L 3 RJ 67/02

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 39 RJ 1297/00
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 RJ 67/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 10. April 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit sowie die Vormerkung weiterer Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung streitig.

Die im Jahre 1945 geborene Klägerin ist portugiesische Staatsangehörige. Sie ist die Mutter dreier im März 1966, Januar 1970 und Dezember 1971 geborener Kinder. Die Klägerin lebt seit Dezember 1973 in der Bundesrepublik Deutschland und war hier als Zimmermädchen und als Packerin versicherungspflichtig beschäftigt. Ab September 1999 war sie arbeitslos und bezog Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit. Ihre Kinder leben seit dem 12. März 1975 in der Bundesrepublik Deutschland.

Der im Dezember 1999 von der Klägerin gestellte Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit wurde mit Bescheid vom 21. März 2000 abgelehnt, nachdem die Internistin Dr. W. ( Gutachten vom 19. Februar 2000 ) und die Nervenärztin Dr. von M. ( Gutachten vom 23. Februar 2000 ) ein noch vollschichtiges Leistungsvermögen für mittelschwere Tätigkeiten festgestellt hatten. In dem diesem Bescheid beigefügten Versicherungsverlauf stellte die Beklagte die Berücksichtigungszeit für Kindererziehung vom 12. März 1975 bis 10. Dezember 1981 fest. Nachdem die Klägerin mit ihrem gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch auch die Vormerkung der Berücksichtigungszeit bereits ab Geburt des ersten Kindes im Jahre 1966 geltend gemacht hatte, stellte die Beklagte mit Vormerkungsbescheid vom 30. März 2000 erneut die Berücksichtigungszeit nur für den Zeitraum März 1975 bis Dezember 1981 fest. Den Widerspruch wies sie durch Widerspruchsbescheid vom 20. September 2000 zurück.

Während des nachfolgenden Klageverfahrens haben die Nervenärzte Dr. L. ( Gutachten vom 12. Oktober 2001 ) und Frau Dr. R. ( gutachterliche Stellungnahme vom 10. April 2002 ) jeweils nach Untersuchung ein vollschichtiges Leistungsvermögen für zumindest leichte körperliche Tätigkeiten festgestellt. Daraufhin hat das Sozialgericht die Klage durch Urteil vom 10. April 2002 abgewiesen und der Klägerin Kosten nach § 192 Sozialgerichtsgesetz ( SGG ) auferlegt. Die auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu verweisende Klägerin sei nicht erwerbsunfähig. Dies stehe nach den Ausführungen der Sachverständigen fest. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei die konkrete Arbeitsmarktsituation nur bei einem halbschichtigen, nicht aber bei einem vollschichtigen Leistungsvermögen zu berücksichtigen. Eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung werde nur angerechnet, wenn und so weit die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt sei. Da die Kinder der Klägerin erst im März 1975 nach Deutschland gekommen seien, könne auch erst ab diesem Zeitpunkt eine Berücksichtigungszeit angerechnet werden.

Mit der am 4. Juli 2002 gegen die ihr am 13. Juni 2002 zugestellte Entscheidung eingelegten Berufung macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, ihr sei eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit schon deshalb zu gewähren, weil weder das Arbeitsamt noch die Beklagte ihr innerhalb eines Jahres nach der Antragstellung einen Arbeitsplatz angeboten hätten. Sie beruft sich insoweit auf den Beschluss des Bundessozialgerichts vom 20. Dezember 1976 ( GS 2/75, 3/75, 4/75, 3/76 ) sowie entsprechende Passagen in der Kommentarliteratur. Die Version, wonach die Verhältnisse des Arbeitsmarktes lediglich bei Versicherten zu berücksichtigen seien, die nicht mehr vollschichtige Arbeiten verrichten könnten, sei falsch und verstoße gegen den Wortlaut des § 44 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch � Gesetzliche Rentenversicherung � ( SGB VI ). In der Kommentarliteratur würden mehrere Fälle erwähnt, in welchen trotz der vollschichtigen Leistungsfähigkeit auch eine Berücksichtigung der Verhältnisse des Arbeitsmarktes gerechtfertigt sei. Insoweit sei die Klägerin ein besonderer Fall. Es liege nahe, dass Arbeitsplätze, die ihr zuzumuten seien, nur in ganz geringer Anzahl vorkämen. Im Übrigen begehre sie nicht nur die Gewährung der Rente, sondern auch die Anerkennung der Berücksichtigungszeiten.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 10. April 2002 aufzuheben, die Bescheide der Beklagten vom 21. März 2000 und 30. März 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2000 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, a.) der Klägerin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren, b.) die Zeit von März 1966 bis 11. März 1975 als weitere Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vorzumerken.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 10. April 2002 zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, das Sozialgericht habe die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift vom 7. September 2004 aufgeführten Akten, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ( §§ 143, 144, 151 SGG ) ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und Vormerkung weiterer Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung gerichtete Klage aus zutreffenden Gründen abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Entgegen ihrer Auffassung hat die Klägerin weder Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente noch auf Vormerkung weiterer Berücksichtigungszeiten.

Aufgrund der im Verwaltungs- und Klageverfahren eingeholten Gutachten ist es zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Klägerin aus medizinischer Sicht noch in der Lage ist, zumindest leichte � gelegentlich auch mittelschwere - Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Zutreffend ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass es einer Benennung von konkreten Verweisungstätigkeiten nicht bedarf, da keine Summierung von unterschiedlichen Einschränkungen und keine ganz spezielle Leistungsbeeinträchtigung vorliegen. Insoweit schließt sich der erkennende Senat den Ausführungen des Sozialgerichts an und nimmt auf sie zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug ( § 153 Abs. 2 SGG ). Entgegen ihrer Auffassung kann sich die Klägerin auch nicht auf den Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 10. Dezember 1976 stützen, wonach der Arbeitsmarkt verschlossen ist, wenn weder die Beklagte noch das Arbeitsamt innerhalb eines Jahres nach Rentenantragstellung einen zumutbaren Arbeitsplatz anbieten können. Dies gilt eindeutig nur für Versicherte, die aufgrund ihres Gesundheitszustandes nur noch Teilzeitarbeit verrichten können. In allen sonstigen Fällen gilt § 44 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI in der bis 31. 12. 2000 geltenden Fassung, wonach unabhängig von der Arbeitsmarktlage nicht erwerbsunfähig ist, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann. Genau dies trifft auf die Klägerin aber zu.

Hinsichtlich der Berücksichtigungszeit können nach der Regelung des § 57 SGB VI i.V.m. § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGBVI nur Zeiten der Kindererziehung innerhalb Deutschlands anerkannt werden. Da die Kinder der Klägerin erst seit März 1997 in Deutschland leben, kann die Berücksichtigungszeit auch erst mit diesem Datum beginnen. Auch insoweit nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die Darlegungen in der erstinstanzlichen Entscheidung. Zu ergänzen ist lediglich, dass die Klägerin in der Zeit von Dezember 1973 bis 11. März 1975 ihre Kinder auch tatsächlich gar nicht erzogen haben kann, weil sie sich in dieser Zeit in Deutschland aufhielt, während die Kinder noch in Portugal lebten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht im Ergebnis dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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