L 8 KN 502/02 P

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 6 KN 223/01 P
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KN 502/02 P
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Hausnotrufsystem gehört zu den technischen Pflegehilfsmitteln und kann sowohl der Ermöglichung einer selbständigeren Lebensführung als auch der Erleichterung der Pflege dienen. Weitere Anforderungen an die Einsatz- und Verwendungsmöglichkeit werden mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht gestellt.
Nach dem Grundanliegen des Gesetzgebers soll der Pflegebedürftige grundsätzlich in seiner Wohnung verbleiben können und nicht in irgendeiner Wohnung, die seinen Pflegebedürfnissen entspricht ( im Anschluss an BSG, Urteile vom 3. November 1999, Az.: B 3 P 3/99 und vom 11. April 2002, Az.: B 3 P 10/01 R).
Die Notwendigkeit eines Hausnotrufsystems kann sich nicht nur aus der konkreten Gefahr unmittelbar lebensbedrohender Umstände, sondern auch aus anderen Notfallsituationen ergeben, die z. B. aus Gründen der Menschenwürde einer sofortigen Abhilfe bedürfen.
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gießen vom 9. April 2002 aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Dezember 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2001 verurteilt, die Klägerin mit einem Hausnotrufsystem zu versorgen.

Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Versorgung mit einem Hausnotrufsystem als Pflegehilfsmittel.

Die am 16. März 1921 geborene Klägerin hatte 1990 einen Schlaganfall bei cerebraler Durchblutungsstörung erlitten, in dessen Folge eine Sprachstörung sowie eine Hemiparese rechts aufgetreten waren. Nach notfallmäßiger Einweisung befand sich die Klägerin zur stationären Behandlung vom 8. Oktober bis 25. Oktober 1999 im Marienkrankenhaus in A-Stadt, das in seinem Entlassungsbericht vom 1. November 1999 folgende Diagnosen beschrieb:

1. Biventrikuläre dekompensionierte Herzinsuffizienz auf dem Boden einer absoluten Arrhythmie bei Vorhofflimmern
2. Arteriosklerose
3. KHK
4. cAVK
5. Z. n. PEG-Anlage bei Nahrungsverweigerung im Rahmen eines HOPS
6. Z.n. Nephrektomie rechts
7. Thrombozytopenie unklarer Ätiologie
8. Hyperthyreose bei Struma

Nachdem die anfängliche Behandlung auf der Intensivstation bis zur kardialen Rekompensation erfolgt war, wurde die Betreuung der Klägerin durch den jetzigen Betreuer eingerichtet und diese sodann " kardiopulmonal stabil und weitstgehend beschwerdefrei " in die hausärztliche Behandlung entlassen. Die Klägerin war zunächst in einem Pflegeheim untergebracht worden. Seit dem 13. November 2000 lebt sie wieder alleine in ihrem Haus und wird von dem ambulanten Pflegedienst der Diakoniegesellschaft W.-F. mbH gepflegt. Nach dem die Klägerin zunächst ab 25. Oktober 1999 in Pflegestufe III eingestuft war, setzte die Beklagte ab 1. Mai 2000 die Pflegestufe auf I herab.

Unter dem 12. Juli 2000 veranlasste die Beklagte ein weiteres Pflegegutachten durch Dr. L., der zur Vorgeschichte ausführte, aufgrund einer Cerebralsklerose und einer Herzinsuffizienz sei die Klägerin zunächst in Pflegestufe III eingestuft worden. In der Zwischenzeit habe sich jedoch der Zustand gebessert. Die Klägerin habe sich in "relativ gutem Allgemein- und Einzelzustand" befunden, sei jedoch "verwirrt, verlangsamt" gewesen. Zum zentralen Nervensystem und zur Psyche führte Dr. L. aus, die Klägerin sei zeitlich, örtlich und situativ desorientiert gewesen. Er diagnostizierte eine "senile Demenz vom Alzheimer-Typ II" sowie eine Harninkontinenz. Die Klägerin sei nicht im Stande, Risiken und Gefahren zu erkennen. Es handele sich hierbei um einen fortschreitenden Prozess, weshalb vollstationäre Pflege erforderlich gewesen sei.

Den Antrag der Klägerin vom 11. Oktober 2000 auf Versorgung mit einem Hausnotruf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. Dezember 2000 ab, weil ein Hausnotrufsystem nur zur Abwendung einer konkreten, lebensbedrohlichen Gefahrensituation in Betracht komme, die im Fall der Klägerin jedoch nicht vorliege. Alleine die Befürchtung, dass es irgendwann zu einer Notsituation kommen könne, reiche für die Leistungsgewährung nicht aus.

Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2001 nunmehr mit der Begründung zurück, nach den ärztlichen Feststellungen des Sozialmedizinischen Dienstes leide die Klägerin an Alzheimer mit Verwirrtheitszuständen und sei nicht in der Lage, Risiken und Gefahren zu erkennen. Deshalb könne sozialmedizinisch ein Hausnotrufsystem nicht befürwortet werden.

Hiergegen hat die Klägerin am 5. Februar 2001 beim Sozialgericht Gießen Klage erhoben (Az.: S 6 KN 223/01 P) und zur Begründung ihres Begehrens einen Entlassungsbericht des Marienkrankenhauses A-Stadt vom 17. Januar 2001 vorgelegt, wonach sie sich dort vom 3. Januar bis 11. Januar 2001 erneut in stationärer Behandlung befand. Als Ursache für die festgestellte Verschlechterung des Allgemeinzustandes wurde eine "Exsikose" (Austrocknung) beschrieben, die mit der Gabe von Infusionen gebessert werden konnte. Im Langzeit-EKG wurde eine durchgehende absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern mit polymorphen ventrikulären Extrasystolen festgestellt. Die Entlassung der Klägerin erfolgte in gebessertem Zustand in die hausärztliche Weiterbetreuung. Das Sozialgericht hat außerdem einen schriftlichen Befundbericht des die Klägerin behandelnden Allgemeinmediziners Dr. D. vom 3. August 2001 eingeholt, der darauf hinwies, dass bei der Klägerin eine Sprachstörung nach einem Schlaganfall vorliege. Von einer Alzheimererkrankung sei ihm weder aus eigener Erkenntnis noch aufgrund der ihm vorliegenden Befundberichte etwas bekannt. Worauf sich diese Diagnose im Pflegegutachten von Dr. L. stütze, sei ihm nicht bekannt.

Nach Anhörung der Beteiligten wies das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 9. April 2002 die Klage ab, weil die Klägerin nach dem Pflegegutachten vom 12. Juli 2000 trotz ihrer zeitweiligen Verwirrtheit noch in der Lage sei, sich in ihrem Wohnbereich ausreichend selbständig zu bewegen. Damit sei sie auch in der Lage, ein Telefon zu erreichen oder ein Home-Handy zu benutzen, um erforderlichenfalls Hilfe herbeizurufen. Auch bei eingeschränkter Kommunikationsfähigkeit bestehe diese Möglichkeit. Außerdem sei es nicht notwendig, außerhalb der planbaren Pflegeeinsätze weitere Hilfe aufgrund akuter Gefährdungssituationen abzurufen. Die in den Krankenhausentlassungsberichten des Marienkrankenhauses vom 1. November 1999 und vom17. Januar 2001 beschriebenen notfallmäßigen Aufnahmesituationen würden hieran nichts ändern. Allein die Befürchtung, dass es irgend wann wieder zu einer Notsituation kommen könne, reiche für eine Leistungsgewährung nicht aus.

Gegen den am 15. April 2002 per Einschreiben zur Post aufgegebenen Gerichtsbescheid richtet sich die am 13. Mai 2002 beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegte Berufung der Klägerin, zu deren Begründung sie vorträgt, mittels Telefon oder Handy sei eine sichere Versorgung bei einer Notsituation nicht in gleicher Weise zu erreichen, wie mit einem Notrufgerät. Das Hausnotrufsystem gewährleiste ganzjährig eine 24-stündige Erreichbarkeit von Pflegefachkräften über die koordinierende Notrufzentrale, bei der auch ein Haustürschlüssel hinterlegt sei, weshalb jederzeit der Zutritt zur Wohnung sichergestellt sei. Bei Benutzung eines Telefons oder eines Handys müssten hingegen mehrere Hilfspersonen gefunden und mit Schlüsseln versorgt werden, was praktisch nicht zu leisten sei. Außerdem löse das Notrufsystem automatisch einen Notruf aus, wenn eine bestimmte Taste nicht in gewissen regelmäßigen Abständen bedient werde. Auch hierdurch sei das Notrufsystem einem gewöhnlichen Telefon oder einem Handy überlegen.

Der Senat hat außerdem schriftliche Befundberichte des die Klägerin behandelnden Arztes für Allgemeinmedizin Dr. D. vom 12. August 2002, 26. November 2002 und 22. April 2003 eingeholt, wonach es bei der Klägerin aufgrund der bestehenden Herzrhythmusstörungen sowie der Herzinsuffizienz zum Auftreten von Luftnot bis hin zur akuten Lebensgefahr wegen eines Herzstillstandes kommen könne. Das Auftreten einer Tachyarrthtmie zähle zu den Indikationen eines Notarzteinsatzes. Aufgrund des 1990 erlittenen Schlaganfalles bestehe bei der Klägerin weiterhin eine Aphasie in deren Folge die Klägerin vor allem unter Zeitdruck an Wortfindungsstörungen leide. Daher scheide eine telefonische Benachrichtigung des Rettungsdienstes durch die Klägerin aus, die insbesondere in Stresssituationen nicht in der Lage sei, sich adäquat zu äußern. Sofern die Patientin stürze, sei unter diesen Voraussetzungen nicht zu gewährleisten, dass sie sich wieder aufrichten könne, um einen Rettungsdienst in das Haus zu lassen. Insoweit hat sich der sachverständige Zeuge Dr. D. auch auf den beigefügten Entlassungsbericht des evangelischen Krankenhauses Gesundbrunnen vom 23. März 2000 bezogen, in dem weder eine Demenz noch ein hirnorganisches Psychosyndrom Erwähnung finden. Allerdings wird dort ausgeführt, dass sich bei der Klägerin unter Zeitdruck noch immer die vorhandenen Wortfindungsstörungen bemerkbar machen würden.

In seinem ergänzenden Befundbericht vom 26. November 2002 hat Dr. D. ausgeführt, die Klägerin sei nicht in der Lage, in einer Notfallsituation ein mobiles Telefon zu benutzen. In seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 12. Februar 2003 und vom 22. April 2003, auf die wegen näherer Einzelheiten Bezug genommen wird, hat er u.a. die bisher aufgetretenen Notfallsituationen aufgelistet. Der Senat hat außerdem eine schriftliche Auskunft des Sachverständigen Zeugen H. zur Funktionsweise des beantragten Hausnotrufgerätes vom 9. Juli 2003 eingeholt, wonach der Patient am Handgelenk oder mit einer Kette um den Hals einen Notrufsender trägt, den er mittels Notruftaste aktivieren könne. Das Hausnotrufgerät sei mit der Rettungsleitstelle des ambulanten Pflegedienstes verbunden, von wo sofort ein Rettungswagen zum Patienten gesandt werden könne. Außerdem müsse der Patient täglich zweimall eine Taste drücken, ansonsten löse das Gerät selbständig Alarm aus. Bei Aufstellen des Gerätes erhalte der Pflegedienst einen Schlüssel zur Wohnung und im Falle eines Alarmes fahre ein Pflegemitarbeiter zum Patienten.

Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gießen vom 9. April 2002 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Dezember 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2001 zu verurteilen, sie mit einem Hausnotrufsystem zu versorgen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist weiterhin der Auffassung, eine Versorgung der Klägerin mit einem vorprogrammierbaren Telefon oder Handy aus eigenen Mitteln sei ausreichend. Auch hier könne durch Betätigung einer Taste ohne weitere Spracheingabe eine Hilfsperson herbei gerufen werden, bei der zuvor ein Schlüssel hinterlegt worden sei. Darüber hinaus sei nicht erwiesen, dass jederzeit ein lebensbedrohlicher Zustand eintreten könne, der die Benutzung eines Hausnotrufssystems erforderlich macht.

Wegen weiterer Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Sie ist auch in der Sache begründet.

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gießen vom 9. April 2002 und der Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2001 waren aufzuheben, denn die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin mit dem begehrten Pflegehilfsmittel eines Hausnotrufsystems zu versorgen.

Pflegebedürftige haben Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, die zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen beitragen oder ihm eine selbständigere Lebensführung ermöglichen, soweit die Hilfsmittel nicht wegen Krankheit oder Behinderung von der Krankenversicherung oder anderen zuständigen Leistungsträgern zu leisten sind (§ 40 Abs.1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI).

Die Pflegebedürftigkeit der Klägerin, bei der die Beklagte die Pflegestufe I anerkannt hat, ist unzweifelhaft gegeben. Auch handelt es sich bei einer Hausnotrufanlage um ein technisches Pflegehilfsmittel im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB XI (so zutreffend Rehberg in: Hauck/Wilde, SGB XI Kommentar, § 40 Rdnr. 10) und nicht etwa nur um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, der vom Hilfsmittelbegriff nicht umfasst ist. Insoweit ist die Beklagte dem Klagebegehren auch nicht entgegengetreten.

Entgegen der Auffassung der Beklagten dient der Einsatz eines Hausnotrufsystems im Falle der Klägerin aber sowohl der Ermöglichung einer selbständigeren Lebensführung als auch der Erleichterung der Pflege. Weitere Anforderungen an die Einsatz- und Verwendungsmöglichkeit des Hilfsmittels zur Ermöglichung einer selbständigeren Lebensführung werden aber nicht gestellt. Die Versorgung mit Pflegehilfsmitteln dient, die Pflege ergänzend, dem Grundanliegen des SGB XI, es dem Pflegebedürftigen zu ermöglichen, in seinem häuslichen Umfeld zu verbleiben, solange er dies wünscht und eine sachgerechte Pflege dort durchführbar ist. Hilfsmittel dienen außerdem umfassend der Erleichterung der Pflege, also nicht nur der Grundpflege. Der Hilfsmitteleinsatz kann für ein Verbleiben im häuslichen Bereich vor allem bei solchen Pflegebedürftigen von ausschlaggebender Bedeutung sein, die nicht über eine ständig anwesende Pflegeperson verfügen, sondern ihre Pflege durch externe Pflegepersonen bzw. Pflegesachleistungen sicherstellen. Der Pflegebedürftige soll - zur Vermeidung von Heimpflege - nach dem Grundanliegen des Gesetzgebers grundsätzlich in seiner Wohnung verbleiben können und nicht in irgendeiner Wohnung, die seinen Pflegebedürfnissen entspricht. (So: Bundessozialgericht, Urteile vom 3. November 1999 - Az.: B 3 P 3/99 R und vom 11. April 2002 - Az.: B 3 P 10/01 R). Dieser Rechtsprechung des Bundessozialgerichts schließt sich der erkennende Senat an. Hiervon ausgehend ist die Notwendigkeit einer Versorgung mit einem Hausnotrufsystem im Falle der Klägerin zur Überzeugung des Senats gegeben. Nach den glaubhaften schriftlichen Bekundungen des die Klägerin behandelnden Hausarztes Dr. D., die darüber hinaus auch der schriftliche Bericht des Krankenhauses Gesundbrunnen vom 23. März 2000 bestätigt, leidet die Klägerin als Folge ihres 1990 erlittenen Schlaganfalls unter Wortfindungsstörungen, sobald sie sich unter Zeitdruck befindet. Dies schließt die "normale" Benutzung eines Telefonapparates oder eines Handys bei einer häuslichen Notfallsituation aus, zu der nicht nur unmittelbar lebensbedrohende Umstände gehören. Zwar könnte auch an einem gewöhnlichen Telefon oder Handy eine Taste so programmiert werden, dass auch ohne Spracheingabe nur durch Drücken der Taste eine Hilfsperson benachrichtigt werden könnte, bei der ein Schlüssel hinterlegt wäre, dies alleine wird jedoch der Situation der Klägerin nicht gerecht. Denn nach der Art der schon bisher aufgetretenen Notfälle, wie sie Dr. D. in seinem schriftlichen Befundbericht vom 22. April 2003 beschreibt, besteht die konkrete Gefahr, dass die Klägerin bei Eintritt eines Notfalles eine bestimmte Taste nicht drücken kann. Denn bei den bisher aufgetretenen Notfällen im Februar 1990, Oktober 1999 und Januar 2001 konnte sie nicht alleine aufstehen, um die Tür zu öffnen oder Hilfe zu verständigen und war vollständig desorientiert. Unter diesen Voraussetzungen kann nur ein Notrufsystem Abhilfe schaffen, das selbständig Alarm auslöst, wenn eine bestimmte Taste nicht regelmäßig gedrückt wird. Dies ist nach der schriftlichen Aussage des insoweit sachverständigen Zeugen B. bei dem vorgesehenen Notrufcenter der Fall. Ein Telefon oder ein Handy, das zu den allgemeinen Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens gehört, ist mit dieser Funktion nicht ausgestattet. Entgegen der Beklagten ist der Senat auch davon überzeugt, dass es sich bei den von Dr. D. geschilderten Notfallsituationen um lebensbedrohliche Zustände handelte, die jederzeit wieder auftreten können, obgleich dies keine Leistungsvoraussetzung ist, denn etwa auch der Eintritt menschenunwürdiger Umstände rechtfertigt die Herbeiholung sofortiger Hilfe. Zutreffend weist Dr. D. nämlich in seinem schriftlichen Befundbericht vom 12. August 2002 darauf hin, dass es infolge des Herzleidens der Klägerin zu einem Auftreten von Luftnot bis hin zur akuten Lebensgefahr wegen eines Herzstillstandes kommen kann, weshalb die "Tachyarrhtmie", unter der die Klägerin leidet, zu den Indikationen für einen Notarzteinsatz gehört.

Die Zuständigkeit eines anderen Leistungsträgers ist insoweit nicht gegeben, insbesondere ist nicht die Krankenversicherung nach §§ 23 Abs. 1, 33, 34 SGB V für die Hilfsmittelversorgung zuständig, denn es handelt sich nicht um die Beseitigung einer Gesundheitsschwäche, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde und es geht auch nicht mehr um die Vermeidung der Pflegebedürftigkeit. Das Hilfsmittel ist auch nicht erforderlich, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen.

Gemäß § 40 Abs. 3 Satz 1 SGB XI ist das Hausnotrufsystem leihweise zu überlassen, wobei die Beklagte die hierdurch entstehenden Kosten ab Antragstellung (§ 33 Abs. 1 SGB XI) zu tragen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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