L 2 U 200/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 U 5010/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 200/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 05.08.2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1941 geborene Kläger verletzte sich am 08.08.2000 mit einer Heugabel.

Der Durchgangsarzt, der Chirurg Dr.B. , diagnostizierte am 08.08.2000 eine perforierende Stichverletzung mit Verletzung des Femurs am linken Kniegelenk. Die Röntgenaufnahme zeigte mehrere Frakturlinien. Nach stationärer Behandlung des Klägers vom 08.08. bis 01.09.2000 mit Weichteilrevision und Spülung des Kniegelenks erklärte Dr.B. , der postoperative Heilungsverlauf sei komplikationslos gewesen. Vom 04.09. bis 09.10.2000 wurde der Kläger in der Orthopädischen Klinik S. stationär behandelt. Es habe eine deutliche Schmerzreduktion erreicht werden können. Dr.B. ging von einer MdE von 20 v.H. für sechs Monate aus. Am 24.11.2000 untersuchte er den Kläger erneut und stellte fest, dass die Frakturlinien vollständig aufgefüllt und absolut stabil waren. Es bestünden erhebliche arthrotische Veränderungen im Kniegelenk, die jedoch schon auf den Unfallaufnahmen nachweisbar gewesen seien. Der Orthopäde K. attestierte am 06.03.2001 posttraumatische Kniebeschwerden nach offener Femurfraktur mit septischer Gonitis bei Verdacht auf beginnende postseptische Arthrose nach Unfall vom August 2000.

Der Orthopäde Dr.K. führte im Gutachten vom 06.07.2001 aus, es bestehe als Unfallfolge ein chronischer Reizzustand des linken Kniegelenks mit Kapselschwellung und schmerzhaftem Gelenkreiben durch traumatisch bedingte Verstärkung einer vorbestehenden Kniegelenksarthrose. Die MdE habe bis Oktober 2000 100 v.H., bis Dezember 2000 30 v.H. und bis zum 06.02.2001 20 v.H. betragen. Ab 07.02.2001 sei sie mit 10 v.H. zu bewerten, ab 09.08.2001 liege sie unter 10 v.H.

Der Beratungsarzt, der Orthopäde Dr.D. , bestätigte diese Beurteilung am 20.08.2001. Die MdE wegen der Folgen des Unfalles vom 20.07.1996 liege ab 08.08.2000 unter 10 %. Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 21.09.2001 den Unfall als Arbeitsunfall an mit den Unfallfolgen: durchbohrende Stichverletzung im Bereich des linken Kniegelenks mit Bruch des linken Oberschenkelknochens. Ein Anspruch auf Rente bestehe nicht, über die 26.Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus ergebe sich keine MdE rentenberechtigenden Grades (MdE 10 v.H.), ab 09.08.2001 werde die MdE mit unter 10 v.H. bewertet.

Zur Begründung des Widerspruchs vom 18.10.2001 wandte der Kläger ein, das rechte, nicht verletzte Knie sei gesund und leistungsfähig, die Beschwerden am linken Knie seien dem Unfall und nicht einer Altersschwäche zuzuordnen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.01.2002 zurück.

Der Kläger hat mit der Klage vom 15.02.2002 beantragt, Rente zu leisten, außerdem die Beklagte zur Tragung der Behandlungskosten, die angefallen seien und noch anfallen würden, zu verurteilen. Die Folgen des Unfalls könnten nicht als Alterserscheinungen abgetan werden. Es sei eine MdE um mindestens 30 v.H. gegeben. Er beantragte, den Orthopäden K. gemäß § 106 SGG zu hören.

Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 05.08.2002 ab. Der Sachverhalt sei auf Grund der Gutachten, insbesondere auch des Gutachtens des Dr.S. vom 07.04.1996, hinlänglich aufgeklärt. Die Beweglichkeit des linken Kniegelenks sei nur minimal schlechter als die des rechten Kniegelenks; die Arthrose sei links nicht erst nach dem Unfall in Erscheinung getreten, sondern habe schon zuvor bestanden. Die Unfallfolgen bedingten keinesfalls eine MdE von 20 v.H.

Der Kläger legte am 12.09.2002 Berufung ein. Er bat, die Frist zur Berufungsbegründung bis zum Eingang eines Gutachtens, das von dem Orthopäden K. erstellt werde, zu verlängern.

Die Beklagte übersandte einen Bericht des Orthopädischen Rehabilitationszentrums R. über die stationäre Behandlung des Klägers vom 17.12.2002 bis 14.01.2003 u.a. mit der Diagnose: Gonarthrose beiderseits. Das Gangbild sei gut koordiniert und hinkfrei demonstrierbar. Es bestehe kein Hinweis für periartikuläre Weichteilschwellung oder Ergussbildung im Knie, die Narbe im Bereich des linken Oberschenkels sei reizfrei. Der neurologische Befund zeige keine Auffälligkeiten.

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 12.09.2003 die Gewährung einer Rente. Das Freie Institut für medizinische Begutachtungen sei im Juni 2003 zu dem Ergebnis gekommen, dass die Verletzungen zu einem Invaliditätsgrad von drei Zwanzigstel Beinwert geführt hätten, was umgerechnet einer MdE von 10,5 v.H. entspreche. Damit liege eindeutig eine MdE von über 10 v.H. vor. Zusätzlich werde beantragt, den Sachverständigen K. mit einer Ergänzung seines Gutachtens auch hinsichtlich der Unfallfolgen vom 08.08.2000 zu beauftragen. Er habe empfohlen, vier bis fünf Jahre nach dem Unfall eine abschließende Begutachtung durchzuführen.

Übersandt wurde ein Gutachten des Chirurgen Dr.K. (Freies Institut für medizinische Begutachtungen) vom 11.06.2003. Der Kläger gebe erhebliche Kniegelenksbeschwerden links an. Röntgenmorphologisch seien bereits zum Unfallzeitpunkt deutliche degenerative Umformungserscheinungen auf der unfallbetroffenen Seite vorhanden gewesen. Ein Infekt im Kniegelenk auf Grund der Verletzung berge in sich grundsätzlich die Möglichkeit einer knorpeltoxischen Komponente, die zu einem Kniegelenksverschleiß beitragen könne. Dieses Verschleißleiden sei heute auf der unfallbetroffenen Seite deutlicher ausgeprägt als rechts. Es sei auch eine zumindest leichtgradig linksbetonte X-Beinstellung zu verzeichnen bei zusätzlicher Seitenbandinstabilität. Eine Belastungsminderung auf der unfallbetroffenen Seite sei heute in messbarem Ausmaß nicht mehr vorhanden, auch der Kalksalzgehalt stelle sich seitengleich dar. Der Invaliditätsgrad werde mit drei Zwanzigsteln Beinwert eingeschätzt.

Der Orthopäde K. führte im Gutachten vom 17.06.2003 zum Unfall vom 08.08.2000 aus, eine eitrige Entzündung des Kniegelenksbinnenraums, wie sie sich beim Kläger nach der Stichverletzung eingestellt habe, stelle eine Disposition zur vorzeitigen Arthrosebildung dar. Am 07.12.2000 habe sich beim Kläger eine fortgeschrittene Arthrose bei Genu valgum und deutlicher Retropatellararthrose gezeigt sowie ein tastbarer Muskeldefekt. Inwieweit die eitrige Gonitis die Arthroseentwicklung des Kniegelenks richtungsweisend beeinflusst habe, lasse sich nicht sicher bewerten. Eine vorzeitige stärkere Arthroseentwicklung am linken Kniegelenk sei als Spätfolge der Stichverletzung in Kombination mit dem Knorpelvorschaden und der funktionellen Quadrizepsschwäche durch die Verletzung in den nächsten Jahren durchaus zu erwarten. Es sei aktuell ein GdB/MdE von 10 v.H. anzusetzen. Spätestens nach vier bis fünf Jahren solle eine abschließende Begutachtung unter Einschluss kernspintomographischer und szintigraphischer Untersuchungen stattfinden.

Der Kläger stellt die Anträge, aus dem Schriftsatz vom 12.09.2003 hilfsweise, eine erneute Untersuchung des Klägers zum Unterschied der beiden Kniegelenke und des Unterschiedes zu den Befunden, die Dr.K. bei seiner Untersuchung erhoben hat, zu den bei der neuen Untersuchung zu erhebenden Befunden.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Ein Arbeitsunfall setzt gemäß § 8 Abs.1 SGB VII einen Unfall voraus, den ein Versicherter bei einer der den Versicherungsschutz gemäß §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Dabei bedürfen alle rechtserheblichen Tatsachen des vollen Beweises, d.h. sie müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorgelegen haben (vgl. BSGE 45, 285). Die Beweiserleichterung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit gilt nur insoweit, als der ursächliche Zusammenhang im Sinne der wesentlichen Bedingung zwischen der der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden und zum Unfall führenden Verrichtung und dem Unfall selbst sowie der Zusammenhang betroffen ist, der im Rahmen der haftungsausführenden Kausalität zwischen dem Arbeitsunfall und der maßgebenden Verletzung bestehen muss (vgl. Krasney, VSSR 1993 81, 114).

Beim Kläger ist es zu keiner bleibenden Gesundheitsstörung, die eine MdE von wenigstens 10 v.H. der Vollrente bedingen würde, gekommen. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem schlüssigen Gutachten des ärztlichen Sachverständigen Dr.K. , dessen im Verwaltungsverfahren eingeholtes Gutachten im Wege des Urkundenbeweises verwertet wird. Dr.K. hat überzeugend ausgeführt, dass die vom Kläger angegebenen Beschwerden zwar glaubhaft sind, dass aber die vorbestehende Gonarthrose für deren Entstehung eine wesentliche Rolle spielt. Diese Beurteilung wird bestätigt durch die vorliegenden ärztlichen Unterlagen. So hat bereits Dr.von L. im Bericht vom 28.09.1995 auf einen Innenmeniskusschaden links hingewiesen. Dr.W. diagnostizierte am 10.08.1995 einen Verdacht auf einen degenerativen Innenmeniskusschaden am linken Knie mit Bakertzyste und beginnenden degenerativen Veränderungen am rechten Kniegelenk. Die Röntgenaufnahmen zeigten am linken Kniegelenk eine beginnende Varusgonarthrose sowie Retropatellararthrose. Beim Internisten Dr.S. gab der Kläger am 23.01.1996 Schmerzen im linken Knie beim Sitzen mit Schwellung im hinteren Gelenkbereich, groß wie ein Hühnerei, an. Dr.S. bestätigte eine erhebliche schmerzhafte Bewegungseinschränkung beider Kniegelenke. Auch in der Reha-Klinik J. wurde nach stationärer Behandlung vom 13.12. bis 10.01.1996 eine beginnende Gonarthrose beiderseits und Verdacht auf Bakertzyste links festgestellt. Bei der Untersuchung durch Dr.S. am 03.04.1996 gab der Kläger gleichfalls Schmerzen im linken Kniegelenk an. Die Röntgenaufnahme zeigte eine Arthrose des linken und eine Präarthrose des rechten Kniegelenks. Die Aufbrauchveränderung betraf - so Dr.S. - insbesondere das Kniescheibengelenk. Auch Dr.K. hat bereits im Gutachten vom 23.06.1997 auf eine beginnende Gonarthrose bei X-Beindeformität beidseits hingewiesen. Weiter führte Dr.G. von der Orthopädischen Klinik B. nach stationärer Behandlung des Klägers vom 24.02.1998 bis 31.03.1998 aus, es bestehe eine Varusgonarthrose links. Der Kläger hatte angegeben, seit 1995 komme es zu zunehmenden Ruhe- und Belastungsschmerzen im linken Kniegelenk. Dr.G. stellte fest, dass die Kniegelenkskontur links bei diskreter Kapselweichteilschwellung leicht verstrichen war. Es bestand ein mäßiger Druckschmerz über dem lateralen Kniegelenkspalt rechts und dem medialen Kniegelenkspalt links. Außerdem stellte er eine retropatellare Crepitatio beidseits fest. Die Bandführung war links gelockert. In der Neurologischen Klinik des Krankenhauses H. wies Prof.Dr.G. nach stationärer Behandlung des Klägers vom 16. bis 23.07.1998 auf eine Varusgonarthrose links hin. Dr.W. betonte im Bericht vom 08.10.1997, die klinische Untersuchung ergebe an beiden Kniegelenken Hinweise auf eine mediale Arthrose. Die Röntgenaufnahmen zeigten mediale Gonarthrosen beidseits, links mehr als rechts.

Im Hinblick auf diese zahlreichen Befunde, die degenerative Verschleißerscheinungen am linken Kniegelenk bereits vor dem Unfall vom 08.08.2000 bestätigen, ist die Auffassung des Orthopäden K. , es sei zu erwarten, dass eine vorzeitige stärkere Arthroseentwicklung als Spätfolge der Stichverletzung eintrete, nicht überzeugend. Die Einholung eines weiteren Gutachten war daher nicht veranlasst. Anhaltspunkte dafür, dass der Unfall eine schneller als üblich voranschreitende Arthrose im linken Kniegelenk zur Folge gehabt hätte, ergeben sich aus den vorliegenden ärztlichen Berichten, nämlich insbesondere dem Gutachten des Dr.K. vom 06.07.2001, den Attesten des Orthopäden K. vom 06.03.2001 und 12.06.2001 (39, 73 BG) und dem Bericht des Reha-Zentrums R. nach stationärer Behandlung des Klägers vom 17.12.2002 bis 14.01.2003 sowie aus dem Gutachten des Dr.K. vom 11.06.2003 nicht. Im Orthopädischen Rehabilitationszentrum R. wurde ein gut koordiniertes und hinkfreies Gangbild zu ebener Erde festgestellt. Es ergab sich kein Hinweis für periartikuläre Weichteilschwellung oder Ergussbildung. Die Bandführung war, wie schon früher festgestellt, fest, die Narbe im Bereich des linken Oberschenkels reizlos. Die Ärzte des Reha-Zentrums wiesen auf das Genu valgum links hin. Die leichtgradig linksbetonte X-Beinstellung wurde schon früher festgestellt. Auch der neurologische Befund zeigte keine Auffälligkeiten. Die ziehenden Schmerzen im Bereich beider Oberschenkel sind gleichfalls schon früher von den behandelnden Ärzten und Sachverständigen als Folge der Lumboischialgie gedeutet worden. Dr.K. hat bestätigt, dass bereits zum Unfallzeitpunkt deutliche degenerative Umformungserscheinungen des Kniehaupt- und des kniescheibenrückwärtigen Gelenks vorhanden waren. Wenn er darauf hinweist, dass das Verschleißleiden auf der unfallbetroffenen Seite deutlicher ausgeprägt ist als rechts, so kann dieser Unterschied nicht dem Unfall angelastet werden, da er bereits vor dem Unfall von den behandelnden Ärzten festgestellt wurde. Weitere diesbezügliche Ermittlungen sind daher nicht erforderlich. Auf eine gelockerte laterale Bandführung links hat bereits die Klinik B. 1998 hingewiesen, so dass die von Dr.K. als Folge des Unfalls angegebene Seitenbandinstabilität links nicht Unfallursache sein kann. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass Dr.K. ausdrücklich ausführt, eine Belastungsminderung der unfallbetroffenen Seite sei messbaren Ausmaßes nicht mehr vorhanden, auch der Kalksalzgehalt stelle sich seitengleich dar. Insofern sind Anhaltspunkte dafür, dass die Folgen des Unfalls vom 08.08.2000 mit einer MdE von 10 v.H. zu bewerten wären, nicht gegeben. Daher waren weitere Ermittlungen nicht veranlasst.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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