Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 AL 321/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 266/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Augsburg vom 3. Juni 2004 der Bescheid vom 5. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2002 dahingehend abgeändert, dass die Aufhebung der Bewilligung des Arbeitslosengeldes und die Erstattung auf die Zeit vom 9. bis 14. November 2001 beschränkt wird. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger neun Zehntel der außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist - noch - die Aufhebung der Bewilligung des Arbeitslosengeldes (Alg) für die Zeit vom 15.10. bis 14.11.2001 und die Erstattung von 318,44 Euro streitig.
Der 1960 geborene Kläger ist Inder. Er bezog ab 01.08.2001 Alg. Nach einem Vermerk gab er am 17.01.2002 bei der Beklagten an, sich ab 15.10.2001 für ca. sechs Wochen in Indien aufgehalten zu haben. Er habe am 16.10.2001 erfahren, dass sein Vater einen Herzanfall erlitten und an ihm verstorben sei. Er habe das nächste Flugzeug nach Indien genommen, um seinen Vater noch vor der Beerdigung sehen zu können. Er habe in diesem Augenblick nicht daran gedacht, die Beklagte zu benachrichtigen.
Nach Anhörung des Klägers hob die Beklagte mit Bescheid vom 05.06.2002 die Bewilligung des Alg ab 15.10.2001 ganz auf und forderte die Erstattung von 712,27 Euro und 162,82 Euro (Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge).
Mit seinem Widerspruch gab der Kläger an, ihm sei nicht bewusst gewesen, dass er dem Arbeitsamt seine Abreise mitteilen müsse. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.06.2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger habe in dem streitigen Zeitraum wegen fehlender Erreichbarkeit den Vermittlungsbemühungen nicht zur Verfügung gestanden.
Mit seiner zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger wiederum angegeben, vergessen zu haben, seine Abreise zu melden. Er hat Kopien der Flugtickets und eine in indischer Sprache verfasste Sterbeurkunde vorgelegt.
Mit Gerichtsbescheid vom 03.06.2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten seien nicht zu beanstanden, auf sie werde gemäß § 136 Abs.3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Bezug genommen.
Gegen diesen Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Klägers, zu deren Begründung er die Original-Flugtickets vorlegt. Die Beklagte hat den Änderungsbescheid vom 28.04.2005 erlassen, mit dem auf die Erstattung für den Zeitraum 15.11. bis 31.12.2001 verzichtet wird. Zur Begründung trägt die Beklagte vor, sie berücksichtige den Vortrag des Klägers, nur bis 14.11.2001 im Ausland gewesen zu sein.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 03.06.2004 sowie den Bescheid vom 15.06.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2002 und des Änderungsbescheides vom 28.04.2005 ganz aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagte und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor, da im maßgeblichen Zeitpunkt der Einlegung der Berufung der Beschwerdewert 500,00 Euro überstieg.
In der Sache erweist sich das Rechtsmittel teilweise als begründet.
Der Kläger hatte in dem hier noch streitigen Zeitraum 15.10. bis 14.11.2001 keinen Anspruch auf Alg, da er nicht arbeitslos im Sinne des § 117 Abs.1 Nr.1 SGB III war. Denn diese Anspruchsvoraussetzung setzt u.a. das Merkmal der Beschäftigungssuche voraus, die gemäß § 119 Abs.3 Nr.3 SGB III nur gegeben ist, wenn ein Arbeitsloser den Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann und darf. Dies ist gemäß § 1 Abs.1 Satz 2 der Erreichbarkeits-Anordnung - EAO - vom 23.10.1997 (ANBA 1997 S.1685) nur der Fall, wenn das Arbeitsamt den Arbeitslosen persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann. Dies war während des Aufenthalts des Klägers in Indien unstreitig nicht der Fall.
Gemäß § 3 Abs.1 Satz 1 EAO steht es der Verfügbarkeit bis zu drei Wochen im Kalenderjahr nicht entgegen, wenn der Arbeitslose sich nicht an seinem Wohnort und auch nicht innerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs aufhält, das Arbeitsamt aber vorher seine Zustimmung erteilt hat. Gemäß Abs.3 dieser Vorschrift kann die Drei-Wochen-Frist vom Arbeitsamt tageweise, höchstens um drei Tage verlängert werden.
Beim Kläger lagen objektiv die Voraussetzungen vor, unter denen ihm bei vorheriger Meldung die Zustimmung für einen dreiwöchigen Aufenthalt in Indien hätte erteilt werden können. Angesichts des den Aufenthalt auslösenden Ereignisses hätte diese Zustimmung im Sinne des Abs.3 bis zu drei Tage verlängert werden können, so dass der Kläger, eine vorherige Benachrichtigung der Beklagten unterstellt, trotz seines Auslandsaufenthaltes bis 08.11.2002 Anspruch auf Alg gehabt hätte.
Obwohl somit der Anspruch des Klägers auf Alg ab 15.10.2001 entfallen ist, war die Beklagte nicht berechtigt, die Bewilligung gemäß § 48 Abs.1 Satz 2 SGB X rückwirkend für die Zeit vom 15.10. bis 08.11.2001 aufzuheben. Zwar wäre der Kläger im Sinne von § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB X verpflichtet gewesen, der Beklagten seine Abreise und die Dauer des Aufenthalts mitzuteilen; jedoch kann ihm bezüglich dieses Unterlassens keine grobe Fahrlässigkeit angelastet werden. Grobe Fahrlässigkeit läge nur vor, wenn dem Kläger bei Berücksichtigung seiner subjektiven individuellen Verhältnisse und der konkreten Situation, in der er sich befand, eine besonders schwere Verletzung der erforderlichen Sorgfalt (§ 45 Abs.2 Satz 3 Nr.3 SGB X) angelastet werden könnte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Angesichts des Umstandes, dass er von dem plötzlichen Tod seines Vaters erfahren hatte und sich um eine möglichst umgehende Abreise bemühen musste, um seinen Vater vor der Beerdigung noch einmal zu sehen, ist es entschuldbar, dass er in dieser Lage vergaß, die Beklagte zu benachrichtigen.
Berechtigt ist die Aufhebung der Bewilligung allerdings für den restlichen Zeitraum vom 09. bis 14.11.2001, da der Anspruch auf Alg auch bei rechtzeitiger Mitteilung entfallen wäre.
Der Kläger ist gemäß § 50 Abs.1 Satz 1 SGB X zur Erstattung des für diesen Zeitraum geleisteten Alg und gemäß § 335 Abs.1 Satz 1 SGB III zur Erstattung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge verpflichtet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Die Beklagte hat dem Kläger neun Zehntel der außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist - noch - die Aufhebung der Bewilligung des Arbeitslosengeldes (Alg) für die Zeit vom 15.10. bis 14.11.2001 und die Erstattung von 318,44 Euro streitig.
Der 1960 geborene Kläger ist Inder. Er bezog ab 01.08.2001 Alg. Nach einem Vermerk gab er am 17.01.2002 bei der Beklagten an, sich ab 15.10.2001 für ca. sechs Wochen in Indien aufgehalten zu haben. Er habe am 16.10.2001 erfahren, dass sein Vater einen Herzanfall erlitten und an ihm verstorben sei. Er habe das nächste Flugzeug nach Indien genommen, um seinen Vater noch vor der Beerdigung sehen zu können. Er habe in diesem Augenblick nicht daran gedacht, die Beklagte zu benachrichtigen.
Nach Anhörung des Klägers hob die Beklagte mit Bescheid vom 05.06.2002 die Bewilligung des Alg ab 15.10.2001 ganz auf und forderte die Erstattung von 712,27 Euro und 162,82 Euro (Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge).
Mit seinem Widerspruch gab der Kläger an, ihm sei nicht bewusst gewesen, dass er dem Arbeitsamt seine Abreise mitteilen müsse. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.06.2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger habe in dem streitigen Zeitraum wegen fehlender Erreichbarkeit den Vermittlungsbemühungen nicht zur Verfügung gestanden.
Mit seiner zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger wiederum angegeben, vergessen zu haben, seine Abreise zu melden. Er hat Kopien der Flugtickets und eine in indischer Sprache verfasste Sterbeurkunde vorgelegt.
Mit Gerichtsbescheid vom 03.06.2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten seien nicht zu beanstanden, auf sie werde gemäß § 136 Abs.3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Bezug genommen.
Gegen diesen Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Klägers, zu deren Begründung er die Original-Flugtickets vorlegt. Die Beklagte hat den Änderungsbescheid vom 28.04.2005 erlassen, mit dem auf die Erstattung für den Zeitraum 15.11. bis 31.12.2001 verzichtet wird. Zur Begründung trägt die Beklagte vor, sie berücksichtige den Vortrag des Klägers, nur bis 14.11.2001 im Ausland gewesen zu sein.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 03.06.2004 sowie den Bescheid vom 15.06.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2002 und des Änderungsbescheides vom 28.04.2005 ganz aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagte und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor, da im maßgeblichen Zeitpunkt der Einlegung der Berufung der Beschwerdewert 500,00 Euro überstieg.
In der Sache erweist sich das Rechtsmittel teilweise als begründet.
Der Kläger hatte in dem hier noch streitigen Zeitraum 15.10. bis 14.11.2001 keinen Anspruch auf Alg, da er nicht arbeitslos im Sinne des § 117 Abs.1 Nr.1 SGB III war. Denn diese Anspruchsvoraussetzung setzt u.a. das Merkmal der Beschäftigungssuche voraus, die gemäß § 119 Abs.3 Nr.3 SGB III nur gegeben ist, wenn ein Arbeitsloser den Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann und darf. Dies ist gemäß § 1 Abs.1 Satz 2 der Erreichbarkeits-Anordnung - EAO - vom 23.10.1997 (ANBA 1997 S.1685) nur der Fall, wenn das Arbeitsamt den Arbeitslosen persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann. Dies war während des Aufenthalts des Klägers in Indien unstreitig nicht der Fall.
Gemäß § 3 Abs.1 Satz 1 EAO steht es der Verfügbarkeit bis zu drei Wochen im Kalenderjahr nicht entgegen, wenn der Arbeitslose sich nicht an seinem Wohnort und auch nicht innerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs aufhält, das Arbeitsamt aber vorher seine Zustimmung erteilt hat. Gemäß Abs.3 dieser Vorschrift kann die Drei-Wochen-Frist vom Arbeitsamt tageweise, höchstens um drei Tage verlängert werden.
Beim Kläger lagen objektiv die Voraussetzungen vor, unter denen ihm bei vorheriger Meldung die Zustimmung für einen dreiwöchigen Aufenthalt in Indien hätte erteilt werden können. Angesichts des den Aufenthalt auslösenden Ereignisses hätte diese Zustimmung im Sinne des Abs.3 bis zu drei Tage verlängert werden können, so dass der Kläger, eine vorherige Benachrichtigung der Beklagten unterstellt, trotz seines Auslandsaufenthaltes bis 08.11.2002 Anspruch auf Alg gehabt hätte.
Obwohl somit der Anspruch des Klägers auf Alg ab 15.10.2001 entfallen ist, war die Beklagte nicht berechtigt, die Bewilligung gemäß § 48 Abs.1 Satz 2 SGB X rückwirkend für die Zeit vom 15.10. bis 08.11.2001 aufzuheben. Zwar wäre der Kläger im Sinne von § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB X verpflichtet gewesen, der Beklagten seine Abreise und die Dauer des Aufenthalts mitzuteilen; jedoch kann ihm bezüglich dieses Unterlassens keine grobe Fahrlässigkeit angelastet werden. Grobe Fahrlässigkeit läge nur vor, wenn dem Kläger bei Berücksichtigung seiner subjektiven individuellen Verhältnisse und der konkreten Situation, in der er sich befand, eine besonders schwere Verletzung der erforderlichen Sorgfalt (§ 45 Abs.2 Satz 3 Nr.3 SGB X) angelastet werden könnte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Angesichts des Umstandes, dass er von dem plötzlichen Tod seines Vaters erfahren hatte und sich um eine möglichst umgehende Abreise bemühen musste, um seinen Vater vor der Beerdigung noch einmal zu sehen, ist es entschuldbar, dass er in dieser Lage vergaß, die Beklagte zu benachrichtigen.
Berechtigt ist die Aufhebung der Bewilligung allerdings für den restlichen Zeitraum vom 09. bis 14.11.2001, da der Anspruch auf Alg auch bei rechtzeitiger Mitteilung entfallen wäre.
Der Kläger ist gemäß § 50 Abs.1 Satz 1 SGB X zur Erstattung des für diesen Zeitraum geleisteten Alg und gemäß § 335 Abs.1 Satz 1 SGB III zur Erstattung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge verpflichtet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved