L 16 KR 157/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 27 KR 97/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 157/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 03.06.2002 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 09. Oktober 2002 wird abgewiesen. Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme.

Der 19 ... geborene Kläger erlitt 1996 einen Vorderwandinfarkt und am 14.02.1997 wurde eine Myocardrevaskularisation bei coronarer Dreigefäßerkrankung durchgeführt. Der Kläger wurde u.a. vom 21.02. bis 26.02.1997, 18. bis 19.09.1998, 02.06. bis 04.06.1999, 03. bis 06.01.2000 und 27.01. bis 31.01.2001 stationär wegen seiner Herzerkrankung behandelt. In der Zeit vom 22.06. bis 19.07.1999 wurde eine stationäre Heilmaßnahme in der Klinik ... H ... in Bad W ... durchgeführt.

Im März 2001 beantragte der Kläger eine erneute stationäre Heilbehandlung bei der beklagten Krankenkasse zur Vermeidung weiterer instabiler Angina-pectoris-Anfälle, einer erneuten Herz-Operation, Gelenkversteifung mit Folgen sowie einer Pflegebedürftigkeit. Der Antrag wurde wegen einer deutlichen Verschlechterung der Dreigefäßerkrankung von den Allgemeinmedizinern Sch ... und F ... befürwortet. Dem widersprach Frau Dr. B ... vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), weil eine Ausnahmeindikation für eine Kurwiederholung vor Ablauf der Vierjahresfrist nicht erkennbar sei. Mit Bescheid vom 29.03.2001 lehnte die Beklagte daraufhin die Durchführung einer stationären Rehabilitation ab.

Der Kläger legte am 09.04.2001 Widerspruch ein, mit dem er darauf hinwies, dass die Idee des Kurantrages auch auf die Initiative des Allgemeinmediziners F ... zurückzuführen sei, der sich aus Angst vor der Krankenkasse aber nicht mehr entsprechend äußern wolle.

Die Beklagte veranlasste ein weiteres Gutachten durch den MDK. Dr. Sch ... kam in seinem Gutachten vom 27.04.2001 zu dem Ergebnis, dass die ambulanten Therapiemöglichkeiten am Wohnort des Klägers nicht ausgereizt seien, die Teilnahme an einer Herzsportgruppe zumutbar sei und immerhin eine Belastbarkeit bis 150 Watt bei frei durchgängigen Bypassarterien dokumentiert sei. Auch eine Gewichtsreduktion durch Teilnahme an einer Diätberatung sowie Verringerung der Aufnahmekalorien seien sehr hilfsreich. Auch dem widersprach der Kläger unter Hinweis darauf, dass 1997 lediglich eine Belastbarkeit von 75 Watt gemessen worden sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.08.2001 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Der Kläger hat am 28.05.2001 vor dem Sozialgericht (SG) Duisburg Klage erhoben und geltend gemacht, durch die behandelnden Ärzte der Klinik ... H ... sei eine Kurwiederholung nach zwei Jahren empfohlen worden.

Das SG hat Befundberichte von dem Allgemeinmediziner Dr. V ..., dem Orthopäden Dr. B ... und dem Internisten/Kardiologen Dr. M ... eingeholt, auf welche verwiesen wird.

Mit Urteil vom 03.06.2002 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das ihm am 11.07.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.07.2002 Berufung eingelegt. Er macht geltend, aufgrund seiner gesundheitlichen Situation sei eine Kurmaßnahme dringend angeraten, wie es der Bescheinigung des Dr. K ... von der Klinik ... H ... in Bad W ... entspreche. Des weiteren beruft er sich auf eine Bescheinigung des Internisten Dr. Schw ... vom 12.09.2002, wonach in den letzten 12 Monaten wiederholt stationäre Aufenthalte aufgrund einer Angina pectoris-Symptomatik erforderlich geworden seien und aufgrund der Schwere der Erkrankung eine stationäre Vorsorge- bzw. Rehabilitationsleistung sinnvoll sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des SG vom 03.06.2002 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.08.2001 zu verurteilen, ihm eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat eine weitere Stellungnahme der MDK-Ärztin Dr. B ... vom 04.10.2002 vorgelegt, wonach weiterhin eine Ausnahmeindikation für eine Kurwiederholung vor Ablauf der Vierjahresfrist nicht erkennbar sei.

Mit weiterem formlosen Bescheid vom 09.10.2002 hat die Beklagte erneut eine Kurwiederholung vor Ablauf der gesetzlichen 4-Jahres-Frist abgelehnt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, da dieser mit der ordnungsgemäßen Ladung auf diese Möglichkeit, deren Zulässigkeit aus dem Regelungsgehalt der § 110, 124, 126, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) folgt, hingewiesen worden ist.

Der Senat hatte in seiner Entscheidung auch die weitere Ablehnung der Beklagten vom 09.10.2002 einzubeziehen, da dieser Bescheid nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden ist.

Die zulässige Berufung sowie die Klage gegen letzteren Bescheid sind unbegründet.

Dem Kläger steht kein Anspruch auf eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme zu.

Die Krankenkasse kann nach § 40 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer Rehabilitationseinrichtung erbringen, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht, wenn eine ambulante Krankenbehandlung und ambulante Rehabilitationsleistungen nicht ausreichen. Zusätzlich bestimmt § 40 Abs. 3 Satz 4 SGB V, dass Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 nicht vor Ablauf vor 4 Jahren nach Durchführung solcher oder ähnlicher Leistungen erbracht werden, deren Kosten aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften getragen oder bezuschusst worden sind, es sei denn, eine vorzeitige Leistung ist aus medizinischen Gründen dringend erforderlich. Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger überhaupt einer stationären Rehabilitation bedarf und schon gar nicht vor Ablauf der 4-Jahres-Frist. Dies steht zur Überzeugung des Senats insbesondere unter Auswertung der von der Beklagten und dem Sozialgericht eingeholten medizinischen Unterlagen fest. Dr. Schi ... hat in seinem für die Beklagte erstellten Gutachten, das der Senat urkundsbeweislich verwertet hat, schlüssig darauf verwiesen, dass die ambulanten Therapiemöglichkeiten am Wohnort des Klägers nicht ausgeschöpft sind. Beispielsweise hat er die Teilnahme an einer Herzsportgruppe sowie in einer Diätberatung genannt. Wenn der Kläger dem entgegenhält, Dr. Schi ... sei unzulässigerweise von einer ergometrischen Belastbarkeit des Klägers bis 150 Watt ausgegangen, kann dem nicht gefolgt werden. Eine erheblich geringere Belastung des Klägers ist lediglich im Belastungs-EKG vom 25.02.1997 mit 75 Watt (Bericht des Dr. H ..., Chefarzt der Inneren Abteilung des Krankenhauses ... M ..., vom 04.03.1997) bescheinigt. Schon im Bericht des Dr. B ..., Oberarzt der Klinik für Herz- und Gefäßkrankheiten der ...- Klinik vom 21.09.1998 ist eine Belastbarkeit von 175 Watt dokumentiert. Diese ist zwar nach den Berichten des Dr. F ... vom 04.06.1999 und des Dr. K ... vom 20.08.1999 auf 125 Watt gesunken, jedoch haben Dr. R ... im Januar 2000 und Dr. M ... im September 2000 wieder eine verbesserte Belastbarkeit von 150 Watt festgestellt. Dieser Wert ist unverändert im Oktober 2001 von Dr. V ... dokumentiert worden. In Übereinstimmung mit Dr. Schi ... haben Dr. M ... und Dr. V ... daher eine stationäre Rehabilitation nicht für notwendig erachtet.

Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten Bescheinigung des Dr. Schw ... vom 12.09.2002; denn auch dort ist die stationäre Rehabilitation nur als "sinnvoll" beschrieben worden. Dass sie notwendig wäre, weil ambulante Maßnahmen nicht mehr zur Krankenbehandlung im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB V ausreichen, hat auch Dr. Schw ... nicht bescheinigt.

Insbesondere hat Dr. Schw ... auch keine Gründe benannt, die eine Wiederholung der stationären Behandlung vor Ablauf der 4-Jahres-Frist des § 40 Abs. 3 Satz 4 SGB V erforderlich machten. Entgegen der Auffassung des Klägers hat der Senat diese Voraussetzungen bei dem geltend gemachten Anspruch zu prüfen, denn die Beklagte hat allein über eine solche vorzeitige Maßnahme entschieden (vgl. zuletzt den Bescheid vom 09.10.2002) und die 4-Jahres-Frist ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats auch noch nicht abgelaufen gewesen. Die letzte stationäre Maßnahme, die dem Kläger durch die Beklagte gewährt worden ist, hat aber erst am 22.06.1999 begonnen, so dass die Frist nicht vor dem Juni 2003 ablaufen kann.

§ 40 Abs. 3 Satz 4 SGB V sieht eine vorzeitige Wiederholung entsprechender Maßnahmen vor der genannten Frist vor, wenn sie aus medizinischen Gründen erforderlich ist. Ob insoweit eine Unaufschiebbarkeit der Maßnahme zu fordern ist, weil andernfalls erhebliche gesundheitliche Schäden oder Nachteile zu befürchten sind (vgl. Höfler, Kassler Kommentar, Rdn. 6 zu § 40 SGB V), oder ob es jedenfalls bei schwerwiegenden Vorerkrankungen ausreichend ist, dass die Rehabilitation erforderlich erscheint (so Schmidt in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Rdn. 221 zu § 40), kann letztlich dahinstehen. Schon das Erfordernis der Rehabilitation hat keiner der gehörten Ärzte bescheinigt.

Soweit der Kurarzt Dr. K ... in seinem Bericht vom 31.01.2000 eine baldige Wiederholung der Rehabilitationsmaßnahme nach Ablauf von 2 Jahren angeregt hat, ist dies unergiebig, da es sich lediglich um eine prognostische Einschätzung ohne Kenntnis des jetzigen Gesundheitszustandes handelt. Letzterer gebietet aber nach den zeitnahen Beurteilungen der behandelnden Ärzte nicht die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme. Bei dieser Sachlage bestand auch kein Anlass für den Senat, Dr. K ... als Zeugen zu hören, wie der Kläger dies schriftsätzlich beantragt hat, oder weitere medizinische Ermittlungen durchzuführen.

Die Berufung und die Klage konnten daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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