L 5 ER 37/05 KR

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mainz (RPF)
Aktenzeichen
S 11 ER 45/05 KR Mz
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 ER 37/05 KR
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Widerspruch und Klage gegen die Feststellung der Krankenkasse, dass die freiwillige Mitgliedschaft nach § 191 Satz 1 Nr. 3 SGB V beendet ist, haben aufschiebende Wirkung
1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mainz vom 12.4.2005 wird zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller auch die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe:

I.

Umstritten ist, ob das Sozialgericht (SG) zu Recht festgestellt hat, dass die Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 11.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.2.2005 aufschiebende Wirkung hat.

Mit Schreiben vom 5.10.2004 wies die Antragsgegnerin den Antragsteller darauf hin, er habe trotz Erinnerung fällige Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge einschließlich Säumniszuschläge von 454,67 EUR nicht bezahlt. Der Kläger werde gebeten, den Gesamtbeitrag bis spätestens 31.10.2004 zu zahlen; anderenfalls ende die Versicherung mit dem 15.11.2004. Außerdem enthielt dieses Schreiben den Zusatz, der Antragsteller müsse in diesem Fall seinen Versicherungsschutz selbst sicherstellen; möglich wäre auch, dass ggf der Sozialhilfeträger die Beiträge übernehme.

Nachdem der Antragsteller dieser Aufforderung nicht nachkam, stellte die Antragsgegnerin durch Bescheid vom 11.11.2004 fest, dass die Versicherung am 15.11.2004 ende. Zur Begründung seines hiergegen eingelegten Widerspruchs machte der Antragsteller geltend, bei ihm liege ein nicht verschuldeter finanzieller Härtefall vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.2.2005 wurde der Widerspruch zurückgewiesen, da die freiwillige Versicherung des Antragstellers gemäß § 191 Satz 1 Nr 3 des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB V) geendet habe, weil dieser für zwei Monate die fälligen Beiträge trotz Hinweises auf die Folgen nicht entrichtet habe.

Am 21.3.2005 hat der Antragsteller Klage erhoben und beantragt "im Wege der einstweiligen Anordnung die Antragsgegnerin zu verpflichten, bis zum Abschluss des Rechtsstreits Versicherungsschutz zu gewähren und ihm eine AOK-Versichertenkarte zur Verfügung zu stellen". Durch Beschluss vom 12.4.2005 hat das Sozialgericht (SG) festgestellt, dass die Klage aufschiebende Wirkung habe und zur Begründung ausgeführt: Der Antrag sei als Antrag gemäß § 86b Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auszulegen. Gemäß § 86a Abs 1 SGG hätten Widerspruch und Anfechtungsklage auch gegen feststellende Verwaltungsakte aufschiebende Wirkung. Hierunter falle die hier streitige Feststellung der Beendigung der Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin. Obwohl diese Rechtsfolge kraft Gesetzes eintrete, müsse in einem solchen Fall zum verfahrensrechtlich einwandfreien Vollzug ein feststellender Verwaltungsakt des Krankenversicherungsträgers ergehen, für den zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes die allgemeinen prozessualen Bestimmungen gälten. Unabhängig davon wäre dem einstweiligen Rechtschutzantrag auch wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitbefangenen Bescheides stattzugeben. Der Hinweis der Antragsgegnerin in dem Schreiben vom 5.10.2004 auf die mögliche Übernahme der Beitragsschuld durch den Träger der Sozialhilfe sei nicht ausreichend gewesen. Die gewählte Formulierung lasse die notwendige Klarheit vermissen.

Gegen diesen ihr am 18.4.2005 zugestellten Beschluss richtet sich die am 17.5.2005 beim Landessozialgericht Rheinland-Pfalz eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin (am gleichen Tag dem SG Mainz zugeleitet und dort am 18.5.2005 eingegangen), der das SG nicht abgeholfen hat. Die Antragsgegnerin trägt vor: Die Anwendbarkeit des § 86a Abs 1 SGG würde dazu führen, dass die kraft Gesetzes eintretende Folge des § 191 SGB V "über viele Jahre hinaus" bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zum Tragen kommen und somit ausgehebelt würde. Sinn der klaren und eindeutigen Regelung des § 191 Satz 1 Nr 3 SGB V sei es, dass die Funktionsfähigkeit der Krankenkassen gesichert werden solle. In einem anderen Streitverfahren (Az 7 ER 107/04 KR) sei das SG Mainz, ohne die Frage allerdings zu problematisieren, davon ausgegangen, dass die Klage keine aufschiebende Wirkung habe. In dieser Entscheidung habe das SG Mainz auch den Hinweis auf die mögliche Übernahme der Beiträge durch den Sozialhilfeträger mit der gleichen Formulierung für ausreichend gehalten. Es müsse genügen, dass sie, die Antragsgegnerin, den Gesetzeswortlaut wiedergegeben habe. Im Übrigen liege ein Anordnungsgrund nicht vor. Der Antragsteller müsse sich darauf verweisen lassen, vorläufig Sozialhilfe zur medizinischen Versorgung in Anspruch zu nehmen.

II.

Die nach §§ 172, 173 SGG zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das SG hat zu Recht die aufschiebende Wirkung der Klage festgestellt.

Nach § 86a Abs 1 Satz 1 SGG haben Widerspruch und Klage bei einem Sachverhalt wie dem vorliegenden aufschiebende Wirkung (ebenso SG Berlin, 1.8.2000, S 86 KR 2261/01 ER 02; aA SG Dortmund, 8.1.2002, S 41 KR 413/01 ER. Der Grundsatz der aufschiebenden Wirkung gilt, wie der Gesetzgeber in Satz 2 dieser Vorschrift ausdrücklich klargestellt hat, auch für feststellende Verwaltungsakte. Um einen solchen handelt es sich vorliegend. Ähnlich wie bei der Feststellung des Ruhens einer Leistung (vgl Zeihe, SGG, § 86a, Rz 6a) war auch bei dem kraft Gesetzes eintretenden Ende der freiwilligen Mitgliedschaft nach § 191 Satz 1 Nr 3 SGB V ein feststellender Verwaltungsakt erforderlich. Dementsprechend hat das Bundessozialgericht (BSG) in solchen Fällen die reine Anfechtungsklage als zulässig angesehen (BSG, 23.2.1995, 12 RK 29/93, SozR 3 2500 § 191 Nr 2).

Die aufschiebende Wirkung ist nicht nach § 86a Abs 2 SGG ausgeschlossen. Nach ihrem Wortlaut greift diese Vorschrift nicht ein. Eine entsprechende Anwendung von § 86a Abs 2 Nr 1 SGG scheidet aus. Wegen des Regel-Ausnahme-Verhältnisses zwischen aufschiebender Wirkung und sofortiger Vollziehbarkeit ist Abs 2 im Zweifel eng auszulegen und eine entsprechende Anwendung kommt i.d.R. nicht in Frage (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 86a, Rz 12). Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift bezieht sich nur auf die Feststellung der Versicherungspflicht, nicht aber auf die Feststellung der freiwilligen Versicherung (ebenso SG Berlin, aaO).

Die von der Antragsgegnerin hiergegen vorgebrachten Argumente greifen in Anbetracht dieser eindeutigen Rechtslage nicht durch. Es trifft nicht zu, dass die Wirkung des § 191 Satz 1 Nr 3 SGB V hierdurch "ausgehebelt" würde. Wenn sich im Hauptsacheverfahren herausstellen wird, dass der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist, wird das Rechtsverhältnis rückabzuwickeln sein. Weshalb die Funktionsfähigkeit der Krankenkassen dadurch tangiert sein soll, ist nicht nachvollziehbar. Im Übrigen kommt unter bestimmten Voraussetzungen die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Betracht (§ 86a Abs 2 Nr 5 SGG), wofür allerdings ein über den Erlass des Verwaltungsaktes hinausgehendes Interesse der Antragsgegnerin erforderlich ist (vgl Keller, aaO, Rz 20).

Bei dieser Sachlage kommt es für die Entscheidung über den vorläufigen Rechtsschutz nicht darauf an, ob der Hinweis der Antragsgegnerin auf die Möglichkeit der Übernahme des Beitrags durch den Sozialhilfeträger ausreichend war.

Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde beim Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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