Das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 27.04.1995 wird aufgehoben und der Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.10.1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.1992 verurteilt, eine posttraumatische Belastungsstörung als Schädigungsfolge anzuerkennen und Versorgung nach einer MdEum 40 v.H. für die Zeit ab 01.02.1989 zu bewilligen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Dem Beklagten werden vier Fünftel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Rechtszüge auferlegt. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Anerkennung einer psychischen Erkrankung der Klägerin als Schädigungsfolge nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) nach der Ermordung ihres Ehemannes.
Die 1949 geborene Klägerin war seit 1971 kinderlos mit Herrn K ... S ... verheiratet. Seit April 1981 war die Ehe stark belastet, da der Ehemann der Klägerin eine außereheliche Beziehung mit Frau B. unterhielt, die er nicht beenden wollte. Im Mai 1981 trennten sich die Ehepartner, der Ehemann der Klägerin bezog eine andere Wohnung. Die Ehepartner blieben auch im Sommer 1981 miteinander in Kontakt.
In der Nacht vom 17. zum 18.08.1981 suchte der Ehemann der Klägerin die Wohnung der Frau B. und deren Ehemannes, des Herrn B., auf. Frau B. hatte sich in der vorangegangenen Zeit mit ihrem Ehemann ausgesöhnt, wollte ihre eigene Ehe aufrechterhalten und hatte ihren Entschluss, sich vom Ehemann der Klägerin zu trennen, diesem mitgeteilt. In der Nacht vom 17./18.08.1981 begab sich der Ehemann der Klägerin in die Wohnung des Ehepaares B. mit dem Bemühen um eine Aussprache und in der Absicht, Frau B. zurückzugewinnen. Es kam zu einer Auseinandersetzung, insbesondere zwischen dem Ehemann der Klägerin und Herrn B., in dessen Verlauf Herr B. den Ehemann der Klägerin gegen 24.00 Uhr durch zwei Kopfschüsse tötete.
Nach der Rückkehr der Klägerin von einem 14-tägigen Urlaub mit Bekannten hatte sie im Tagesablauf des 17.08.1981 erfolglos versucht, ihren Ehemann zu erreichen. In den Abendstunden des 18.08.1981, zwischen 18.00 und 19.00 Uhr, suchten Kriminalbeamten die Klägerin zu Hause auf und unterrichteten sie sowohl im Rahmen dieses ersten Gespräches als auch im Rahmen der nachfolgenden Vernehmung in der Polizeidienststelle über die begangene Gewalttat, einschließlich der näheren Umstände.
Nachdem die Klägerin zunächst mit Fassungslosigkeit reagierte, ging es ihr nach der Beerdigung psychisch immer schlechter. Es erfolgte eine ambulante Behandlung durch die Dipl.-Psychologin A.B ..., bis im Januar 1982 eine stationäre Behandlung in der Psychiatrischen Nervenklinik der W ... W ...-U ... M ... erforderlich wurde (15.01.- 26.04.1982).
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin ihren erlernten Beruf als Rechtsanwalts- und Notarsgehilfin ausgeübt und nahm diesen nach der stationären Behandlung im Sommer 1982 wieder auf. Ebenso belebte sie seit Sommer 1982 alte soziale Kontakte wieder und ging eine neue Partnerschaft ein. Im Rahmen dieser Partnerschaft gebar sie im Januar 1984 ihren Sohn. Im Laufe des Jahres 1986 trennte sie sich nach Auseinandersetzungen von ihrem Partner. Nach dieser Trennung verschlimmerte sich der psychische Zustand der Klägerin erneut, so dass sie sich nach einer vor und nach der Geburt ihres Sohnes sporadisch nach Bedarf stattgefundenen psychischen Behandlung durch die Dipl.-Psychologin A. B ... und die im Juni 1986 begonnene gesprächstherapeutische Betreuung durch die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. W ... in der Zeit von Januar bis August 1987 wiederholt in stationäre Behandlung begeben musste (07.01.-20.03.: St. R ...-H ... T ... GmbH; 06.04.-22.04.: R ... M ...; 22.04.-04.08.: M ...-H ... B .../ L ...).
Ihren Beruf als Rechtsanwalts- und Notarsgehilfin hatte die Klägerin seit Beendigung ihrer Ausbildung im Jahre 1966, lediglich unterbrochen durch die Zeit der psychiatrischen Erkrankung im Jahre 1982, bis November 1983, den Beginn ihres Mutterschutzes für den im Januar 1984 geborenen Sohn, ausgeübt. Nach der Geburt ihres Sohnes war die Klägerin bis 1986 arbeitslos und bis Juli 1988 aufgrund ihrer psychischen Erkrankung arbeitsunfähig. Nach einer sich wiederum anschließenden Arbeitslosigkeit und psychischen Stabilisierung war sie in der Zeit von Juli 1989 bis Januar 1998 nacheinander bei drei verschiedenen Arbeitgebern in ihrem erlernten Beruf tätig, aus gesundheitlichen Gründen jeweils als Teilzeitkraft im Rahmen einer 20- bzw. 18-Stunden-Woche. Nach gestiegenen Anforderungen an ihrem letzten Arbeitsplatz verschlimmerte sich die psychische Erkrankung der Klägerin erneut. Aufgrund der hieraus seit Januar 1998 resultierenden Arbeitsunfähigkeit wurde ihr Arbeitsverhältnis gekündigt. Im Herbst 1998 kam es erneut zu einer stationären Behandlung (05.10.-10.11.: K ... S ..., D ...). Seit Februar 1999 bezieht die Klägerin wegen ihrer psychischen Erkrankung Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Zumindest seit dem Jahre 2000 ist sie als Büroangestellte auf 630,--DM-Basis mit einer Arbeitszeit von 3 mal 3 Stunden wöchentlich beschäftigt und lebt seit 2000 mit ihrem Sohn, mit dem sie seit dessen Geburt zusammengelebt hat, in einer neuen Partnerschaft.
Seit 1981 bezieht die Klägerin Witwen-Versorgung nach dem Opfer entschädigungsgesetz. Im Rahmen eines Verfahrens wegen Ausgleichsrente richtete sie das Schreiben vom 24.01.1989 an das Versorgungsamt Münster. In diesem beim Versorgungsamt am 01.02.1989 eingegangenen Schreiben wies sie darauf hin, dass nach dem Tode ihres Mannes bei ihr Depressionen aufgetreten seien und sie sich deshalb allenfalls in der Lage sehe, einer Halbtagstätigkeit nachzugehen. Sie bat um Mitteilung, ob dieser Sachverhalt eventuell einen Anspruch nach dem BVG begründe, z.B. Zahlung einer Ausgleichsrente o.ä.
Nachdem der Klägerin 1989 Ausgleichsrente bewilligt worden war, wandte sie sich mit Schreiben vom 15.05.1991 unter Bezugnahme auf einen Antrag/Fragebogen auf eigene Beschädigtenversorgung aus dem Jahre 1989 an das Versorgungsamt. Das Versorgungsamt wertete die im Rahmen des Ausgleichsrentenverfahrens beigezogenen aktenkundigen medizinischen Unterlagen aus und erteilte den Bescheid vom 17.10.1991, mit dem es auf den Antrag vom 15.05.1991 einen Anspruch der Klägerin auf Versorgung nach dem OEG wegen eigener Gesundheitsstörungen ablehnte. Es führte aus, dass bei der Klägerin eine reaktive Depression bei akzentuierter Primärpersönlichkeit vorliege. In ihrer zunehmend disharmonisch gewordenen Ehe sei ihr Ehemann einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen, noch bevor es zu einer Aussöhnung zwischen den Ehepartnern habe kommen können. Nach entsprechender Therapie der anschließenden depressiven Erkrankung der Klägerin habe sich der psychische Zustand allmählich stabilisiert und sie sei mit wiedergewonnener Lebensfreude und Zuversicht sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich aktiv gewesen. Die Trennung vom Partner der 1982 oder 1983 eingegangenen Beziehung habe sie innerlich nicht verkraftet. Die jetzt vorliegende reaktive Depression bei akzentuierter Primärpersönlichkeit sei nicht mehr auf den Tod des Ehepartners 1981 zurückzuführen.
Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch wies das Landesversorgungsamt Nordrhein-Westfalen mit Widerspruchsbescheid vom 29.04.1992 zurück.
Mit der gegen die ablehnenden Bescheide erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren, die Bewilligung einer Opferentschädigung, weiterverfolgt. Sie hat vorgetragen, dass sie seit dem Tod ihres Ehemannes an Depressionen leide, die mehrfach stationär behandelt worden seien und zum Verlust der Hälfte ihrer Erwerbsfähigkeit geführt hätten. Die später eingegangene Partnerschaft habe lediglich zu einer Linderung der Depression geführt, die nach deren Ende wieder aufgelebt sei.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 17.10.1991 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.04.1992 zu verurteilen, die Gesundheitsstörung "Depressionen" als Schädigungsfolge anzuerkennen und eine Versorgungsrente nach einer MdE um 50 % nach den Vorschriften des Opferentschädigungsgesetzes zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten der Dr. W ... und des Neurologen und Psychiaters Dr. N ... sowie des Gutachtens des Neurologen und Psychiaters Dr. B ... vom 17.11.1994. Dieser Sachverständige ist zu der Einschätzung gekommen, dass bei der Klägerin keine Schädigungsfolgen vorlägen. Es bestehe eine neurotische Depression bei früh gestörter Persönlichkeit und es habe eine pathologische Trauerreaktion vor dem Hintergrund einer neurotisch gestörten Persönlichkeit stattgefunden. Erneute spätere depressive Krisen im Rahmen von Partnerkonflikten und Trennungssituationen seien ein Hinweis darauf, dass bei der Klägerin eine Neigung zu depressiver Dekompensation bei infolge einer früheren Störung vulnerabler Persönlichkeitsstruktur bestehe.
Mit Urteil vom 27.04.1995 hat das Sozialgericht Münster die Klage abgewiesen. Es hat die Entscheidung auf die Beurteilung des Sachverständigen Dr. B ... gestützt.
Mit der gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster eingelegten Berufung macht die Klägerin ihren Anspruch weiterhin geltend. Sie hat ausgeführt, dass ihre depressive Erkrankung erstmals nach der Gewalttat aufgetreten sei. Sie sei auf diese zurückzuführen und nicht auf eine schwierige Kindheit. So habe sie bis zur Gewalttat ein normales Leben geführt, auch im Umgang mit Partnerschaftskonflikten, ohne dass ernsthafte Erkrankungen aufgetreten seien. Des Weiteren ergebe sich aus dem vom Versorgungsamt im Rahmen eines Ausgleichsrentenverfahrens eingeholten Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. P ... deutlich, dass sich ihre Gesundheitsstörungen zwar aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur aber durch die Gewalttat veranlasst weiterentwickelt hätten.
Sie hat weiterhin vorgetragen, dass sie und ihr Ehemann eine Scheidung nicht beabsichtigt hätten. Ihr Ehemann habe vor ihrem Urlaub wieder verstärkt Kontakt zu ihr aufgenommen.
In ambulanter Behandlung bei der Dipl.-Psychologin A.B ... sei sie sowohl vor der stationären Behandlung im Januar 1982 als auch später, einschließlich der Zeit vor und nach der Geburt ihres Sohnes, gewesen.
Zur weiteren Ermittlung von Amts wegen hat das Landessozialgericht eine ergänzende Stellungnahme des Dr. P ..., Befundberichte der Dr. W ..., der Dipl.-Psychologin A.B ..., des Neurologen und Psychiaters K. H ... und des Chefarztes der Klinik für Psychiatrie der U ... M ..., Prof. Dr. R ..., sowie Auskünfte der H ...-M ... Krankenkasse eingeholt und die Vorprozessakten des Sozialgerichts Münster (S 2 Ar 51/89; S 4 V 45/92; S 9 An 7/94), die Akten der Staatsanwaltschaft Dortmund (Ks 9 Js 425/81) und die Rentenakte der BfA beigezogen. Des Weiteren hat es das Gutachten einschließlich ergänzender Stellung nahmen des Dr. L ..., Facharzt für Psychiatrie und Oberarzt der Evangelischen Nervenklinik "S ... T ..." in Remscheid, vom 29.07.1997/15.07.1998/16.03.1999 und das Gutachten einschließlich ergänzender Stellungnahme des Prof. Dr. V ..., Arzt für Psychiatrie und Neurologie, Leitender Medizinaldirektor i.R., vom 18.07.2000/05.01.2001 einschließlich des psychologischen Zusatzgutachtens des Psychologieoberrats H. K ... vom 07.07.2000 eingeholt. Die Sachverständigen Dr. L ... und Prof. Dr. V ... sind im Wesentlichen übereinstimmend zu der Einschätzung gelangt, dass die bei der Klägerin bestehende psychische Erkrankung auf die 1981 erfolgte Benachrichtigung über die Ermordung ihres Ehemannes zurückzuführen sei. Die Einschätzung und Annahme des Vorgutachters Dr. B ... und des Beklagten, dass die psychische Erkrankung ihren Ursprung im Wesentlichen in einer schwierigen Kindheit der Klägerin und entsprechenden Primärpersönlichkeit habe, entbehre ausreichender Anhaltspunkte und sei lediglich spekulativer Art. Auch die 1982 veränderten Lebensumstände mit dem Eingehen einer neuen Partnerschaft und vermehrten sozialen Kontakt stehe der an genommenen Kausalität zwischen der Nachricht von der Gewalttat und der andauernden psychischen Erkrankung nicht entgegen, da es sich bei diesem Lebensabschnitt nicht um eine Heilung, sondern vielmehr um eine sogenannte traumakompensatorische Reaktion und ein symptomarmes Intervall gehandelt habe. Dr. L ... hat die durch die psychische Erkrankung begründete Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 40 bis 60 v.H. eingeschätzt. Prof. Dr. V ... geht von einer aus der Krankheit resultierenden MdE um 30 v.H. aus. Ergänzend wird auf den Inhalt der Gutachten und ergänzenden Stellungnahmen des Prof. Dr. V ... und des Dr. L ... Bezug genommen.
Im Laufe des Berufungsverfahrens ist die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, beigeladen worden.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Urteil des Sozialgerichts Münster vom 27.04.1995 den Beklagten zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 17.10.1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.1992 eine posttraumatische Belastungsstörung als Schädigungsfolge nach dem Ereignis vom 17./18.08.1981 anzuerkennen und Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 50 v.H. für die Zeit ab 01.02.1989 zu gewähren, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beigeladene beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte und die Beigeladene halten die angefochtenen Bescheide sowie das Urteil des Sozialgerichts Münster für zutreffend. Bereits die juristischen Kriterien für die Zugehörigkeit der Klägerin zum Kreis der nach dem OEG anspruchsberechtigten Personen sei nicht erfüllt. Unter Bezugnahme auf das Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 06.08.1996 (-VI 1-52039/3- in BABl 1996 Nr. 11, S.71 ff.) machen sie geltend, dass die erforderliche Nähe der Klägerin zum Tatgeschehen nicht gegeben sei. So habe die Klägerin die Tat nicht selbst miterlebt, sondern lediglich im Rahmen einer Nachrichtenübermittlung von ihr erfahren. Darüber hinaus hätten die Klägerin und ihr Ehemann bereits in Scheidung gelebt.
Entgegen den Einschätzungen der Sachverständigen Dr. L ... und Prof. Dr. V ... könne auch nicht von einer medizinisch begründeten Kausalität zwischen der Nachricht von der Gewalttat und der psychischen Erkrankung der Klägerin ausgegangen werden. So sei bereits gemäß der geltenden ICD-Klassifikation (Internationale statische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision, August 1994, - ICD-10 -) die Nachricht von einer Gewalttat ohne unmittelbares Erleben aus medizinischer Sicht kein geeignetes Ereignis, um eine posttraumatischen Belastungsstörung zu verursachen. Der Sachverständige Prof. Dr. V ... habe eine "Überformung der posttraumatische Belastungsstörung durch eine chronifizierte depressive Entwicklung" ohne weitere Kausalitätsprüfung angenommen. Er habe seine Einschätzung auch zu sehr auf die eigenen anamnestischen Angaben der Klägerin gestützt und sei zu Unrecht wohl vom Ursachenbegriff des vorliegend nicht maßgeblichen Wiedergutmachungsrechts (Bundesentschädigungsgesetz - BEG -) ausgegangen. Insgesamt könne bei der Klägerin nicht vom Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung ausgegangen werden, sondern in Übereinstimmung mit dem erstinstanzlich gehörten Sachverständigen Dr. B ... sei unter Berücksichtigung der Kindheitsverhältnisse und der Primärpersönlichkeit der Klägerin von einer schädigungsunabhängigen Neigung zu depressiven Verstimmungszuständen bei neurotisch gestörter Primärpersönlichkeit und von einer endogenen Depression auszugehen. Die Klägerin habe auch nicht die für das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung erforderliche andauernde Persönlichkeitsänderung mit unflexiblem und unangepasstem Verhalten gezeigt, sondern die anfängliche, 1981 stattgefundene, pathologische Trauerreaktion sei abgeklungen, die Klägerin habe sich ab 1982 "extrem ins Leben gestürzt" mit dem Eingehen einer neuen Partnerschaft und sei aufgrund der späteren Trennung vom Partner 1986 und des Arbeitsplatzverlustes 1998 erneut erkrankt. Des Weiteren sei die von den Sachverständigen, insbesondere von Dr. L ..., angenommene MdE zu hoch eingeschätzt.
Zur weiteren Sachdarstellung wird auf die zitierten Unterlagen, die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten, auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Verwaltungsakte des Beklagten sowie der beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft Dortmund, der BfA und des Sozialgerichts Münster Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist überwiegend begründet.
Die Berufung ist insoweit begründet, als die Klägerin die Bewilligung einer Versorgungsrente geltend macht. Soweit die Bewilligung einer Versorgungsrente nach einer MdE um 50 v.H. anstatt einer MdE um 40 v.H. geltend gemacht wird, ist die Berufung unbegründet.
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Bewilligung einer Versorgungsrente nach einer MdE um 40 v.H. für die Zeit ab 1.2.1989 zu, § 1 OEG, §§ 30, 60 BVG.
Die Klägerin ist anspruchsberechtigt gem. § 1 Abs. 1 OEG, da sie infolge eines rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen eine andere Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG. Grundsätzlich ist auch diejenige Person entschädigungsberechtigt, die zwar nicht das Angriffsziel des Gewalttäters war, aber durch den Angriff auf eine andere Person als weiteres Opfer psychisch mitgeschädigt worden ist (BSG, Urteile vom 07.11.1979 - 9 RVg 1/78 - in BSGE 49/98 ff.; 8.8.2001 - B 9 VG 1/00 R -).
1) Vorliegend handelt es sich bei der Klägerin um eine unmittelbar Geschädigte. Die von der Rechtsprechung geforderte Unmittelbarkeit mit einem engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang zwischen dem Schädigungstatbestand und der schädigenden Einwirkung (vgl. BSG, Urteil vom 08.08.2001 a.a.0. m.w.N.) ist gegeben.
a) Die Unmittelbarkeit ist entgegen der Ansicht des Beklagten und der Beigeladenen vorliegend nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Klägerin die Tat nicht selbst unmittelbar miterlebt hat, sondern durch eine Nachrichtübermittlung mit der Tat konfrontiert wurde. In diesem Fall ist eine Schädigung auch unter Berücksichtigung der Lockerung des örtlichen Zusammenhangs als unmittelbar anzunehmen, da die Nachrichtenübermittlung eine natürliche Einheit mit dem Tatgeschehen bildet (BSG, Urteile vom 07.11.1979 a.a.0.; 08.08.2001, a.a.0.).
b) Der Annahme einer zeitlichen Unmittelbarkeit steht nicht der Umstand entgegen, dass zwischen der Ausübung der Gewalttat und der Benachrichtigung der Klägerin ein Zeitraum von ca. 20 Stunden lag. Denn eine Nachrichtenübermittlung beinhaltet zwangsläufig eine zeitliche Versetzung zwischen dem ursprünglichen Geschehen und der Nachricht über das Geschehene. Diese Zeitversetzung ist nicht schädlich, da nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die Nachrichtenübermittlung eine natürliche Einheit mit dem Tatgeschehen bildet und erst der Erhalt der Nachricht von der Gewalttat gegen das Primäropfer (hier: Ehemann der Klägerin) dem Mitgeschädigten (Drittgeschädigter, Sekundäropfer; hier: die Klägerin) gegenüber das Ende der Gewalttat darstellt (BSG, Urteile vom 07.11.1979; 08.08.2001, a.a.0.).
Unter Berücksichtigung dieser vom BSG gebildeten qualitativen Definition des Endes der Gewalttat und des Umstandes, dass vorliegend zwischen Gewalttat und Nachrichtenübermittlung weniger als 24 Stunden lagen, hat der Senat keinen Grund und kein sachgerechtes Kriterium für das Aufzeigen einer rein quantitativen Grenzziehung der zeitlichen Unmittelbarkeit gesehen, das eine Differenzierung z.B. zwischen einer zeitlichen Versetzung von ca. 2 Stunden (vgl. BSG, Urteil vom 08.08.2001) und 24 Stunden rechtfertigt. Vielmehr erschiene die Festlegung einer zeitlichen Grenze, wie sie das Bundessozialgericht in der Kriegsopferversorgung in Einzelfällen angenommen hat (vgl. Beschluss vom 11.07.2000-B 9 V 36/2000B-: keine Unmittelbarkeit bei Kenntnis vom kriegsbedingten Tod der Eltern 9 Monate später; Urteil vom 29.11.1961 - 10 RV 645/57 -: keine Unmittelbarkeit bei Kenntnis vom Tod von Ehefrau und Kind durch Bombenangriff nach 4 - 5 Tagen), unter Berücksichtigung der vom Bundessozialgericht im Gewaltopferrecht angenommenen Lockerung des örtlichen und zeitlichen Zusammenhangs und seiner Begründung (vgl. BSG, Urteil vom 08.08.2001) ausgesprochen problematisch.
c) Der Annahme der unmittelbaren Schädigung steht auch nicht entgegen, dass zwischen der Nachricht von der Gewalttat und dem Behandlungsbeginn der psychischen Erkrankung der Klägerin ein Zeitraum von bis zu fünf Monaten lag und die Klägerin z.B. keinen spontanen Nervenzusammenbruch erlitten hat.
Selbst wenn man nicht auf die glaubhaft angegebene zunächst eingetretene Fassungslosigkeit (Gutachten Prof. Dr. V ...) oder die im zweiten Halbjahr 1981 begonnene ambulante Behandlung bei der Dipl.-Psychologin A.B ..., sondern auf den Beginn der stationären Behandlung am 15.01.1982 abstellt, ist von der erforderlichen engen Verbindung zwischen dem Schädigungstatbestand (hier Nachrichtenübermittlung) und der schädigenden Einwirkung (vgl. BSG, Urteil vom 08.08.2001, S. 4) auszugehen. Denn nach den herrschenden medizinischen Erkenntnissen kann bei einer posttraumatischen Belastungsstörung zwischen dem Trauma und damit der schädigenden Einwirkung und dem Auftreten von Symptomen eine Latenzzeit von Wochen und Monaten, in Einzelfällen sogar mehr als sechs Monate, liegen (vgl. Niederschrift über die Tagung der Sektion "Versorgungsmedizin" des Ärztlichen Sachverständigenbeirats beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung -Beiratsbeschluss- vom 12./13.11.1997). Würde man für die Annahme einer unmittelbaren Gesundheitsschädigung das spontane Auftreten eines Schocks im Sinne eines Nervenzusammenbruchs fordern (so möglicherweise BSG, Urteile vom 17.03.1982 -9a/9 RV 41/80-; 17.12.1997 -9 BVg 5/97-), so würde dies ein Abstellen auf die augenscheinlichen Symptome anstatt auf den nach herrschender medizinischer Lehrmeinung auch zunächst symptomlos möglichen Eintritt der Gesundheitsschädigung bedeuten. Es würde zu einer Begrenzung des Kreises der Anspruchsberechtigten anhand individuell möglicher gesundheitlicher Reaktionen führen, ohne dass dafür ein am Schutzzweck des OEG ausgerichteter sachlicher Grund ersichtlich wäre. Dementsprechend hat das Bundessozialgericht auch wiederholt auf die herrschende Meinung der medizinischen Wissenschaft hingewiesen (Urteile vom 08.08.2001; 26.01.1994 - 9 RVg 3/93 - in BSGE 74/51 ff.) und der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung ebenfalls eine posttraumatische Belastungsstörung als möglichen "Schockschaden" angenommen (RdSchr. vom 06.08.1996, a.a.O.).
Vorliegend haben die Sachverständigen Dr. L ... und Prof. Dr. V ... das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung angenommen. Auch Dr. B ..., der Beklagte und die Beigeladene sind unter Berücksichtigung der geschilderten Krankheitsentwicklung bis Januar 1982 von einer pathologischen Traumareaktion aufgrund der damaligen Gewalttat ausgegangen.
2) Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kreis der Anspruchsberechtigten allgemein durch die Forderung einer "besonderen Beziehung" zwischen Primär- und Sekundäropfer zu begrenzen ist (vgl. RdSchr. des BMA vom 06.08.1996, a.a.O.).
Denn - entgegen dem Einwand des Beklagten und des Beigeladenen - war vorliegend eine solche besondere Beziehung zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann gegeben.
Die Klägerin und ihr Ehemann waren seit 1971 verheiratet und hatten in einer am 17.08.1981 noch gültigen Ehe gelebt. Neben dieser formalrechtlichen Verbindung bestand zwischen ihnen auch eine emotionale Sonderbeziehung. Die von Seiten der Klägerin bestehende Zuneigung zu ihrem Ehemann mit der im August bestehenden Hoffnung auf Aussöhnung ist vom Sachverständigen Prof. Dr. V ... ausdrücklich für glaubhaft gehalten geworden. Aus dem Akteninhalt ergeben sich keine entgegenstehenden Anhaltspunkte. Auch der Beklagte und die Beigeladene haben insoweit keine Bedenken geäußert.
Auch objektiv standen die Eheleute nach ihrer häuslichen Trennung im Mai 1981 noch miteinander in Kontakt. Der diesbezügliche Vortrag der Klägerin erscheint glaubhaft. Nicht nur der Sachverständige Prof. Dr. V ... hat der Klägerin bezüglich ihrer Schilde rungen Offenheit und Glaubwürdigkeit bescheinigt. Sondern auch aus dem strafrechtlichen Urteil des Landgerichts Dortmund vom 21.01.1983 (Ks 8 Js 425/81) ergibt sich ein über Mai 1981 hinausgehender Kontakt zwischen der Klägerin, ihrem Ehemann und dem Ehepaar B ... Insbesondere die von der Klägerin für die Zeit vor ihrem Urlaub im August 1981 angegebene verstärkte Kontaktaufnahme durch ihren Ehemann erscheint nachvollziehbar und glaubhaft, da Frau B. im Juli 1981 zugunsten ihrer eigenen Ehe die Beziehung zum Ehemann der Klägerin abgebrochen hatte (Urteil des LG Dortmund vom 21.01.1981, S. 29). Es steht weder fest, noch kann es ausgeschlos sen werden, dass der Ehemann der Klägerin im Falle einer endgültigen Trennung von Frau B. zur Klägerin zurückgekehrt wäre.
So lassen die aufgeführten Verhältnisse den Vortrag der Klägerin, dass zwischen den Eheleuten eine Scheidung noch nicht beabsichtigt gewesen sei, glaubhaft erscheinen.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Ehemann der Klägerin nach einer zehnjährigen Ehe auch bei einer dreimonatigen häuslichen Trennung die Klägerin - ungeachtet ihrer formalrechtlichen Stellung als Ehefrau - nicht mehr als nahe Angehörige betrachtete, für die er - ebenso für sich selbst - staatlichen Schutz gegen Gewalttaten erwartete (vgl. zum diesbezüglichen Schutzzweck des OEG: Urteil des BSG vom 08.08.2001, S. 6; zum Schutzbereich des § 823 BGB: Berg in NJW 1970/515 f.; s. auch LG Frkft. in NJW 1969/2286 ff.).
Darüber hinaus kann insbesondere unter Berücksichtigung der gesetzlichen Maßgaben nicht davon ausgegangen werden, dass die über zehn Jahre bestandene Ehe nach einer dreimonatigen Trennungszeit bereits als gescheitert zu bewerten ist. Denn gem. § 1566 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wird frühestens nach einer einjährigen Trennung unwiderlegbar vermutet, dass eine Ehe gescheitert ist. Vorliegend konnte unter Berücksichtigung der aufgeführten Umstände auch nicht - wie in § 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB verlangt - erwartet werden, dass die Eheleute die Lebensgemeinschaft nicht wieder hergestellt hätten.
3) Die anhaltende psychische Erkrankung der Klägerin ist im versorgungsrechtlichen Sinne kausal auf die Benachrichtigung von der Tötung ihres Ehemannes zurückzuführen.
Dies hat die medizinische Beweisaufnahme ergeben. Insbesondere die Sachverständigen Dr. L ... und Prof. Dr. V ... haben nachvollziehbar dargelegt, dass die Erkrankung mit Wahrscheinlich keit auf die Benachrichtigung im Sinne einer wesentlichen Bedingung zurückzuführen ist.
Beide Sachverständigen gehen übereinstimmend davon aus, dass die Übermittlung der Nachricht von der Tötung des Ehemanns der Klägerin, einschließlich der näheren Tatumstände, grundsätzlich ein geeignetes Ereignis ist, die vorliegende psychische Erkrankung auszulösen.
Prof. Dr. V ... hat ausgeführt, dass es sich vorliegend unter Berücksichtigung des Umstandes einer Gewalttat, einschließlich der näheren Tatumstände, in Verbindung mit der menschlichen Vorstellungskraft auch bei dem "bloßen" Überbringen der Nachricht um ein außergewöhnliches, aus dem Rahmen der üblichen Lebenserfahrung herausfallendes Ereignis handelt.
Dr. L ... hat darüber hinausgehend mitgeteilt, dass diese - auch von ihm getroffene Einschätzung - der herrschenden medizinischen Lehrmeinung entspricht. Denn es habe eine ständige Zurücknahme der existentiellen Bedrohung als Voraussetzung für eine posttraumatische Belastungsstörung gegeben. So hat er auf die diesbezüglichen Einwände des Beklagten und der Beigeladenen nachvollziehbar und von diesen unwidersprochen dargelegt, dass es sich bei der Forderung, dass der Betroffene die Gewalttat als Zeuge unmittelbar miterlebt haben müsse, um eine unzulässige Verkürzung der maßgeblichen medizinischen Klassifikationen, insbesondere der DSM IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) handele.
Darüber hinaus wäre zu berücksichtigen, dass die medizinischen Klassifikationen diagnostische Begriffe beinhalten, ohne Aussage über die versorgungsrechtlich relevante Ursache (vgl. Beiratsbeschluss vom 29./30.3.00; §§ 295 Abs. 1 Satz 2, 301 Abs. 2 Satz 1 SGB V).
Des Weiteren haben die Sachverständigen nachvollziehbar ausgeführt, dass auch die anderen Lebensumstände der Klägerin, sowohl eine schwierige Kindheit als auch die Trennung vom zweiten Lebenspartner 1986 als auch der Verlust des Arbeitsplatzes 1998, nicht für die psychische Gesundheitsstörung verantwortlich gemacht werden könnten.
Die nach der Gewalttat eingetretenen Ereignisse seien nicht geeignet, die psychische Gesundheitsstörung ohne die vorhergehende Erkrankung zu verursachen. Insoweit fällt auf, dass die Klägerin tatsächlich im August 1981 mit Bekannten in Urlaub gefahren war und damit auch auf die sie belastende eheliche Trennungssituation nicht mit sozialem Rückzug reagiert hatte.
Hinsichtlich der Kindheit der Klägerin und einer vom Beklagten und von der Beigeladenen vermuteten hieraus resultierenden psychischen Fehlentwicklung verweisen die Sachverständigen zu Recht darauf, dass es sich bei diesen Überlegungen um Schlussfolgerungen rein spekulativer Natur handele.
Denn es bestehen keine Anhaltspunkte für eine bereits vor der Gewalttat bestehende psychische Vorerkrankung. Weder die von den Sachverständigen erhobenen Anamnesen noch das psychologische Zusatzgutachten des H. K ... noch die von der Hamburg-Münchener Krankenkasse eingeholten Auskünfte haben diesbezügliche Hinweise ergeben. Entgegen den Einwänden der Beigeladenen beruht insbesondere das Gutachten des Prof. Dr. V ... nicht auf einer zu einseitigen Berücksichtigung der Angaben der Klägerin. Tatsächliche Widersprüche enthält ihr Vortrag nicht. Vielmehr haben die von den Sachverständigen durchgeführten Explorationen und auch das testpsychologische Zusatzgutachten ergeben, dass es sich bei der Klägerin um eine ausgesprochen kooperative, offene Probandin ohne Hinweis auf schauspielerische oder Simulations-Tendenzen handelt.
Dieser Einschätzung steht auch nicht das Gutachten des Dr. B ... entgegen, auf das sich der Beklagte und die Beigeladene stützen. Dr. B ... hat 1994 seine Diagnose einer "neurotisch gestörten Persönlichkeit" nicht näher begründet. Insoweit kann dieses Gutachten die von Prof. Dr. V ... diesbezüglich zielgerichtet durchgeführte Untersuchung und Begutachtung - einschließlich testpsychologischer Untersuchung - nicht in Frage stellen. Auch unter Miteinbeziehung der geschilderten Kindheitsverhältnisse der Klägerin hat Prof. Dr. V ... unter Bezugnahme auf einschlägige Studien überzeugend ausgeführt, dass eine schwierige Kindheit nicht zwangsläufig eine psychische Erkrankung im Erwachsenenalter begründe.
Des Weiteren fällt auf, dass Dr. B ... in seinem Gutachten ebenso von einer (lediglich) "vulnerablen" Persönlichkeit gesprochen hat. Auch die vorbehandelnde T ...-GmbH diagnostizierte 1987 lediglich eine "akzentuierte Persönlichkeit", Dr. K ... 1988 "Persönlichkeitsstörungen", Dr. P ... 1993 eine "selbstunsichere Persönlichkeitsstruktur" , Dr. M ... 1998 (depressive Störungen bei) "begünstigender Persönlichkeitsstruktur". Auch aus diesen - jeweils aufgrund von Untersuchungen nach der Gewalttat verwendeten - unterschiedlichen medizinischen Bezeichnungen ergibt sich kein definitiver Hinweis auf eine psychische Vorerkrankung, sondern allenfalls auf eine vulnerable und weniger kompensationsfähige Persönlichkeit. Eine solche steht der Anerkennung der Folgen eines psychischen Traumas nicht entgegen, da nach den Maßgaben der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz", Ausgabe 1996, (Anhaltspunkte) grundsätzlich die individuelle Belastbarkeit und Kompensationsfähigkeit zu beachten ist - Punkt 71 (1) Satz 2 - (vgl. auch ICD-10, F 43.1, Satz 2).
Auch das Bundessozialgericht hat insoweit zur Beweislage bei psychischen Erkrankungen ausgeführt, dass die angenommene wahrscheinliche Kausalität zwischen dem verantwortlich gemachten Ereignis (hier: Todesnachricht) und der psychischen Gesundheitsstörung nicht durch eine ebenfalls nur wahrscheinliche andere Kausalität, sondern nur durch eine sichere andere Kausalität widerlegt werden kann (BSG, Urteil vom 18.10.1995 - 9/9a RVg 4/92 -). Eine maßgebliche psychische Vorerkrankung der Klägerin als alternative Ursache kann jedenfalls nicht mit dieser erforderlichen Sicherheit angenommen werden.
Der Senat ist auch der Einschätzung der Sachverständigen gefolgt, dass sich die posttraumatische Belastungsstörung der Klägerin chronifiziert hat und nicht in den Jahren 1982 bis 1986 vollständig abklang oder ausheilte.
Die Qualifizierung der Wiederbelebung ihres sozialen Lebens als eine traumakompensatorische Reaktion und ein symptomarmes Intervall ist nachvollziehbar, zumal hinsichtlich der 1986 erneut aufgetretenen Verschlimmerung nach den obigen Ausführungen nicht von einer Verursachung durch eine insoweit maßgebliche psychische Vorerkrankung ausgegangen werden kann. Gegen eine erfolgte Ausheilung und für die Wertung als traumakompensatorische Reaktion spricht zudem die Schilderung der Klägerin, auch während der 1982 eingegangenen Partnerschaft in - wenn auch sporadischer - psychiatrischer Behandlung gestanden zu haben. Diese Angaben sind glaubhaft, sie ergeben sich bereits aus dem BfA-Rentengutachten des Dr. K ... vom 5.4.1988 und dem vom Sozialgericht eingeholten Befundbericht der Dr. W ... vom 18.3.1994. Dem steht nicht die Angabe der Dipl.-Psychologin A.B ... über eine 1981 erfolgte Behandlung entgegen, da diese nur aus der Erinnerung, ohne Unterlagen gemacht worden ist.
Die Annahme eines traumakompensatorischen Verhaltens entspricht darüber hinaus der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass es die Folgen eines Traumas "zudeckende Lebensumstände" gibt, die nicht geeignet sind, einen ursächlichen Zusammenhang pauschal zu verneinen (vgl. Beiratsbeschluss vom 29./30.3.00).
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die 1986 erfolgte Verschlimmerung und Chronifizierung der psychischen Erkrankung auf einer schädigungsunabhängigen, endogenen Depression beruht. Der diesbezügliche Einwand der Beigeladenen, Prof. Dr. V ... sei ohne nähere Begründung von "überformenden depressiven Störungen" ausgegangen, kann nicht durchdringen. Denn unter Berücksichtigung von Studien und Erfahrungen mit Angehörigen von Todesopfern des Holocaust hat sich Prof. Dr. V ... mit dieser Frage auseinander gesetzt. Er wertet auch die depressiven Anteile als durch die Todesnachricht verursacht ("chronifizierte reaktiv-depressive Entwicklung") und hat ausdrücklich festgestellt, dass es sich bei der posttraumatischen Belastungsstörung und der chronifizierten depressiven Entwicklung um ein einheitliches psychiatrisches Störungsbild handelt, das durch die Besonderheiten des traumatisierenden Ereignisses erklärt ist. Auch nach den Maßgaben der Anhaltspunkte können die posttraumatischen Belastungsstörungen kurzfristig "häufig depressiven" Beschwerden entsprechen und müssen auch länger andauernd nicht diagnostisch auf ihre typischen Symptome begrenzt sein - Punkt 71 (1) Absatz 2, Satz 1 - (vgl. auch ICD-10, F43.1, Satz 5).
Darüber hinaus ist auch insoweit wiederum die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu berücksichtigen, die eine sichere alternative Kausalität fordert (BSG, Urteil vom 18.10.95 a.a.O.). Davon kann vorliegend auch unter Berücksichtigung der lediglich als Zweifel geäußerten Einwände der Beigeladenen nicht ausgegangen werden.
Insgesamt kann - entgegen dem Vorhalt der Beigeladenen - auch nicht davon ausgegangen werden, dass Prof. Dr. V ... bei der Prüfung der Kausalität nicht den maßgeblichen versorgungsrechtlichen Kausalitätsbegriff zu Grunde gelegt hat.
4) Der Senat ist hinsichtlich der Höhe der medizinischen MdE der Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. V ... gefolgt.
Die diesbezügliche Beurteilung durch Dr. L ... konnte nicht überzeugen. Denn der von Dr. L ... miteinbezogene MdE-Rahmen von 50 - 70 v.H. muss außer Betracht bleiben, da er mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten mit erheblichen Problemen sowohl im beruflichen als auch im familiären Bereich voraussetzt (Punkt 26.3 der Anhaltspunkte, S. 60; Beiratsbeschluss vom 18./19.3.1998). Die Klägerin war und ist jedoch in der Lage, eine Partnerschaft mit nahen Angehörigen (seit 1984 mit ihrem Sohn, seit 2000 mit einem Partner) zu leben, einen Haushalt zu führen und zeitweise berufstätig zu sein.
Dagegen ist die Einschätzung des Prof. Dr. V ... einer MdE um 30 v.H. und damit die Annahme einer stärker behindernden Störung mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nachvollziehbar.
Unter Berücksichtigung der durchgehenden Behandlungsbedürftigkeit und der bereits seit 1989 bestehenden Einschränkung der Berufsfähigkeit ist der Senat vom Vorliegen einer MdE um 30 v.H. bereits für die Zeit ab Antragstellung ausgegangen.
Insgesamt steht der Klägerin ein Anspruch auf Versorgungsrente nach einer MdE um 40 v.H. zu.
Denn die rein medizinische MdE um 30 v.H. gemäß § 30 Abs.1 BVG i.V.m. § 1 OEG ist gemäß § 30 Abs. 2 BVG wegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit höher zu bewerten. Die Klägerin ist jedenfalls seit 1989 in ihrem bereits vor der Schädigung erlernten und ausgeübten Beruf als Rechtsanwalts- und Notarsgehilfin besonders betroffen, da sie ihn jedenfalls seit diesem Jahr nicht mehr vollschichtig ausüben konnte und kann. Seit 1998 ist sie erwerbsunfähig und verrichtet nur noch 3 mal 3 Stunden wöchentlich einfache Bürotätigkeiten. Im Zeitraum von 1989 bis 1998 hat sie ihren Beruf schädigungsbedingt nur halbschichtig ausgeübt. Die diesbezüglichen eigenen aktenkundigen Angaben der Klägerin wurden zeitnah durch die damalige Einschätzung des Neurologen und Psychiaters Dr. K ...in seinem Renten-Gutachten vom 5.4.1988 bestätigt, der aufgrund der psychischen Erkrankung eine vollschichtige Einsatzfähigkeit der Klägerin nicht mehr für gegeben hielt. Anhaltspunkte, die auf eine andere mögliche Erkrankung oder Ursache schließen lassen, sind nicht ersichtlich.
5) Der Anspruch auf Versorgungsrente ist für die Zeit ab 1.2.1989 begründet, § 60 Abs. 1 BVG i.V.m. § 1 OEG.
Bereits das am 1.2.1989 beim Versorgungsamt eingegangene Schreiben der Klägerin vom 24.1.1989 stellt einen Antrag auf Bewilligung von Versorgung nach dem OEG unter Zugrundelegung der eigenen Gesundheitsstörung dar (ebenso die Beigeladene im Schriftsatz vom 20.9.1999). Denn die Klägerin hat den maßgeblichen Sachverhalt - eigene Erkrankung nach dem Tod ihres Ehemannes und Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit -, verbunden mit dem Anliegen einer Leistungsgewährung nach dem BVG mitgeteilt. Auf die juristisch eindeutige Formulierung oder Bezeichnung des Anspruchs kam es bei der Klägerin als juristischem Laien nicht an. Der Antrag ist auch nicht durch die Prüfung und Bescheidung einer anderen möglichen Leistung (Ausgleichsrente) verbraucht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage nach dem anspruchsberechtigten Personenkreis in sog. Schockschadensfällen zugelassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 4 V 3/93
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 VG 124/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9 VG 1/02 R
Datum
Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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NRW
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