L 5 RJ 298/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 14 RJ 1359/02 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 298/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 18. Februar 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die 1948 im ehemaligen Jugoslawien geborene Klägerin wohnt derzeit in der Republik Serbien und Montenegro. Sie hat keinen Beruf erlernt und war in ihrer Heimat von August 1965 bis April 1969 und von April 1984 bis Mai 1997 versicherungspflichtig tätig. Seit 28.05.1997 erhält sie in ihrer Heimat Invalidenrente.

In Deutschland hat sie von Mai 1969 bis August 1980 insgesamt 146 Monate lang Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet. Sie war als Fabrikarbeiterin in der Autozulieferbranche tätig. Eine Anfrage beim letzten Arbeitgeber ist mit dem Vermerk "Empfänger unbekannt" zurückgesandt worden.

Mitte 2001 teilte der jugoslawische Versicherungsträger mit, die Klägerin habe am 31.03.1997 Rentenantrag gestellt. Auf den späteren Einwand der Klägerin, deutsche Rente erst am 11.06. 2001 beantragt zu haben, stellte der Versicherungsträger am 04.09.2002 klar, dass sich der Antrag vom 31.03. 1997 nur auf die jugoslawische Rente bezogen habe und ihre deutsche Rente erst am 10.01.2001 beantragt worden sei. Im übersandten Formblattgutachten vom 25.05.2001 heißt es, der nicht zufriedenstellend eingestellte Bluthochdruck habe eine erhebliche hypertone Kardiopathie hervorgerufen. Die Klägerin, die auch einen Diabetes mellitus II habe, sei seit 28.05.1997 Invalide.

Die Beklagte veranlasste eine ambulante Untersuchung der Klägerin in der Ärztlichen Gutachterstelle R. , die vom 04.02. bis 06.02.2002 von dem Internisten Dr.G. durchgeführt wurde. Nach klinischer und röntgenologischer Untersuchung inklusive EKG, augenärztlicher Untersuchung, Dopplersonographie und Lungenfunktionsanalyse diagnostizierte der Gutachter am 07.02.2002 Bluthochdruck, Diabetes mellitus mit Übergewicht und Hals- und Lendenwirbelsäulenbeschwerden bei Abnutzungserscheinungen. Er hielt leichte Arbeiten ohne Akkord, Nachtschicht, häufiges Bücken und ohne Zwangshaltungen für sechs Stunden zumutbar. Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 19.02.2002 mit der Begründung ab, die Klägerin sei weder nach altem noch nach neuem Recht rentenberechtigt, da sie noch mindestens sechs Stunden einsatzfähig sei. Den Widerspruch vom 05.04.2002 wies sie mit Bescheid vom 13.08.2002 zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 24.10.2002 Klage erhoben und geltend gemacht, die Befunde aus R. seien nicht objektiv. Nachdem die Beklagte mitgeteilt hatte, die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien längstens bis zu einem im Juni 1999 eingetretenen Leistungsfall erfüllt, sind medizinische Befunde aus der Zeit bis 1999 vorgelegt worden, die u.a. die Diagnose einer konzentrischen Hypertrophie des Myocards der linken Kammer (Juni 1998) enthalten. Darüber hinaus hat die Klägerin auf die seit 1996 notwendige laufende ärztliche Behandlung hingewiesen. Der Beratungsarzt der Beklagten hat darin jedoch keinen wesentlichen neuen medizinischen Sachverhalt erkannt. Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 18.02. 2004 abgewiesen. Ein Rentenanspruch ergebe sich weder nach altem noch nach neuem Recht, da die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nur bei einem Versicherungsfall vor Juni 1999 erfüllt wären. Aus den vorhandenen medizinischen Unterlagen ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass vor diesem Zeitpunkt eine relevante Leistungsminderung eingetreten sei.

Gegen den am 05.03.2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 01.06.2004 Berufung eingelegt. Entsprechend der in der Heimat festgestellten Invalidität sei ihre Erwerbsfähigkeit bereits vor 1997 gemindert gewesen. Dem Gericht obliege die freie Beweiswürdigung der in der Heimat erstellten medizinischen Unterlagen ab 1996. Der Senat hat den Internisten Dr.R. zum Sachverständigen bestellt und ihn um die Beurteilung des Leistungsvermögens bis Juni 1999 gebeten. In seinem Gutachten vom 16.08.2004 nach Aktenlage hat der Sachverständige folgende Gesundheitsstörungen für relevant befunden: Mittelgradiger labiler Bluthochdruck, gut eingestellter Altersdiabetes bei Fettleibigkeit und mäßige bis mittelgradige Verschleißveränderungen der Wirbelsäule. Seines Erachtens konnte die Klägerin bis Juni 1999 und danach acht Stunden täglich Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses verrichten. Unzumutbar waren schwere und mittelschwere Arbeiten, das Heben und Tragen schwerer Lasten, gebückte Arbeitsweise, Zwangshaltungen und Stressexpositionen (Zeitdruck, Akkord, Fließband, Wechsel- und Nachtschicht, Publikumsverkehr und hohe Konzentrationsanforderungen). Umstellungs- und Anpassungsvermögen sowie das Gehvermögen seien nicht eingeschränkt. Gegen das am 24.08.2004 übersandte Gutachten hat die Klägerin keine Einwände erhoben.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 18.02. 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 19.02.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.08.2002 zu verurteilen, ihr ab 01.01.2001 Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 18.02.2004 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakte, der Akte des Sozialgerichts Landshut sowie der Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 18.02.2004 ist ebenso wenig zu beanstanden wie der Bescheid der Beklagten vom 19.02. 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.08.2002. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Es mag sein, dass ihr Leistungsvermögen derzeit in rentenrelevantem Maß beeinträchitgt ist. Sie erfüllt jedoch nicht die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Rentenbezug.

Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide beurteilt sich entsprechend der Rentenantragstellung am 10.01.2001 sowohl nach dem bis 31.12.2000 als auch nach dem ab 01.01.2001 geltenden Recht. Auch wenn die Klägerin ihren Rentenantrag erst am 10.01. 2001, also nach In-Kraft-Treten des § 43 SGB VI n.F. gestellt hat, sind die dadurch ersetzten Vorschriften des SGB VI auch nach dem 31.12.2000 noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird (§ 300 Abs.2 SGB VI). In den besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hat sich hingegen keine Veränderung ergeben. Sowohl nach altem als auch nach neuem Recht muss der Versicherte in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder für eine einer Pflichtbeitragszeit gleichgestellte Zeit haben. Diese Voraussetzungen könnte die Klägerin lediglich erfüllen, wenn sie vor Juni 1999 erwerbsunfähig geworden wäre. Insoweit wird auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des Sozialgerichts Landshut Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs.2 SGG abgesehen.

Zutreffend hat das Sozialgericht auch entschieden, dass der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit vor Juni 1999 nicht eingetreten ist. Mit dieser Beurteilung stützt sich der Senat auf das Gutachten des Sachverständigen Dr.R. , der die vorhandenen Unterlagen sorgfältig gewürdigt und seine Beurteilung schlüssig begründet hat. Als Internist verfügt er über die einschlägige Fachkompetenz, die strittigen Auswirkungen der vorhandenen Gesundheitsstörungen sachgerecht zu beurteilen. Als langjähriger Gutachter im Bereich der Bayerischen Sozialgerichtsbarkeit verfügt er auch über die nötige Erfahrung, um die gleichmäßige Bewertung der relevanten Gesundheitsstörungen sicherzustellen. Die Klägerin hat gegen dessen Gutachten keinerlei Einwände erhoben. Auch hat sie selbst erst 2001 den Rentenatrag gestellt.

Dass die Klägerin bereits seit 1997 in ihrer Heimat als invalide gilt, ist nicht geeignet, den Beweiswert des neutralen Sachverständigengutachtens zu schmälern. Insoweit wird erneut auf die überzeugenden Entscheidungsgründe des streitgegenständlichen Gerichtsbescheides gemäß § 153 Abs.2 SGG Bezug genommen.

Die Einschätzung der Invalidität durch den jugoslawischen Versicherungsträger beruht in erster Linie auf der Annahme einer hypertonen Kardiopathie entsprechend einer Langzeit-EKG-Untersuchung aus dem Jahre 1998. Zweifellos besteht eine seit 1995 dokumentierte labile Blutdruckerhöhung mit belastungsabhängigen hypertonen Regulierungen. Zusammenwirkend mit dem erheblichen Übergewicht resultiert daraus eine mittelgradige Einschränkung der Kreislaufleistungsbreite, so dass schwerere körperliche Belastungen und Stresseinwirkungen überfordernd wirken können.

Die 2002 erfolgte Untersuchung in R. belegt jedoch, dass keine sekundären Organkomplikationen vorliegen, wie sie bei länger bestehendem schwererem Hochdruck zu erwarten wären. Insbesondere fanden sich kein Hinweis für eine belastungsbedingte Hypertrophie der linken Herzkammer und im Belastungs-EKG keine Veränderungen im Sinn einer koronaren Mangeldurchblutung. Bei dieser Befundlage sind leichte und ruhige Arbeitstätigkeiten keinesfalls ein Kreislaufrisiko. Eine quantitative Einschränkung der Einsatzfähigkeit ist nach den in Deutschland geltenden sozialmedizinischen Beurteilungsregeln und nach klinischer Erfahrung nicht begründbar.

Neben der Bluthochdruckkrankheit litt die Klägerin bereits vor Juni 1999 unter einem leichten Altersdiabetes, der mit Tabletten gut eingestellt ist. Eine wesentliche zusätzliche Leistungseinschränkung resultiert daraus nicht, nachdem Organkomplikationen etwa von Seiten der Nieren oder der Augen auszuschließen waren.

Die röntgenologisch beschriebenen Verschleißveränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule sind mit keinen wesentlichen Funktionseinschränkungen oder Nervenwurzelreizerscheinungen verbunden. Auch sind bei der Begutachtung 2002 keine subjektiven Beschwerden seitens des Bewegungsapparates angegeben worden. Eine zusätzliche Leistungsminderung besteht nur bei Lastenbewegungen und Zwangshaltungen wie gebückter Arbeitsweise.

Zusammenfassend konnte die Klägerin bis Juni 1999 noch leichte und ruhige Arbeiten ohne Zwangshaltungen vollschichtig verrichten. Mit diesem Restleistungsvermögen war die Klägerin in der Lage, eine Vielzahl von Tätigkeiten zu verrichten, wie sie üblicherweise von ungelernten Arbeitern gefordert werden. Mangels eingeschränkten Geh-, Seh- und Hörvermögens bei ausreichender Belastbarkeit von Wirbelsäule und Herz-Kreislauf-System erscheinen Verrichtungen wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Verpacken, Aufsicht und Kontrolle möglich. Die Prüfung einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen erübrigt sich daher.

Ob der Klägerin ein Arbeitsplatz tatsächlich hätte vermittelt werden können, ist rechtlich unerheblich, weil vollschichtig einsatzfähigen Versicherten der Arbeitsmarkt offen steht und das Risiko der Arbeitsplatzvermittlung von der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung zu tragen ist. Insoweit muss sich die im Ausland wohnhafte Klägerin wie eine in Deutschland lebende Versicherte behandeln lassen. Entscheidend ist, dass die Klägerin die vollschichtige Tätigkeit unter betriebsüblichen Bedingungen erbringen konnte, weil zusätzliche Pausen nicht erforderlich waren, und dass die Anmarschwege zur Arbeit problemlos zurückgelegt werden konnten. Die Klägerin konnte sich auch noch auf eine andere als die zuletzt ausgeübte Tätigkeit umstellen, so dass die konkreten Erfordernisse der Tätigkeit als Fabrikarbeiterin in der Autozulieferbranche dahingestellt bleiben konnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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