L 2 U 108/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 41 U 755/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 108/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 21/05 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 24.09.2003 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 28.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2001 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1941 geborene Kläger stürzte am 11.12.1997 von der Ladefläche eines Lkw.

Der Durchgangsarzt, der Chirurg Dr.K. , den er am 12.12.1997 aufsuchte, diagnostizierte multiple Kontusionen mit äußeren Prellmarken entlang der Lendenwirbelsäule und äußerte nach Röntgenaufnahme den Verdacht auf eine Infraktion des Tuberculum majus im rechten Schultergelenk. Er vermerkte, der Kläger habe nach dem Sturz weitergearbeitet. Am 10.02.1998 stellte Dr.K. freie Beweglichkeit des Schultergelenkes fest. Die Röntgenaufnahmen zeigten eine ausgeheilte Infraktion am Tuberculum majus, als Nebenfund eine verkalkte Bursa sub-acromialis. Dr.K. schätzte die MdE auf 10 v.H ... Am 25.04.2000 gab der Kläger gegenüber Dr.K. an, er habe seit Tagen Schmerzen im Schultergelenk. Ein MRT vom 08.06.2000 zeigte eine partielle Ruptur des Musculus supraspinatus bei deutlicher AC-Arthrose, die sekundär entzündlich aktiviert war, sowie Impingement des Supraspinatus und Ergussbildung in der Bursa subacromialis/subdeltoidea. Dr.K. erklärte am 09.06.2000, inwieweit ein Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen bestehe, solle gutachterlich geklärt werden. Der Neurologe Dr.K. vertrat im Bericht vom 15.06.2000 die Auffassung, durch die Schulterverletzung sei es nicht zu sicheren fokalneurologischen Defiziten gekommen. Die verminderte Kraftentfaltung sei eindeutig schmerzbedingt. Dr.K. erklärte am 15.09.2000, der Kläger klage weiterhin über nicht gebesserte heftige Bewegungsschmerzen in allen Achsen des Schultergelenks.

Im Gutachten für die LVA Rheinland-Pfalz vom 21.11.1996 führte der Orthopäde Dr.S. aus, der Kläger gebe Schulterschmerzen rechts, besonders bei schwerem Heben und Tragen und bei der Gangschaltung im Auto an. Er diagnostizierte u.a. ein chronisch-rezidivierendes Lumbalsyndrom und ein myogenes Cervikalsyndrom mit geringer Bewegungsbehinderung der beiden Schultergelenke. Im Gutachten vom 04.04.1998 im Rentenversicherungsrechtsstreit vor dem Sozialgericht München führte der Orthopäde Dr.K. aus, der Kläger gebe an, er leide seit fünf Jahren unter Schmerzen an der rechten Schulter. Vor vier Jahren habe er ein Subluxationsereignis erlitten. Es bestünden Restbeschwerden nach dem Unfall vom Dezember 1997. Die Schmerzen würden bei Bewegung tendenziell besser. Überkopfbewegungen wirkten schmerzauslösend. Dr.K. diagnostizierte u.a. ein fortgeschrittenes degeneratives BWS- und LWS-Syndrom, chronische Muskelreizung der rechten Schulter bei Zustand nach Verrenkung, Schultereckgelenksverschleiß, Hüftgelenksverschleiß beidseits. Im Gutachten für das Arbeitsamt M. vom 19.07.1999 kam Dr.S. zu dem Ergebnis, im Vordergrund stünden Beschwerden im Hals-Lendenwirbelsäulenabschnitt sowie des rechten Schultergelenks und beider Hüften.

Der Chirurg Dr.R. führte in dem Gutachten vom 24.11.2000 aus, die Schulterbeschwerden stünden in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall vom 11.12.1997, der zu einer Infraktion im Bereich des Tuberculum majus, die folgenlos abgeheilt sei, geführt habe. Dr.K. habe im Februar 1998 ein völlig freies Bewegungsausmaß ohne Schmerzen beschrieben. Der Kläger gebe selbst ein direktes Anpralltrauma auf die Schulter, ohne Abfangen des Sturzes mit dem Arm, an. Ein solches Trauma führe nie zu einer Schädigung der Rotatorenmanschette, sondern höchstens zu einer Impingementsymptomatik, die immer zeitlich limitiert sei, da sich unter adäquater Therapie die Weichteilschwellung und das Impingementsyndrom zurückbildeten. Die Kernspinuntersuchung vom Juni 2000 habe deutliche degenerative Veränderungen im Bereich des AC-Gelenkes mit Einengung des Subacromialraumes gezeigt. Sie stünden mit Sicherheit nicht in Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall, sondern müssten als schicksalhafte degenerative Veränderungen gewertet werden. Durch die Einengung des Subacromialraums komme es zu einer persistenten Reizung und Ausdünnung der Rotatorenmanschette. Ein solcher Mechanismus müsse den Beschwerden des Klägers zugrundegelegt werden.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 28.03.2001 die Gewährung einer Rente ab. Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit hätten vom 12.12.1997 bis 15.02.1998 bestanden. Die Verletzungen seien folgenlos ausgeheilt.

Den Widerspruch des Klägers vom 30.04.2001 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.09.2001 zurück.

Zur Begründung der Klage hat der Kläger ein Attest des Chirurgen H. übersandt, mit den Diagnosen: schwere schmerzhafte Schultersteife rechts mit weitgehend aufgehobener Gebrauchsfähigkeit des Armes, Zustand nach Arbeitsunfall 1997 mit Bruch am rechten Oberarm schulternah (Tuberculum majus Infraktion), Rückenprellung, Restschaden verblieben, Zustand nach Arbeitsunfall April 2000, Prellung rechte Schulter/Oberarm mit Verschlimmerung der Schultersteife, vorbestehende habituelle Schulterluxation rechts, erhebliche degenerative Veränderungen der rechten Schulter, degenerativer Kniebinnenschaden, schmerzhafte Teilversteifung von BWS und LWS, schmerzhafte Teilversteifung des linken Hüftgelenks.

Der auf Antrag des Klägers gem. § 109 SGG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Chirurg H. hat im Gutachten vom 20.09.2002 zusammenfassend ausgeführt, der Kläger sei unerwartet abgestürzt, daher seien Auffangbewegungen des rechten Armes anzunehmen mit entsprechenden Extremhaltungen. Da Kopf, Halswirbelsäule, Becken und Beine offensichtlich unverletzt gewesen seien, sei ein alleiniger Anprall der Schulter ohne Auffangbewegungen nicht vorstellbar. Die degenerativen Veränderungen an der Schulter hätten sicher zum Teil schon zum Unfallzeitpunkt bestanden. Der Einriss der Rotatorenmanschette könne aber durchaus durch den Unfall hervorgerufen sein: Riss der vorgeschädigten Sehne durch Extrembelastung in ungünstiger Armstellung. Eine klinisch beschwerdearme Phase nach einer derartigen Verletzung sei bei entsprechender Schonung durchaus möglich. Der Nachschaubericht vom 10.02.1998, in dem freie Beweglichkeit der Schulter festgestellt werde, habe nicht den Wert einer gutachterlichen Prüfung. Der Kläger gebe an, dass die Schulter nach dem Unfall nie mehr frei beweglich gewesen sei. Im Gutachten des Dr.K. vom 04.04.1998 werde eine schmerzhafte Funktionsbehinderung der Schulter beschrieben. Ein Unfall könne zu einem Arthroseschub mit allgemeiner Verschlimmerung von Bewegungsausmaß und Schmerzstärke führen. Die von Dr.S. 1996 beschriebene schmerzhafte Beeinträchtigung der Schulter habe noch keine klinisch bedeutsamen Konsequenzen gehabt. Die unfallbedingte Verschlimmerung des Verschleißschadens sei an der zunehmenden Behandlungshäufigkeit und -intensität seit dem Unfall erkennbar. Die MdE sei jetzt mit 40 v.H. zu bemessen.

Hierzu hat die Beklagte eine Stellungnahme des Dr.R. vom 11.11.2002 übersandt, in der ausgeführt wird, H. messe den degenerativen Veränderungen des Schultergelenks zu wenig Bedeutung bei. Das relativ lange symptomfreie Intervall nach Beendigung der unfallbedingten Behandlung bis zu wiederauftretenden Beschwerden sei nicht medizinisch plausibel berücksichtigt. Der Unfall habe zu einer zeitlich limitierten posttraumatischen Impingementsymptomatik geführt. Dr.K. habe am 10.02.1998 die MdE mit 10 v.H. eingeschätzt. Die jetzt bestehenden Beschwerden müssten als unfallunabhängig im Sinne eines degenerativ bedingten Impingementsyndroms bei fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen gewertet werden.

Der Kläger hat eine Stellungnahme des Chirurgen H. vom 07.02.2003 übersandt, in der der Sachverständige erläutert, durch den Unfall sei es zu einem Einriss der Rotatorenmanschette gekommen. Die Verletzung sei zunächst nicht erkannt worden. Die unter Annahme eines Knochenbruchs (Infraktion des Tuberculum majus) erfolgte Behandlung sei aber auch bezüglich dieser Verletzung geeignet gewesen. Trotzdem seien erhebliche Beschwerden und Funktionsbehinderungen verblieben. An der linken Schulter seien fast gleiche verschleißbedingte Veränderungen wie an der rechten beschrieben, der Kläger habe aber bisher an der linken Schulter kaum Beschwerden und Funktionsbehinderungen. Bei gleichartigen Vorschäden sei es durch den Unfall also zu einer erheblichen Verschlechterung der Schulterfunktion rechts mit entsprechenden Beschwerden gekommen. Ein schicksalhafter Verlauf sei nicht gegeben, sondern es handele sich um erhebliche Unfallfolgen.

Dr.R. hat im Auftrag der Beklagten in der Stellungnahme vom 02.04.2003 erklärt, schon vor dem Unfall seien Schulterbeschwerden dokumentiert. Die Annahme einer Auffangbewegung sei rein hypothetisch. Das Unfallereignis habe über eine konsekutive Weichteilschwellung zu einer vorübergehenden Impingementsymptomatik durch eine schwellungsbedingte Einengung des Subacromialraums geführt. Diese habe sich zurückgebildet. Im weiteren Verlauf seien dann wieder degenerative Ursachen in den Vordergrund getreten und hätten letztlich zu der heute festzustellenden Beschwerdesymptomatik und Funktionseinbuße geführt.

Der Chirurg H. hat in der Stellungnahme vom 05.06.2003 erwidert, Dr.R. berücksichtige nicht alle Komponenten des Verletzungsmechanismus, außerdem nicht die Dynamik der Verschleißschäden an den Schultern. Durch den Unfall sei es zu einer plötzlichen richtunggebenden Verschlimmerung gekommen. Jedenfalls könne Dr.R. eine Unfallbedingtheit der Schulterbeschwerden nicht schlüssig widerlegen. Ohne den Unfall wäre die vorgeschädigte Rotatorenmanschette nicht gerissen. An der Sehne hätten offenbar Reparaturvorgänge stattgefunden, dies sei ein Indiz für einen vorausgegangenen Unfallschaden.

Der vom SG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr.F. hat im Gutachten vom 18.08.2003 zusammenfassend ausgeführt, der Kläger gebe an, er habe versucht, sich mit dem rechten Ellenbogengelenk abzustützen und sei mit der Schulter auf der Kante der Hebebühne aufgeschlagen. Damit bestätige er, dass eine Prellverletzung der Schulter abgelaufen sei. Dabei handele es sich jedoch um einen Unfallmechanismus, der nicht geeignet sei, eine Binnenverletzung der Rotatorenmanschette wenigstens wesentlich mitzuverursachen. Nur Zugbeanspruchungen mit unnatürlicher Längendehnung der Sehne seien geeignet. Die Leitsymptome der frischen Verletzung, nämlich Pseudoparalyse und Drop-Arm, fehlten. Auch habe der Kläger die Arbeit nicht sofort niedergelegt, sondern den Lkw von A. nach M. gesteuert, habe allerdings nicht mehr schalten können. Noch deutlicher sprächen die radiologischen Veränderungen gegen eine frische Ruptur. Festzustellen sei ein bereits vor dem Unfall bestehendes Impingement. Auch die reaktiven knöchernen Veränderungen an der Unterfläche der Schulterhöhe, die Schultereckgelenksarthrose und die sehr ausgedehnte Weichteilverkalkung sprächen gegen einen Unfallzusammenhang, denn diese Zeichen fehlten bei einer frischen Rotatorenmanschettenruptur. Dr.S. habe im Gutachten vom 21.11.1996 auf Schulterschmerzen rechts hingewiesen. Nacken- und Kreuzgriff seien endgradig und schmerzhaft behindert gewesen. Damals habe also im wesentlichen das heutige Beschwerdebild bestanden. Im Gutachten vom 04.04.1998 habe Dr.K. darauf hingewiesen, dass der Kläger über seit fünf Jahren bestehende Schmerzen klage. Die im Kernspintomogramm vom 08.06.2000 gesehene partielle Ruptur des Musculus supraspinatus lasse sich zeitlich nicht mehr zuordnen. Nicht überzeugen könnten die Ausführungen von Dr.R. , dass eine Infraktion des Tuberculum majus abgelaufen sein solle. Sie sei weder von Dr.K. beschrieben, noch lasse sie sich auf den Röntgenaufnahmen feststellen. Durch den Unfall sei es zu Prellverletzungen der rechten Schulter, der rechten Beckenhälfte und der Rumpfwirbelsäule gekommen, die innerhalb weniger Wochen folgenlos ausgeheilt seien. Eine unfallbedingte MdE sei nicht begründbar.

Der Chirurg H. hat in der Stellungnahme vom 17.09.2003 erklärt, ein Sturz aus dem Lkw sei ohne Abfangbewegungen nicht vorstellbar. Der Verletzungsmechanismus sei daher für einen Teilriß der Rotatorenmanschette durchaus geeignet. Ohne den Unfall wäre es nicht zum Einriss der Rotatorenmanschette gekommen. Dies zeige der Zustand der linken Schulter.

Mit Urteil vom 24.09.2003 hat das SG die Beklagte verurteilt, die Gesundheitsstörungen des Klägers "hochgradig eingeschränkte aktive und passive Beweglichkeit des rechten Armes im Schultergelenk/Eckgelenk und Einriss des vorderen Teiles der Rotatorenmanschette an der rechten Schulter" als Folgen des Arbeitsunfalls vom 11.12.1997 anzuerkennen und den Kläger deswegen zu entschädigen. Aufgrund der überzeugenden Ausführungen des Chirurgen H. stehe für die Kammer fest, dass der Arbeitsunfall die Gesundheitsstörungen des Klägers an der Schulter mindestens zu einem Drittel und somit rechtlich wesentlich mitverursacht habe. Die abweichenden gutachterlichen Ausführungen von Dr.R. und Dr.F. hätten die Kammer nicht zu überzeugen vermocht, da sie sich mit der Problematik nicht so differenziert befasst hätten, wie dies H. getan habe.

Die Beklagte führte zur Begründung der Berufung aus, es sei zweifelsfrei von einer direkten Gewalteinwirkung auf die Schulter im Sinne einer Prellung auszugehen. Der Sachverständige H. mache zum Unfallhergang hypothetische Ausführungen. Bei einer gravierenden Verletzung des Schultergelenks sei ein unmittelbar einsetzender und weitgehender Funktionsverlust zu erwarten gewesen. Aus der von Dr.K. beschriebenen Erstsymptomatik ergäben sich keine Hinweis auf eine frische Verletzung der Rotatorenmanschette. Auch sei der weitere Verlauf mit einer zunächst eintretenden deutlichen Besserung untypisch. Zudem habe der Kläger bereits vor dem Unfall unter Schulterschmerzen rechts gelitten.

Der Kläger wies im Schreiben vom 29.06.2004 darauf hin, H. habe überzeugend ausgeführt, dass die Angaben des Verletzten zum Unfallhergang kritisch hinterfragt werden müssten. Da er keine höhergradige Verletzung auf der rechten Körperseite gehabt habe, sei davon auszugehen, dass die Verletzungsenergie durch eine Abfangbewegung des rechten Arms aufgefangen worden sei. Hierbei sei es zum Einriss der Rotatorenmanschette gekommen. Dieser Mechanismus werde auch von der Beklagten für möglich gehalten. Er habe nach dem Unfall nicht mehr regulär gearbeitet. Er habe den Lkw zurückgefahren. Dies sei auch bei einer Rotatorenmanschettenteilruptur manchmal möglich. Er habe auch nach dem 16.02.1998 erhebliche Beschwerden gehabt. Die Schulterschmerzen vor dem Unfall hätten bei weitem nicht den Schmerzen nach dem Unfall entsprochen.

In der ergänzenden Stellungnahme vom 16.07.2004 führte Dr.F. aus, komplette Supraspinatussehnenrupturen träten fast niemals auf. Es handele es sich im Endeffekt immer um mehr oder weniger partielle Risse. Die mit dem akuten Riss verbundene heftige Schmerzhaftigkeit verursache die Pseudoparalyse. Es handele sich um ein reflektorisches, nicht um ein mechanisches Geschehen. Ein Drop-Arm wäre nur zu erwarten, wenn der Riss so groß sei, dass der Supraspinatus seine physiologische Funktion nicht mehr erfüllen könne. Auf jeden Fall führe der frische, auch partielle Riss zu einer massiven aktiven Bewegungseinschränkung.

Der Kläger übersandte eine weitere Stellungnahme des Chirurgen H. vom 20.09.2004. Die Pseudoparalyse als reflektorisches Geschehen bezeichne die schmerzbedingte Schonhaltung des betroffenen Armes. Sie könne zum Teil kompensiert werden. Das mit starken Schmerzen erfolgte Heimfahren sei also auch mit einer Rotatorenmanschettenruptur möglich. Die von Dr.F. beschriebene Dynamik, anfangs starker Schmerz, dann abklingend, werde nicht allen klinischen Verläufen gerecht. Im Vordergrund bei der MdE-Bewertung stehe die schmerzhafte Funktionsbehinderung. Dieses Schmerzsyndrom habe einen eigenen Krankheitswert. Die MdE sei mit 40 v.H. zu bewerten.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 24.09.2003 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 28.03.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2001 als unbegründet abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungssakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und sachlich begründet.

Der Kläger hat unstreitig am 11.12.1997 einen Arbeitsunfall (§ 8 SGB VII) erlitten. Die Rotatorenmanschettenruptur ist aber keine Unfallfolge. Arbeitsunfähigkeit hat über den 16.02.1998 hinaus nicht vorgelegen. Eine MdE von mindestens 20 v.H. der Vollrente, die Voraussetzung für einen Anspruch auf Verletztenrente wäre (§ 56 SGB VII), liegt nicht vor. Der ärztliche Sachverständige Dr.F. hat im Gutachten vom 16.07.2004 überzeugend erläutert, dass eine MdE wegen der Folgen des Unfalls vom 11.12.1997 nicht verblieben ist.

Die Rotatorenmanschette liegt zwischen dem Oberarmkopf und dem knöchern-bindegewebigen Schulterdach, gebildet von der Schulterhöhe (Acromion), dem Rabenschnabelfortsatz und einem straffen Band, das dazwischen verläuft. Sie bildet eine Sekundärpfanne zwischen Oberarmkopf und Schulterhöhe und kontrolliert die Rollgleitbewegungen des Oberarmkopfes. Die Rotatorenmanschette unterliegt in hohem Maße der Degeneration, die ab dem 3. Lebensjahrzehnt beginnt. Untersuchungen ergaben klinisch unauffällige Defekte bei 25 % der über 40-jährigen, bei 75 % der über 50-jährigen und bei bis zu 100 % der über 60-jährigen. Neben dem traumatischen Riss können Rupturen entstehen durch lokale Minderdurchblutung oder zunehmenden Verschleiß der Sehnen durch Abrieb in der Enge des subacromialen Raumes. Dabei handelt es sich um eine Störung der Gleitbewegung zwischen dem Oberarmkopf und dem Schulterdach. Jede Veränderung des subacromialen Raumes kann zu einem Engpass des Schultergelenkes führen mit degenerativen Erscheinungen einschließlich Teilrupturen, Kalkeinlagerungen, vorzeitigem Verschleiß. Den isolierten, ausschließlich traumatischen Supraspinatussehnenriss gibt es nicht. In Frage kommt allein ein Verletzungsmechanismus im Sinne der wesentlichen Teilursache bei bestehender Degeneration (vgl. Schönberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7.Auflage 2003, S.503 f.). Berücksichtigt man die Angaben, die der Kläger zeitnah zum Unfall gegenüber Dr.K. gemacht hat, so stürzte er von der Ladefläche eines Lkw. Dr.K. stellte Prellmarken entlang der Lendenwirbelsäule und Bewegungsschmerz im Schultergelenk fest. Einen speziellen Stauchungsmechanismus, wie ihn der Chirurg H. angenommen hat, hat der Kläger erstmals gegenüber Dr.F. erwähnt. In jedem Fall beschreibt der Kläger aber keinen Unfallmechanismus, der geeignet wäre, eine Belastung auf die Rotatorenmanschette auszuüben, die zu einem Sehnenriss führen könnte. Geeignete Verletzungsmechanismen sind überfallartige Krafteinwirkungen, massives plötzliches Rückwärtsreißen oder Heranführen des Armes, z.B. Absturz beim Fensterputzen mit noch festhaltender Hand oder starke Zugbelastung bei gewaltsamer Rotation des Armes, z.B. Verdrehen des Armes, wenn er in eine laufende Maschine gezogen wird sowie beim Hineinfallen einer Last in ausgebreitete Arme (vgl. Schönberger-Mehrtens-Valentin, a.a.O., S.507). Direkte Krafteinwirkungen durch Sturz, Prellung oder Schlag können die Rotatorenmanschette dagegen nicht verletzen, da sie durch Schulterblatthöhe und Deltamuskulatur gut geschützt ist, wie Dr.F. erläutert. Ein geeigneter Unfallhergang ist damit nicht bewiesen.

Die Kernspintomographie vom 08.06.2000 zeigte, so Dr.F. , deutliche degenerative Veränderungen, die bereits vor dem Unfall vorlagen. Die erheblichen vorbestehenden degenerativen Veränderungen sprechen gegen einen Unfallzusammenhang.

Auch hat der Kläger nach dem Unfall weitergearbeitet, nämlich den Lkw von A. nach M. gefahren und Dr.K. erst am nächsten Tag, dem 12.12.1997, aufgesucht. Entscheidend ist jedoch, dass bei dieser Untersuchung die Leitsymptome der frischen Verletzung der Rotatorenmanschette fehlten, wie Dr. F. betont, insbesondere die Pseudoparalyse. Wie Dr.F. erläutert hat, wird auch bei partiellen Rissen eine Pseudoparalyse gefunden. Denn die mit dem akuten Riss verbundene heftige Schmerzhaftigkeit führt zu einer reflektorischen, nicht mechanischen Lähmungserscheinung. Im Hinblick auf den eindeutigen Vorschaden mit Oberarmkopfhochstand, Einengung des Raumes zwischen Schulterhöhe und Oberarmkopf sowie auf die röntgenologisch festgestellten knöchernen Veränderungen an der Unterfläche der Schulterhöhe, die Schulterecksarthrose und die sehr ausgedehnte Weichteilverkalkung ist, wie Dr.F. erläutert, von einer traumatischen Rotatorenmanschettenruptur nicht auszugehen, da diese Zeichen sonst fehlen würden. Immerhin hatte der Kläger nach seinen eigenen Angaben schon seit 1993 Beschwerden an der rechten Schulter, die er 1996 gegenüber Dr.S. schilderte, nämlich Schulterschmerzen, besonders beim Heben und Tragen und bei Betätigung der Gangschaltung, außerdem waren Nacken- und Kreuzgriff endgradig behindert und in der Schulter schmerzhaft. Die gleichen Beschwerden gibt der Kläger auch jetzt an. Zudem hat der Kläger gegenüber dem Neurologen Dr.K. erklärt, er habe am 17.04.2000 beim Beladen seines Lkw erneut einen Arbeitsunfall erlitten; er sei mit der rechten Schulter gegen den Außenholm des Lkw geprallt und habe einen heftigen Schmerz im Bereich der Schulter gespürt, der sich im Verlauf leichtgradig gebessert habe, jedoch zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr.K. am 15.06.2000 noch persistierte. Seit dieser Zeit bestehe eine schmerzhaft eingeschränkte Schulterbeweglichkeit sowie eine verminderte Kraftentfaltung.

Im Hinblick auf diese Gesichtspunkte können die Ausführungen des Chirurgen H. nicht überzeugen. Er legt seiner Argumentation in erster Linie einen hyopthetischen Unfallmechanismus zugrunde, der weder durch Angaben des Klägers zeitnah zum Unfall noch durch ärztliche Feststellungen begründet ist. Im Gegenteil schließt der Sachverständige aus den festgestellten Befunden auf einen diesen Befunden entsprechenden Unfallmechanismus.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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