Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 33 (17) KA 316/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 83/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.04.2004 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten bestand Streit über die Frage, ob die Beklagte rechtmäßig die Honorarbescheide des Klägers für die Quartale I/1996 bis II/1999 teilweise aufgehoben und nach Streichung bzw. Umwandlung verschiedener Gebührenordnungspositionen Honorare in Höhe von insgesamt 294.043,12 DM zurückgefordert hat. Im Berufungsverfahren geht es nur noch um die Quartale I/1999 und II/1999 und um eine Rückforderung von 21.007,28 EUR.
Der Kläger ist als Facharzt für Innere Medizin zur vertragsärztlichen Versorgung in P zugelassen. Im Anschluss an ein im Zusammenhang mit dem Vorwurf fortgesetzter unwirtschaftlicher Behandlungsweise geführtes Gespräch leitete die Bezirksstelle Ruhr ein Plausibilitätsprüfungsverfahren ein. Am 11.10.1999 fand ein Gespräch statt, in dessen Verlauf 10 Behandlungsfälle des Quartals II/1999 sowie ein Behandlungsfall des Quartals I/1999 besprochen wurden. Als Ergebnis wurde festgehalten, es sei deutlich geworden, die Erbringung der Leistungen nach den Ziffern 10, 11, 17, 19, 21, 60, 850 und 851 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) sei aus der Dokumentation nicht ableitbar und damit sei davon auszugehen, dass diese Leistungen nicht vollständig erbracht worden sei. Darüberhinaus hätte anstelle der Nr. 667 aufgrund der Dokumentation lediglich die Nr. 666 EBM, anstelle der Nebeneinanderberechnung 603 und 604 EBM wegen der fehlerhaften Erbringung der Ziffer 604 lediglich die Ziffer 603 abgerechnet werden dürfen.
Mit Bescheid vom 22.11.1999 hob die Beklagte die Honorarbescheide für die Quartale ab dem Quartal I/1996 auf und forderte einen Betrag von insgesamt 294.043,12 DM zurück. Zur Begründung und Berechnung wird auf den Bescheid verwiesen.
Zur Begründung seines hiergegen gerichteten Widerspruchs trug der Kläger im Wesentlichen vor, der Bescheid sei rechtswidrig, da er unzureichend begründet sei. Allein die Beanstandung der ordnungsgemäßen Leistungserbringung in den im Rahmen des Gesprächs erörterten Fällen berechtige nicht zur kompletten Streichung der genannten Ziffern ab dem Quartal I/1996. Die Beklagte hätte vielmehr in jedem einzelnen Fall anhand einer nachvollziehbaren Begründung darlegen müssen, weshalb eine sachlich- rechnerischen Berichtigung gerechtfertigt sei. Der Kläger nahm darüberhinaus umfassend zu den im Rahmen des Gesprächs erörterten Fällen bzw. den festgehaltenen Beanstandungen Stellung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wiederholte sie die Ausführungen aus dem Bescheid vom 22.11.1999.
Mit der hiergegen gerichteten Klage trug der Kläger vor, der Bescheid sei formell rechtswidrig, da er nicht hinreichend begründet sei. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe er in den geprüften Einzelfällen die Diagnosen und Leistungen zu den genannten Gebührenordnungspositionen auch ausreichend dokumentiert. Dies sei aus seinen Karteiblättern hinreichend erkennbar. Selbst wenn die vorgenommenen Dokumentationen aber unzureichend gewesen seien, folge daraus nicht die Berechtigung der Beklagten, eine Honorarberichtigung vorzunehmen, denn die Dokumentation der erbrachten Leistungen und festgestellten Diagnosen sei keine Abrechnungsvoraussetzung. Selbst wenn das aber unterstellt werde, folge aus einer unzureichenden Dokumentation nicht die Berechtigung, im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung eine Berichtigung bzw. Aufhebung der Honorarbescheide vorzunehmen. Die Dokumentationspflicht diene ausschließlich den Interessen des behandelnden Arztes und Patienten, zum Leistungsumfang nach dem EBM gehöre jedoch keinesfalls in allen Fällen eine Dokumentation im Interesse der Beklagten. Die vom Kläger geführten Aufzeichnungen seien für ihn als Gedächnisstütze vollkommen ausreichend und wahrten auch das Patienteninteresse. Selbst wenn man die Auffassung vertrete, die Dokumentationspflicht sei auch eine Leistung zugunsten der Beklagten, rechtfertige dies die vorgenommene Berichtigung nicht, da lediglich die Nebenpflicht der ausreichenden Dokumentation verletzt, die ärztliche Hauptleistung jedoch erfüllt sei. Die Verletzung einer Nebenpflicht berechtige jedoch nicht dazu das Honorar für die erbrachten Leistungen vollständig zu kürzen, dies sei mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht vereinbar. Bei der Verletzung einer Nebenpflicht käme allenfalls eine Disziplinarmaßnahme in Betracht.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 22.11.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2001 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig gehalten.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 21.04.2004 die Bescheide aufgehoben. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) handele es sich bei der auf § 83 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches (SGB V) beruhenden Plausibilitätsprüfung nicht um ein eigenständiges Verfahren der Honorarkürzung. Die Kassenärztlichen Vereinigungen seien nicht schon wegen fehlender Plausibilität, sondern nur dann zur sachlich rechnerischen Berichtigung von Abrechnungen berechtigt, wenn diese unrichtig seien, weil Leistungen nicht so erbracht worden seien, wie der Arzt sie abgerechnet oder die Leistungslegenden der einzelnen Positionen falsch angewendet haben. Allein aus dem Umstand, dass eine fehlerhafte Anwendung der Gebührenordnung wahrscheinlicher erscheine als eine unwirtschaftliche Leistungserbringung ergebe sich keine Berechtigung zur Honorarberichtigung. Die Plausibilitätsprüfung könne lediglich Hinweise darauf geben, dass die Gebührenordnung falsch angewandt worden sei oder Unwirtschaftlichkeiten vorlägen, sie dürfe aber nicht im Wege einer Beweislastumkehr dazu führen, dass aus bestimmten Auffälligkeiten allein auf eine fehlerhafte Abrechnung geschlossen und dem Arzt auferlegt werde, die Richtigkeit seiner Abrechnung zu beweisen. Vor diesem rechtlichen Hintergrund trügen die Begründung des angefochtenen Bescheides und die von der Beklagten ausweislich des Aktenvermerks vom 11. Oktober 1999 getroffenen Feststellungen den Schluss auf eine Nichterbringung der gestrichenen Leistung im streitigen Zeitraum nicht. Zwar genügten die Dokumentationen nicht den Anforderungen, man könne sich jedoch nicht der Auffassung anschließen, dass eine unzureichende Dokumentation bzw. eine nach der Dokumentation nicht nachvollziehbare Leistungserbringung generell die Streichung der abgerechneten ärztlichen Leistung rechtfertige. Dies sei vielmehr nur dann der Fall, wenn die Dokumentation zum ausdrücklichen Leistungsinhalt gehöre wie z.B. bei den Nrn. 60 oder 850 EBM. Die Dokumentationspflicht sei Bestandteil des Berufsrechts, sie könne aber einer nicht erbrachten Leistung nicht gleichgestellt werden. Entsprechendes gelte erst recht für Fälle, in denen abgerechnete Leistungen gestrichen worden seien, weil sie nach der Dokumentation nicht nachvollziehbar seien. Eine nicht nachvollziehbare Dokumentation rechtfertige ohne weitere Feststellung lediglich den Schluss auf eine unwirtschaftliche Leistungserbringung, nicht aber auf die Abrechnung einer nicht erbrachten Leistung. Ausweislich der Erörterungen im Gespräch vom 11.10.1999 habe die Beklagte lediglich 10 Behandlungsfälle des Quartals II/1999 sowie einen Behandlungsfall des Quartals I/1999 zugrundegelegt. Inwieweit diese geprüften Fälle repräsentativ für die Gesamtabrechnung des Klägers über den erfassten Zeitraum sein sollten, erschließe sich weder aus der Begründung des angefochtenen Bescheides noch aus sonstigen Umständen. Die durchgeführte Plausibilitätsprüfung könne daher die Schlussfolgerung, sämtliche gestrichene Leistungen seien nicht bzw. nicht vollständig erbracht worden, nicht rechtfertigen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten vom 11.08.2004, soweit die Quartale I/1999 und II/1999 betroffen sind. Das Sozialgericht habe zumindest für die geprüften Fälle aus den Quartalen I/1999 und II/1999 festgestellt, dass die Dokumentation des Klägers nicht den Anforderungen genügte. Nach der Rechtsauffassung der Beklagten könne bei nicht dokumentationspflichtigen Leistungen eine Berichtigung bei fehlender Dokumentation erfolgen, wenn ein Vertragsarzt beweisfällig geblieben sei. Dies ergebe sich aus § 57 Abs. 1 des Bundesmantelvertrages der Ärzte (BMVÄ) bzw. § 13 Abs. 7 des Ersatzkassenvertrages (EKV), wonach der Vertragsarzt zur Dokumentation von Befunden, Behandlungsmaßnahmen sowie der veranlassten Leistungen einschließlich des Tages der Behandlung in geeigneter Weise verpflichtet sei. Rechne er eine Leistung ab, für die sich keinerlei Dokumentation finde, werde davon ausgegangen, dass er einen Beweis für die Erbringung der Leistung nicht geführt habe. Diese fehlende Beweiserbringung gehe zu seinen Lasten, wenn nicht auf andere Weise bewiesen werden könne, dass die abgerechnete Leistung tatsächlich erbracht worden sei. Der Vertragsarzt könne den Honoraranspruch nicht allein mit der Behauptung begründen, die Leistung sei erbracht worden, vielmehr müsse die Abrechnung auch für die Beklagte nachprüfbar gestaltet sein. In Anbetracht dieser Umstände hätte das Sozialgericht den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid allenfalls teilweise, nicht aber vollständig aufheben dürfen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.04.2004 insoweit aufzuheben, als der Bescheid vom 22.11.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2001 für die Quartale I/1999 und II/1999 aufgehoben wurde.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, die von der Beklagten gezogenen Schlussfolgerung sei nicht nachvollziehbar. Es werde mit der Behauptung, er sei hinsichtlich der Leistungserbringung beweisfällig geblieben, erstmalig streitig gestellt, ob die Leistungen tatsächlich erbracht worden seien. Unabhängig davon übersehe die Beklagte jedoch, dass der Rückforderungs- und Aufhebungsbescheid vor dem Hintergrund keinen Bestand haben könne, da für die Honorarrückforderung in Höhe von knapp 300.000,00 DM aus insgesamt 14 Quartalen lediglich 10 Behandlungsfälle zur Prüfung herangezogen worden seien. Diese 10 Fälle könnten unstreitig kein zutreffendes statistischen Bild über die Dokumentation des Klägers vermitteln. Allein vor diesem Hintergrund könne der angefochtene Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid keinen Bestand haben.
Wegen der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes, auch des Vorbringens der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die der Senat beigezogen hat und deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid vom 22.11.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2001 beschwert den Kläger im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und ist daher rechtswidrig. Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides eine Begründung für die Implausibilität der abgerechneten Leistungen vermissen lässt und entgegen der Auffassung der Beklagten auch keine Beweislastumkehr eintritt. Plausibilitätsprüfungen dienen der Aufdeckung von Abrechnungsfehlern und unwirtschaftlicher Leistungserbringung, sind aber kein eigenständiges Verfahren der Honorarkürzung wie sachlich rechnerische Berichtigung und Wirtschaftlichkeitsprüfung. Die Beklagte darf das Honorar eines Arztes nur kürzen, wenn er falsch abgerechnet hat. Eine vom Arzt zu widerlegende Vermutung, eine als implausibel gewertete Abrechnung sei falsch, darf gesamtvertraglich nicht wirksam vereinbart werden (BSG Urteil vom 08. März 2000, Az.: B 6 KA 16/99 R). Im Zusammenhang mit der nicht nachvollziehbaren Begründung für die Implausibilität fehlen erst recht Angaben, aus denen sich nachvollziehen lässt, nach welcher Methode die Beklagte die geprüften Fälle hochgerechnet hat auf die gesamten Quartale. Die geprüften Fälle sind für sich genommen zahlenmäßig zu gering, um das getroffene Ergebnis zu stützen. Eine Hochrechnung auf alle Fälle der streitigen Quartale ist abgesehen davon, dass diese nicht nachvollziehbar ist, auch nicht rechtmäßig, denn es gibt keinen Erfahrungsgrundsatz des Inhalts, dass eine in bestimmten Fällen implausibel abgerechnete Leistung damit automatisch auch in allen anderen Fällen nicht plausibel ist. Ausweislich des Aktenvermerks von 11.10.1999 hat der Kläger hinsichtlich der ersten beiden Quartale des Jahres 1999 in sechs der elf genannten Fälle die Ziffer 60 EBM abgerechnet, während ausweislich der Anlage zum Bescheid vom 22.11.1999 der Kläger im ersten und zweiten Quartal 1999 die Ziffer 60 EBM, 463 bzw. 347 mal abgerechnet hat. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, dass angesichts dieses Zahlenverhältnisses der von der Beklagten gezogene Rückschluss nicht begründet ist. Ein gleiches offensichtliches Missverhältnis besteht hinsichtlich der weiteren Gebührenziffern 17, 11 und 19 EBM. Ebensowenig lässt sich die von der Beklagten vertretene Auffassung nachvollziehen, die Ziffer 19 EBM sei neben der Leistung nach Ziffer 11 nicht berechnungsfähig. Die Leistungslegende von Ziffer 11 lautet "Diagnostik und/oder Behandlung einer psychischen Destabilisierung oder psychischen Krankheit durch hausärztliches Gespräch, Dauer mindestens 10 Minuten", Ziffer 19 lautet "Erhebung der Fremdanamnese, ggfls. bei mehreren Personen, über einen psychisch, hirnorganisch oder krankheitsbedingt erheblich kommunikationsgestörten Kranken (z.B. Taubheit, Sprachverlust) und/oder Unterweisung und Führung der entsprechenden Bezugsperson(en), einmal im Behandlungsfall". Ziffer 11 macht deutlich, dass die Leistungserbringung sich auf den Patienten selbst bezieht, während in Ziffer 19 die Erhebung der Fremdanamnese, also eine Anamneseerhebung durch dritte Personen in Vordergrund steht. Auch hier bedarf es keiner weiteren Ausführungen, dass diese Ziffern nebeneinander abrechenbar sind, wie sich aus den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung ergibt.
Möglicherweise liegt ein Verstoß des Klägers gegen das in § 12 SGB V normierte Wirtschaftlichkeitsgebot vor. Die Wirtschaftlichkeitsprüfung ist jedoch nicht Gegenstand der Plausibilitätsprüfung nach § 83 Abs. 2 SGB V ist, vielmehr gesondert in § 106 SGB V geregelt ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG in der bis 01.01.2002 gültigen Fassung.
Die Voraussetzung für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten bestand Streit über die Frage, ob die Beklagte rechtmäßig die Honorarbescheide des Klägers für die Quartale I/1996 bis II/1999 teilweise aufgehoben und nach Streichung bzw. Umwandlung verschiedener Gebührenordnungspositionen Honorare in Höhe von insgesamt 294.043,12 DM zurückgefordert hat. Im Berufungsverfahren geht es nur noch um die Quartale I/1999 und II/1999 und um eine Rückforderung von 21.007,28 EUR.
Der Kläger ist als Facharzt für Innere Medizin zur vertragsärztlichen Versorgung in P zugelassen. Im Anschluss an ein im Zusammenhang mit dem Vorwurf fortgesetzter unwirtschaftlicher Behandlungsweise geführtes Gespräch leitete die Bezirksstelle Ruhr ein Plausibilitätsprüfungsverfahren ein. Am 11.10.1999 fand ein Gespräch statt, in dessen Verlauf 10 Behandlungsfälle des Quartals II/1999 sowie ein Behandlungsfall des Quartals I/1999 besprochen wurden. Als Ergebnis wurde festgehalten, es sei deutlich geworden, die Erbringung der Leistungen nach den Ziffern 10, 11, 17, 19, 21, 60, 850 und 851 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) sei aus der Dokumentation nicht ableitbar und damit sei davon auszugehen, dass diese Leistungen nicht vollständig erbracht worden sei. Darüberhinaus hätte anstelle der Nr. 667 aufgrund der Dokumentation lediglich die Nr. 666 EBM, anstelle der Nebeneinanderberechnung 603 und 604 EBM wegen der fehlerhaften Erbringung der Ziffer 604 lediglich die Ziffer 603 abgerechnet werden dürfen.
Mit Bescheid vom 22.11.1999 hob die Beklagte die Honorarbescheide für die Quartale ab dem Quartal I/1996 auf und forderte einen Betrag von insgesamt 294.043,12 DM zurück. Zur Begründung und Berechnung wird auf den Bescheid verwiesen.
Zur Begründung seines hiergegen gerichteten Widerspruchs trug der Kläger im Wesentlichen vor, der Bescheid sei rechtswidrig, da er unzureichend begründet sei. Allein die Beanstandung der ordnungsgemäßen Leistungserbringung in den im Rahmen des Gesprächs erörterten Fällen berechtige nicht zur kompletten Streichung der genannten Ziffern ab dem Quartal I/1996. Die Beklagte hätte vielmehr in jedem einzelnen Fall anhand einer nachvollziehbaren Begründung darlegen müssen, weshalb eine sachlich- rechnerischen Berichtigung gerechtfertigt sei. Der Kläger nahm darüberhinaus umfassend zu den im Rahmen des Gesprächs erörterten Fällen bzw. den festgehaltenen Beanstandungen Stellung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wiederholte sie die Ausführungen aus dem Bescheid vom 22.11.1999.
Mit der hiergegen gerichteten Klage trug der Kläger vor, der Bescheid sei formell rechtswidrig, da er nicht hinreichend begründet sei. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe er in den geprüften Einzelfällen die Diagnosen und Leistungen zu den genannten Gebührenordnungspositionen auch ausreichend dokumentiert. Dies sei aus seinen Karteiblättern hinreichend erkennbar. Selbst wenn die vorgenommenen Dokumentationen aber unzureichend gewesen seien, folge daraus nicht die Berechtigung der Beklagten, eine Honorarberichtigung vorzunehmen, denn die Dokumentation der erbrachten Leistungen und festgestellten Diagnosen sei keine Abrechnungsvoraussetzung. Selbst wenn das aber unterstellt werde, folge aus einer unzureichenden Dokumentation nicht die Berechtigung, im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung eine Berichtigung bzw. Aufhebung der Honorarbescheide vorzunehmen. Die Dokumentationspflicht diene ausschließlich den Interessen des behandelnden Arztes und Patienten, zum Leistungsumfang nach dem EBM gehöre jedoch keinesfalls in allen Fällen eine Dokumentation im Interesse der Beklagten. Die vom Kläger geführten Aufzeichnungen seien für ihn als Gedächnisstütze vollkommen ausreichend und wahrten auch das Patienteninteresse. Selbst wenn man die Auffassung vertrete, die Dokumentationspflicht sei auch eine Leistung zugunsten der Beklagten, rechtfertige dies die vorgenommene Berichtigung nicht, da lediglich die Nebenpflicht der ausreichenden Dokumentation verletzt, die ärztliche Hauptleistung jedoch erfüllt sei. Die Verletzung einer Nebenpflicht berechtige jedoch nicht dazu das Honorar für die erbrachten Leistungen vollständig zu kürzen, dies sei mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht vereinbar. Bei der Verletzung einer Nebenpflicht käme allenfalls eine Disziplinarmaßnahme in Betracht.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 22.11.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2001 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig gehalten.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 21.04.2004 die Bescheide aufgehoben. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) handele es sich bei der auf § 83 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches (SGB V) beruhenden Plausibilitätsprüfung nicht um ein eigenständiges Verfahren der Honorarkürzung. Die Kassenärztlichen Vereinigungen seien nicht schon wegen fehlender Plausibilität, sondern nur dann zur sachlich rechnerischen Berichtigung von Abrechnungen berechtigt, wenn diese unrichtig seien, weil Leistungen nicht so erbracht worden seien, wie der Arzt sie abgerechnet oder die Leistungslegenden der einzelnen Positionen falsch angewendet haben. Allein aus dem Umstand, dass eine fehlerhafte Anwendung der Gebührenordnung wahrscheinlicher erscheine als eine unwirtschaftliche Leistungserbringung ergebe sich keine Berechtigung zur Honorarberichtigung. Die Plausibilitätsprüfung könne lediglich Hinweise darauf geben, dass die Gebührenordnung falsch angewandt worden sei oder Unwirtschaftlichkeiten vorlägen, sie dürfe aber nicht im Wege einer Beweislastumkehr dazu führen, dass aus bestimmten Auffälligkeiten allein auf eine fehlerhafte Abrechnung geschlossen und dem Arzt auferlegt werde, die Richtigkeit seiner Abrechnung zu beweisen. Vor diesem rechtlichen Hintergrund trügen die Begründung des angefochtenen Bescheides und die von der Beklagten ausweislich des Aktenvermerks vom 11. Oktober 1999 getroffenen Feststellungen den Schluss auf eine Nichterbringung der gestrichenen Leistung im streitigen Zeitraum nicht. Zwar genügten die Dokumentationen nicht den Anforderungen, man könne sich jedoch nicht der Auffassung anschließen, dass eine unzureichende Dokumentation bzw. eine nach der Dokumentation nicht nachvollziehbare Leistungserbringung generell die Streichung der abgerechneten ärztlichen Leistung rechtfertige. Dies sei vielmehr nur dann der Fall, wenn die Dokumentation zum ausdrücklichen Leistungsinhalt gehöre wie z.B. bei den Nrn. 60 oder 850 EBM. Die Dokumentationspflicht sei Bestandteil des Berufsrechts, sie könne aber einer nicht erbrachten Leistung nicht gleichgestellt werden. Entsprechendes gelte erst recht für Fälle, in denen abgerechnete Leistungen gestrichen worden seien, weil sie nach der Dokumentation nicht nachvollziehbar seien. Eine nicht nachvollziehbare Dokumentation rechtfertige ohne weitere Feststellung lediglich den Schluss auf eine unwirtschaftliche Leistungserbringung, nicht aber auf die Abrechnung einer nicht erbrachten Leistung. Ausweislich der Erörterungen im Gespräch vom 11.10.1999 habe die Beklagte lediglich 10 Behandlungsfälle des Quartals II/1999 sowie einen Behandlungsfall des Quartals I/1999 zugrundegelegt. Inwieweit diese geprüften Fälle repräsentativ für die Gesamtabrechnung des Klägers über den erfassten Zeitraum sein sollten, erschließe sich weder aus der Begründung des angefochtenen Bescheides noch aus sonstigen Umständen. Die durchgeführte Plausibilitätsprüfung könne daher die Schlussfolgerung, sämtliche gestrichene Leistungen seien nicht bzw. nicht vollständig erbracht worden, nicht rechtfertigen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten vom 11.08.2004, soweit die Quartale I/1999 und II/1999 betroffen sind. Das Sozialgericht habe zumindest für die geprüften Fälle aus den Quartalen I/1999 und II/1999 festgestellt, dass die Dokumentation des Klägers nicht den Anforderungen genügte. Nach der Rechtsauffassung der Beklagten könne bei nicht dokumentationspflichtigen Leistungen eine Berichtigung bei fehlender Dokumentation erfolgen, wenn ein Vertragsarzt beweisfällig geblieben sei. Dies ergebe sich aus § 57 Abs. 1 des Bundesmantelvertrages der Ärzte (BMVÄ) bzw. § 13 Abs. 7 des Ersatzkassenvertrages (EKV), wonach der Vertragsarzt zur Dokumentation von Befunden, Behandlungsmaßnahmen sowie der veranlassten Leistungen einschließlich des Tages der Behandlung in geeigneter Weise verpflichtet sei. Rechne er eine Leistung ab, für die sich keinerlei Dokumentation finde, werde davon ausgegangen, dass er einen Beweis für die Erbringung der Leistung nicht geführt habe. Diese fehlende Beweiserbringung gehe zu seinen Lasten, wenn nicht auf andere Weise bewiesen werden könne, dass die abgerechnete Leistung tatsächlich erbracht worden sei. Der Vertragsarzt könne den Honoraranspruch nicht allein mit der Behauptung begründen, die Leistung sei erbracht worden, vielmehr müsse die Abrechnung auch für die Beklagte nachprüfbar gestaltet sein. In Anbetracht dieser Umstände hätte das Sozialgericht den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid allenfalls teilweise, nicht aber vollständig aufheben dürfen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.04.2004 insoweit aufzuheben, als der Bescheid vom 22.11.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2001 für die Quartale I/1999 und II/1999 aufgehoben wurde.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, die von der Beklagten gezogenen Schlussfolgerung sei nicht nachvollziehbar. Es werde mit der Behauptung, er sei hinsichtlich der Leistungserbringung beweisfällig geblieben, erstmalig streitig gestellt, ob die Leistungen tatsächlich erbracht worden seien. Unabhängig davon übersehe die Beklagte jedoch, dass der Rückforderungs- und Aufhebungsbescheid vor dem Hintergrund keinen Bestand haben könne, da für die Honorarrückforderung in Höhe von knapp 300.000,00 DM aus insgesamt 14 Quartalen lediglich 10 Behandlungsfälle zur Prüfung herangezogen worden seien. Diese 10 Fälle könnten unstreitig kein zutreffendes statistischen Bild über die Dokumentation des Klägers vermitteln. Allein vor diesem Hintergrund könne der angefochtene Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid keinen Bestand haben.
Wegen der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes, auch des Vorbringens der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die der Senat beigezogen hat und deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid vom 22.11.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2001 beschwert den Kläger im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und ist daher rechtswidrig. Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides eine Begründung für die Implausibilität der abgerechneten Leistungen vermissen lässt und entgegen der Auffassung der Beklagten auch keine Beweislastumkehr eintritt. Plausibilitätsprüfungen dienen der Aufdeckung von Abrechnungsfehlern und unwirtschaftlicher Leistungserbringung, sind aber kein eigenständiges Verfahren der Honorarkürzung wie sachlich rechnerische Berichtigung und Wirtschaftlichkeitsprüfung. Die Beklagte darf das Honorar eines Arztes nur kürzen, wenn er falsch abgerechnet hat. Eine vom Arzt zu widerlegende Vermutung, eine als implausibel gewertete Abrechnung sei falsch, darf gesamtvertraglich nicht wirksam vereinbart werden (BSG Urteil vom 08. März 2000, Az.: B 6 KA 16/99 R). Im Zusammenhang mit der nicht nachvollziehbaren Begründung für die Implausibilität fehlen erst recht Angaben, aus denen sich nachvollziehen lässt, nach welcher Methode die Beklagte die geprüften Fälle hochgerechnet hat auf die gesamten Quartale. Die geprüften Fälle sind für sich genommen zahlenmäßig zu gering, um das getroffene Ergebnis zu stützen. Eine Hochrechnung auf alle Fälle der streitigen Quartale ist abgesehen davon, dass diese nicht nachvollziehbar ist, auch nicht rechtmäßig, denn es gibt keinen Erfahrungsgrundsatz des Inhalts, dass eine in bestimmten Fällen implausibel abgerechnete Leistung damit automatisch auch in allen anderen Fällen nicht plausibel ist. Ausweislich des Aktenvermerks von 11.10.1999 hat der Kläger hinsichtlich der ersten beiden Quartale des Jahres 1999 in sechs der elf genannten Fälle die Ziffer 60 EBM abgerechnet, während ausweislich der Anlage zum Bescheid vom 22.11.1999 der Kläger im ersten und zweiten Quartal 1999 die Ziffer 60 EBM, 463 bzw. 347 mal abgerechnet hat. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, dass angesichts dieses Zahlenverhältnisses der von der Beklagten gezogene Rückschluss nicht begründet ist. Ein gleiches offensichtliches Missverhältnis besteht hinsichtlich der weiteren Gebührenziffern 17, 11 und 19 EBM. Ebensowenig lässt sich die von der Beklagten vertretene Auffassung nachvollziehen, die Ziffer 19 EBM sei neben der Leistung nach Ziffer 11 nicht berechnungsfähig. Die Leistungslegende von Ziffer 11 lautet "Diagnostik und/oder Behandlung einer psychischen Destabilisierung oder psychischen Krankheit durch hausärztliches Gespräch, Dauer mindestens 10 Minuten", Ziffer 19 lautet "Erhebung der Fremdanamnese, ggfls. bei mehreren Personen, über einen psychisch, hirnorganisch oder krankheitsbedingt erheblich kommunikationsgestörten Kranken (z.B. Taubheit, Sprachverlust) und/oder Unterweisung und Führung der entsprechenden Bezugsperson(en), einmal im Behandlungsfall". Ziffer 11 macht deutlich, dass die Leistungserbringung sich auf den Patienten selbst bezieht, während in Ziffer 19 die Erhebung der Fremdanamnese, also eine Anamneseerhebung durch dritte Personen in Vordergrund steht. Auch hier bedarf es keiner weiteren Ausführungen, dass diese Ziffern nebeneinander abrechenbar sind, wie sich aus den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung ergibt.
Möglicherweise liegt ein Verstoß des Klägers gegen das in § 12 SGB V normierte Wirtschaftlichkeitsgebot vor. Die Wirtschaftlichkeitsprüfung ist jedoch nicht Gegenstand der Plausibilitätsprüfung nach § 83 Abs. 2 SGB V ist, vielmehr gesondert in § 106 SGB V geregelt ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG in der bis 01.01.2002 gültigen Fassung.
Die Voraussetzung für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved