S 19 RJ 1061/03

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 19 RJ 1061/03
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Bescheid vom 23.04.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2003 wird aufgehoben. 2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unter Anerkennung der Beitragszeiten von August 1940 bis Oktober 1942 und unter Berücksichtigung der gesetzlich vorgesehenen Ersatzzeiten eine Regelaltersrente ab 01.07.1997 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. 3. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Bewilligung einer Regelaltersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Zwischen den Beteiligten ist insbesondere streitig, ob die unter Bewachung verrichtete Tätigkeit des Klägers eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung darstellt.

Der Kläger wurde am XX.XX.1915 im Ort S. in Polen geboren. Er ist als Verfolgter des Nationalsozialismus anerkannt. Mit Bescheid vom 22.05.1956 und Bescheid vom 10.09.1956 wurden insgesamt 63 Monate als Verfolgungszeiten anerkannt und entschädigt. Vom Bayrischen Landesentschädigungsamt erhält der Kläger eine laufende Rente wegen Schadens an Körper und Gesundheit nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG).

Am 23.12.1976 beantragte der Kläger erstmals Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Im damaligen Rentenantrag gab er an, er habe von 1926 bis 1939 als Bäckerlehrling und Geselle im Ort P. und anschließend von 1939 bis 1945 als Zwangsarbeiter und Ghettoarbeiter, sowie als Insasse eines Konzentrationslagers gearbeitet. Mit Bescheid vom 11.07.1978 lehnte die damals zuständige Bundesbahn-Versicherungsanstalt den Rentenantrag des Klägers mit der Begründung ab, die Rente ruhe von Beginn an, weil der Kläger keinen Beitrag zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung geleistet habe (Zeiten in Polen) und sich ständig im Ausland aufhalte. Darüber hinaus seien keine Versicherungszeiten nachgewiesen oder glaubhaft gemacht worden, aus denen eine Rente gezahlt werden könne. Der Kläger legte kein Rechtsmittel gegen diesen Bescheid ein.

Am 26.08.2002 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Versichertenrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung und begründete seinen Antrag damit, er habe Beitragszeiten im polnischen Ghetto P. T. (Petrikau) zurückgelegt, die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (Ghetto-Gesetz) als Beitragszeiten anzuerkennen seien. Im Ermittlungsfragebogen der Beklagten gab der Kläger an, er habe von 1940 bis 1942 im Ghetto Petrikau in einer Glasfabrik gearbeitet und hierfür Nahrung und Entgelt erhalten.

Nach Einsichtnahme in die Entschädigungsakte des Klägers lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 23.04.2003 mit der Begründung ab, der Kläger habe nach keiner einschlägigen Rechtsgrundlage auf die Wartezeit anrechenbare rentenrechtliche Zeiten zurückgelegt.

Der Kläger habe ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis von 1940 bis 1942 im Ghetto Petrikau behauptet. Er habe angegeben, in einer Glasfabrik gearbeitet und Entgelt und Kost als Entlohnung erhalten zu haben. Anschließend habe er sich, nach den Angaben im Rentenantrag, von 1942 bis 1943 im Ghetto Czestochowa aufgehalten. Nach Einblick in die Entschädigungsakte des Klägers und der dort enthaltenen eidesstattlichen Versicherung ergäbe sich jedoch, dass sich der Kläger von August 1940 bis September 1944 im Ghetto Petrikau befunden habe und er eine Beschäftigung in der Glasfabrik "Karel" außerhalb des Ghettos ausgeübt habe (historisch gesichert muss es Glasfabrik "Kara" heißen). Der Kläger sei unter jüdischer Polizeiaufsicht zu dieser Beschäftigung gebracht worden und sei dort während der Arbeit von der deutschen Polizei bewacht worden. Bei dieser Sachlage müsse davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen eines freien Beschäftigungsverhältnisses gegen Entgelt im Ghetto bzw. außerhalb des Ghettos, wenn der Wohnsitz im Ghetto beibehalten worden sei, nicht vorgelegen habe, weil der Kläger eine Beschäftigung außerhalb des Ghettos unter Bewachung ausgeübt habe. Dies sei Zwangsarbeit, eine Berücksichtigung von Zwangsarbeiten als Beitragszeiten komme nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen nicht in Betracht.

Auch nach dem ZRBG könne diese Zeit nicht angerechnet werden. Das Gesetz sei nur anwendbar, wenn die Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen und gegen Entgelt ausgeübt worden sei. Die vom Kläger behaupteten Beitragszeiten seien jedoch nicht freiwillig ausgeübt worden (Zwangsarbeit). Abgesehen davon habe das Ghetto Petrikau nur bis zum 21.10.1942 bestanden. Das Ghetto Czestochowa habe nur bis zum 08.10.1942 bestanden. Nach diesen Zeitpunkten seien Zeiten einer Beschäftigung in einem Ghetto alleine deshalb schon nicht mehr anrechenbar, weil die Ghettos zu diesen Zeiten bereits aufgelöst worden seien. Beitragszeiten seien daher insgesamt abzulehnen.

Der vom Kläger am 12.05.2003 erhobene Widerspruch wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2003 zurückgewiesen. Die erforderliche Wartezeit von 5 Jahren mit anrechenbaren Zeiten sei nicht erfüllt. Die Voraussetzungen nach dem ZRBG seien nicht erfüllt, denn der Kläger habe Zwangsarbeiten bei seiner Tätigkeit in der Glasfabrik verrichtet. Typische Merkmale für das Vorliegen von Zwangsarbeit seien z.B. die obrigkeitliche Zuweisung von Arbeiten an bestimmte Unternehmen, ohne das die Arbeiter selbst hierauf Einfluss haben, dass ein Entgelt für individuell geleistete Arbeit nicht oder nur in geringem Umfang an den Arbeiter ausgezahlt worden sei oder dass die Arbeiter während der Arbeit bewacht werden (z.B. durch das Militär oder die Polizei), um zu verhindern, dass diese sich aus dem obrigkeitlichen Gewahrsam entfernen können. Solche Zwangsarbeiten seien aus den Angaben des Klägers im Entschädigungsverfahren zu entnehmen, sodass die Tätigkeit des Klägers nicht als entsprechende Beitragszeit zu werten sei.

Am 14.11.2003 hat der Kläger Klage erhoben. Er verweist auf die bestehende Rechtslage nach dem Einmarsch der Deutschen im Generalgouvernement und macht in seiner Klagebegründung insbesondere deutlich, dass er die Anerkennung von Beitragszeiten von August 1940 bis Oktober 1942, als er im Ghetto Petrikau gewohnt und in der Glasfabrik Kara gearbeitet habe, begehre.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Bescheid der Beklagten vom 23.04.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unter Anerkennung von Beitragszeiten nach dem ZRBG von August 1940 bis Oktober 1942 und unter Berücksichtigung der gesetzlich vorgesehenen Ersatzzeiten eine Regelaltersrente ab 01.07.1997 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist die Beklagte auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und hält diese für rechtmäßig. Zwar habe der Kläger freiwillig (aus eigenem Willensentschluss) eine Beschäftigung gegen Entgelt aufgenommen, dies ergebe sich insbesondere aus den Ermittlungen des Gerichts beim Staatsarchiv in P. vom 17.03.2005. Nach Auffassung der Beklagten handele es sich dennoch um Zwangsarbeiten im Rechtssinne, weil der Kläger angegeben habe, auf den Weg von und zur Arbeit, sowie bei der Arbeit, bewacht worden zu sein, damit seien die Kriterien für ein rentenversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhätnis nicht erfüllt.

Zur Aufklärung des Sachverhaltes hat das Gericht die Verwaltungs- und Widerspruchsakten der Beklagten sowie die Akten des Bayrischen Landesentschädigungsamtes im Verfahren nach dem BEG (im Folgenden: "Entschädigungsakten") beigezogen. In den Entschädigungsakten befinden sich eidesstattliche Versicherungen des Klägers vom 28.12.1955 und der Zeugen M. S. vom 02.01.1956 und S1 S2 vom 23.04.1956. Auf den Inhalt wird ausdrücklich Bezug genommen.

Zur weiteren Sachverhaltsermittlung hat das Gericht den Internationalen Suchdienst (in Bad Arolsen), den kirchlichen Suchdienst (Stuttgart) sowie das Staatsarchiv in Petrikau (Polen) in Bezug auf die Glasfabrik Kara und die Umstände zum Ghetto Petrikau angeschrieben.

Mit Schreiben vom 17.03.2005 teilte das Staatsarchiv Petrikau unter anderem mit, dass bis zum Jahre 1943 im Hüttenwerk – Glasfabrik Kara – jüdische Arbeiter beschäftigt worden seien, die täglich aus dem Ghetto zugeführt wurden. Weiter übersandte das Staatsarchiv eine Monographie zur Geschichte des Ghettos in Petrikau für den Zeitraum von 1939 bis 1945.

In einem Termin am 29.04.2005 hat das Gericht mit Bevollmächtigten des Klägers und der Beklagten die Sach- und Rechtslage erörtert. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Prozessakte des Gerichts sowie der beigezogenen Akten der Beklagten und den Entschädigungsakten Bezug genommen. Diese haben der Kammer vorgelegen und waren Gegenstand der Erörterung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu im Termin am 29.04.2005 erklärt haben (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz –SGG -).

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf die Gewährung einer Regelaltersrente unter Anerkennung einer Beitragszeit von August 1940 bis Oktober 1942 sowie weiterer Ersatzzeiten.

Nach § 35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte Anspruch auf Altersrente, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Der Kläger hat bereits im Jahre 1980 das 65. Lebensjahr vollendet und auch die allgemeine Wartezeit von 60 Kalendermonaten durch Beitragszeiten und Ersatzzeiten ist erfüllt.

Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB VI beträgt die allgemeine Wartezeit 5 Jahre. Auf diese allgemeine Wartezeit werden Beitragszeiten und Ersatzzeiten angerechnet (vgl. § 51 Abs. 1 und Abs. 4 SGB V). Beitragszeiten sind Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Pflichtbeitragszeiten sind auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. (§ 55 Abs. 1 SGB VI).

Dabei reicht es vorliegend, wenn die Tatsache der Beitragsentrichtung glaubhaft gemacht wurde, d.h. das Vorliegen einer Tatsache muss überwiegend wahrscheinlich sein. Dies folgt aus § 1 Abs. 2 ZRBG i.V.m. § 3 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Vorschriften über die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG vom 22.12.1970, BGBl. I S. 1846).

Nach § 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 des Ghetto-Gesetzes vom 20.06.2002 (– BGBl. I 2002, Seite 2074 f) können Beitragszeiten zur gesetzlichen Rentenversicherung ausnahmsweise dann fingiert werden, wenn ein Verfolgter sich zwangsweise in einem Ghetto aufgehalten hat, dort aus eigenem Willensentschluss eine Beschäftigung aufgenommen hat, diese Beschäftigung gegen Entgelt ausgeübt wurde und das Ghetto sich in einem Gebiet befand, das vom Deutschen Reich besetzt oder in dieses eingegliedert war.

Die Voraussetzungen nach § 55 SGB VI sind nach Überzeugung der Kammer erfüllt. Hierbei werden Beitragszahlungen zur gesetzlichen Rentenversicherung für den Kläger auf Grund seiner Tätigkeit im Ghetto Petrikau fingiert.

Der Kläger hielt sich als Verfolgter im Zeitraum von August 1940 bis Oktober 1942 zwangsweise im Ghetto Petrikau auf. In Übereinstimmung mit den Beteiligten geht die Kammer davon aus, dass es historisch als gesichert anzusehen ist, dass das Ghetto Petrikau - als Ghetto im Generalgouvernement - ein entsprechendes Ghetto im Sinne des ZRBG zumindest vom Oktober 1939 bis November 1942 war.

Der Kläger hat sich nach seinen eigenen Angaben in der angegebenen Zeit dort aufgehalten, welches durch die Zeugenerklärungen im Entschädigungsverfahren auch übereinstimmend bestätigt wird. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig und bedarf daher keiner weiteren Ausführungen.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss nach dem ZRBG im Sinne eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses (Ghettoarbeitsverhältnis) liegen nach Auffassung der Kammer für die Tätigkeit des Klägers in der Glasfabrik Kara vor. Entgegen den Ausführungen der Beklagten, ist die Tatsache des eigenem Willensentschlusses nicht unstreitig, denn die Beklagte geht weiter davon aus, der Kläger habe Zwangsarbeit im Rechtssinne verrichtet, damit würde keine "Freiwilligkeit" für die Arbeitsaufnahme vorliegen.

Der unbestimmte Rechtsbegriff der "versicherungspflichtigen Beschäftigung" in Bezug auf Arbeiten, die während eines Ghettoaufenthaltes verrichtet worden sind, waren gerade in letzterer Zeit des Öfteren Gegenstand der sozialgerichtlichen Rechtssprechung und insbesondere auch der des Bundessozialgerichts (BSG). Dies hat den Gesetzgeber letztlich bewogen, diese Rechtsprechung und die rentenversicherungsrechtlichen Vorschriften durch das ZRBG zu ergänzen.

Die Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschriften des ZRBG müssen daher im Lichte dieser Rechtsprechung gesehen und ausgelegt werden (vgl. BSG zu den so genannten "Ghetto-Arbeitsverhältnissen" vom 18.06.1997 Az.: 5 RJ 66/95 - BGSE 80, 250-256 und 5 RJ 68/95 in ZfS 1998, 19). Dies bedeutet, dass als Abgrenzungsmerkmale von versicherungspflichtiger Beschäftigung und Zwangsarbeit insbesondere die Entgeltlichkeit und Freiwilligkeit (aus eigenem Willensentschluss) einer Tätigkeit hervorgehoben werden müssen (BSG in ständiger Rechtssprechung vgl. zuletzt BSG vom 07.10.2004 Az.: B 13 RJ 59/03 R in juris). Dies gilt auch, soweit die Arbeit unter den allgemeinen Bedingungen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verrichtet worden ist. Insbesondere würde es den Rahmen des Typusbegriffes der versicherungspflichtigen Beschäftigung sprengen, wenn man bei der damaligen Arbeit von jüdischen Verfolgten allein darauf abstellen würde, ob eine Tätigkeit verrichtet wurde, die in rechtsstaatlich geprägten Gesellschaften gewöhnlich von freien, bezahlten Arbeitskräften verrichtet werden würde, d.h. ob im Ergebnis Erwerbsarbeit geleistet wurde (so BSG vom 23.08.2001 Az.: B 13 RJ 59/00 R).

Die Kammer folgt insoweit der Rechtsprechung des BSG, dass es nicht darauf ankommen kann, ob es sich um eine Beschäftigung gehandelt hat, die nach Bundesrecht grundsätzlich versicherungspflichtig gewesen wäre, sondern nur darauf, dass die konkret im Einzelfall verrichtete Tätigkeit den Kriterien eines Beschäftigungsverhältnisses tatsächlich entspricht.

Nach § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) – ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Bei dem Begriff des "Beschäftigungsverhältnisses" im Sinne der Sozialversicherung handelt es sich nicht um einen tatbestandlich scharf konturierten Rechtsbegriff, der eine einfache Subsumtion ermöglicht. Die hiernach bestehende Versicherungspflicht wird nicht im Detail definiert, sondern ausgehend vom Normalfall in der Form eines Typus beschrieben. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. Bundesverfassungsgericht – BVerfG - SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).

Die diesen Typus kennzeichnenden Merkmale können in unterschiedlichem Maße und verschiedener Intensität gegeben sein. Selbst das Fehlen einzelner Merkmale muss nicht unbedingt zur Verneinung einer Beschäftigung in diesem Sinne führen (BVerfG aaO.; BSG vom 14.07.1999 Az.: B 13 RJ 71/98 R). So braucht z.B. eine wirtschaftliche Gleichwertigkeit der Leistungen nicht gegeben sein, das Arbeitsentgelt muss aber einen gewissen Mindestumfang erreichen, damit gesetzliche Versicherungspflicht entsteht. Es kann vorliegend dahin gestellt bleiben, in welcher konkreten Höhe der Kläger ein Entgelt erhalten hat, denn die Beklagte hat die Entgeltlichkeit der Tätigkeit nach den umfangreichen Ermittlungen des Gerichts im Termin am 29.04.2005 anerkannt. Darüber hinaus ist die Kammer der Überzeugung, dass sich aus den Gesamtumständen des Einzelfalls ergibt, dass der Kläger ein, die Versicherungspflicht auslösendes, Entgelt bezogen wurde.

Dem Begriff des Beschäftigungsverhältnisses ist auch zu entnehmen, dass bestimmte Umstände der Annahme einer Versicherungspflicht dann nicht entgegenstehen, wenn sie auf die einzelnen Merkmale keinen entscheidenden Einfluss haben. So ist durch die Rechtsprechung des BSG gerade betont worden, dass die Beweggründe, die jemanden zur Aufnahme einer Beschäftigung in einem Ghetto veranlasst haben, sowie die allgemeinen Lebensumstände, die nicht die Arbeit oder das Arbeitentgelt selbst, sondern das häusliche, familiäre, wohnungs- und aufenthaltsmäßige Umfeld betreffen, nicht zu berücksichtigen sind (BSGE 80, 250).

Demgemäß ist für die Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungs-verhältnisses auch nicht entscheidend, ob Personen, die sich in einem Beschäftigungsverhältnis befinden, zwangsweise ortsgebunden sind oder in einem Lager aufhalten müssen. Maßgeblich für die Beurteilung ist stets das Gesamtbild der ausgeübten Tätigkeit.

Gerade der Verwendung der Rechtsfigur des Typus "Beschäftigungsverhältnis" ist es zu verdanken, dass die Vorschriften über Versicherungs- und Beitragspflicht trotz ihres Festhaltens an Begriffen wie Angestellte, Arbeiter, Arbeitsverhältnis und Beschäftigungsverhältnis i.V.m. ihrer Konkretisierung durch die Rechtsprechung und Literatur über Jahrzehnte hinweg, auch bei geänderten sozialen Strukturen, ihren Regelungszweck erfüllen konnten (BVerfG aaO.).

Gemessen an diesen Kriterien ist "unter Zwang" zustande gekommene und verrichtete Arbeit z.B. als Kriegs- bzw. Strafgefangener oder KZ-Häftling – wie das BSG wiederholt entschieden hat – grundsätzlich nicht als versicherungspflichtige Beschäftigung einzustufen (vgl. hierzu BSG v. 14.07.1999 - B 13 RJ 71/98 R mit weiteren Nachweisen in SozR 3 – 5070 § 14 Nr. 3 und NZS 2000, 249-253). Zur leichteren Abgrenzung zwischen einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis und einer unversicherten "Zwangsarbeit" kann es sinnvoll sein, sich die typischen Merkmale für das Vorliegen von Zwangsarbeit zu vergegenwärtigen. Hierbei sind selbstverständlich solche Kriterien untauglich, die für beide Tätigkeitsformen charakteristisch sind, wie z.B. die Ausübung eines Direktionsrechts. Auch ein bloßes Abstellen auf Arbeit im Sinne einer "Erwerbsarbeit" oder "wirtschaftlich nützlichen Tätigkeiten", kann diese beiden Typen nicht voneinander abgrenzen. Gerade das Merkmal Arbeit ist notwendigerweise beiden Typen eigen, was eine nähere Abgrenzung überhaupt erst erforderlich macht.

Zwangsarbeit im Rechtssinne ist die Verrichtung von Arbeit unter obrigkeitlichem (hoheitlichem) bzw. gesetzlichem Zwang, z.B. bei Strafgefangenen oder Kriegsgefangenen. Typisch ist dabei regelmäßig die obrigkeitliche Zuweisung von Arbeitern an bestimmte Unternehmen, ohne dass die Arbeiter selbst hierauf Einfluss haben. Weiter ist für Zwangsarbeit charakteristisch, dass ein Entgelt für die individuell geleistete Arbeit nicht oder nur in sehr geringem Maße an den Arbeiter ausgezahlt wird. Entsprechendes gilt für die Bewachung der Arbeiter während der Arbeit, um zu verhindern, dass diese sich aus dem obrigkeitlichen Gewahrsam entfernen können (BSGE 38, 245). Diese beispielhaft aufgeführten Kriterien zeigen, dass sich eine verrichtete Arbeit umso mehr von dem Typus des Arbeits-/Beschäftigungsverhältnisses entfernt und dem Typus der Zwangsarbeit annähert, als sie durch hoheitliche Eingriffe überlagert wird, denen sich der Betroffene nicht entziehen kann (vgl. BSG a.a.O.).

Der gesetzlich (hoheitlich) angeordnete – zwangsweise – Aufenthalt in einem Ghetto betraf und regelte die damaligen allgemeinen Lebensumstände der Juden in den besetzten Gebieten. Das NS-Regime wollte hierbei alle Juden in festgelegte Wohnbezirke (Ghettos) zusammenpferchen, um die "Staatsfeinde" besser kontrollieren zu können. Die unter Ghettobedingungen verrichteten Arbeitsleistungen stellen daher trotz des erheblich wirkenden "Zwangspotentials" der dort herrschenden äußeren Umstände auf die einzelnen Ghettobewohner per se keine Zwangsarbeit im Rechtssinne dar. Darüber herrscht – seit den Entscheidungen des BSG vom 18.06.1997 - wohl grundsätzliche Einigkeit. Zu unterscheiden ist daher der eigene Willensentschluss zur Arbeitsaufnahme und der historisch belegte Umstand, dass zum Teil Menschen in den Ghettos "von der Straße weg geholt" und dann zu (obrigkeitlichen Zwangs-) Arbeiten bei bestimmten Unternehmen/Projekten heran gezogen bzw. zugewiesen wurden.

Die Bewachung bei der Arbeit außerhalb des Ghettos war hier nicht die Folge des (Arbeits-) Zwanges, sondern die – logische – Folge der Ghettoisierung. Hier liegt nach Meinung der Kammer der entscheidende und wesentliche Unterschied zwischen der Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals "aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenes Beschäftigungsverhältnis" und dem "zwangsweisen Aufenthalt im Ghetto".

Nach Wertung der vorliegenden Umstände ist die Kammer der Überzeugung, dass in der Gesamtschau mehr dafür spricht, dass die Tätigkeit des Klägers in der Glasfabrik Kara aus freiem Willensentschluss zustande gekommen ist, denn die Arbeitsaufnahme wurde nicht durch "obrigkeitliche Maßnahmen" angeordnet. Insbesondere ist die Kammer der Auffassung, dass allein der Umstand, dass der Kläger unter Bewachung zur Arbeit gebracht und die Arbeit unter Bewachung verrichtet hat, nicht zwangsläufig dazu führt, die gesamte Tätigkeit als Zwangsarbeit zu werten. Das BSG hat gerade zum Kriterium der "Bewachung der Arbeiter während der Arbeit" ausgeführt und entwickelt, dass Zwangsarbeit in solchen Fällen vorliegen kann, wenn die Bewachung aus dem Grunde erfolgt, dass sich die Arbeiter nicht aus dem "obrigkeitlichen Gewahrsam" entfernen sollen. Durch die Bewachung auf dem Weg und am Arbeitsplatz soll nicht der obrigkeitliche Gewahrsam gesichert werden, sondern der zwangsweise Aufenthalt im Ghetto. Als Beispiel für solchen tatsächlich vorliegenden "obrigkeitlichen Gewahrsam" hat das BSG gerade die Tätigkeiten von Strafgefangenen und Kriegsgefangenen (vgl. BSGE 80, 250, 253) bezeichnet. Solche Tätigkeiten sind vergleichbar mit Zwangsarbeiten, die jüdische Verfolgte bzw. Häftlinge in einem Konzentrationslager (KZ) oder in einem Zwangsarbeitslager (ZAL) verrichtet haben. Bei solchen Arbeitseinsätzen fällt obrigkeitlicher Gewahrsam und zwangsweiser Aufenthalt zusammen.

Zu den entsprechenden Tätigkeiten in einem Ghetto bestanden hingegen nach Auffassung der Kammer erhebliche Unterschiede. Denn gerade für Beschäftigungs-verhältnisse in einem Ghetto, die der Gesetzgeber durch das ZRBG - nach der Rechtssprechung des BSG in den Urteilen zum Ghetto Lodz vom 18.06.1997 (Az.: 5 RJ 66/95 und 5 RJ 68/95) - gesetzlich festschreiben wollte, ist es historisch gesichert, dass zwar der Aufenthalt im Ghetto damals - gesetzlich - angeordnet war und das unbefugte Verlassen des Ghettos zu meist unter Todesstrafe gestellt wurde. Das Leben der Juden im Ghetto war - im Rahmen der sonstigen Umstände und Repressalien, die im Ghetto durch Naziterror an der Tagesordnung waren - trotzdem als "frei" zu bezeichnen. Die Arbeitsaufnahme erfolgte aus eigenem Willensentschluss, ohne dass es auf die tatsächliche Motivation aus den dort herrschenden Lebensumständen ankam. Das bedeutet zumindest, dass der "freie" Aufenthalt im Ghetto nicht als obrigkeitlicher Gewahrsam im Sinne der Rechtsprechung des BSG zu Ghettoarbeitsverhältnissen bezeichnet werden kann. Daher kann die Verpflichtung der Juden, das Ghetto bei Androhung der Todesstrafe nicht verlassen zu dürfen, nicht automatisch dazu führen, die reine Bewachung außerhalb des Ghettos als einziges und unumstößliches Kriterium für den Typus Zwangsarbeit heranzuziehen. Denn die Bewachung eines Ghettos ist als Element der allgemeinen Lebensumstände zu werten und nicht der Arbeitssituation zuzurechnen. Vorliegend musste der Kläger täglich mit 500 Männern zur Glasfabrik gelangen und wieder ins Ghetto zurückkehren. Eine derart große Menschengruppe musste koordiniert und organisiert werden, damit der Weg planmäßig zurückgelegt werden konnte und alle rechtzeitig am Arbeitsplatz waren. Das war nur durch Kontrolle möglich. Tatsächlich handelte sich bei den Arbeitskräften um Juden, "Staatsfeinde" des NS-Regimes. Ohne Bewachung stellten diese unterdrückten und gequälten Menschen ein enorm großes Gefahrenpotential für die Nazis dar. Bewachung war allein deshalb aus den allgemein herrschenden Lebensumständen notwendig. Wenn demnach die Bewachung einer "Kolonne von Arbeitern" aus einem Ghetto zur Arbeitstelle erfolgte, so ist nicht allein aus der Tatsache dieser "Bewachung" zu schließen, dass es sich zwingend um Zwangsarbeit handelte.

Es muss sich vielmehr aus dem Gesamtbild der Tätigkeit ergeben, ob im konkreten Einzelfall mehr für ein Beschäftigungsverhältnis oder für Zwangsarbeit spricht. Vorliegend fallen daher obrigkeitlicher Zwang und zwangsweiser Aufenthalt nicht zusammen.

In diesem Zusammenhang führt das BSG in seinem Urteil vom 07.10.2004 (Az.: B 13 RJ 59/03 R in juris und SGb 2004, 698-699 (Kurzwiedergabe)) aus, dass die Bewachung des Weges zum Arbeitsplatz ein Indiz dafür sein kann, dass es sich nicht um ein freiwillig, aus eigenem Willensentschluss, eingegangenes Beschäftigungsverhältnis gehandelt hat. Das BSG hat diese Frage aber letztlich offen gelassen, weil es in dem zu entscheidenden Fall an der "Entgeltlichkeit" fehlte. Nach Auffassung der Kammer gehörte die Bewachung bzw. das "geordnete zur Arbeit leiten" und das "bei der Arbeit bewachen" (beaufsichtigen) zu den Lebensumständen der Ghettobewohner, die das Ghetto nur zur Erbringung der Arbeitsleistung verlassen durften. Dies gilt umso mehr, wenn es sich um eine Arbeitergruppe von ca. 500 Menschen handelt, die außerhalb ihres Ghettos arbeiten, aber im Ghetto übernachten/wohnen mussten.

Würden nur die Angaben aus dem Entschädigungsverfahren, der Kläger habe "Zwangsarbeiten" verrichtet, sowie das weitere Vorbringen zu würdigen sein, so könnte schnell und voreilig der Schluss gezogen werden, es habe sich um Zwangsarbeiten im Rechtssinne gehandelt bzw. es sei rechtlich nicht glaubhaft (überwiegend wahrscheinlich), dass ein Beschäftigungsverhältnis tatsächlich ausgeübt wurde. Nach den Angaben in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 28.12.1955 wurde er im August 1940 in das Ghetto Petrikau eingewiesen. Das Ghetto sei mit Stacheldraht umzäunt gewesen, es wurde ein Judenrat gegründet und innerhalb des Ghettos seien die Juden von jüdischer Polizei bewacht worden. Um das Ghetto herum standen ukrainische Polizeiposten. Das Verlassen des Ghettos sei unter Todesstrafe verboten gewesen. Er habe außerhalb des Ghettos in der Glasfabrik "Karel" zusammen mit ungefähr 500 anderen Männern gearbeitet. Zur Arbeit seien sie mit der jüdischen Polizei gebracht worden und bei der Arbeit wurden sie von deutscher Polizei bewacht. Hierbei habe er Zivilkleidung mit gelber Armbinde getragen. Diese Aussagen werden im Wesentlichen von dem Zeugen S. in seiner eidesstattlichen Versicherung bestätigt.

Betrachtet man die Aussagen des Klägers jedoch im historischen Kontext, insbesondere mit den vom Gericht ermittelten Auskünften des Staatsarchivs aus Petrikau, so ergibt sich nach Überzeugung der Kammer, dass es überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Kläger eine Beschäftigung "freiwillig und gegen Entgelt" bei seiner Tätigkeit für das Hütten- und Glaswerk Kara in Petrikau verrichtet hat. Nach den Auskünften aus dem Staatsarchiv Petrikau war die Firma "Kara" vor dem Jahre 1939 eine Aktiengesellschaft. Während des 2. Weltkrieges existierte sie weiterhin und wurde durch die "Reichsdeutschen" Barone A. und A1 von H. als Miteigentümer geführt. Aus der vom Staatsarchiv übersandten Monographie, das auf Archivmaterialien aus dem Kolloquium "Akten aus der Stadt Petrikau, Kommissar und Verwaltung der Stadt Petrikau 1939 bis 1945" beruht, geht weiter hervor, dass Juden maximal 500 Zloty verdienten und höchsten 2.000 Zloty besitzen durften.

Wörtlich heißt es ebenfalls in der Monographie (Bl. 65 der Prozessakte):

"Am 25. März 1940 verkündete der Judenrat auf Verlangen der deutschen Behörden, dass sich alle in den Jahren 1914 bis 1923 geborenen Juden, die zu Zwangsarbeiten registriert waren, bei der Verwaltung der jüdischen Gemeinde zwecks der Jahreseinkommenssteuererklärung melden sollten. In diesem Fall ging es um eine zusätzliche Besteuerung der jüdischen Bevölkerung".

Bereits diese historischen Quellen dokumentieren, dass die als "Zwangsarbeit" titulierten Arbeitsleistungen der Juden gegen Entgelt erfolgten.

Dies entspricht im Übrigen dem damals geltenden Recht, dass für die jüdischen Arbeitskräfte ein gesetzlicher Lohnanspruch bestand (vgl. Neunte Durchführungs-verordnung zur Verordnung vom 31.10.1939 über die Gestaltung der Arbeitsbedingungen und den Arbeitsschutz im Generalgouvernement vom 15.12.1941 – VOBIGG 1942 S. 2-).

Der Zeitzeuge und Überlebende des Holocausts Herr BEN GILADI berichtet über seinen Aufenthalt im Ghetto Petrikau, dass er, um der Deportation zu entgehen, sich bei der Glasfabrik Hortensia um eine Arbeitsstelle bemüht hat und diese nach persönlicher Vorstellung auch bekam (http://www.shtetlinks.jewishgen.org/Piotrkowtryb/hortensia.htm).

Aus den ermittelten historischen Dokumenten und den Umständen, wie sie von Herrn GILADI zu seinem Aufenthalt im Ghetto Petrikau, zu seiner damaligen Arbeitsuche bzw. zum dortigen "Arbeitsmarkt" geschildert werden, ergibt sich ebenfalls nach Auffassung der Kammer, dass die Tätigkeit des Klägers dem Typus Beschäftigungsverhältnis eher entspricht, als dem der Zwangsarbeit. Die Juden wurden (zumindest) im Jahre 1940 zur Einkommensteuer herangezogen, d.h. sie mussten also in der Lage gewesen sein, "Einkommen" erzielen zu können.

Nach dem Bericht von BEN GILADI sei es möglich gewesen - zur Verhinderung der Deportationen - sich eine Arbeitsstelle zu suchen und damit aus "eigenem Willensentschluss" im Sinne des ZRBG einen Arbeitsplatz zu suchen und auch zu finden.

Insgesamt ist auf die damalige Rechtslage im Generalgouvernement zu verweisen, denn zum einen bestand für Juden (und Polen) ein genereller "Arbeitszwang", zum anderen aber ebenfalls ein Rechtsanspruch auf Entgelt. Diese gesetzlichen Regelungen können jedoch nicht dazu führen, dass eine Prüfung im Einzelfall entfällt, ob tatsächlich die Voraussetzungen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses vorgelegen haben. Nach Meinung der Kammer muss aber in jedem Einzelfall der historische Kontext in Bezug auf die gesamten Angaben des Versicherten gewürdigt werden.

Als weiteres Indiz gegen das Vorliegen von Zwangsarbeit im Rechtssinne spricht die Angabe des Klägers, er habe seine Tätigkeit in Zivilkleidung verrichtet. Auch wenn dies (wohl) kein ausschlaggebendes Merkmal sein kann, sieht die Kammer hierin bei Würdigung der Gesamtumstände ein Detail für eine gewisse Freiwilligkeit zur Arbeitsaufnahme im Gegensatz zu Tätigkeiten in einem KZ oder ZAL, die häufig in entsprechenden Häftlingsuniformen verrichten werden mussten. Angesichts der historischen Umstände und der schlüssigen Angaben des Klägers ist daher die Glaubhaftmachung nach Auffassung der Kammer gelungen.

Nach alledem erfüllt der Kläger die Voraussetzungen nach dem ZRBG für den Zeitraum vom August 1940 bis Oktober 1942. Damit ist die o.g. Zeit als Beitragszeit anzuerkennen. Zusammen mit den anerkannten Verfolgungszeiten sind darüber hinaus diese Zeiten als Ersatzzeiten anzuerkennen (§ 250 Abs. 1 SGB VI). Damit sind (mindestens) 63 Kalendermonate auf die allgemeine Wartezeit von 60 Kalendermonaten anzurechnen.

Der Kläger hat seinen Antrag vor dem 01.07.2003 gestellt, so dass der Antrag nach § 3 Abs. 1 ZRBG als am 18.06.1997 gestellt gilt. Da das ZRBG rückwirkend zum 01.07.1997 in Kraft getreten ist, hat er einen Rentenanspruch ab 01.07.1997.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Rechtskraft
Aus
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