L 5 AL 834/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AL 836/99
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 AL 834/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 a AL 7/05 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein verdecktes Treuhandkonto ist als Vermögen des Konotinhabers zu berücksichtigen. Eine stille Zession genügt nicht. Der Wille, fremdes Geld zu verwalten, muss gegenüber der Bank zum Ausdruck kommen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 28. November 2003 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 30. Juni bis 21. Dezember 1994.

Der 1953 geborene Kläger, Diplombetriebswirt (FH), war nach Abschluss seines Studiums vom 1. Juli 1989 bis 31. Dezember 1992 und vom 1. Januar bis 31. März 1993 (vornehmlich) als Sachbearbeiter in der Steuerberatung und vom 1. April bis 30. Juni 1993 als kaufmännischer Leiter (Bruttogehalt bis 31. Dezember 1992: 5000 DM, bis 31. März 1993: 6250 DM, bis 30. Juni 1993: 7000 DM) versicherungspflichtig beschäftigt. Am 1. Juli 1993 meldete er sich arbeits-los und beantragte Arbeitslosengeld, das ihm bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 30. Juni 1994 gezahlt wurde (Anspruchsdauer 312 Tage, Leistungsgruppe C, Kindermerkmal 1, wöchent-licher Leistungssatz 711,60 DM, Bemessungsentgelt 1620 DM wöchentlich, Leistungstabelle 1993, Leistungssatz 68 v.H.; Änderung ab 1. Januar 1994: wöchentlicher Leistungssatz 686,40 DM, Leistungstabelle 1994, Leistungssatz 67 v.H.).

Am 10. Juni 1994 beantragte der Kläger Arbeitslosenhilfe. Dabei gab er an, über Vermögen (u.a. Bankguthaben) verfügten er und seine Ehegattin nicht (S. 2 Nr. 8 des Arbeitslosenhilfeantrags Verwaltungsakte S. 15). Die gleichen Angaben machte er im Fortzahlungsantrag vom 12. Juni 1995. Am 04. März 1996 teilte der Kläger mit, er sei ab 1. Juli 1996 selbstständig erwerbstätig. Am 27. Dezember 1996 meldete er sich zum 1. Januar 1997 erneut arbeitslos und beantragte Arbeitslosenhilfe.

Arbeitslosenhilfe wurde dem Kläger durch Bescheid vom 24. Juni 1994 ab 30. Juni 1994 wie folgt bewilligt: Leistungsgruppe C, Kindermerkmal 1, wöchentlicher Leistungssatz 584,40 DM, täglicher Leistungssatz 97,40 DM, Bemessungsentgelt 1620 DM, Leistungstabelle 1994, Leis-tungssatz 57 v.H. (Änderung ab 1. Juli 1994: wöchentlicher Leistungssatz 600,60 DM, täglicher Leistungssatz 100,10 DM, Bemessungsentgelt 1670 DM; Bescheid vom 13. Juli 1994). Arbeits-losenhilfe in dieser Höhe bezog der Kläger bis 31. Dezember 1994.

Unter dem 9. Juni 1998 teilte die Beklagte dem Kläger mit, nach ihren Unterlagen seien für ihn und seine Ehefrau insgesamt drei Freistellungsaufträge erteilt worden. Daraufhin gab der Kläger mit Schreiben vom 25. Juni 1998 an, bei der D. Bank und bei der Kreissparkasse gebe es Gutha-ben von 14,61 DM bzw. 10,19 DM; das sei vergessen worden. Die ursprünglich erteilten Frei-stellungsaufträge hätten sich automatisch verlängert. Das Sparguthaben bei der D.Bank habe sich von 1994 bis zur Auflösung nur um Pfennigbeträge verändert. Sparguthaben bei der D. Bank (Sparbuch Nrn. und) mit Habensaldo am 14. Oktober 1994 von 45.385,40 DM bzw. 12.000 DM hätten er und seine Ehefrau im Jahr 1993 zur Tilgung gemeinsamer Schulden an J. S. übertragen. Da er deshalb materiell-rechtlich nicht Inhaber dieser Guthaben gewesen sei, hätten sie bei der Bedürftigkeitsprüfung auch nicht berücksichtigt werden müssen.

Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Kläger mit Schreiben vom 20. Juli 1998 ergänzend mit, J. S. sei sein Bruder. Er habe den Lebensunterhalt seiner Familie während der Hochschulausbil-dung von 1983 bis 1988 teilweise durch die Aufnahme eines Darlehens bei seinem Bruder finan-ziert. Dabei seien Schulden in Höhe von insgesamt 72.800 DM aufgelaufen (1983: 9400 DM, 1984: 14.200 DM, 1985: 12.100 DM, 1986: 12.300 DM, 1987: 10.600 DM, 1988: 14.200 DM). Das Schreiben endet wie folgt: "Bestätigung des Darlehens und der ausgezahlten Beträge (Un-terschrift) J. S.".

Ohne vorherige Anhörung hob die Beklagte mit Bescheid vom 10. Dezember 1998 den Bescheid vom 20. Juni 1994 über die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 30. Juni bis 21. Dezember 1994 gemäß § 45 Abs. 1 und 2 Satz 3 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i. V. m. § 138 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) auf und verlangte die Erstattung zu Unrecht bezo-gener Arbeitslosenhilfe in Höhe von 15.012,30 DM (§ 50 Abs. 1 SGB X). Außerdem gab sie dem Kläger auf, Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 4.295,70 DM zu-rückzuzahlen, insgesamt seien daher 19.308,- DM zu erstatten. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe über Vermögen von 57.410,20 DM verfügt, das nach Abzug eines Freibetrages von 16.000 DM in Höhe von 41.410,20 DM zu berücksichtigen gewesen sei. Deshalb sei er für 25 Wochen nicht bedürftig gewesen (Vermögen von 41.410,20 DM / für die Höhe der Arbeitslo-senhilfe maßgebliches Arbeitsentgelt von 1620 DM = 25 Wochen).

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug der Kläger vor, als er im Jahr 1994 Arbeitslosenhilfe beantragt habe, hätten weder er noch seine Ehefrau über Vermögen verfügt. Während seines Studiums von 1983 bis 1988 habe er von seinem Bruder insgesamt 72.800 DM als Darlehen erhalten. Am 1. Juli 1988 sei hierfür ein Zinssatz von 4% vereinbart worden. Da er in der Folgezeit keine Tilgungsleistungen erbracht habe, hätten er und seine Ehefrau ihre Spar-guthaben bei der D.Bank B. in Höhe von 60.000 DM bzw. 25.380 DM (insgesamt 85.380 DM) am 5. Juli 1993 auf seinen Bruder übertragen. Das entspreche der Darlehenssumme zuzüglich der vereinbarten Verzinsung von 4%. Mit der Abtretung der Sparguthaben sei das Vermögen auf seinen Bruder übergegangen und deshalb bei der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe nicht mehr zu berücksichtigen.

Auf Nachfrage der Beklagten führte der Kläger unter dem 5. März 1999 ergänzend aus, die Sparguthaben seien am 5. Juli 1993 an seinen Bruder abgetreten worden, ohne die Abtretung gegenüber der D.Bank offen zu legen. Die Sparguthaben seien auf seinen Namen bzw. den Na-men seiner Ehefrau weitergeführt worden.

Der Kläger legte hierzu ein von ihm und seinem Bruder unterzeichnetes Schreiben vom 23. De-zember 1988 sowie eine mit Datum vom 5. Juli 1993 unterzeichnete Vereinbarung zwischen J. und D. S. bzw. J. S. vor (vgl. Bl. 131/132 Verwaltungsakte). Im Schreiben vom 23. Dezember 1988 heißt es:

"Vereinbarung zwischen D. S., B., und J. S., F.,: Hiermit bestätige ich, von meinem Bru-der J. S. in der Zeit von 1983 bis 1988 zur Finanzierung meines Studiums einen Geldbe-trag in Höhe von 72.800 DM darlehensweise erhalten zu haben. Dieser Betrag ist ab so-fort mit 4% per anno zu verzinsen. Das Darlehen inklusive Zinsen wird zum 30.6.1993 zur Rückzahlung fällig."

Die Vereinbarung vom 5. Juli 1993 hat folgenden Wortlaut:

"Zur Tilgung des von Herrn J. S. an Herrn D. S. gewährten Darlehens ausweislich der Vereinbarung vom 23.12.1988 schließen die Parteien folgende Vereinbarung: Hiermit treten wir, J. und D. S., unsere beiden Sparbuchguthaben bei der D. Bank B. (Sparbuch Nr. und) mit einem Habensaldo von 60.000 bzw. 25.380 DM an Herrn J. S. ab. Die bei-den genannten Sparbücher werden an Herrn J. S. übergeben."

Mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 1999 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte ergänzend aus, die Angaben des Klägers seien unglaubhaft. Eine Abtretung der Sparbü-cher an seinen Bruder wäre für diesen nur dann sinnvoll gewesen, wenn die Abtretung auch im Verhältnis zur Bank vollzogen worden wäre. Andernfalls wären der Kläger und seine Ehefrau weiterhin berechtigt gewesen, Geldbeträge abzuheben. Die Forderungen des Bruders hätten so nicht gesichert werden können.

Am 13. April 1999 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Heilbronn. Er trug ergänzend vor, die Rechtsinhaberschaft eines Sparguthabens könne auch durch stille Abtretung geändert wer-den. Eine Anzeige gegenüber der Bank sei rechtlich nicht notwendig. Diese betreffe nur die Fra-ge, ob die Bank mit befreiender Wirkung leisten könne. Aus welchen Mitteln das Guthaben an-gespart worden sei, spiele keine Rolle; er sei auch nicht verpflichtet offen zu legen, wie sich das Sparguthaben entwickelt habe. Richtig sei zwar, dass zwischen der Abtretung und dem 10. April 1994 Gelder abgehoben worden seien. Das sei aber jeweils im Einverständnis mit seinem Bru-der, dem Zessionar, geschehen. Die Rechtsprechung zur verdeckten Treuhänderschaft finde vorliegend keine Anwendung. Es habe zwischen ihm und dem Zeugen J. S. zu keiner Zeit ein verdecktes Treuhandverhältnis vor-gelegen. Die Sparbücher seien von ihm an den Zeugen S.abgetreten und gleichzeitig seien die-sem die Sparbücher ausgehändigt worden.

Die Beklagte trug vor, der Kläger hätte das Guthaben mit Sicherheit nicht von seinem Verdienst nach Beendigung des Studiums ansparen können. Außerdem habe seine Ehefrau seit 1. August 1986 als Krankenschwester gearbeitet, was die finanzielle Lage der Familie mit zwei Kindern soweit hätte verbessern müssen, dass es nicht notwendig gewesen wäre, beim Bruder ein Darle-hen in der behaupteten Höhe aufzunehmen.

Das Sozialgericht vernahm den Bruder des Klägers als Zeugen; wegen des Inhalts seiner Anga-ben wird auf die Sitzungsniederschrift des Sozialgerichts vom 18. Januar 2001 (Sozialgerichtsak-te S. 35 ff.) Bezug genommen.

Nachdem die Beteiligten zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung genommen hatten, wies das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 28. November 2003 ab. Zur Begründung nahm es Bezug auf die Gründe des Widerspruchsbescheids und führte aus, es könne offen bleiben, ob man vorliegend die Rechtsgrundsätze zur so genannten verdeckten Treuhand anwenden könne. Dafür spreche, dass die sich aus dem objektiven Schein der Urkunde (des Sparbuchs) ergebende Rechtsinhaberschaft nicht der tatsächlichen Rechtslage entsprochen habe. Zudem sei die stille Zession nicht konsequent durchgeführt worden, weil der Kläger und seine Ehefrau für die Spar-bücher Freistellungsaufträge erteilt und aufrechterhalten hätten, obwohl sie nunmehr behaupte-ten, weder Inhaber des Vermögens noch des Zinsertrags gewesen zu sein. Jedenfalls widersprä-chen die Behauptungen des Klägers und seines Bruders jeder Lebenserfahrung und seien insge-samt nicht glaubhaft. Die vorgelegten Vereinbarungen über die Darlehensverbindlichkeit und ihre Verzinsung seien nicht nachvollziehbar. Denn der Kläger habe nach abgeschlossenem Stu-dium und Eintritt in das Arbeitsleben für zwei, später vier, Kinder sorgen müssen und die angeb-liche Darlehensschuld dennoch nicht seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten entsprechend in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen getilgt, um so auch die Zinsbelastung zu vermin-dern. Vielmehr wolle man auf einem Sparbuch angespart haben, um das behauptete Darlehen sodann in einem Betrag zurückzuzahlen. Der Zeuge, der Bruder des Klägers, habe außerdem - abweichend von der vorgelegten Vereinbarung - einen Zinssatz von 3,5% behauptet. Unerfind-lich sei auch, weshalb der Kläger das angesparte Geld auf mehrere eigene Sparbücher und nicht auf ein Konto seines Bruders oder (von vornherein) auf ein Treuhandkonto eingezahlt habe. Es falle zudem auf, dass die Rückzahlungsverpflichtung gerade dann eingetreten sein solle, als sich der Kläger habe arbeitslos melden müssen. Schließlich wolle der Zeuge, als er Ende 1996 Geld für den Ausbau seines Dachgeschosses benötigt habe, den Kläger gebeten haben, das Geld von den Sparbüchern abzuheben, obwohl er dazu nach Maßgabe der behaupteten Abtretungserklä-rung vom 5. Juli 1993 eigentlich selbst berechtigt gewesen sei. Die Beklagte habe deshalb zu Recht angenommen, dass die Sparguthaben in Wahrheit dem Kläger gehört hätten und ihm des-halb Arbeitslosenhilfe mangels Bedürftigkeit nicht zugestanden habe. Das Urteil wurde dem Kläger am 30. Januar 2004 zugestellt.

Am 26. Februar 2004 hat der Kläger Berufung eingelegt. Er trägt vor, das Vorliegen einer stillen Zession sei unstreitig. Das Sozialgericht habe zu Unrecht angenommen, diese sei mit der so ge-nannten verdeckten Treuhand gleichzusetzen. Ein Treuhandverhältnis zwischen ihm und seinem Bruder habe es nicht gegeben, weil sein Bruder im Besitz der Sparbücher gewesen sei. Soweit er nach der Abtretung des Sparguthabens noch Geld abgehoben habe, sei das jeweils mit seinem Bruder abgesprochen gewesen. Im Übrigen sei sein Vorbringen entgegen der Auffassung des Sozialgerichts glaubhaft.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 28. November 2003 und den Bescheid der Beklagten vom 10. Dezember 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. März 1999 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Be-zug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angesichts eines Rückforderungsbetrags von 19.308,- DM auch ohne Zulassung durch das Sozialgericht statthafte und auch sonst zuläs-sige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Der Rücknahme- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 10. Dezember 1998 beruht auf § 45 Abs. 1 und 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 2 SGB III sowie § 50 Abs. 1 SGB X und § 335 Abs. 1 SGB III. Danach sind rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte, wie zu Unrecht ergangene Bewilligungsbescheide über Arbeitslosenhilfe, (auch) mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, ohne dass der Beklagten Ermessen zustünde, soweit sie auf Angaben beruhen, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Bezie-hung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Bereits erbrachte Leistungen sind zu erstatten, soweit der ihnen zu Grunde liegende Verwaltungsakt aufgehoben worden ist (§ 50 Abs. 1 SGB X). Außerdem sind die von der Beklagten für den Leistungsbezieher gezahlten Beiträge zur ge-setzlichen Krankenversicherung zu ersetzen, soweit die Entscheidung über die Leistung rückwir-kend aufgehoben und die Leistung zurückgefordert worden ist (seit 1. Januar 1998: § 335 Abs. 1 SGB III bzw. zuvor § 157 Abs. 3a AFG). Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind erfüllt.

Der zurückgenommene Bescheid der Beklagten vom 24. Juni 1994 war insoweit von Anfang an rechtswidrig, als dem Kläger darin Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 30. Juni bis 21. Dezember 1994 bewilligt worden war. Denn für diese Zeit standen dem Kläger Leistungen nicht zu.

Maßgeblich für den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe sind die während des Aufhebungszeitraums geltenden Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes und der Arbeitslosenhilfeverordnung (Al-hiV). Nach § 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 AFG (i. d. F. des Art. 1 Nr. 33 des 7. Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 20. Dezember 1985, BGBl I S. 2484) können Ar-beitslose Arbeitslosenhilfe nur dann beanspruchen, wenn sie bedürftig sind. Gem. § 137 Abs. 2 AFG ist der Arbeitslose nicht bedürftig i. S. des § 134 Abs. 1 Nr. 3 AFG, solange (u.a.) mit Rücksicht auf sein Vermögen und das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegat-ten die Gewährung von Arbeitslosenhilfe offenbar nicht gerechtfertigt ist. Näheres zur Berück-sichtigung von Vermögen regeln die §§ 6 bis 9 AlhiV (i. d. F. der Verordnung vom 7. August 1974, BGBl I S. 1929). Danach ist Vermögen zu berücksichtigen, soweit es verwertbar und die Verwertung (nach Maßgabe des § 6 Abs. 3 AlhiV) zumutbar ist und der Wert des Vermögens, dessen Verwertung zumutbar ist, (hier) jeweils 8.000 Deutsche Mark übersteigt (§ 6 Abs. 1 Al-hiV). Verwertbar ist Vermögen insbesondere, soweit seine Gegenstände verbraucht, übertragen oder belastet werden können (§ 6 Abs. 2 Satz 1 AlhiV). Bedürftigkeit besteht nicht für die Zahl voller Wochen, die sich aus der Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das Ar-beitsentgelt ergibt, nach dem sich die Arbeitslosenhilfe richtet (§ 9 AlhiV).

Die Sparguthaben, die - wie hier - allein der gesetzlichen Kündigungsfrist unterliegen (vgl. Bl. 17 SG-Akte), sind im Sinne des § 6 Abs. 2 AlhiV verwertbares Vermögen. Dass die Verwertung aus einem der in § 6 Abs. 3 AlhiV genannten Gründe unzumutbar gewesen wäre, ist nicht er-sichtlich; der Kläger hat das auch nicht behauptet. Er wendet sich auch nicht gegen die Berech-nungen der Beklagten, die insoweit Rechtsfehler nicht erkennen lassen. Sie hat ausgehend von den Angaben des Klägers von dem unwidersprochen für den 30. Juni 1994 angenommenen Guthabenbetrag (zum maßgeblichen Zeitpunkt der Bedürftigkeitsprüfung BSG SozR 3-4220 Nr. 6) von insgesamt 57.410,20 DM (14,61 DM + 10,19 DM +45.385,40 DM + 12.000 DM) zu Recht einen Freibetrag von 16.000 DM (§ 6 Abs. 1 AlhiV: 2 x 8000 DM) abgezogen und das danach verwertbare Vermögen von 41.410,20 DM durch das maßgebliche Arbeitsentgelt von 1620 DM geteilt. Daraus ergibt sich die Zeit fehlender Bedürftigkeit von 25 Wochen. Dies ent-spricht der Zeit vom Beginn der Arbeitslosenhilfezahlung am 30. Juni 1994 bis zum 21. Dezem-ber 1994.

Der Kläger meint indessen, die Beklagte hätte die Sparguthaben (also die entsprechenden An-sprüche gegenüber der Bank) von vornherein nicht berücksichtigen dürfen, weil sie in Wahrheit nicht ihm, sondern seinem Bruder zugestanden hätten. Das trifft jedoch nicht zu.

Die Sparkonten waren (unstreitig) auf den Namen des Klägers und seiner Ehefrau eröffnet wor-den. Diese waren Partner der Darlehensverträge mit der Bank und Inhaber (Gläubiger) der Dar-lehensforderungen; ihnen stand das Geld auf den Sparkonten rechtlich zu. Die Sparkonten wur-den in der Folgezeit auch weiterhin ausschließlich auf die Namen des Klägers und seiner Ehefrau geführt. Weder bei der Kontoeröffnung noch später, etwa bei der Abhebung von Geldbeträgen, ist in irgendeiner Weise darauf hingewiesen worden, dass sich die Kontoinhaberschaft bzw. die Person des Darlehensgläubigers geändert hätte. Die Sparkonten sind auch in den Unterlagen der Bank nicht als Treuhandkonten, auf denen Gelder Dritter durch den Kontoinhaber treuhänderisch verwaltet würden, gekennzeichnet. Auch das ist unter den Beteiligten nicht streitig. Danach ist es aber schon aus Rechtsgründen ausgeschlossen, die Sparguthaben bei der Bedürftigkeitsprüfung nach § 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AFG bzw. der Berücksichtigung von Vermögen nach § 137 Abs. 2 AFG anderen Personen als dem Kläger und seiner Ehefrau, hier namentlich dem Bruder des Klägers, zuzuordnen.

Ob die vom Kläger vorgelegten Vereinbarungen tatsächlich entsprechend dem Vortrag des Klä-gers getroffen wurden und entsprechende Rechtswirkungen zwischen dem Kläger und seinem Bruder haben sollten, oder ob es sich dabei um die nachträgliche (ggfs betrügerische) Vortäu-schung eines Rechtsverhältnisses handelt, dessen alleinige Funktion darin besteht, dem Kläger Arbeitslosenhilfe trotz Sparguthaben zu ermöglichen, kann daher offen bleiben. Es bestand des-halb auch kein Anlass, insoweit weitere Ermittlungen anzustellen.

Im Ausgangspunkt ist festzuhalten, dass die Vereinbarung einer verdeckten (uneigennützigen) Vollrechtstreuhand (Verwaltungstreuhand) zwischen dem Arbeitslosen und einem Dritten nicht bewirken kann, dass auf den Namen des Arbeitslosen eröffnete Sparkonten bzw. die darauf ver-buchten Guthaben bei der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe als Vermögen des Dritten und nicht als Vermögen des Arbeitslosen behandelt werden und nach Maßgabe des § 137 Abs. 2 AFG - jetzt nach § 193 Abs. 2 SGB III - in Verbindung mit den Regelungen der Arbeitslosenhilfever-ordnung unberücksichtigt bleiben. Inhaberschaft bzw. Rechtscharakter eines Bankkontos bestimmen sich, unter besonderer Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles, nämlich maßgeblich nach dem erkennbaren Willen desjenigen, der das Konto einrichtet. Sein dabei nach außen für den Rechtsverkehr nicht erkennbar hervortretender innerer Willen ist rechtlich uner-heblich. Insbesondere genügt es nicht, wenn er lediglich den inneren Willen zur Errichtung eines Treuhandkontos hatte, dies aber nicht erkennbar nach außen zum Ausdruck gebracht hat. Ein solches verdecktes Treuhandkonto ist deshalb als reines Privatkonto des gegenüber der Bank auftretenden Kontoinhabers zu behandeln.

Dabei kommt es nach Ansicht des Senats ausschlaggebend nicht auf Einzelheiten der zivilge-richtlichen Rechtsprechung zum Konkurs- und Insolvenzrecht oder zur Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) des Treugebers, der Vollstreckungszugriffe auf ein Treuhandkonto abwehren will, an. Ob und inwieweit die Zivilgerichte Drittwiderspruchsklagen in solchen Fällen ablehnen, ins-besondere, wenn für einen Dritten eingezogene oder verwahrte Gelder nicht auf einem offenen Treuhandkonto verwahrt werden, mag deshalb dahinstehen (darauf maßgeblich abstellend aber Hessisches LSG, Urt. v. vom 9. Mai 2001, - L 6 AL 432/00 -; vgl. demgegenüber jedoch BGH, Urt. v. 1. Juli 1993, - IX ZR 251/92 -, NJW 1993, 2622, wonach für das Widerspruchsrecht des Treugebers nach § 771 ZPO die Publizität des Treuhandkontos nicht zwingend erforderlich sei). Denn die Situation der Beklagten mag derjenigen eines Gläubigers des Treuhänders zwar ähnlich sein, wenn der Arbeitslose geltend macht, ein auf seinen Namen lautendes Bankguthaben sei bei der Bedürftigkeitsprüfung deshalb nicht zu berücksichtigen, weil es sich um ein verdecktes Treuhandkonto handele. Andererseits geht es hier um die Gewährung staatlicher Sozialleistun-gen und nicht um eine vollstreckungsrechtliche Rechtsbeziehung unter Privaten, weshalb es nicht angehen kann, den Leistungsträger in gleichem Maße wie einen Gläubiger auf die Hin-nahme im Einzelfall undurchschaubarer Rechtsverhältnisses seines Schuldners zu verweisen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 1. Juli 1993, aaO). Der Senat folgt deshalb der insoweit einhelligen Rechtsprechung anderer Landessozialgerichte, wonach für das Recht der Arbeitslosenversiche-rung bzw. die Berücksichtigung von Vermögen bei der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe derje-nige, der als verdeckter Treuhänder den Rechtsschein der Vermögensinhaberschaft erzeugt, sich daher auch bei der Bedürftigkeitsprüfung durch den Sozialleistungsträger daran festhalten lassen muss (so Hessisches LSG, aaO; LSG Saarland, Urt. v. 4. November 2003, - L 6 AL 13/01 -; LSG Brandenburg, Urt. v. 27. Juni 2003, L 10 AL 4/02-) und das wirtschaftliche Risiko der Durch-setzbarkeit des Herausgabeanspruchs aus § 667 BGB dem Treugeber aufzubürden ist, der das verdeckte Treuhandverhältnis dadurch ermöglicht, dass er absichtlich nicht nach außen hin in Erscheinung tritt und daraus auch die Vorteile zieht (Hess LSG, aaO sowie LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 16. Januar 2002, - L 12 AL 40/01 - und Urt. v. 20. März 2002, - L 1 AL 85/01).

Diese Rechtsgrundsätze gelten nicht nur für solche Fallgestaltungen, in denen der Arbeitslose geltend macht, er sei zwar Inhaber (Gläubiger) der Darlehensforderung gegenüber der Bank, bei dem auf seinem Konto verbuchten Guthaben handele es sich aber um Gelder dritter Personen, mit denen er im (Innen-)Verhältnis eine Treuhandabrede getroffen habe, etwa über die Verwal-tung dieser Gelder, und denen er das Guthaben deshalb herausgeben müsse. Vielmehr kann der Arbeitslose die Berücksichtigung von Guthaben auf einem Bankkonto, das auf seinen Namen errichtet wurde und geführt wird, auch dadurch nicht verhindern, dass er den Darlehensanspruch gegen die Bank an einen Dritten abtritt (§ 398 BGB), nach außen aber weder die Abtretung offen legt noch kenntlich macht, dass auf dem weiterhin auf seinen Namen geführten Bankkonto frem-des Geld verbucht ist und ggf. treuhänderisch verwaltet wird. Auch dann muss er sich für die Bedürftigkeitsprüfung an dem von ihm geschaffenen Rechtsschein der Vermögensinhaberschaft festhalten lassen.

Nach Maßgabe dessen sind die behaupteten Vereinbarungen zwischen dem Kläger, seiner Ehe-frau und seinem Bruder vorliegend rechtlich ohne Bedeutung. Sie können nicht bewirken, dass die Sparguthaben in Ansehung der Bedürftigkeitsprüfung nach § 137 Abs. 2 AFG aus dem Ver-mögen des Klägers ausscheiden. Anderes gälte nur dann, wenn über die Vereinbarungen im In-nenverhältnis zwischen dem Kläger, seinem Bruder und seiner Ehefrau hinaus für den Rechts-verkehr offenkundig gemacht worden wäre, dass das auf den Sparkonten verbuchte Guthaben künftig nicht mehr den ursprünglichen Kontoinhabern, sondern einem Dritten (als Treugeber), hier dem Bruder des Klägers zustehen und dieser Partner des Darlehensvertrags mit der Bank sein solle. Dazu hätte es etwa genügt, der Bank als Schuldnerin der Darlehensforderung die For-derungsabtretung anzuzeigen und damit den (künftigen) Charakter des Sparkontos (letztendlich) als Treuhandkonto des Klägers zur Verwahrung fremder Gelder offen zu legen. Der Kläger hat das nicht getan, sondern im Gegenteil den Rechtsschein der Vermögensinhaberschaft nicht nur aufrecht erhalten, sondern nach außen hin sogar noch bekräftigt, indem er bzw. seine Ehefrau Freistellungsaufträge für die auf ihre Namen geführten Sparkonten erteilt und im eigenen Namen Geldbeträge abgehoben haben.

Auch die weiteren Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X sind erfüllt. Denn die rechtswidrige Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 30. Juni bis 21. Dezember 1994 beruhte darauf, dass der Kläger jedenfalls grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung un-richtige bzw. unvollständige Angaben gemacht hat, als er die Sparkonten bei der Beantragung von Arbeitslosenhilfe nicht mitteilte. Grobe Fahrlässigkeit liegt dabei nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 zweiter Halbsatz SGB X vor, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, also schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und deshalb dasjenige nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss; da-bei sind die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das geistige Vermögen des Begünstigten sowie die besonderen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Der Kläger wurde im An-trag auf Arbeitslosenhilfe ausdrücklich und unmissverständlich (auch) nach eigenen Bankgutha-ben bzw. Bankguthaben seiner Ehegattin gefragt. Diese Fragen (unter Nr. 8 auf Seite 3 des An-tragsformulars -Verwaltungsakte S. 15) hat er verneint und die auf seinen und den Namen seiner Ehegattin geführten Sparkonten nicht angegeben. Selbst wenn er mit Blick auf die Vereinbarun-gen mit seinem Bruder unter fehlerhafter Einschätzung der Rechtslage angenommen haben soll-te, die Sparkonten gehörten nicht mehr zu seinem Vermögen, hätte er sie bei einfacher und nahe-liegender Überlegung dennoch angeben müssen, damit die Beklagte die maßgeblichen Rechts-fragen im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung hätte klären können. Wer solch fehlerhafte Überle-gungen anstellt, ohne sich bei der Beklagten zuvor zu informieren, handelt grob fahrlässig.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht hat es die Beklagte zwar versäumt, den Kläger vor Erlass des Bescheids vom 10. Dezember 1998 gem. § 24 SGB X anzuhören. Dieser Mangel ist jedoch im Widerspruchsverfahren gem. § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt worden. Im Bescheid vom 10. Dezember 1998 wurden dem Kläger die entscheidungserheblichen Tatsachen, insbesondere zur Berücksichtigung der Sparguthaben bei der Bedürftigkeitsprüfung, so unterbreitet, dass er sie als solche erkennen und sich zu ihnen auch sachgerecht äußern konnte (vgl. näher von Wulffen, SGB X, § 41 Rdnr. 7). Die Rücknahmefrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X ist gewahrt. Die Be-klagte hat die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe durch Bescheid vom 10. Dezember 1998 und damit innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der die Rücknahme für die Vergangenheit rechtferti-genden Tatsachen (teilweise) zurückgenommen, nachdem sie von den Sparkonten erst im Lauf des Jahres 1998 (zunächst durch das Schreiben des Klägers vom 25. Juni 1998) erfahren hatte.

Nach der teilweisen Rücknahme des Bewilligungsbescheids vom 20. Juni 1994 ist der Kläger gem. § 50 Abs. 1 SGB X verpflichtet, die ihm für die Zeit vom 30. Juni bis 21. Dezember 1994 gezahlte Arbeitslosenhilfe zu erstatten. Außerdem muss er gem. § 335 Abs. 1 SGB III die von der Beklagten getragenen Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zurückzahlen. Die Höhe der Erstattungsbeträge wurde von der Beklagten zutreffend errechnet. Der Senat nimmt hierfür auf Bl. 105 der Verwaltungsakten Bezug.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechts-sache zugelassen. Zwar war vorliegend hinsichtlich der Bestimmungen des Arbeitsförderungsge-setzes und der mittlerweile geänderten Arbeitslosenhilfeverordnung außer Kraft getretenes Recht anzuwenden. Die maßgeblichen Rechtsfragen hinsichtlich der Einstufung von Treuhandvermö-gen stellen sich aber auch unter Anwendung des derzeit geltenden Rechts bei der in § 193 SGB III vorgesehenen Bedürftigkeitsprüfung und werden sich zukünftig bei der Anwendung von § 12 SGB II stellen. Durch die zum Urteil des Hessischen LSG vom 9. Mai 2001 (aaO) ergangene Revisionsentscheidung des Bundessozialgerichts vom 19. Dezember 2001 (- B 11 AL 50/01 R -) sind die Rechtsfragen nicht geklärt worden, weil die Revision mangels ausreichender Revisionsbegründung als unzulässig verworfen wurde.
Rechtskraft
Aus
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