L 7 KA 47/00

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 27 KA 1872/98
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 KA 47/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Senat ist auch bei Angelegenheiten der Ärzte und Psychotherapeuten, wenn ein Vertragsarzt betroffen ist, mit zwei (psychologischen) Psychotherapeuten als ehrenamtlichen Richtern richtig besetzt. Zwar hat der Gesetzgeber in § 80 Abs. 1a SGB 5 den Psychotherapeuten in den Vertreterversammlungen der Kassenärztlichen Vereinigungen höchstens ein Zehntel der Mitglieder zugestanden, eine vergleichbare Vorschrift für die Anzahl der ehrenamtlichen Richter, aufgeteilt nach Vertragsärzten und (psychologischen) Psychotherapeuten, in den Kammern und Senaten für Kassenarztrecht fehlt jedoch.
Der erkennende Senat sieht sich deshalb gebunden, die ihm als ehrenamtliche Richter neu zugewiesenen 5 Psychotherapeuten ebenso wie die noch vorhandenen 6 Vertragsärzte turnusgemäß zu den Sitzungstagen heranzuziehen.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 1. Dezember 1999 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Es geht in dem Rechtsstreit um die Rechtmäßigkeit des Honorarbescheides für das Quartal III/96 und dabei um die Teilquotierung nach Anlage 3 zu Leitzahl (LZ) 702 des Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) der Beklagten. Der Kläger ist seit dem Quartal I/95 als Internist in W. niedergelassen und als Vertragsarzt zugelassen. Er hat den Vertragsarztsitz des Internisten R. übernommen. Der Kläger erzielte folgendes Nettohonorar:
in 3/95 DM 82.290,87 (514 Fälle),
in 4/95 DM 95.041,38 (555 Fälle),
in 1/96 DM 109.864,85 (623 Fälle),
in 2/96 DM 105.315,94 (606 Fälle),
in 3/96 DM 76.865,16 (517 Fälle),
nach Teilabhilfe DM 82.709,11.
Mit Bescheid vom 4. Februar 1997 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sein Nettohonorar DM 76.865,16 betrage. In einer Anlage - Nachweis zur Teilquotierung von Leistungen der Honorargruppe 3b gemäß Anlage 3 zu LZ 702 der Grundsätze der Honorarverteilung - erklärte die Beklagte, dass das der Teilquotierung unterworfene, angeforderte Honorarvolumen DM 108.769,70 betrage entsprechend einem Teilfallwert von DM 210,39. Das arithmetische Mittel aus dem Teilfallwert der Praxis von 3/94 (DM 106,53) und 3/95 (DM 172,02) betrage DM 139,28. Hinzukämen 10% des arithmetischen Mittels aus den Teilfallwerten der Vergleichsgruppe 33 in Höhe von DM 10,94, so dass der budgetrelevante Teilfallwert des Klägers DM 150,22 betrage, was 71,40% des angeforderten Teilfallwertes der Honorargruppe 3b entspräche. Damit würden alle der Budgetierung/Teilquotierung unterliegenden Leistungen der Honorargruppe 3b (Ausnahmen: Prävention, Schutzimpfungen, ambulantes Operieren und damit verbundene Operations- und Anästhesieleistungen) mit einer Bewertung von 71,4% (bezogen auf die Bewertung mit einem Punktwert von 10 Pfg.) in die Berechnung eingehen. Hiergegen hat der Kläger mit Schreiben vom 15. März 1997 (Zugang bei der Beklagten unbekannt) Widerspruch eingelegt. Der Kläger hat vorgetragen, er habe den Honorarbescheid am 11. März 1997 erhalten. Es sei grotesk, für die Ermittlung des Budgetrahmens die Vergleichsquartale der beiden Vorjahre heranzuziehen, da seine Praxis erst seit 1/95 bestehe. Es sei zwar der Kassensitz des Kollegen R., nicht aber dessen hausärztlich zu versorgende Patienten übernommen worden. Auch hätten die alten Räume nicht zur Verfügung gestanden. Es habe sich de facto um eine Praxisneugründung gehandelt. Er habe seine Praxis von Beginn an als Überweisungspraxis mit den Schwerpunkten Gastroenterologie und internistische Onkologie geführt, woraus sich der überdurchschnittliche Teilfallwert erkläre. Beide Schwerpunkte seien vom Prüfungsausschuss mit Schreiben vom 23. Februar und 1. März 1996 auch als Praxisbesonderheiten anerkannt worden. Seit einigen Quartalen werde er mit der Gruppe 3309 (52 Praxen - Fachinternisten) verglichen, in denen die Kollegen eher hobbymäßig endoskopierten und nur 7 Praxen die Onkologieziffern 8650 bis 8655 abrechneten. Mit Teilabhilfebescheid vom 24. März 1997 hat die Beklagte den Kläger mit den Gastroenterologen verglichen und ist von einem Teilfallwert in III/94 in Höhe von DM 134,53 ausgegangen und errechnete als 10% des Fallwertes der Fachgruppe DM 13,63, so dass das Budget des Klägers um DM 16,69 (je Fall) auf DM 166,91 erhöht wurde. Daraus ergab sich eine Erhöhung des Nettohonorars des Klägers um DM 5.843,95. Zur Begründung des aufrecht erhaltenen Widerspruchs hat der Kläger u.a. weiter ausgeführt, mit der Erhöhung des Teilfallwertes wegen gastroenterologischer Ausrichtung seien weder die endoskopischen Untersuchungen noch die onkologischen Behandlungen ausreichend berücksichtigt worden. Dies führe zu einer Kostenunterdeckung dieser kostenintensiven Leistungen, für die es in Hessen ohnehin kein übermäßiges Angebot gebe. Die Steigerung im Schwerpunkt internistischer Onkologie innerhalb eines Jahres ergebe sich aus der folgenden Gegenüberstellung:
3/95 3/96
GOP 278/279 87 228
GOP 8650-8655 38 107
GOP 9019 129 332
GOP 16 - 57
Aus der Aufstellung des Steuerberaters für 3/96 ergebe sich ein Umsatz in Höhe von DM 76.865,16 aus der gesetzlichen Krankenversicherung und in Höhe von DM 42.631,41 von Privatpatienten. Daraus ergebe sich ein Überschuss in Höhe von DM 5.036,04. Damit sei die Praxis nicht lebensfähig. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. April 1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück mit der Begründung, um die begrenzten Honorare möglichst gerecht auf die Vertragsärzte zu verteilen, habe die Abgeordnetenversammlung der Beklagten anstelle des seit dem 4. Quartal 1992 bestehenden Quotierungsmodells eine praxisbezogene Individualbudgetierung ab dem 3. Quartal 1996 eingeführt. Danach sei der Großteil der vertragsärztlichen Leistungen der Honorargruppe 3b zugeordnet worden. In diesem Bereich würden die Honoraranforderungen anstelle einer stärkeren Quotierung für sämtliche Vertragsärzte einer praxisbezogenen Individualbudgetierung unterworfen. Die onkologischen Leistungen nach den Nrn. 8650 bis 8655 (Leistungsgruppe 31) sowie die Nrn. 9020, 9040,9060, 9080 und 9099 (Leistungsgruppe 14) seien nicht in die Berechnung der Individualbudgetierung einbezogen. Eine Berücksichtigung der Nrn. 278 und 279 (Infusion von Zytostatika oder Virustatika) sei nicht möglich gewesen, da der Teilfallwert für diese Leistungen deutlich unterhalb des Teilfallwertes anderer onkologisch/hämatologischer Praxen gelegen habe. Weitere Besonderheiten unter Sicherstellungsaspekten lägen nicht vor, da die vom Kläger durchgeführten Leistungen von einer ausreichenden Anzahl von Kollegen erbracht würden. Gegen den am 23. April 1998 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am Montag, dem 25. Mai 1998, Klage erhoben. Der Kläger hat vorgetragen, die Anlage III zur LZ 702 stelle keine wirksame Ermächtigungsgrundlage für die Honorarbegrenzung dar. Die Beklagte habe aber auch den HVM falsch angewandt. Der Vergleich mit den Gastroenterologen sei nicht korrekt, da seine weiteren Schwerpunkte der Onkologie und Proktologie dabei nicht berücksichtigt würden. Aber auch die 52 Mitglieder dieser Fachgruppe, wie auch immer diese zustande gekommen sei, könnten mit ihm nicht verglichen werden, da nur 34 Praxen Leistungen nach Nr. 741 (Gastroskopie, Duodenoskopie), nur 23 Praxen Leistungen nach Nr. 763 (Koloskopie) und nur 17 Praxen Leistungen nach Nr. 767 (Zuschlag zu Nr. 763 oder Nr. 764 für die Untersuchung des terminalen Ileums) erbrächten. Auch der Vergleich mit seinem eigenen Abrechnungsquartal 3/95 sei problematisch, da in seinem dritten Quartal die Praxisschwerpunkte noch nicht so ausgeprägt gewesen seien. Die Beklagte habe das ihr nach Nr. 5 der Anlage 3 zu LZ 702 eingeräumte Ermessen hinsichtlich einer Befreiung von der Teilquotierung fehlerhaft ausgeübt, da unberücksichtigt geblieben sei, dass sich die Praxis immer mehr zu einer onkologischen Praxis entwickelt habe, wie sich dem sprunghaften Anstieg der onkologischen Ziffern entnehmen lasse. Neben den Ziffern 278, 279 (Infusionsleistungen bei Chemotherapie) falle auch die sehr hoch bewertete Ziffer 16 ins Gewicht (kontinuierliche Betreuung ... eines tumorkranken Patienten unter tumorspezifischer Behandlung durch einen Internisten mit der Schwerpunktbezeichnung "Hämatologie und Onkologie" ...einmal im Behandlungsfall (900 Punkte). Zu den weiteren Leistungen, die im Zusammenhang mit der Onkologie stünden (und sich erhöhend auf den Falldurchschnitt auswirkten), gehörten auch die Nr. 60 (Ganzkörperstatus), die sonographischen Kontrolluntersuchungen Nrn. 378, 398, die speziellen Punktionsmethoden der Nrn. 308 (Rippenfell, Bauchhöhle) und 319 (Leber, Beckenkammbiopsie) mit der dazugehörenden Nr. 451 (Lokalanästhesie), ferner eine Vielzahl von Beratungs- und Aufklärungsgesprächen nach den Nrn. 2, 17, 18, die konsiliarische Beratung von Kollegen (Nr. 42) oder häufige Arztbriefe und Arztberichte (Nrn. 75, 78). Es sei zu berücksichtigen, dass er die Praxis nach vorheriger 24-jähriger klinischer Tätigkeit, davon 12 ½ Jahre als Chefarzt der Med. Klinik am K. W., eröffnet habe. Seit 1/96 habe er sich für die fachärztliche Versorgung entschieden. Zuletzt habe er 90% Überweisungspatienten gehabt. Der Beschluss der Abgeordnetenversammlung vom 6. Juli 1996 sei nicht wirksam und auch das Benehmen mit den Krankenkassen sei nicht hergestellt worden. Soweit mit dem Beschluss vom 30. November 1996 eine Erhöhung des Zuschlags der hausärztlich tätigen Internisten von 10% auf 20% beschlossen worden sei, auch ohne rechtzeitiges Benehmen mit den betroffenen Verbänden der Krankenkassen, handele es sich ebenfalls um eine unzulässige Rückwirkung. Ferner liege ein Verstoß gegen Artikel 3 GG vor, da die Besserstellung zu Lasten der Fachärzte gegangen sei.

Die Beklagte hat vorgetragen, Anlass für die Änderung der punktwertstabilisierenden Maßnahmen von einer fachgruppenbezogenen Teilquotierung hin zu einer individualbudgetierenden Maßnahme ab 3/96 sei die Einführung von Teilbudgets im EBM zum 1. Juli 1996 gewesen. Nach den getroffenen Einschätzungen habe man davon ausgehen können, dass dies zur Punktwertstabilisierung nicht ausreiche. Der erreichte Eigenvergleich der Arztpraxen habe zu besserer Nachvollziehbarkeit und Kalkulierbarkeit geführt. Die Ausnahmeregelung nach Nr. 5 der Anlage 3 zu LZ 702 HVM werde im wesentlichen in Form von Einzelfallentscheidungen gehandhabt, um besondere Veränderungen in der Praxis zu berücksichtigen. Als Grundsatzbeschluss des Vorstandes bestehe nur die Berücksichtigung von neuen Leistungen aufgrund veränderter Geräteausstattung. Der Vergleich des Klägers mit den Gastroenterologen sei doch möglich, da diese allein für Teilradiologie, die der Kläger nicht erbringe, einen Fallwertanteil in Höhe von DM 21,84 gehabt hätten, während der Kläger bei den den Chemotherapien zurechenbaren Infusionen im streitbefangenen Quartal im Durchschnitt DM 19,29 je Fall abgerechnet habe. Mit Urteil vom 1. Dezember 1999 hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide geändert und die Beklagte verurteilt, den Honoraranspruch des Klägers für 3/96 neu zu bescheiden. In den Gründen hat das Sozialgericht u.a. ausgeführt, der Honoraranspruch sei unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Der HVM für das streitbefangene Quartal sei grundsätzlich rechtmäßig entsprechend der bisherigen Rechtsprechung der Kammer. Das Benehmen mit den Krankenkassenverbänden sei hergestellt, der HVM auch als Satzung ergangen und veröffentlicht worden. Die Aufteilung auf die einzelnen Honorargruppen sei nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des BSG sei auch die Teilquotierung anhand sog. individueller Bemessungsgrenzen grundsätzlich zulässig. Dass dabei auf die entsprechenden Quartale der beiden vorhergegangenen Jahre zum Vergleich zurückgegangen werde, sei nicht zu beanstanden, da dies eine längerfristige Perspektive darstelle, als die von Quartal zu Quartal schwankende Entwicklung einer Arztpraxis. Ziel der Honorarverteilung sei eine Stabilisierung des Punktwertes und eine möglichst große Kalkulationssicherheit für die Ärzte. Die Regelung lasse den Arztpraxen auch einen hinreichenden Veränderungs- und Wachstumsspielraum, da sie fallzahlunabhängig sei und eine 10 bis 20 %ige Steigerungsmöglichkeit - gemessen am Durchschnitt der Fachgruppe - zulasse. Es sei nicht gleichheitswidrig, dass bei den hausärztlich tätigen Praxen der Erhöhungswert 20% betrage, da Ziel des Gesetzgebers gewesen sei, die hausärztliche Vergütung zu verbessern (z.B. § 85 Abs. 4a Satz 1 Sozialgesetzbuch 5. Buch - SGB 5). Eine Rückwirkung des entsprechenden Beschlusses sei noch möglich gewesen, solange die Honorarabrechung des entsprechenden Quartals noch nicht durchgeführt worden sei. Die Beklagte sei auch nicht gehalten gewesen, einen festen Punktwert zu garantieren bei Leistungserbringern, die nur oder größtenteils Leistungen auf Überweisung erbrächten. Auch der auf Überweisung tätige Arzt habe Einfluss auf die Menge der von ihm im Behandlungsfall erbrachten Leistungen. Die Beklagte habe jedoch verkannt, dass hier ein Ausnahmefall vorliege gemäß Ziffer 5 der Anlage 3 zu LZ 702 HVM. Der beim Kläger nicht gegebene Vergleichswert für III/94 sei entsprechend Nr. 2 der Anlage 3 zu LZ 702 HVM aus dem Teilfallwert der Internisten mit Zusatzbezeichnung Gastroenterologie gebildet worden. Dies benachteilige den Kläger aufgrund seiner besonderen Schwerpunktbildung. Für die Bereiche Gastroenterologie, Proktologie und Infusionsleistungen (im Rahmen der Onkologie) betrage der Teilfallwert des Klägers DM 123,19 (wird im einzelnen errechnet) gegenüber dem Teilfallwert der Fachgruppe in Höhe von DM 73,67. Die Aufrechnung mit den teilradiologischen Leistungen der Fachgruppe genüge daher nicht. Es kämen noch Begleitleistungen aus der onkologischen Tätigkeit hinzu, die in den Teilfallwert des Klägers eingingen, im Teilfallwert der Vergleichsgruppe aber nicht enthalten seien. Die Beklagte habe bei einer Neubescheidung im Rahmen ihrer Ermessensausübung zu prüfen, in welcher Weise sie den Besonderheiten der klägerischen Praxis Rechnung trage. Hinsichtlich des Vergleichsquartals 3/94 könne zwar der Teilfallwert der Internisten mit Teilgebietsbezeichnung Gastroenterologie herangezogen werden, jedoch müsse die Beklagte dann prüfen, in welchem Umfang die vom Kläger dargestellten Schwerpunkte einschließlich Begleitleistungen aus der onkologischen Tätigkeit in dem Vergleichswert nicht enthalten seien. In einem weiteren Schritt könnten dann Leistungen der Vergleichsgruppe, die in deren Teilfallwert enthalten seien, vom Kläger aber nicht erbracht würden, gegengerechnet werden, wobei dem Kläger jedoch mindestens der Vergleichsfallwert verbleiben müsse.

Gegen das ihr am 17. Dezember 1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 13. Januar 2000 Berufung eingelegt. Die Beklagte trägt vor, es liege kein Ausnahmefall vor. Der Kläger sei im großen und ganzen mit der Fachgruppe der Gastroenterologen vergleichbar, da die gastroenterologischen Leistungen einen Schwerpunkt seiner ärztlichen Tätigkeit darstellten. Die vom Sozialgericht vorgenommene Berechnungsweise greife nur spezielle Aspekte der Leistungen heraus, die der Kläger im Vergleich zur Fachgruppe erbringe, berücksichtige jedoch nicht die vom Kläger im Vergleich zur Fachgruppe nicht erbrachten Leistungen. Unter Berücksichtigung typischerweise innerhalb der betroffenen Berufsgruppe bestehender Unterschiede sei die Beklagte berechtigt, im Interesse der Überschaubarkeit und Praktikabilität einer Regelung zu verallgemeinern, zu typisieren und zu pauschalieren.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichtes Frankfurt am Main vom 1. Dezember 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Kläger trägt vor, wenn ein Ausnahmefall - wie bei seiner Praxis - zu beurteilen sei, könne gerade nicht mehr in weitem Maßstab pauschaliert werden, sondern müsse auf die konkreten Gegebenheiten der Praxis abgestellt werden. Es werde auch wiederholt, dass die Beklagte für 3/94 nicht den Vergleichswert der Gastroenterologen, sondern nur den der Internisten herangezogen habe. Seine Praxis sei auch im großen und ganzen nicht mit einer gastroenterologischen Praxis zu vergleichen, da es sich um eine onkologische Schwerpunktpraxis handele, wobei zwar nicht diese Leistungen, aber die Begleitleistungen für die onkologische Tätigkeit im Vergleichsfallwert enthalten seien. Der Kläger hat eine Aufstellung der Bezirksstelle W. der Beklagten u.a. hinsichtlich anerkannt onkologisch verantwortlicher Ärzte nach der Onkologie-Vereinbarung (Stand: Januar 1998) vorgelegt, in der er aufgeführt ist. Der Kläger hat ferner ein Schreiben des Prüfungsausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 7. Januar 1999 vorgelegt, in dem dem Kläger u.a. bescheinigt wurde, dass seine Praxis nach dem Bericht des sachverständigen Prüfreferenten die Schwerpunkte Gastroenterologie und internistische Onkologie habe und diese bei entsprechender Anzahl von Überweisungen für die Überschreitungen bei den Sonderleistungen verantwortlich zeichneten. Die abgerechneten Sonderleistungen seien gerade vor dem Hintergrund einer Überweisungspraxis diagnoseadäquat erbracht. Sowohl für IV/97 als auch für I/98 seien im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung keine Beanstandungen zu erheben. Im vom Kläger auszugsweise vorgelegten Schreiben des Prüfungsausschusses der Ärzte und Krankenkassen (das Quartal 4/97 betreffend) wird dem Kläger u.a. bescheinigt, dass die abgerechneten Sonderleistungen, vor allem im Rahmen der Überweisungspraxis diagnoseadäquat erbracht worden seien. Gerade auch im Hinblick auf seine unterdurchschnittlichen Krankenhauseinweisungen könne die Wirtschaftlichkeit seiner Behandlungsweise attestiert werden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat war in der Besetzung mit zwei psychologischen Psychotherapeuten als ehrenamtlichen Richtern richtig besetzt, §§ 33 Satz 2, 12 Abs. 3 SGG. Bei den von der Beklagten festzusetzenden und auszuzahlenden Honorare handelt es sich um eine Angelegenheit der Ärzte und Psychotherapeuten, bei der nur Ärzte und Psychotherapeuten als ehrenamtliche Richter mitwirken. Dabei sind Ärzte und Psychotherapeuten in fortlaufender Reihenfolge aus einer gemeinsamen Liste zu den Sitzungen des Senats für Kassenarztrecht zu den Sitzungen einzuteilen, unabhängig davon, ob Angelegenheiten der Ärzte oder der Psychotherapeuten verhandelt werden. Es bleibt dabei dem Zufall überlassen, ob in den Angelegenheiten der Ärzte und Psychotherapeuten (§ 12 Abs. 3 Satz 2 SGG) als ehrenamtliche Richter zwei Ärzte oder ein Arzt und ein Psychotherapeut oder zwei Psychotherapeuten mitwirken. Umgekehrt hat auch kein Psychotherapeut einen Anspruch darauf, dass bei einer ihn betreffenden Entscheidung (Angelegenheit der Psychotherapeuten) der Kassenarztsenat hinsichtlich der ehrenamtlichen Richter nur mit Psychotherapeuten besetzt ist (vgl. Urteil des BSG vom 25.8.1999 - B 6 KA 17/98 R = SozR 3-1500 § 12 SGG Nr. 13, Urteil des LSG NRW vom 24.5.2000 - L 11 KA 32/00 = Juris KSRE080660418, Engelhardt in NZS 1999, 491). Ebenso, wie die Psychotherapeuten neben den Ärzten von ihnen gewählte Vertreter in die Vertreterversammlung der Beklagten entsenden (§ 80 Abs. 1a Sozialgesetzbuch 5. Buch - SGB 5) und bei der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung mitwirken (§ 72 Abs. 1 Satz 1 SGB 5), kann bei ihrer Rechtsstellung als ehrenamtliche Richter kein Unterschied zu den Ärzten als ehrenamtlichen Richtern gemacht werden, da - anders als bei den Zahnärzten - Ärzte und Psychotherapeuten jeweils ein und derselben Kassenärztlichen Vereinigung mit den jeweiligen Entscheidungsgremien angehören. Dabei kann es keine Rolle spielen, in welchem Verhältnis zueinander die Zahl der Vertragsärzte und (psychologischen) Psychotherapeuten bei der Beklagten einerseits und die dem erkennenden Senat zugewiesenen Vertragsärzte und (psychologischen) Psychotherapeuten als ehrenamtliche Richter andererseits steht. Zwar hat der Gesetzgeber in § 80 Abs. 1a SGB 5 den Psychotherapeuten in der Vertreterversammlung der Beklagten höchstens ein Zehntel der Mitglieder zugestanden, eine vergleichbare Vorschrift für die Anzahl der ehrenamtlichen Richter, aufgeteilt nach Vertragsärzten und (psychologischen) Psychotherapeuten, in den Kammern und Senaten für Kassenarztrecht fehlt jedoch. Der erkennende Senat sieht sich deshalb gebunden, die ihm als ehrenamtliche Richter neu zugewiesenen 5 Psychotherapeuten ebenso wie die noch vorhandenen 6 Vertragsärzte turnusgemäß zu den Sitzungstagen heranzuziehen. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG), ist zulässig, jedoch unbegründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichtes Frankfurt am Main vom 1. Dezember 1999 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Honorarbescheid der Beklagten vom 4. Februar 1997 und der Teilabhilfebescheid vom 24. März 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 1998 sind zu Recht geändert und die Beklagte zur Neubescheidung verurteilt worden. Dabei wird die Beklagte jedoch nicht die Vorgaben des Sozialgerichtes, sondern die Rechtsauffassung des erkennenden Senats zu berücksichtigen haben. Der HVM der Beklagten in der Fassung des Beschlusses der Abgeordnetenversammlung vom 30. November 1996, insbesondere die Anlage 3 zu LZ 702, mit der die streitbefangene Budgetierung/Teilquotierung der Honorargruppe 3b mit Wirkung ab 1. Juli 1996 eingeführt wurde, ist nicht zu beanstanden. Insbesondere hat die Beklagte das Benehmen mit den Krankenkassenverbänden hergestellt, den HVM als Satzung durch die Abgeordnetenversammlung beschlossen und durch Rundschreiben vom 12. Dezember 1996 den betroffenen Vertragsärzten bekannt gemacht. Es handelt sich auch nicht um eine unzulässige rückwirkende Regelung. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung war das Quartal 3/96 zwar schon zu Ende, jedoch die Honorarverteilung noch nicht erfolgt. Da die Regelung nicht Einfluss nehmen sollte auf das Behandlungsverhalten der Ärzte, sondern zu einer angemessenen Verteilung des Honorars führen sollte, und dabei möglichst einer zu erwartenden Mengenausweitung der ärztlichen Leistungen auf der Seite des Honorars entgegensteuern sollte, hat die Beklagte nicht in einen bereits abgeschlossenen Vorgang rückwirkend eingegriffen, sondern die sich abzeichnende Entwicklung gerade zum Ausgangspunkt der Veränderung gemacht, um denjenigen Ärzten eine angemessene Honorierung zu erhalten, die nicht in die erhebliche Leistungsausweitung gegangen sind (vgl. Urteil des BSG vom 3. 3.1999 - B 6 KA 15/98 R = SozR 3-2500 § 85 Nr. 31). Die Beklagte hat sich auch im Rahmen der ihr zustehenden Entscheidungsprärogative (Auswahl aus mehreren möglichen Verteilungsmaßstäben) gehalten. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist die Anlage 3 zu LZ 702 auch wirksam und geeignet, das beabsichtigte Ziel zu verwirklichen. Durch die Anknüpfung an den Fallwert, spielt die Leistungsausweitung einer Praxis durch eine erhöhte Patientenzahl keine Rolle. Durch die Begrenzung der Budgetierung auf die Honorargruppe 3b (ohne Kapitel U und Leistungen/Erstattungen der Honorargruppen 1, 2, 3a, 4, 5, 6) abzüglich Leistungen der Prävention nach Abschnitt B IX EBM, Schutzimpfungen sowie des ambulanten Operierens, wurden bestimmte Leistungen herausgenommen, deren Ausweitung nicht unerwünscht erschien. Durch den Vergleich des Arztes mit seinem eigenen Behandlungsverhalten 1 bzw. 2 Jahre vorher wurde die durchschnittliche Leistungsausweitung des jeweiligen Arztes am einzelnen Fall zum Ausgangspunkt der Abschwächung eines Honoraranstiegs durch Fallwertsteigerung gemacht. Durch einen 10% igen Erhöhungsbetrag (gemessen an den Durchschnittsfallwerten der Fachgruppe) wurde den Ärzten eine gewisse Entwicklungsmöglichkeit zugebilligt, die bei den hausärztlich tätigen Praxen mit 20% deren besondere Bedeutung berücksichtigte. Die beschlossene Regelung nach Nr. 5 der Anlage zu LZ 702 verhindert schließlich, dass atypische Fälle ohne Berücksichtigung ihrer Eigenart den generellen Budgetierungsregelungen unterworfen werden (vgl. BSG vom 3.3.1999 s.o.). Die Beklagte hat jedoch zu Unrecht das Vorliegen eines Ausnahmefalles im Sinne Nr. 5 der Anlage zu LZ 702 verneint. Die Frage, ob ein Ausnahmefall vorliegt, unterliegt in vollem Umfang der Überprüfung durch das Gericht. Der Ausnahmefall ist dabei als sog. Härtefall zu verstehen. Dabei ist zunächst zu verlangen, dass die Budgetierung/Teilquotierung zu einer nicht nur unwesentlichen Verminderung des angeforderten Honorars führt. Dies ist bei einer Verminderung des geltend gemachten Honoraranspruchs um noch ca. 20% (zugestandenes Honorar nach Teilabhilfe DM 166,91 je Fall bei angefordertem Honorar in Höhe von DM 210,39) gegeben. Ein Ausnahmefall ist u.a. jedenfalls dann gegeben, wenn, wie im vorliegenden Fall, bei einer im Aufbau befindlichen fast ausschließlichen Überweisungspraxis eines erfahrenen, langjährig vor Ort tätig gewesenen Chefarztes, besondere und kostenintensive Behandlungsschwerpunkte erkennbar sind, die einen Vergleich mit der Fachgruppe als unbillig erscheinen lassen, insbesondere dann, wenn die zuständigen Prüfgremien bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung dem Arzt eine wirtschaftliche Behandlungsweise ausdrücklich bescheinigt haben. Dabei spielt es keine Rolle, dass die vom Kläger vorgelegten schriftlichen Äußerungen des Prüfungsausschusses der Ärzte und Krankenkassen spätere Quartale betreffen (4/97 und 1/98), da sich hieraus auch Rückschlüsse auf die Praxisausrichtung (Gastroenterologie und internistische Onkologie) während des streitbefangenen Quartals ziehen lassen. Damit hat der Vorstand der Beklagten nach Nr. 5 der Anlage zu LZ 702 von der Budgetierung/Teilquotierung ganz oder teilweise abzusehen. Entgegen dem missverständlichen Wortlaut der Nr. 5 der Anlage zu LZ 702 "Von einer Budgetierung/Teilquotierung gemäß Ziffer 3 kann in Ausnahmefällen ganz oder teilweise auf Beschluss des Vorstandes abgesehen werden;" ist die Regelung dahin auszulegen, dass bei dem Vorliegen eines Ausnahmefalles der Vorstand ganz oder teilweise von einer Budgetierung/Teilquotierung abzusehen hat. Dabei handelt es sich hinsichtlich des Umfanges des Absehens von einer Budgetierung/Teilquotierung um eine Ermessensentscheidung, die gerichtlich nur eingeschränkt überprüft werden kann. Das dem Vorstand der Beklagten eingeräumte Ermessen erfasst jedoch nicht die Möglichkeit, die Budgetierung/Teilquotierung in voller Höhe durchzuführen. Eine abweichende Interpretation würde den Vorstand in die Lage versetzen, auch bei Vorliegen eines Ausnahmefalles sich so zu verhalten als ob kein Ausnahmefall vorläge und damit die gerichtliche Überprüfbarkeit, ob ein Ausnahmefall vorliegt, im Ergebnis zu unterlaufen. Der erkennende Senat hält sich in Abweichung von der erstinstanzlichen Entscheidung nicht für befugt, dem Vorstand der Beklagten im einzelnen eine Berechnung vorzuschreiben, da dies nicht dem Diskussionsstand des Verfahrens und den Erkenntnismöglichkeiten des Gerichtes im vorliegenden Verfahren jedenfalls zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung entsprechen würde. Der Vorstand der Beklagten wird jedoch die besondere Ausrichtung der Praxis des Klägers in der Situation der Übernahme eines Patientenstammes einer anders ausgerichteten Praxis und der auch leistungsmäßig zu erkennenden Übergangsproblematik zur spezialisierten Überweisungspraxis und der sich daraus ergebenden Steigerung des Teilfallwertes zu berücksichtigen haben. Dabei hat er auch die dem Kläger bescheinigte wirtschaftliche Behandlungsweise in den Quartalen 4/97 und 1/98 in seine Überlegungen einzubeziehen und zu prüfen, inwieweit dies auch für das streitbefangene Quartal Gültigkeit hat. Bei der Festlegung des Umfangs des Absehens von der Budgetierung/Teilquotierung darf der Vorstand der Beklagten auch zu den Mitteln der Schätzung und Pauschalierung greifen; die Grundlagen der Schätzung und Pauschalierung müssen jedoch in dem Bescheid mitgeteilt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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