L 18 V 1/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
18
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 5 V 13/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 V 1/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch besteht, wenn die Versorgungsbehörde auch bei bereits archivierten Fällen nicht rechtzeitig auf Gesetzesänderungen (hier Rentenreformgesetz 1992) hinweist, die beim Berechtigten nunmehr zu einem Anspruch führen könnten. Den Versorgungsbehörden obliegt eine gesteigerte Fürsorgepflicht gegenüber den Versorgungsberechtigten.
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 01.12.1999 aufgehoben und der Bescheid des Beklagten vom 09.01.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.03.1998 abgeändert.
II. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Witwenversorgung ab 01.01.1992 zu gewähren.
III. Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Beginn einer wieder aufgelebten Witwenrente nach dem ersten Ehemann der Klägerin.

Die am ...1917 geborene Klägerin war in erster Ehe mit dem am 25.01.1943 gefallenen ... (M) verheiratet. Der Anspruch auf Witwenversorgung war durch die Verheiratung mit ... (F) am 30.08.1947 erloschen. Nach dem Tod des F stellte die Klägerin am 26.09.1984 erneut Antrag auf Gewährung von Witwenversorgung nach M, die der Beklagte mit Bescheid vom 03.12.1984 gewährte. Eine zahlbare Witwenrente ergab sich wegen Anrechnung der Witwenrente aus der Arbeiterrentenversicherung nach dem zweiten Ehemann nicht. Der Folgebescheid vom 06.11.1986 enthielt folgenden Zusatz: "Bei den derzeitigen Einkommensverhältnissen errechnet sich kein Zahlbetrag der Witwenrente. Der Versorgungsfall wird deshalb aus dem laufenden Bestand genommen. Eine evtl (Wieder-)Gewährung von Witwenrente aufgrund einer Änderung ihrer Einkommensverhältnisse - ausgenommen natürlich die Erhöhung infolge der jährlichen Rentenanpassungen - (zB als Bewilligung von Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem ersten Ehemann) ist somit nur auf Ihren entsprechenden Antrag hin möglich."

Mit Schreiben vom 25.09.1997 empfahl der Beklagte der Klägerin beim Rentenversicherungsträger einen Antrag auf Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten zu stellen, da sie durch das Rentenreformgesetz (RRG 1992) einen neuen Witwenrentenanspruch haben könnte. Im Falle einer positiven Entscheidung durch den Rentenversicherungsträger würde ihr eine insgesamt höhere Witwenversorgung zustehen.

Am 12.10.1997 stellte die Klägerin beim Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Witwenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Die Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 10.12.1997 mit, dass der Klägerin Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des M ab 01.10.1996 bewilligt worden sei. Die Rentenhöhe betrage Null DM.

Der Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 09.01.1998 im Anschluss an den Bescheid vom 06.11.1986 von Amts wegen Witwenrente nach Wiederaufleben des Anspruches ab Oktober 1996 in Höhe von 557,00 DM und ab Juli 1997 in Höhe von 565,00 DM.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein und begehrte, ihr die Rente nach dem BVG bereits ab dem 01.01.1992 zu gewähren. Sie machte geltend, ihren Anspruch aufgrund der Unkenntnis der Rechtslage nicht früher geltend gemacht zu haben. Der Beklagte habe es versäumt, sie rechtzeitig auf die geänderte Rechtslage hinzuweisen. Wegen dieses Beratungsfehlers habe sie gegen den Beklagten einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13.03.1998 zurück. Er bestritt das Bestehen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches, da er keine objektive Pflichtverletzung begangen habe. Die im Archiv abgelegten Akten hätten nicht mehr unter laufender Überwachung gestanden. Zum Zeitpunkt der Abgabe an das Archiv habe nicht vorhergesehen werden können, dass sich ab 01.01.1992 die Rechtslage in der gesetzlichen Rentenversicherung so ändern werde, dass sich wieder eine Witwenrente nach dem BVG errechnen werde. Aufgrund einer internen Weisung vom 11.11.1991 hätten die Bayer. Versorgungsämter die im EDV-Datenbestand erfassten Fälle des § 44 BVG hinsichtlich des Anspruchs auf Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem vorletzten Ehemann aufgrund des RRG überprüft. Die EDV-Listen hätten naturgemäß nur den laufenden Bestand und nicht die im Archiv abgelegten Fälle enthalten. Die Auskunfts- und Beratungspflicht gehe nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht soweit, dass bei jeder Rechtsänderung auch Archivfälle mit erheblichem Verwaltungsaufwand durchforstet werden müssten.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Bayreuth hat die Klägerin weiterhin die Zahlung der Witwenrente ab 01.01.1992 begehrt. Sie hat den Beklagten für verpflichtet gehalten, die bereits im Archiv befindlichen Akten zeitnah nach dem In-Kraft-Treten des RRG 92 durchzusehen. Durch die unterschiedliche Organisation von laufenden EDV- und Archivfällen sei auch der Gleichheitsgrundsatz verletzt worden.

Auf Anfrage des SG hat der Beklagte mit Schreiben vom 25.06.1998 mitgeteilt, dass nach Auskunft seiner EDV-Abteilung im Jahr 1991 die Wiederaufnahme des ruhenden Bestandes in den laufenden Bestand rein technisch möglich gewesen sei. Wegen des erheblichen Programmieraufwands und vieler anderer Programmierarbeiten sei von einer Wiederaufnahme des ruhenden Bestandes aber abgesehen worden. An eine zeitraubende und personalintensive Durchforstung der im Archiv gelagerten Fälle sei damals und jetzt nicht gedacht gewesen. Das Versorgungsamt Bayreuth habe von sich aus etwa im Sommer/Herbst 1997 in einer Phase des geringeren Arbeitsdrucks das Archiv durchforstet und dabei neben vielen anderen gleichgelagerten Fällen den vorliegenden Fall aufgegriffen. Ein konkreter Anlass zur Beratung habe nicht bestanden, da die für die Klägerin offensichtlich positive Dispositionsmöglichkeit nicht im Wege der normalen Aktenbearbeitung erkennbar gewesen sei.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 01.12.1999 abgewiesen. Es hat ein objektives Fehlverhalten des Beklagten verneint und dies im Wesentlichen damit begründet, dass der Beklagte im Rahmen seiner Organisationsgewalt selbständig über den Personaleinsatz entscheiden dürfe und dies vom Gericht zu respektieren sei.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt und zusätzlich zu ihrem bisherigen Vorbringen die Auffassung vertreten, die Fallgruppe der Witwenrente nach dem vorletzten Ehemann hätte bei der Herausnahme aus dem laufenden Bestand in der EDV vermerkt werden müssen. Eine möglicherweise fehlerhafte Archivierung und der damit verbundene erhöhte Programmieraufwand könnten nicht zu ihren Lasten gehen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des SG Bayreuth vom 01.12.1999 aufzuheben und den Bescheid vom 09.01.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.03.1998 abzuändern sowie den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Witwenversorgung ab 01.01.1992 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Bayreuth vom 01.12.1999 zurückzuweisen.

Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Beschädigtenakte des Beklagten, die beigezogene Witwenrentenakte der Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken 18 28 07 14 M 028 und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) eingelegte Berufung ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung von Witwenversorgung ab 01.01.1992 im Wege des Herstellungsanspruches.

Die Wiedergewährung der Witwenversorgung nach dem BVG beruhte auf einer Gesetzesänderung durch das RRG 1992 mit Wirkung ab 01.01.1992, wonach ein rentenversicherungsrechtlicher Anspruch nach dem vorletzten Ehegatten nicht mehr davon abhing, ob im Zeitpunkt der Wiederheirat ein Anspruch auf Rente bestanden hat (§ 46 Abs 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch -SGB VI-). Nach dem RRG 1992 wird im Fall eines neuen Witwenrentenanspruches nach dem vorletzten Ehegatten der Anspruch auf Witwenrente, Versorgung, Unterhalt oder auf sonstige Renten nach dem letzten Ehegatten auf die neue Witwenrente angerechnet (§ 90 Abs 1 SGB VI).

Nach § 44 Abs 2 BVG lebt der Anspruch auf Witwenversorgung wieder auf, wenn die neue Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt wird. Die Neuregelung durch das RRG hatte direkte Auswirkungen auf den Anspruch nach dem BVG, weil nach § 44 Abs 5 Satz 1 BVG Versorgungs-, Renten- oder Unterhaltsansprüche, die sich aus der neuen Ehe herleiten, auf die Witwenrente (Abs 2) nur insoweit anzurechnen sind, als sie nicht schon zur Kürzung anderer wiederaufgelebter öffentlich-rechtlicher Leistungen geführt haben. Der neue Anspruch gegen den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, der auch Null DM betragen kann, führt somit zu einem höheren Anspruch nach dem BVG.

Die Voraussetzungen für den Herstellungsanspruch liegen hier vor. Die verspätete Antragstellung der Klägerin auf Wiedergewährung der Witwenversorgung ist durch ein objektives Fehlverhalten des Beklagten verursacht worden. Der Beklagte war verpflichtet, die Klägerin bereits im Jahr 1992 zur Antragstellung beim Rentenversicherungsträger anzuregen.

Der Herstellungsanspruch ist in der Rechtsprechung des BSG ua anerkannt, wenn ein Versicherter durch eine Verletzung der Aufklärungs- und Beratungspflicht der Verwaltung von der rechtzeitigen Wahrnehmung ihm zustehender Rechte abgehalten wurde (BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 20). Es muss sich um Sachverhalte handeln, bei denen durch ein objektives Fehlverhalten der Verwaltung die Entscheidung des Versicherten über die Wahrnehmung von Rechten zu seinen Ungunsten fehlgeleitet wurde, das Verwaltungshandeln (oder -unterlassen) somit zu der für den Versicherten ungünstigen Rechtsposition beigetragen haben (aaO).

Die Versorgungsverwaltung hatte im Rahmen ihrer (fortbestehenden) Fürsorgepflicht festzustellen, welche Leistungen der Klägerin zustehen. Der Beklagte war gemäß § 17 Abs 1 Nr 1 SGB I verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Klägerin die ihr zustehenden Sozialleistungen umfassend erhält. Die Behörde hat im Rahmen ihrer Fürsorge- und Betreuungspflicht alles zu tun, damit der Bürger, der ihrem amtlichen Wirken anvertraut ist, alle Leistungen erhält, deren materiell-rechtliche Voraussetzungen er erfüllt. Dabei ist das Antragsprinzip nicht schematisch und formalisiert zu handhaben (Rohr/Strässer Kommentar zum BVG § 1 K 40 unter Verweisung auf BSG-Rechtsprechung).

Ausgehend von diesen Voraussetzungen ist ein Herstellungsanspruch der Klägerin zu bejahen. Der Beklagte war verpflichtet, die Neuregelung des RRG 1992 auf alle von ihm betreuten Hinterbliebenen anzuwenden. Hierzu hatte der Beklagte geeignete Maßnahmen zu treffen, dass auch einschlägige Archivfälle (ruhender Bestand) in den Genuss der Neuregelung kommen. An dem Erfordernis einer Antragstellung der betroffenen Versorgungsberechtigten o h n e eine entsprechende Aufforderung durch den Beklagten hat der Beklagte - anders als im Zusatz zum Bescheid der Klägerin vom 06.11.1986 - nicht festgehalten. Vielmehr hat er den im laufenden EDV-Bestand enthaltenen Versorgungsberechtigten im Jahr 1991 anheim gestellt, bei den Versicherungsträgern einen Antrag auf Gewährung einer Versichertenrente nach dem ersten Ehemann zu stellen.

Der Beklagte beruft sich bei seiner Ablehnung zu Unrecht auf die im Bereich der Rentenversicherung ergangene Rechtsprechung des BSG zum Herstellungsanspruch. Das BSG hat entschieden, dass ein Tätigwerden der Behörde im Rahmen der Betreuungspflicht nur dann zu bejahen ist, wenn sich ein konkreter Anlass im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens ergibt, den Versicherten spontan auf klar zu Tage liegende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen (so BSG SozR 3-2600 § 115 Nrn 2, 3 und 4 mwN). Dabei setzt die Annahme eines konkreten Anlasses für die Beratung im Allgemeinen voraus, dass zumindest tatsächlich eine Sachbearbeitung durch einen Mitarbeiter des Versicherungsträgers stattgefunden hat und nicht nur eine EDV-gestützte Abarbeitung massenhafter Rentenfälle vorliegt (aaO). Das BSG hat einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auch nach einer Verletzung der aus § 115 Abs 6 SGB VI resultierenden Hinweispflicht auf einen Rentenantrag in Betracht gezogen (aaO). Nach dieser Vorschrift sollen die Träger der Rentenversicherung die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen. Diese gesetzliche Regelung hat den Sinn und Zweck, Versicherte in bestimmten Fällen vor den Nachteilen des Antragsprinzips zu bewahren, zumindest dann, wenn sie im Hinblick auf eine komplizierte gesetzliche Regelung schwierig vorauszusehen sind. Wenn die Adressaten derartiger Hinweise - jedenfalls als "Fallgruppe" - bestimmbar sind, steht den Angehörigen dieser Gruppe ein subjektiv-öffentliches Recht auf Erteilung eines Hinweises zu. Im Gegensatz zur allgemeinen Aufklärung der Versicherten über ihre Rechte (§ 13 SGB I) ist hier der Rentenversicherungsträger verpflichtet, den Angehörigen der Fallgruppe die entsprechenden Hinweise im Regelfall zu geben, wenn es ihm möglich ist, zu erkennen, dass bei typischen Sachverhalten die Angehörigen einer abgrenzbaren Gruppe von Versicherten durch die Rentenantragstellung höhere Leistungen in nicht unerheblichem Umfang erhalten (aaO).

Diese für den Bereich der Rentenversicherung entwickelte Rechtsprechung zum Herstellungsanspruch kann nicht ohne Weiteres auf den vorliegenden Fall des sozialen Entschädigungsrechts übertragen werden. Zum einen ist es schon zweifelhaft, ob die Grundsätze über eine Spontanberatung bei archivierten Fällen überhaupt zur Anwendung kommen können, da derartige Versorgungsfälle nicht mehr im Rahmen der "normalen" Sachbearbeitung und Bestandspflege bearbeitet werden. Zum anderen findet sich im Versorgungsrecht keine dem § 115 Abs 6 SGB VI vergleichbare Regelung. Dies ist nach Auffassung des Senats aber auch nicht erforderlich. Denn auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung besteht eine der Vorschrift des § 115 Abs 6 SGB VI vergleichbare Verpflichtung des Beklagten zur Beratung aufgrund der im sozialen Entschädigungsrecht zu fordernden gesteigerten Fürsorgepflicht des Beklagten. Die Nichterfüllung der Beratungspflicht im Zusammenhang mit der mangelhaften Erfassung der Fallgruppe "Null-Fälle bei wieder aufgelebter Witwenrente" stellt ein objektives Fehlverhalten des Beklagten dar, für das er im Rahmen des Herstellungsanspruches einzustehen hat.

Der Beklagte bestreitet die ihm obliegende Fürsorgepflicht zur Anregung einer Antragstellung nach dem RRG 1992 nicht. Dies ergibt sich schlüssig aus der von ihm durchgeführten Aufklärungsaktion im Jahr 1991. Der Beklagte fordert auch für die vom RRG 1992 erfasste Fallgruppe der wiederaufgelebten Witwenrenten nicht die strenge Einhaltung des Antragsprinzips. Dies ist rechtens, da es sich in diesen Fällen nicht um Erstanträge auf Versorgung handelt. Es ist deshalb auch rechtlich zutreffend, wenn der Beklagte den Bescheid vom 09.01.1998 von Amts wegen und nicht auf Antrag hin erlassen hat. Für die Herausnahme des Versorgungsfalles der Klägerin aus dem laufenden Bestand gab es keine gesetzliche Grundlage. Der Speichervermerk des Beklagten vom 13.11.1986 im Datenbestand "weggefallen ab 12/86 wegen Entzugs" stellt lediglich einen internen Arbeitsvermerk dar, der im Übrigen nicht zutreffend war, da der Klägerin die Witwenversorgung nicht entzogen worden ist. Eines erneuten Antrags der Klägerin bei dem Beklagten zur "Wiedergewährung der Witwenrente" bedurfte es daher nicht. Selbst in den gesetzlich geregelten Fällen des Ruhens von Versorgungsleistungen gemäß § 65 BVG (Ausschluß von Doppelleistungen bei gleichzeitigem Bezug von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung oder nach beamtenrechtlichen Bestimmungen) erlischt der Anspruch auf Versorgung nicht (VV Nr 1 zu § 65 BVG) und es bedarf keiner erneuten Antragstellung bei Wegfall des Ruhensgrundes, vielmehr ist die Versorgung von Amts wegen zu gewähren (Rohr/Strässer aaO § 65 K 2).

Der Beklagte hat die archivierten Null-Fälle zu Unrecht nicht in die Aufklärungsaktion des Jahres 1991 einbezogen. Er hätte die Archivfälle auch unter Inkaufnahme eines erheblichen Arbeitseinsatzes wieder aufgreifen müssen. Es kann und darf nicht vom zufälligen Willen und den personellen Möglichkeiten des jeweiligen Versorgungsamtes abhängen, ob entsprechende Nachforschungen im Archiv angestellt werden. Dadurch dass der Beklagte es unterlassen hat, für Bayern eine generelle Regelung zur Erfassung der Altfälle zu treffen, hat er den Boden gesetzmäßigen Verwaltungshandelns verlassen. Wenn der Beklagte die EDV-mäßige Erfassung der abgrenzbaren Gruppe von Versorgungsberechtigten zeitnah überhaupt nicht für realisierbar gehalten hat, ist hierin nicht - wie das SG annimmt, ein vom Gericht hinzunehmendes Verwaltungshandeln als Ausfluss der behördlichen Organisationsgewalt zu sehen. Vielmehr erfüllt der Beklagte bewusst nicht den in § 17 Abs 1 Nr 1 SGB I normierten gesetzlichen Auftrag, den Kriegsopfern die ihnen zustehenden Versorgungsleistungen umfassend und schnell zu gewähren. Diese allein der Sphäre des Beklagten zuzurechnende Weigerung, soziale Leistungen zu gewähren, geht zu Lasten des Beklagten und ist durch den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auszugleichen. Dabei bleibt es selbstverständlich dem Beklagten überlassen, wie er sein vorhandenes Personal einsetzt. Die Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns des Beklagten wird aber nicht dadurch ausgeräumt, dass ihm möglicherweise im EDV-Bereich die personellen und sächlichen Möglichkeiten zur Erfassung der abgrenzbaren Gruppe der Versorgungsberechtigten gefehlt haben. Denn der Herstellungsanspruch fordert lediglich die Feststellung einer objektiven Pflichtverletzung und es ist ohne Belang, worauf sich diese Pflichtverletzung letztlich gründet. Dass eine EDV-mäßige Erfassung - und nicht nur eine zeitraubende Durchforstung des Archivs - der wieder aufgelebten Witwenrenten möglich gewesen wäre, hat der Beklagte selbst eingeräumt.

Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch bleibt im Rahmen der nicht mehr als vier Jahre rückwirkenden nachträglichen Leistungsgewährung (BSG SozR 3-1300 § 44 Nr 25).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision iSd § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved