrigen entspricht die Vorschrift dem geltenden Recht."

Der letzte Satz lässt sich nur so verstehen, dass der Gesetzgeber damit eine dem früheren Recht entsprechende Regelung treffen wollte. Die entsprechende frühere Regelung war aber insoweit allein § 1259 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b) i. V. m. § 1385 b Abs. 2 RVO. Gemäß § 1259 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b RVO waren aber Zeiten, in denen eine versicherungspflichtige Beschäftigung durch eine infolge Krankheit bedingte Arbeitsunfähigkeit unterbrochen war, u. a. schon dann Ausfallzeiten, sofern nach dem 31. Dezember 1983 für diese Zeiten oder einen Teil von ihnen Krankengeld etc. bezogen worden war oder, falls nicht eine dieser Leistungen bezogen worden war, für diese Zeiten längstens jedoch für 18 Kalendermonate, Beiträge nach § 1385 b Abs. 2 RVO gezahlt worden waren. Wurde also im Anschluss an einen Krankengeldbezug für die weitere Dauer der Arbeitsunfähigkeit allein deswegen kein Krankengeld gezahlt, weil der Versicherte ausgesteuert worden war (wie dies hier der Fall ist), so war nach dem bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Recht auch die Zeit der weiteren Arbeitsunfähigkeit nach der Aussteuerung eine Ausfallzeit. Ebenso war bei Personen, die Beiträge nach § 1385 b Abs. 2 RVO zahlten, nach einer Beitragszahlung von 18 Monaten die darüber hinaus gehende Zeit der krankheits-bedingten Arbeitsunfähigkeit ohne weitere Beitragszahlung eine Ausfallzeit. Eine Änderung der Rechtslage wäre - allerdings gegen den erklärten Willen des Gesetzgebers - eingetreten, wenn § 252 Abs. 3 SGB VI entsprechend der Gesetzesauslegung durch die Beklagte auch in der Krankenversicherung versicherungspflichtig gewesene Personen erfassen und die Berücksichtigung von über die Aussteuerung aus dem Krankengeld andauernden Ausfallzeiten als Anrechnungszeiten davon abhängig machen würde, dass für diese Zeiten nochmals (und allein vom Versicherten) für längstens 18 Monate Beiträge gezahlt worden sind. Da sich bei einer solchen Auslegung sowohl verfassungsrechtliche Bedenken bei der Anwendung auf Zeiten vor dem 1. Januar 1992 ergeben als auch Sinn und historische Entwicklung der einschlägigen Vorschriften entgegenstehen, ist eine einschränkende Auslegung dahingehend geboten, dass § 252 Abs. 3 SGB VI nicht auf solche Versicherten anwendbar ist, die lediglich wegen Erreichens der Anspruchshöchstdauer beim Krankengeld gemäß § 48 SGB V nur noch ohne Krankengeldanspruch versichert sind (so zutreffend: BSG - Urteil vom 13. Dezember 2000 - Az.: B 5 RJ 18/99 R m.w.N. in SozR 3 - 2600 § 252 SGB VI Nr. 3).

Nichts anderes kann für Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit ab 1. Januar 1998 gelten, auf die die Übergangsregelung gemäß § 252 SGB VI nicht mehr zutrifft. Anrechnungszeiten u. a. wegen Arbeitsunfähigkeit (§ 58 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI) liegen zwar gemäß § 58 Abs. 3 SGB VI bei Versicherten, die nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VI versicherungspflichtig werden konnten, erst nach Ablauf der auf Antrag begründeten Versicherungspflicht vor. Auch diese Regelung bezieht sich jedoch nicht auf die in der gesetzlichen Krankenversicherung mit Krankengeldanspruch versicherungspflichtig gewesene Versicherte nach Aussteuerung aus dem Krankengeldbezug. Auf Antrag versicherungspflichtig sind u. a. Personen, die nur deshalb keinen Anspruch auf Krankengeld haben, weil sie nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind oder in der gesetzlichen Krankenversicherung ohne Anspruch auf Krankengeld versichert sind, für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit etc., wenn sie im letzten Jahr vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit zuletzt versicherungspflichtig waren, längstens für 18 Monate (§ 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VI). Hierzu heißt es in der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 11/4124 S. 150 zu § 4):

"Abs. 3 ermöglicht

1. Empfängern von Lohnersatzleistungen, die nicht im letzten Jahr vor Beginn der Leistung zuletzt versicherungspflichtig waren, und

2. Personen, die nur deshalb keinen Anspruch auf Krankengeld haben, weil sie nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechend versichert sind, ansonsten aber im letzten Jahr vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder Rehabilitation zuletzt in der Rentenversicherung versicherungspflichtig waren,

für die Zeit des Leistungsbezugs bzw. der Krankheit oder der Rehabilitation Pflichtbeiträge zu zahlen und damit nicht nur eine Versicherungslücke zu schließen, sondern auch die Voraussetzungen für die Anrechnung einer ggf. anschließenden Anrechnungszeit zu schaffen. Die Regelungen betreffen insbesondere befreite Angestellte und selbständig Tätige."

Hieraus erhellt, dass der Gesetzgeber keinesfalls daran gedacht hat, eine Antragspflichtversicherung für Personen zu eröffnen, die bereits mit Krankengeldanspruch versicherungspflichtig waren und nur wegen Überschreitens der Anspruchshöchstdauer beim Krankengeld nunmehr ohne Anspruch auf Krankengeld versichert sind. Dass der Gesetzgeber keineswegs die Absicht hatte, die Anrechnung von Ausfallzeiten wegen Arbeitsunfähigkeit bei Personen, die den Krankengeldanspruch bereits ausgeschöpft haben, von weiteren Voraussetzungen - insbesondere von einer Antragspflichtversicherung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VI abhängig zu machen - folgt auch aus der Begründung zu § 58 Abs. 3 SGB VI (BT-Drucksache 11/4124 S. 167 zu § 58),wo es heißt:

"Abs. 3 bestimmt, dass für diejenigen Versicherten, die die Möglichkeit hatten, wegen Arbeitsunfähigkeit oder Rehabilitation versicherungspflichtig zu werden, Anrechnungszeiten erst nach Ablauf von 18 Monaten entstehen können."

Der Sinn dieser Regelung besteht offensichtlich darin, eine Besserstellung von Personen, die nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VI zur Antragspflichtversicherung berechtigt sind gegenüber solchen Personen zu verhindern, die in der gesetzlichen Krankenversicherung mit Anspruch auf Krankengeld pflichtversichert sind und erst nach Ablauf der Anspruchshöchstdauer nach § 48 SGB V wegen Ausscheidens aus der Versicherung nach § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI eine Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit erhalten. § 58 Abs. 3 SGB VI bezieht sich daher nicht auf Personen, die nach Ausschöpfung des Krankengeldanspruchs weiterhin arbeitsunfähig erkrankt sind. Vielmehr soll die Regelung ungerechtfertigte Vorteile ausschließen, die eintreten würden, wenn der nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VI versicherungsberechtigte Arbeitsunfähige von der beitragspflichtigen Versicherung absähe, die Zeit, für welche die Versicherung durchgeführt werden könnte, aber als beitragsfreie Zeit gutgebracht erhielte (so zutreffend: Klattenhoff in Hauck/Haines, § 58 SGB VI, Rdnr. 170). Die Höchstdauer der Beitragszahlung von 18 Kalendermonaten korrespondiert hierbei mit der Höchstdauer des Anspruchs auf Krankengeld. Die darüber hinausgehende Zeit der Arbeitsunfähigkeit oder der Rehabilitation ist daher Anrechnungszeit nach § 58 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI (so zutreffend: Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, SGB VI, § 252 Rdnr. 50). Mithin sind Versicherte wie die Klägerin, die nach Erschöpfung ihres Krankengeldanspruchs weiterhin arbeitsunfähig erkrankt waren, nicht verpflichtet, eine Antragspflichtversicherung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB VI zu begründen, um eine Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI nach Ablauf weiterer 18 Monate der Antragspflichtversicherung zu erhalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Ziff. 1 SGG zugelassen, weil er der Rechtssache im Hinblick auf die Auslegung der §§ 58 Abs. 3, 252 Abs. 3 SGB VI für Anrechnungszeiten ab dem 1. Januar 1992 grundsätzliche Bedeutung zumisst.
Rechtskraft
Aus
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