L 9 AL 355/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 34 AL 2038/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 355/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 18. Juli 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des zweiten Rechtszuges sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) und Sozialversicherungsbeiträgen.

Der 1939 geborene Arbeitnehmer W. K. (K.) war vom 02.07.1962 bis 30.09.1996 bei der Klägerin beschäftigt, zuletzt als Disponent/Gruppenleiter am Standort B ... Nach den Angaben in der Arbeitsbescheinigung der Klägerin wurde das Arbeitsverhältnis durch Kündigung der Klägerin vom 12.12.1994 zum 30.09.1996 beendet; ein Abwicklungsvertrag sei geschlossen worden. K. habe eine Abfindung in Höhe von 79.000,- DM erhalten. Die Kündigungsfrist habe sieben Monate zum Monatsende betragen.

Am 26.08.1996 meldete sich K. arbeitslos und beantragte Alg. Einschränkungen seiner Vermittlungsfähigkeit verneinte er unter den Angaben zu 4 c des Antragsvordrucks. Am 20.09.1996 gab er an, er sei vor der Kündigung nicht mit der Beendigung der Beschäftigung einverstanden gewesen und habe vor und nach der Kündigung nicht erklärt, auf eine Kündigungsschutzklage zu verzichten. Anlässlich seines Ausscheidens aus der Bechäftigung habe er eine Vereinbarung über die Zahlung einer Abfindung geschlossen. Er werde die Kündigung hinnehmen und keine Kündigungschutzklage erheben. Ihm sei wegen der wirtschaftlichen Lage am Standort B. gekündigt worden; ein vergleichbarer Arbeitsplatz habe ihm nicht angeboten werden können. Die Gesamtsituation habe er ausführlich mit dem Betriebsrat besprochen. Die Beklagte gewährte dem Arbeitnehmer Alg vom 22.10. 1996 bis 07.07.1997 in Höhe von 679,80 DM wöchentlich/113,30 DM täglich.

Wegen einer Darmkrebserkrankung mit Operation war der Arbeitnehmer ab 27.05.1997 arbeitsunfähig und bezog Krankengeld vom 08.07. bis 31.12.1997. In seinem erneuten Antrag auf Alg vom 15.12.1997 verneinte K. sinngemäß das Vorliegen von Einschränkungen seiner Vermittlungsfähigkeit ab 01.01.1998. Er bezog sodann Alg vom 01.01.1998 bis 05.04.1998 in Höhe von 697,62 DM wöchentlich/99,66 DM täglich, nach einer Kur erneut ab dem 05.05.1998 in derselben Höhe. Im Wiederbewilligungsantrag auf Alg vom 05.05.1998 hatte er Einschränkungen seiner Vermittlungsfähigkeit verneint, ab 01.01.1999 betrug die Leistungshöhe 707,49 wöchentlich/101,07 DM täglich. Wegen Wiederauftretens der Erkrankung war K. vom 20.04. bis 30.06.1999 arbeitsunfähig und bezog nach dem Ende der Alg-Fortzahlung mit dem 31.05.1999 Krankengeld bzw. Übergangsgeld für die Zeit vom 01.06.1999 bis 12.03.2000. In dem erneuten Alg-Antrag vom 24.03.2000 zeigte K. unter Verweis auf eine ärztliche Untersuchung Einschränkungen seiner Vermittlungsfähigkeit an. Er sei zur Zeit seit dem 20.04.1999 bis auf Weiteres arbeitsunfähig krank geschrieben. Aufgrund eines ärztlichen Gutachtens ging die Beklagte von einem Fall nach § 125 SGB III aus, K. könne keine Arbeiten von wirtschaftlichem Wert verrichten. Sie zahlte dem Arbeitnehmer Alg ab 24.03.2000 in Höhe von 723,66 DM wöchentlich /103,38 DM täglich bis 31.07.2000. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) bewilligte K. rückwirkend Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 24.12.1999 und zahlte die Rente fortlaufend ab 01.09.2000 aus. Mit Wirkung vom 01.01.2000 (Beginn der laufenden Zahlung 01.10.2000) wandelte sie die Rente in eine Altersrente um. Die Beklagte hob die Alg-Bewilligung auf mit Wirkung vom 01.09.2000 (Bescheid vom 17.07.2000), später ab 24.03.2000 (Bescheid vom 16.10.2000).

Mit Schreiben vom 18.04.1997 hörte die Beklagte die Klägerin zur Erstattungspflicht des Arbeitgebers nach § 128 AFG an, gab Hinweise zu Erstattungsvoraussetzungen und Ausnahmen und fragte an, ob Einwendungen gegen die Erstattung geltend gemacht würden. In einem Schreiben vom 17.06.1997 wies sie die Klägerin darauf hin, dass nach dem Ergebnis ihrer Prüfung Umstände, die einer Erstattunspflicht entgegenstünden, nicht vorlägen. Die Klägerin äußerte sich hierzu nicht.

Auf Anfrage der Beklagten gab der Arbeitnehmer K. am 02.07.1998 an, er habe keinen Anspruch auf andere Sozialleistungen , krankheitsbedingte Fehlzeiten während der letzten zwei Jahre des Arbeitsverhältnisses hätten nicht vorgelegen, gesundheitliche Gründe seien für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht maßgeblich gewesen, er sei in der Vergangenheit nicht in ärztlicher Behandlung gewesen, erst nach der Aufgabe des Arbeitsplatzes mit auftretender Krebserkrankung habe er in ärztlicher Behandlung gestanden. Zu den Gründen für die Aufgabe des Arbeitsplatzes wiederholte seine bisherigen Angaben.

Auf Anfrage der Beklagten gab K. am 11.02.1999 an, innerhalb des Zeitraums 01.07.1998 bis 31.01.1999 habe sich sein Gesundheitszustand nicht verändert.

Nach Anhörung der Klägerin verlangte die Beklagte mit Bescheid vom 09.06.1999 von der Klägerin die Erstattung des Alg sowie der Beiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 62.640,96 DM für die Zeit vom 01.01.1998 bis 31.01.1999. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Nach Anhörung der Klägerin ersetzte die Beklagte mit Bescheid vom 12.10.1999 den früheren Bescheid vom 09.06.1999 und verlangte von der Klägerin für die Zeit vom 01.01.1998 bis 05.04.1998 und vom 05.05.1998 bis 31.01.1999 Alg und Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 62.640,96 DM. Umstände, welche den Nichteintritt der Erstattungspflicht rechtfertigten, lägen nicht vor. Die Klägerin zahlte den geforderten Betrag, legte aber erneut Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.1999 zurückwies. Der Widerspruchsbescheid wurde am 30.11.1999 zugestellt.

Nach erneuter Anhörung mit Schreiben vom 10.02.2000 verlangte die Beklagte von der Klägerin mit Bescheid vom 03.04.2000 für die Zeit vom 01.02. bis 19.04.1999 an K. gezahltes Alg und darauf entfallende Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 13.434,28 DM. In einem Gutachten vom 27.07.2000 verneinte Dr.R. Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers K. unter anderem wegen eines Zustandes nach schweren Darmoperationen bei maligner Darmerkrankung und Fußheberschwäche nach Bandscheibenvorfall.

Am 28.12.1999 erhob die Klägerin beim Sozialgericht München Klage mit dem sinngemäßen Antrag, die Bescheide vom 12.10.1999 (Widerspruchsbescheid vom 23.11.1999) und 03.04.2000 aufzuheben. Sie berief sich zunächst auf den Ausschlusstatbestand des § 128 Abs.1 Satz 2 Ziff.4 AFG (sozial gerechtfertigte Kündigung. Dieser sei nicht deswegen ausgeschlossen, weil der Arbeitnehmer aufgrund eines Aufhebungsvertrages ausgeschieden sei. Aufhebungsverträge seien einer Kündigung gleichzustellen. Die Voraussetzungen für eine betriebs- und krankheitsbedingte Kündigung hätten vorgelegen. Auch bei nach § 21 des Gemeinsamen Manteltarifvertrages (GMTV) Hessen Metall eigentlich unkündbaren Arbeitnehmern sei eine ordentliche Kündigung zulässig, wenn ein entsprechender Sozialplan bestehe. Hier habe eine "sozialplan-ähnliche" Regelung existiert.

Bei der Sozialauswahl habe man das Bestreben des Unternehmens nach Erhaltung einer angemessenen Altersstruktur berücksichtigt, um seine Überlebensfähigkeit durch eine ausreichende Zahl junger Arbeitskräfte sicherzustellen. Die sozialen Belange älterer Arbeitnehmer seien durch finanzielle Absicherung bis zum frühestmöglichen Bezug von Altersruhegeld geschützt worden.

Außerdem habe die Beklagte entgegen § 128 Abs.1 Satz 2 2. Alternative AFG und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht von Amts wegen ermittelt, ob der Arbeitnehmer Anspruch auf anderweitige Sozialleistungen gehabt habe. Schließlich liege auch der Befreiungstatbestand des § 128 Abs.1 Satz 2 Nr.5 AFG vor (Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund). Diese Regelung sei nach der Rechtsprechung weit auszulegen. Dem grundsätzlich nur aus wichtigen Grund kündbaren Arbeitnehmer (§ 21 Ziff.5 GMTV Hessen Metall) habe wegen des schon genannten Vorruhestandsprogrammes außerordentlich mit sozialer Auslauffrist gekündigt werden dürfen. Sein Arbeitsplatz sei im Zuge von Restrukturierungsmaßnahmen weggefallen, also wegen einer Betriebsbeschränkung. Die Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz sei nicht möglich gewesen.

Mit Urteil vom 18.07.2002, den Bevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 19.08.2002, wies das Sozialgericht die Klage ab. Befreiungstatbestände für die Klägerin lägen nicht vor. Gesundheitliche Gründe, nach denen der Arbeitnehmer andere Sozialleistungen oder Rente wegen Berufsunfähigkeit hätte erhalten können, seien vor der Bewilligung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht erkennbar. K. habe im Gegenteil angegeben, in seiner Leistungsfähigkeit gesundheitlich nicht eingeschränkt zu sein. Fehlzeiten habe er verneint. Ab 01.01.1998 habe er sich ohne Einschränkung der Arbeitsvermittlung wieder zur Verfügung gestellt und erst nach dem erneuten Auftreten der Krankheit habe er Rente beantragt. Auch seien für die Zulässigkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung sprechende Gesichtspunkte nicht erkennbar; die Klägerin selbst habe ein solches Vorgehen nicht in Betracht gezogen. Der Befreiungstatbestand einer sozial gerechtfertigten Kündigung (Nr.4) liege nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bei Beendigung der Beschäftigung durch einen Aufhebungsvertrag nicht vor. Von dieser Art der Beendigung sei nach dem eindeutigen Vortrag in der Klagebegründung und den sonstigen Umständen des Falles auszugehen. Die Beklagte müsse im Übrigen nicht nach Tatsachen forschen, für deren Bestehen die Umstände des Einzelfalles keine Anhaltspunkte böten.

Hiergegen richtet sich die am 19.09.2002 eingelegte Berufung der Klägerin. Zu dem Befreiungstatbestand der sozial gerechtfertigten Kündigung, auf den sie sich jetzt in erster Linie stützt, macht die Klägerin geltend: K. sei Gruppenleiter für Beschaffung und Disposition gewesen. Ihm seien die Abteilungen Einkauf und Wareneingangsprüfung mit 10 und 5 Mitarbeitern unterstellt gewesen. Sein Vorgesetzter sei der Produktionsleiter Röntgen und Cerec bzw. Diagnose und Therapie (Computerrestauration) gewesen. Die Umstrukturierung habe die Ebene der Gruppenleiter komplett entfallen lassen; deren Aufgaben seien aufgeteilt und auf die Ebene der Sachbearbeiter und des Produktionsleiters übertragen worden. Hierfür wurde Beweis angeboten durch das Zeugnis des damaligen Produktionsleiters W. Da es sich um einen Einzelarbeitsplatz gehandelt habe, stelle sich die Frage der sozialen Auswahl nicht. Auch die Möglichkeit eines zumutbaren freien Arbeitsplatzes sei nicht zu erörtern, denn die Beschäftigung am Standort sei seit Beginn der neunziger Jahre bis zur Übernahme durch eine Investorengruppe im Oktober 1997 stetig gesunken. Im Übrigen sei dem Árbeitnehmer tatsächlich gekündigt worden, wie sich aus der Arbeitsbescheinigung ergebe. Der Hauptbetrieb in B. gehöre dem Arbeitgeberverband an. Der tarifliche Kündigungsschutz aus dem GMTV sei nicht anzuwenden, da K. außertariflicher Angestellter gewesen sei und den Bestimmungen des Mittleren Führungskreises unterlegen habe, dessen Vertragsbestimmungen nur die gesetzlichen Kündigungsfristen vorsähen (Ziff.9), also keine Unkündbarkeit. Auch der Jubilarschutz treffe nicht zu, weil eine sogenannte Frühpensionierung nach den Firmenrichtlinien vorgelegen habe, für die nach ausdrücklicher Regelung der Betriebsparteien der Jubilarschutz nicht gegolten habe. Dem Arbeitnehmer sei durch das in Ablichtung vorgelegte Schreiben vom 12.12.1994 zum 30.09.1996 gekündigt worden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts München vom 18.07.2002 sowie die Bescheide der Beklagten vom 09.06. und 12.10.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.1999 und den Bescheid vom 03.04.2000 aufzuheben.

Die Beklagte stellt den Antrag, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie schließt sich den Ausführungen des Sozialgerichts an und trägt vor, dass K. den bei der Klägerin geltenden besonderen Kündigungsschutz für Jubilare (Mitarbeiter mit mindestens 25-jähriger Dienstzeit) für sich in Anspruch habe nehmen können. Dieser Kündigungsschutz gelte entsprechend auch für leitende und außertarifliche Mitarbeiter. Den Jubilaren habe grundsätzlich nicht aus betriebsbedingten Gründen ordentlich gekündigt werden dürfen. Ausnahmen davon lägen nicht vor. Im Übrigen habe die Klägerin im Zusammenwirken mit K. das Bechäftigungsverhältnis aufgelöst.

Wegen des Vortrags der Beteiligten im Einzelnen wird auf die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Dem Senat haben bei seiner Entscheidung die Akten der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

1. Rechtsgrundlage für die Erstattungsforderung der Beklagten kann nur § 128 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) sein. Diese Vorschrift ist hier im Hinblick auf die Übergangsregelungen von § 431 SGB III und § 242 x Abs.6, Abs.3 Nr.1 AFG anzuwenden. Denn der Arbeitnehmer K. war wegen der durchgehenden Beschäftigung bei der Klägerin innerhalb der gemäß § 104 Abs.2 AFG bis 30.09.1996 laufenden Rahmenfrist und vor dem 01.04.1997 mehr als 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht zur Beklagten begründenden Beschäftigung gestanden.

Die Voraussetzungen des § 128 Abs.1 Satz 1 AFG für eine Erstattungspflicht der Klägerin liegen vor. Wegen seiner durchgehenden Beschäftigung bei der Klägerin bis zur Arbeitslosmeldung war K. mindestens 720 Kalendertage innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Beginn der Arbeitslosigkeit ab 01.10.1996 beitragspflichtig beschäftigt. Die streitigen Erstattungszeiträume ab 01.01.1998 liegen auch nach der Vollendung des 58. Lebensjahres durch den am 29.10.1939 geborenen Arbeitnehmer K.

2. Ausnahmen von der Erstattungspflicht gemäß § 128 Abs.1 Satz 2 AFG sind nicht festzustellen.

a) Zunächst war das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers erst zum 30.09.1996, also nicht vor der Vollendung des 56.Lebens - jahres des Arbeitnehmers im Jahre 1995 beendet worden (§ 128 Abs.1 Satz 2 1. Alternative AFG).

b) Ferner hatte K. in dem streitigen Zeitraum auch nicht die Voraussetzungen für eine der in § 118 Abs.1 Satz 1 Nr.2 bis 4 AFG genannten Leistungen oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt (§ 128 Abs.1 Satz 2 2.Alternative AFG).

In § 118 Abs.1 Satz 1 Nr.2 bis 4 AFG waren folgende Leistungen ausgeführt: Krankengeld, Versorgungskrankengeld, Verletztengeld, Mutterschaftsgeld, Übergangsgeld nach dem AFG oder einem anderen Gesetz oder Sonderunterstützung nach dem Mutterschutzgesetz, Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus einer der gesetzlichen Rentenversicherungen, Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder Knappschaftsausgleichleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art. Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen einer dieser Leistungen sowie der Rente wegen Berufsunfähigkeit sind in dem vorliegenden Fall nicht gegeben, insbesondere nicht für Arbeitsunfähigkeit oder einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit. Zwar betrifft die hier streitige Erstattung einen Zeitraum zwischen dem ersten Auftreten der Krebserkrankung bei K.im Jahr 1997 und dem Rückfall vom April 1999. Allein aus dieser Lage des Zeitraums kann man jedoch nicht auf weitere Arbeitsunfähigkeit oder auf Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit schließen. Demgegenüber steht nämlich fest, dass im Hinblick auf das Ende der ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit mit dem 31.12.1997 kein Hinweis auf das weitere Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit ab 01.01.1998 existiert. Gründe, weshalb der behandelnde Arzt trotz des Vorliegens von Arbeitsunfähigkeit diese nicht mehr weiter bescheinigt haben sollte, sind nicht ersichtlich. Der gemäß § 48 SGB V 78-wöchige Anspruch auf Krankengeld wegen derselben Krankheit war im Übrigen mit dem 31.12.1997 auch noch nicht erschöpft. Dasselbe gilt für die Zeit ab 05.05.1998 im Anschluss an das Heilverfahren der BfA Berlin.

Dementsprechend hat K. in seinen Wiederbewilligungs-Anträgen auf Alg vom Dezember 1997 und Mai 1998 verneint, dass er weiterhin arbeitsunfähig geschrieben und in seiner Vermittlungsfähigkeit eingeschränkt sei. Diese Angaben hat er auf die gesondert erfolgten Anfragen der Beklagten am 02.07.1998 und 11.02.1999 bestätigt. Auch der Arbeitsamtsarzt Dr.R. hat in seinem Gutachten vom 27.07.2000 keine Feststellungen getroffen, die auf Arbeitsunfähigkeit oder Minderung der Erwerbsfähigkeit für die hier streitigen Zeiträume vor dem erneuten Auftreten der Erkrankung hinweisen.

Weitere Ermittlungen dazu musste die Beklagte nach dem Grundsatz der Amtsermittlung (§ 20 SGB X) nicht anstellen; auch der Senat ist gemäß § 103 SGG nicht dazu verpflichtet. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG verlangt dieser Grundsatz nämlich nicht, nach Tatsachen zu forschen, für deren Bestehen die Umstände des Einzelfalles keine Anhaltspunkte bieten (BSG SozR 3-4100 § 128 Nr.5 Seite 45 ff., Nr.10 Seite 86; siehe auch Nr.15 Seite 137.

c)Ferner liegt ein Befreiungstatbestand nach § 128 Abs.1 Satz 2 Nr.1 AFG nicht vor, weil der Arbeitnehmer mehr als 34 Jahre bei der Klägerin beschäftigt war. Der Befreiungstatbestand der Nr.2 entfällt, da hierfür vorausgesetzt wird, dass der Arbeitgeber nicht mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt.

d) Ein Befreiungstatbestand nach § 128 Abs.1 Satz 2 Nr.3 AFG ist schon deswegen nicht gegeben, weil er eine Kündigung des Arbeitnehmers (Arbeitslosen) voraussetzt. Es kann an dieser Stelle unentschieden bleiben, ob die Klägerin als Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis gekündigt hat, wie sie in der Arbeitsbescheinigung und wieder in der Berufungsbegründung sowie durch Vorlage einer Ablichtung des Kündigungsschreibens vom 12.12. 1994 geltend macht, oder ob ein Aufhebungsvertrag geschlossen wurde, wie die Klägerin sinngemäß noch in der Klagebegründung vorgetragen hat. Insbesondere könnte der letztgenannte Fall einer Kündigung durch den Arbeitnehmer nicht gleichgestellt werden (BSG SozR 3-4100 § 128 Nr.6 Seite 53 bis 56).

e) Außerdem liegen die Voraussetzungen eines Befreiungstatbestandes nach § 128 Abs.1 Satz 2 Nr.4 AFG nicht vor. Danach tritt die Erstattungspflicht des Arbeitgebers nicht ein, wenn er das Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet hat. Es kann auch hier dahingestellt bleiben, ob zwischen der Klägerin und dem Arbeitnehmer im Ergebnis ein Aufhebungsvertrag geschlossen wurde und allein deswegen schon ein Befreiungstatbestand nach Nr.4 nicht vorliegen könnte (dazu BSG SozR 3-4100 § 128 Nr.5 Seite 47, Nr.15 Seite 140, 141; siehe auch BSG SozR 3-4100 § 128 Nr.8 Seite 72). Auch wenn dem Arbeitnehmer tatsächlich von der Klägerin gekündigt wurde, ist ein Befreiungstatbestand nach § 128 Abs.1 Satz 2 Nr.4 AFG zu verneinen.

Dabei kommt es ferner nicht darauf an, ob die Kündigung schon deswegen rechtswidrig war, weil sie, wie die Beklagte geltend macht, dem Kündigungsschutz für Jubilare bei der Klägerin nicht entsprach. Jedenfalls nämlich kann der Senat nicht feststellen, dass die Kündigung gemäß § 128 Abs.1 Satz 2 Nr.4 AFG sozial gerechtfertigt war.

Die Klägerin hat vorgetragen, dass die Kündigung erfolgte, um die Überlebensfähigkeit des Unternehmens durch den Verbleib einer ausreichenden Zahl junger Arbeitskräfte sicherzustellen. Mitte der neunziger Jahre hätten Umstrukturierungen eingesetzt mit dem Ziel, die Ebene der Gruppenleiter innerhalb der Hierarchie völlig entfallen zu lassen.

aa) Soweit die Maßnahme der Klägerin darauf abzielte, durch Kündigung von Gruppenleitern wie K. eine jüngere Altersstruktur im Betrieb bzw. im Unternehmen zu schaffen, kann dieses Ziel in der vorliegenden Streitsache nicht zur Anerkennung einer sozialen Rechtfertigung der Kündigung führen.

In diesem Zusammenhang ist vor allem zu berücksichtigen, dass im Rahmen der sozialen Rechtfertigung nach § 1 Kündigungsschutzgesetz die Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter des Arbeitnehmers Hauptfaktoren sind (vgl. die Nachweise bei Ascheid in: Erfurter Kommentar, 3. Auflage 2003, 430 § 1 Kündigungsschutzgesetz Rdnr. 492 ff.). K. hatte jedoch praktisch sein gesamtes Arbeitsleben ab dem 23. Lebensjahr bei der Klägerin verbracht. Die Kündigung wurde kurz vor der Vollendung des 57. Lebensjahres wirksam, so dass K. sich dann in beruflicher Hinsicht schon im vorgerückten Lebensalter befand.

Demgegenüber könnte zwar die Herstellung einer angemessenen Alters- und damit Leistungsstruktur ein berechtigtes betriebliches Bedürfnis im Sinne des 1 Abs.3 Satz 2 Kündigungsschutzgesetz darstellen (vgl. Ascheid a.a.O. Rdnr. 512 m.w.N.). Ferner wird daraus im Schrifttum ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs.2 Kündigungsschutzgesetz abgeleitet (vgl. Stindt DB 1993, 1361, 1363 ff. mit Darstellung der zur Begründung herangezogenen BAG-Rechtsprechung); teilweise wird das Vorliegen eines dringenden betrieblichen Erfordernisses im Sinne des § 1 Abs.2 Kündigungsschutzgesetz allerdings beschränkt auf den Fall des Erreichens des Rentenalters (v. Hoyningen-Huene/Linck, Kündigungsschutzgesetz, 13.Auflage 2002, § 1 Rdnr.195).

Doch kann der Senat in der vorliegenden Streitsache nicht feststellen, ob und aus welchen konkreten Gründen im Betrieb in B. eine angemessene Altersstruktur fehlte und weshalb es zur Herstellung einer gesunden Altersstruktur gerade auch der Kündigung des Arbeitnehmers K. bedurfte und diese unvermeidlich war (s. hierzu Ascheid a.a.O. Rdnr.424 ff.). Denn hierzu hat die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen. Das ist jedoch gerade in einem Fall wie dem vorliegenden unentbehrlich, der von zwei Hauptfaktoren für die soziale Schutzbedürftigkeit geprägt ist, nämlich einer besonders langen Betriebszugehörigkeit und einem vorgerückten Lebensalter.

Auch im Interesse des Unternehmens, das dann über die Offenlegung betrieblicher Umstände und Daten selbst entscheiden kann, verlangt § 128 Abs.1 Satz 2 AFG, dass der Arbeitgeber den Befreiungstatbestand darlegt und nachweist, so dass insoweit den Senat keine Ermittlungspflichten treffen (vgl. BSG 11.Senat Urteil vom 21.09.2000 SozR 3-4100 S 128 Nr.10 Seite 89; Voelzke in: Der Betrieb 2001, 1990, 1993: Beibringungsgrundsatz). Einschränkungen und Modifizierungen des Untersuchungsgrundsatzes nach § 103 SGG lässt auch die Entscheidung des BSG vom 15.06.2000 zu (SozR 3-4100 § 128 Nr.8 Seite 70). Einer besonderen Darlegung des dringenden betrieblichen Erfordernisses im Sinne des § 1 Abs.2 Kündigungsschutzgesetz bedarf es insbesondere wegen des Zwecks des § 128 AFG. Dieser zielt nämlich darauf ab, unter Wahrung der vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 23.01.1990 (BVerfGE 81, 156) festgestellten verfassungsgerechtlichen Anforderungen, die Beschäftigungsverhältnisse der älteren Arbeitnehmer im Interesse der Versichertengemeinschaft zu stabilisieren (verhaltensteuernde Funktion) und, falls dies nicht gelingt, die Arbeitgeber an den Folgekosten zu beteiligen (Entlastungsfunktion), wenn den Arbeitgeber eine besondere Verantwortung für den Eintritt der Arbeitslosigkeit trifft (vgl. Gagel, AFG, § 128 Rdnr. 13, 14). Verfolgt der Arbeitgeber daher das Ziel, die Zahl der älteren Arbeitnehmer in dem Betrieb abzubauen und eine Verjüngung der Arbeitnehmerschaft zu erreichen, so setzt dies im Rahmen des § 128 AFG jedenfalls voraus, dass hierzu hinreichend konkrete Ausführungen und Begründungen erfolgen.

bb) Im Ergebnis nichts anderes gilt, soweit dem Vortrag der Klägerin das eigenständige Ziel entnommen werden könnte, eine Umstrukturierung des Betriebes durch Abschaffung der Ebene der Gruppenleiter und damit eine Abflachung der Hierarchien zu erreichen. Zwar kann die Neuordnung von Hierarchieebenen ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs.2 Kündigungsschutzgesetz darstellen (vgl. BAG NZA 2002, 1277, 1280, auch zu den dann erweiterten Darlegungspflichten des Arbeitgebers; Kiel in Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 2. Auflage 2004, § 1 Kündigungsschutzgesetz Rrdnr.548).

Auch hier müsste die Klägerin jedoch im Einzelnen darlegen und nachweisen, weshalb dieses Ziel, das sie sich aufgrund ihrer unternehmerischen Freiheit setzen konnte, die Kündigung gerade auch des Arbeitnehmers K. erforderlich und unvermeidlich machte und nicht durch andere betriebliche Maßnahmen, etwa durch eine Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz in Verbindung mit einer Änderungskündigung nach § 2 Kündigungsschutzgesetz, erreicht werden konnte. Das gilt hier insbesondere im Hinblick auf das schon genannte Vorliegen von zwei Hauptfaktoren der sozialen Schutzwürdigkeit, nämlich einer besonders langen Betriebszugehörigkeit und einem vorgerückten Lebensalter. Eine Änderungskündigung könnte auch zu einer zumutbaren Herabgruppierung führen (vgl. LAG Düsseldorf, 21.01.1983 DB 1983, 1931, zitiert bei Ascheid/Preis/Schmidt a.a.O. § 2 Kündigungsschutzgesetz Rdnr.274). Danach kam bei Wegfall einer Stelle als Leiter der Lohnabrechnung auch ein Einsatz als Sachbearbeiter in der Lohnbuchhaltung in Betracht (vgl. auch Urteil des Senats vom 01.07.2003 - L 9 AL 289/99: Wegfall der Stelle als Leiterin einer Debitoren-Buchhaltung).

Ein anderes Ergebnis lässt sich nicht der Entscheidung des BSG in SozR 3-4100 § 128 Nr.8 entnehmen. In dieser Entscheidung hatte der Arbeitnehmer an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses kein ernsthaftes Interesse (s. dort insbesondere Seiten 71, 72) und das BSG hat a.a.O. verlangt, dass dieser Umstand nach dem Schutzziel des § 1 Kündigungsschutzgesetz (Erhaltung des Arbeitsplatzes) bei der Interessenabwägung berücksichtigt werden müsse. In der vorliegenden Streitsache bestehen jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass K. bei der Kündigung durch die Klägerin kein Interesse an der Erhaltung des Arbeitsplatzes hatte.

f) Ferner ist ein Befreiungstatbestand nach § 128 Abs.1 Satz 2 Nr.5 AFG nicht anzuerkennen. Denn die Klägerin hat dem Arbeitnehmer nicht ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt. Anhaltspunkte für eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist im Sinne der Nr.5 liegen ebenfalls nicht vor. Das Kündigungsschreiben vom 12.12.1994 enthält nicht die gebotene Klarstellung, ob es sich um eine ordentliche oder eine außerordentliche Kündigung handeln sollte (vgl. dazu Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 9. Auflage 2000, § 125 Rdnr.3 mit weiteren Nachweisen).

Im Übrigen konnte jedenfalls die Krebserkrankung des Arbeitnehmers kein Grund für eine außerordentliche Kündigung sein. Denn diese war während des Arbeitsverhältnisses, sofern sie überhaupt bestand, jedenfalls noch nicht zutage getreten. Arbeitsunfähigungszeiten während der Beschäftigung hat der Arbeitnehmer auf Anfrage der Beklagten ausdrücklich verneint. Auch die Arbeitsbescheinigung der Klägerin enthält vor allem unter Ziff.1 und 5 hierzu keine Angaben. Schließlich hat die Klägerin auch zu den Voraussetzungen des § 128 Abs.1 Satz 2 Nr.5 AFG nicht substantiiert vorgetragen.

g) Weitere Befreiungstatbestände des § 128 Ábs.1 Satz 2 Nrn.6 und 7, Abs.2 AFG kommen nicht in Betracht, da die Klägerin hierzu nicht vorgetragen hat und auch keine Anhaltspunkte dafür bestehen (vgl. BSG SozR 3-4100 § 128 Nrn.8, 10).

Ihre Berufung ist nach alledem unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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