L 19 RJ 584/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 12 RJ 126/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 RJ 584/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 16.10.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit (EU) bis zum 30.09.1995 eingetreten ist.

Der 1946 geborene Kläger hat in seiner Heimat Bosnien nach eigenen Angaben im erlernten Beruf als Maurer gearbeitet. In Deutschland war er ab 1973 als Spinnereiarbeiter und zuletzt im Jahre 1992 als Bauhelfer versicherungspflichtig beschäftigt. Von November 1993 bis September 1996 war er als Gastwirt selbstständig erwerbstätig. Der letzte Pflichtbeitrag ist am 18.10.1993 entrichtet.

Auf den ersten Rentenantrag des Klägers vom 23.02.1996 ließ die Beklagte den Kläger psychiatrisch, neurochirurgisch und internistisch untersuchen und begutachten. Die ärztlichen Sachverständigen nahmen ein vollschichtiges Leistungsvermögen wenigstens für leichte Tätigkeiten an, weshalb die Beklagte mit Bescheid vom 24.06.1996 und Widerspruchsbescheid vom 07.10.1996 Rentenleistungen ablehnte. Die Entscheidung der Beklagten wurde bindend, da das hiergegen angerufene Sozialgericht Bayreuth - S 9 RJ 801/96 - mit Urteil vom 12.01.1998 die Klage abwies. Das Urteil stützte sich auf das Gutachten des Sachverständigen Dr.H. vom 12.01.1998, der ebenfalls leichte Tätigkeiten in Vollschicht für zumutbar hielt. Das SG wies außerdem darauf hin, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bei Antragstellung nicht erfüllt seien.

Den zweiten Rentenantrag des Klägers vom 21.03.2001 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23.04.2001 und Widerspruchsbescheid vom 01.06.2001 ohne weitere Ermittlungen ab, weil die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bei Antragstellung nicht erfüllt seien. Im maßgeblichen Fünfjahreszeitraum vom 21.03.1996 bis 20.03.2001 sei kein Pflichtbeitrag vorhanden. Die dagegen erhobene Klage - S 2/7 RJ 487/01 - nahm der Kläger im Termin vom 28.02.2002 zurück.

Gleichzeitig beantragte der Kläger zur Niederschrift des SG, den Bescheid vom 24.06.1996 im Rahmen des § 44 SGB X zu überprüfen. Er war der Ansicht, bei ihm liege bereits mindestens seit September 1995 EU vor. Weiter bat er zu prüfen, inwieweit der Rentenantrag vom 21.03.2001 in einen Antrag nach § 44 SGB X umgedeutet werden kann.

Die Beklagte ließ den Kläger chirurgisch-orthopädisch von Dr.R. (Gutachten vom 18.10.2002), psychiatrisch durch Dr.F. (Gutachten vom 31.10.2002) und internistisch durch Dr.H. (Gutachten vom 07.11.2002) untersuchen. Letzterer gelangte zusammenfassend zu der Leistungsbeurteilung, dass der Kläger den Gastwirtsberuf nur noch unter drei Stunden, leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt drei bis unter sechs Stunden verrichten könne; diese Beurteilung gelte ab 31.03.2001 (Antragstellung).

Mit Bescheid vom 13.12.2002 und Widerspruchsbescheid vom 10.02.2003 lehnte die Beklagte die Aufhebung des Bescheides vom 24.06.1996 ab: Zwar liege seit Antragstellung (21.03.2001) teilweise Erwerbsminderung auf Dauer und volle Erwerbsminderung auf Zeit bis 31.03.2004 vor. Im maßgeblichen Fünfjahreszeitraum seien aber keine Pflichtbeitragszeiten vorhanden. Rente könne daher nicht gewährt werden.

Dagegen hat der Kläger am 25.02.2003 unter Vorlage verschiedener ärztlicher Atteste Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben. Das SG hat im Rahmen der Ermittlungen von den damals behandelnden Ärzten einen Arztbrief des Klinikums B. (Med. Klinik I) über den stationären Aufenthalt des Klägers im Juli 1993 sowie Arztbriefe der Neurologen und Psychiater Dr.B. vom 04.09.1995 und von P.E. (jetzt P.M.) vom 05.10.1995 zum Verfahren beigenommen. Der zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Internist und Sozialmediziner Dr.T. hat im Gutachten vom 31.07.2003 ein untervollschichtiges Leistungsvermögen des Klägers bis zum 21.03.2001 verneint. Ab diesem Zeitpunkt sei das Leistungsvermögen auf eine drei- bis sechsstündige Tätigkeit abgesunken und ab 31.07.2003 bestehe nur noch eine unterdreistündige Einsetzbarkeit.

Dieser Leistungsbeurteilung hat sich das SG angeschlossen und die Klage mit Urteil vom 16.10.2003 - ohne mündliche Verhandlung - abgewiesen. Dazu hat es ausgeführt, die frühere Rentenablehnung sei nicht rechtswidrig gewesen. Der Kläger sei weder bis zum 30.09.1995 noch bis 12.01.1998 erwerbs- bzw. berufsunfähig gewesen. Eine dauernde Erwerbsminderung in der streitigen Zeit sei nicht zu begründen und werde schließlich auch nicht von den behandelnden Ärzten festgestellt. Gegen eine dauernde Leistungsbeeinträchtigung spreche das nervenärztliche Gutachten von Frau Dr.F. vom 09.05.1996. Damals sei das depressive Syndrom soweit abgeklungen gewesen, dass nervenärztlicherseits nur noch ein psychovegetativer Erschöpfungszustand bei Verdacht auf chronischen Alkoholmissbrauch festgestellt habe werden können. Das Leistungsvermögen sei für leichte Tätigkeiten vollschichtig wiederhergestellt gewesen. Damit lasse sich bis 30.09.1995 - nur bis dahin sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt - ein Versicherungsfall nicht begründen. Des Weiteren lägen dann in den Jahren 1996 und 1998 keine weiteren nervenärztlichen Befunde vor. Auch sei der Gerichtsgutachter Dr.H. in seiner Begutachtung vom 12.01.1998 zu dem Ergebnis gelangt, dass eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens beim Kläger nicht zu begründen sei. Weiter sei die jetzt beim Kläger bestehende Bluthochdruckkrankheit bei der Begutachtung im Jahre 1996 noch nicht feststellbar gewesen. Auch könne der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit (BU) nicht begründet werden. Denn der Kläger sei zuletzt versicherungspflichtig als Bauhelfer tätig gewesen und genieße daher keinen Berufsschutz.

Zur Begründung seiner hiergegen eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, er sei schon im streitigen Zeitraum erwerbsunfähig gewesen. Diesen Schluss ließen die Feststellungen seiner damals behandelnden Ärzte durchaus zu. Auch in der Gastwirtschaft habe er nur einfache und leichte Tätigkeiten verrichten können. Als Selbstständiger habe er sich aber die Arbeit aussuchen und einteilen können. Er sei schon damals depressiv gewesen. Der Krieg in seinem Heimatland und die Folgen hätten ihn in einem solchen Maße getroffen, dass er seelisch das Gleichgewicht verloren habe. In ärztlicher Behandlung sei er später nicht mehr gewesen, weil er nicht versicherungspflichtig gewesen sei und die Krankheitskosten selbst aufbringen musste.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Urteils des SG Bayreuth vom 16.10.2003 sowie des Bescheides vom 13.12.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.2003 die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Rücknahme des Bescheides vom 24.06.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.1996 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab frühestmöglichem Zeitpunkt zu gewähren. Hilfsweise beantragt der Kläger, ein nervenärztliches Gutachten nach Aktenlage einzuholen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Berufungsbegründung des Klägers enthalte keine neuen Geschichtspunkte, die die angefochtene Entscheidung in Frage stellten. Die der Berufungsschrift beigefügten ärztlichen Unterlagen hätten bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestands auf die Streitakten erster und zweiter Instanz sowie die früheren Klageakten und die vom Senat beigezogenen Verwaltungsunterlagen der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 SGG) und auch im Übrigen zulässig (§ 144 SGG).

Das Rechtsmittel erweist sich jedoch als unbegründet. Das SG hat im angefochtenen Urteil vom 16.10.2003 vielmehr zu Recht entschieden, dass der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Bewilligung von Rente wegen EU hat. Denn dem Kläger stehen Rentenleistungen mangels Vorliegens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht zu.

Bei Würdigung aller für den vorliegenden Fall maßgeblichen Gesichtspunkte ist auch der Senat zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte bei ihrer früheren ablehnenden Entscheidung im Bescheid vom 24.06.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.1996 das Recht nicht unrichtig angewandt hat und auch nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist (vgl. § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X).

Das SG ist vielmehr in rechtlich nicht zu beanstandender Weise im Anschluss an das Gutachten des Sachverständigen Dr.T. vom 31.07.2003 zu dem Ergebnis gelangt, dass der Eintritt des Leistungsfalles der EU vor dem 30.09.1995 nicht nachgewiesen ist. Im Vergleich hierzu hat das Berufungsverfahren keine neuen Erkenntnisse ergeben. Nachgewiesen ist eine Tatsache - also auch der Eintritt des Leistungsfalles der EU - nur dann, wenn sie mit der für den vollen Beweis erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststeht. Dass der vom Kläger geltend gemachte Leistungsfall der EU bereits vor dem 01.10.1995 eingetreten ist (also noch zu einem Zeitpunkt, zu dem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren), konnte weder durch die subjektiven Angaben des Klägers noch durch objektive Unterlagen noch durch ärztliche Sachverständigengutachten bewiesen werden. Das Gericht darf jedoch eine Leistung nur dann zusprechen, wenn die anspruchsbegründenden Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt sind. Ein solcher Nachweis ist hinsichtlich der Voraussetzungen des Vorliegens von EU vor dem 01.10.1995 nicht geführt. Nach den auch im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsätzen von der objektiven Beweis- bzw. Feststellungslast (vgl. Meyer-Ladewig SGG 7.Aufl § 103 RdNr 19 a) geht die Unerweislichkeit von Tatsachen, aus denen ein Beteiligter günstige Rechtsfolgen für sich herleiten will, zu seinen Lasten. Der Senat weist deshalb die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, § 153 Abs 2 SGG.

Abzuweisen war auch der Antrag des Klägers, ein nervenärztliches Gutachten nach Aktenlage einzuholen, denn der Senat hält den Sachverhalt in medizinischer Hinsicht für genügend aufgeklärt. Zu der streitigen Frage, ob bis zum 30.09.1995 der Leistungsfall der EU/BU eingetreten ist, hat als ärztlicher Sachverständiger Dr.T. im sozialgerichtlichen Verfahren das Gutachten vom 31.07.2003 erstattet, in dem er überzeugend und in sich schlüssig auf die beim Kläger im streitigen Zeitraum vorliegenden Gesundheitsstörungen, die einen Einfluss auf seine Erwerbsfähigkeit hatten, eingegangen ist und diese beurteilt hat. Ernsthafte Zweifel an der vom SG angenommenen Leistungsbeurteilung, die ihre Grundlage schließlich auch in den zeitnahen Gutachten des Ärztlichen Dienstes der Beklagten im Jahre 1996 hat, hat der Senat deshalb nicht. Aus den gleichen Gründen hat er auch keinerlei Anlass gesehen, von Amts wegen ein weiteres ärztliches Sachverständigengutachten einzuholen. Der Kläger hat auch im Berufungsverfahren keine neuen Unterlagen beigebracht und auch keine Hinweise auf solche gegeben, die der Senat noch hätte beiziehen müssen. Die vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen, der Befundbericht von Dr.E. vom 21.07.1997 und die ärztliche Bescheinigung vom 11.06.1997 des selben Arztes waren bereits früher aktenkundig; der Befundbericht wurde für das sozialgerichtliche Verfahren S 9 Ar 801/96 erstellt ebenso wie die ärztliche Bescheinigung. Auch lagen der vom SG beigezogene Arztbrief des Klinikums B. (Medizinische Klinik I) über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 15.07. bis 30.07.1993 (Diagnosen: Äthyltoxische cholestatische Fettleberhepatitis, Zustand nach Hepatitis A, Adipositas permagna) sowie die Behandlungsberichte der Neurologen und Psychiater Dr.E. und P.E. vom 04.09.1995 und 05.10.1995 dem Ärztlichen Dienst der Beklagten schon bei der Beurteilung des ersten Rentenantrages vom 23.02.1996 vor, so dass sie bereits im Gutachten der Psychiaterin Dr.F. vom 09.05.1996 Berücksichtigung finden konnten. Somit hat sich objektiv im Vergleich zu den früheren Verfahren keinerlei Änderung der medizinischen Gesichtspunkte ergeben.

Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren unterlegen war.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 SGG sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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