L 5 RJ 205/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 501/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 205/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 14. März 2003 sowie der Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2002 aufgehoben.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist eine Rückforderung von Rente wegen der Anrechnung von Arbeitslosengeld.

Der 1944 geborene Kläger bezieht seit 01.08.1998 Rente wegen Berufsunfähigkeit entsprechend gerichtlichen Vergleiches vor dem Sozialgericht Landshut vom 17.03.2000 (S 7 RJ 1754/98). Mit Bescheid vom 08.05.2000 führte die Beklagte diesen Vergleich aus und errechnete dabei eine Nachzahlung für die Zeit bis 30.06.2000 von 11.742,33 DM sowie einen ab 01.07.2000 zu zahlenden monatlichen Rentenbetrag von 30,80 DM, jeweils unter Anrechnung von bezogenem Arbeitslosengeld sowie Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Mit Bescheid vom 20.09.2000 errechnete die Beklagte wegen der geänderten Höhe des Hinzuverdienstes für die Zeit 01.04. bis 31.10.2000 eine Nachzahlung von 180,57 DM. Mit weiterem ebenfalls bestandskräftigen Bescheid vom 01.02.2001 berechnete die Beklagte die dem Kläger zu zahlende Rente neu ab 01.03.2001 in Höhe von 1.208,37 DM, wobei sie Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung wegen Nichterreichens des Grenzbetrages unberücksichtigt ließ. Keine Berücksichtigung fand ebenso der Bezug von Arbeitslosengeld des Klägers aufgrund Arbeitslosmeldung vom 03.12.2000 nach Anwartschaften aus zwei ABM-Beschäftigungen bei der Gemeindeverwaltung G. vom 26.04. bis 31.12.1999 sowie vom 03.04. bis 02.12.2000.

Vom 31.07. bis 21.08.2001 nahm der Kläger an einer medizinischen Maßnahme der Rehabilitation teil, für welche die Beklagte mit Bescheid vom 29.08.2001 Übergangsgeld von täglich 50,41 DM gewährte.

Mit dem streitigen Bescheid vom 06.02.2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Rente werde aufgrund geänderter Höhe des Hinzuverdienstes neu berechnet, so dass sich für die Zeit vom 01.08.2001 bis 31.03.2002 eine Überzahlung von 5.029,06 EUR ergebe, welche zurückzuzahlen sei. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, er habe eine Anwartschaft auf Arbeitslosengeld aus der Zusammenrechnung der beiden ABM-Beschäftigungen noch im Dezember 2000 erworben, so dass er die Arbeitslosengeld-Anwartschaftszeit nach dem Beginn der Rente wegen Berufsunfähigkeit zurückgelegt habe. Nach den gesetzlichen Übergangsregelungen sei deshalb eine Anrechnung nicht zulässig. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.03.2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück mit der Begründung, der Kläger habe vom 31.07. bis 21.08.2001 von ihr Übergangsgeld bezogen, so dass der Leistungsbezug nach dem SGB III unterbrochen worden sei. Der erneute Leistungsbezug nach dem Übergangsgeld resultiere somit aus einem neuen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die gesetzliche Übergangsregelung finde deshalb keine Anwendung.

Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Landshut mit Urteil vom 14.03.2003 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen die Auffassung der Beklagten übernommen.

Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 14.03.2003 so- wie den Bescheid der Beklagten vom 06.02.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2002 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 14.03.2003 zurückzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 26.10. 2004 waren die Verwaltungsakten der Beklagten. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und auch begründet.

Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 06.02.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2002, mit welchem die Beklagte teilweise rückwirkend für die Zeit vom 01.08.2001 bis 31.03.2002 das dem Kläger gezahlte Arbeitslosengeld auf die Berufsunfähigkeitsrente angerechnet, einen Nachzahlungsbetrag errechnet und diesen zurückgefordert hat. Das SG hat die dagegen erhobene Klage mit Urteil vom 14.03.2003 zu Unrecht abgewiesen. Denn der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung der Rente wegen Berufsunfähigkeit aus dem bestandskräftigen Bescheid vom 01.02.2001, weil das bezogene Arbeitslosengeld auf einer bis zum 31.12.2001 erworbenen Anwartschaft beruht und damit bestandsgeschützt gemäß § 313a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - ist.

Gemäß § 96a SGB VI werden Renten wegen verminderter Erwerbs- fähigkeit - wie die hier streitige Rente wegen Berufsunfähigkeit - nur geleistet, wenn Hinzuverdienstgrenzen nicht überschritten werden. Einem Hinzuverdienst ist gemäß § 96a Abs.3 Satz 1 Nr.4 SGB VI der Bezug von Arbeitslosengeld gleichge- setzt (§ 18a Abs.3 Satz 1 Nr.1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV -). Als Sonderregelung hierzu sieht § 313a Satz 1 SGB VI eine Anrechnung von Arbeitslosengeld auf Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erst mit Stichtag 31.12.1998 vor; eine Anrechnung erfolgt gemäß § 313a Satz 2 Nr.2 SGB VI nicht, wenn die Anwartschaftszeit auf Arbeitslosengeld insgesamt nach dem Beginn der Rente erfüllt worden ist.

Gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - darf ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - wie die streitige Bewilligung von Berufsunfähigkeitsrente - bei einer Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden. Der Verwaltungsakt ist mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Er kann auch mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit unter anderem nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (§ 48 Abs.1 Satz 2 Nr.3 SGB X). Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten (§ 50 SGB X).

Der streitige Bescheid/Widerspruchsbescheid der Beklagten ist bereits deshalb rechtswidrig, weil er nur eine Verrechnung sowie eine Rückzahlungsforderung beinhaltet. Der Bescheid vom 01.02.2001, der dem Kläger für die Zeit ab 01.03.2001 einen monatlichen Zahlbetrag von 1.208,37 DM ohne Anrechnung des bezogenen Arbeitslosengeldes bewilligt hatte und der infolge Zeitablaufes in Bestandskraft erwachsen war (§ 77 SGG), wurde von der Beklagten nicht aufgehoben. Auch eine inzidente Aufhebung dieses Bescheides ist dem Verrechnungs- und Rückforderungsbescheid nicht zu entnehmen. Infolge hiervon fehlt es auch an der notwendigen Ermessensausübung der Beklagten, die die bewilligte und ausgezahlte Berufsunfähigkeitsrente für die Vergangenheit zurückgefordert hat. Der Bescheid/Widerspruchsbescheid ist deshalb schon aus diesem Grunde rechtswidrig.

Er ist darüber hinaus auch rechtswidrig, weil die Beklagte nicht berechtigt gewesen wäre, die Bewilligung der BU-Rente wegen des gleichzeitigen Bezuges von Arbeitslosengeld aufzuheben. Durch den Bezug von Arbeitslosengeld hatte sich nämlich keine Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergeben. Die Bundesanstalt für Arbeit hatte dem Kläger auf dessen Antrag vom 03.12.2000 ab 14.12. Arbeitslosengeld gezahlt (nachdem der Anspruch aufgrund Krankengeldbezuges bis 10.12. sowie aufgrund einer Urlaubsabgeltung vom 11. bis 13.12.2000 geruht hatte). Dieser Anspruch auf Arbeitslosengeld beruhte auf zwei ABM-Beschäftigungen bei der Gemeinde G. vom 26.04.1999 bis 31.12.1999 und vom 03.04.2000 bis 28.11.2000. Damit resultierte der Anspruch gemäß § 117 SGB III auf einer Anwartschaftszeit gemäß § 123 SGB III aus einer Beschäftigung von (mindestens) zwölf Monaten, die vor dem 31.12.2000 lag. Die Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Rente wegen Berufsunfähigkeit war deshalb nach der bestandschützenden Regelung des § 313a Satz 2 SGB VI nicht möglich. Dementsprechend hatte die Beklagte auch mit Bescheid vom 01.02.2001 für die Zeit ab 01.11.2000 keine Anrechnung von Arbeitslosengeld vorgenommen.

Daran hat sich durch den Bezug von Übergangsgeld nichts geändert. Dem Kläger wurde ab 22.08.2001 das Arbeitslosengeld aus keinem neu erworbenen Anspruch gezahlt. Nach § 117 Abs.1 SGB VI hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer

1. arbeitslos ist,

2. sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und

3. die Anwartschaftszeit erfüllt hat.

Der Kläger hat deshalb durch den Bezug von Übergangsgeld keinen neuen Anspruch auf Arbeitslosengeld erwerben können. Vielmehr hatte der ab 14. Dezember 2000 bestehe Anspruch nur gemäß § 142 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB III geruht und war nach diesem Ruhen in seiner ursprünglichen Form wieder aufgelebt.

Etwas anderes könnte nur gelten, wenn gemäß § 122 Abs.2 SGB III die Wirkung der persönlichen Arbeitslosmeldung erloschen wäre. Dies setzte jedoch eine mehr als sechswöchige Unterbrechung der Arbeitslosigkeit oder die Aufnahme einer Beschäftigung voraus (§ 122 Abs.2 SGB III). Eine weitergehende Ausweitung der tatbestandlich festgelegten Erlöschensregelung ist nicht möglich (vgl. auch BSG Urteil vom 07.10.2004 - B 11 AL 23/04).

Damit steht fest, dass sich in den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheides vom 01.02.2001 vorgelegen hatten, keine wesentliche Änderung ergeben hatte. Die Beklagte wäre deshalb gemäß § 48 SGB X nicht berechtigt gewesen, den Bewilligungsbescheid aufzuheben. Die streitige Verwaltungsentscheidung verletzt deshalb den Anspruch des Klägers auf Berufsunfähigkeitsrente aus mehreren Gründen. Sie wird deshalb aufgehoben, ebenso wie das Urteil des SG Landshut vom 14.03.2003. Der Berufung war deshalb in vollem Umfange der Erfolg zuzusprechen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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