L 8 AL 424/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 6 AL 385/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 424/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 9. September 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 22.12.1999 bis 07.03.2000 und die Erstattung von 6.162,48 DM (3.150,83 Euro) streitig.

Der 1952 geborene Kläger war vom 30.08.1976 bis 28.02. 1989 als Kraftfahrer bei einer Spedition und vom 17.04.1989 bis 12.08.1994 als Produktionsleiter in einem Granitwerk beschäftigt. In der Folgezeit hat er jeweils Beschäftigungen in Granitwerken ausgeübt und war saisonbedingt in den Wintermonaten arbeitslos gemeldet und bezog Alg. Zuletzt war er vom 15.03. bis 16.12.1999 als Steinsäger beschäftigt. Er meldete sich am 20.12.1999 arbeitslos und beantragte Alg. Die Frage, ob er eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausübe, verneinte er. Ihm wurde ab 20.12.1999 Alg bewilligt.

Am 08.03.2000 meldete sich der Kläger in Arbeit ab. Während des Leistungsbezuges legte er eine Nebenverdienstbescheinigung der Firma O.-Speditions-GmbH vor, wonach er am 24. und 25.01.2000 für 14 Arbeitsstunden ein Bruttoentgelt von 300,00 DM erhalten habe.

Der Beklagten wurde ein polizeilicher Bericht vom 21.11.2001 übersandt, wonach die bei der Durchsuchung der Geschäftsräume der Firma O. am 02.11.2001 aufgefundenen Unterlagen ergäben, dass der Kläger vom 14. bis 18.12.1999 und ab dem 22.12.199 im Fernverkehr eingesetzt gewesen sei. Dem Bericht lagen die diesbezüglichen Unterlagen wie ausgefüllte Tachoscheiben, Vermerke über Betanken von Lkw s sowie die bei der Firma O. geführten Anwesenheitslisten bei.

Mit Schreiben vom 25.07.2002 wurde der Kläger zu dem Vorwurf angehört, vom 22.12.1999 bis 25.02.2000 in einem mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigungsverhältnis gestanden und bis 07.03.2000 Leistungen zu Unrecht bezogen zu haben. Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 09.08.2002 eine Stellungnahme nach Einsicht in die Akten des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Inhaber der Firma O. angekündigt hatte, hob die Beklagte mit Bescheid vom 22.08.2002 die Bewilligung des Alg für die Zeit vom 22.12.1999 bis 07.03.2000 auf und forderte die Erstattung des Alg in Höhe von 4.766,56 DM (2.437,10 EUR) und der Beiträge zur Kranken- sowie Pflegeversicherung in Höhe von 1.395,92 DM (713,72 EUR). Den Widerspruch, den der Kläger trotz Ankündigung nicht begründete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2002 als unbegründet zurück. Mit der Aufnahme einer mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung ab 22.12.1999 sei die Arbeitslosigkeit entfallen, so dass die Anspruchsvoraussetzungen nicht mehr vorgelegen hätten. Nach der Rechtsprechung des BSG sei ein weiterer Anspruch auf Alg davon abhängig, dass eine erneute persönliche Arbeitslosmeldung erfolge.

Zur Begründung seiner zum Sozialgericht Landshut (SG) erhobenen Klage hat der Kläger ausgeführt, soweit aufgrund der Sicherstellung von Geschäftsunterlagen mehrere Hinweise auf Tankaufzeichnungen vorlägen, gehe es darum, dass er sich den Lkw für private Transporte geliehen habe, um Material für die Bauarbeiten an seinem Wohnhaus zu transportieren. Er habe noch Türen, Holzböden, Gipsplatten, Ziegel und spezielle Fenster benötigt und zudem nach einem günstigen Auto für seine Tochter gesucht. Da ihm als ehemaligen Lkw-Fahrer bekannt gewesen sei, dass er bei Anlieferungen die Möglichkeit habe, Ausschussware kostenlos bzw. B-Sortierung zum Werksangehörigenpreis zu erstehen, habe er sich während der saisonbedingten Arbeitslosigkeit bei der Firma O. gemeldet und angeboten, unentgeltliche Beifahrerdienste zu erbringen, wenn er dafür bei den einzelnen Firmen nach den oben angeführten Baumaterialien fragen und diese mitnehmen könne. Der Geschäftsführer sei damit insoweit einverstanden gewesen, dass er den Kläger im Rahmen der Hinzuverdienstgrenzen als Gegenleistung auch für andere Transportarbeiten habe einsetzen können. Am 22.12.1999 sei er aus privaten Gründen nach F. in Nordrhein-Westfalen gefahren, um bei der Firma F. nach einem Auto für seine Tochter Ausschau zu halten. Soweit in der Anwesenheitsliste unter dem 24.12.1999 eine Rückkehr um 4.00 Uhr mit Lkw P. aufgeführt sei, habe sich nach einer Rechnung vom 23.12.1999 dieses Fahrzeug in Wartung befunden. Zu den Tanklisten sei anzuführen, dass er als alter Fernfahrer zwischendurch getankt und unterschrieben sowie die Listen schon mal vorgeschrieben habe. Obwohl er eigentlich nur als Beifahrer eingesetzt gewesen sei, habe er seiner alten Leidenschaft des Fahrens nachgegeben und sich selbst an das Lenkrad gesetzt, so dass er zwangsläufig Tachoscheiben habe einlegen müssen. Er habe nur an vier Tagen gegen Entgelt gearbeitet, und zwar am 24. und 25.01. sowie 09. und 10.02.2000.

Von der Beklagten auf Unterlagen hingewiesen, in denen eine Abfahrt am 03.01. und eine Rückkehr am 07.01.2000 vermerkt sei, hat der Kläger angegeben, diese Mitfahrt in das Ruhrgebiet werde nicht in Abrede gestellt; er habe am 06.01.2000 nach einem Auto für seine Tochter gesucht und sei deswegen unentgeltlich auf dem Lkw der Firma mitgefahren.

Während des Klageverfahrens ist im Rahmen des Strafverfahrens 4 Cs 115 Js 16590/02 gegen den Kläger am 16.12.2002 ein Strafbefehl ergangen wegen unrechtmäßigen Leistungsbezuges in der Zeit vom 22. bis 28.12.1999, 03. bis 21.01. und 19. bis 25.02.2000; wegen Betruges gemäß § 263 StGB wurde eine Geldstrafe in Höhe von 2.000,00 EUR festgesetzt. In dem auf den Einspruch des Klägers hin durchgeführten Strafverfahren wurde in der öffentlichen Sitzung am 14.07.2003 die Ladung von 17 Zeugen sowie die Einholung eines graphologischen Sachverständigengutachtens für den 06.10.2003 beschlossen. Nachdem die Staatsanwaltschaft am 28.07.2003 mitgeteilt hatte, der Kläger sei mit einer Verfahrenseinstellung gegen Zahlung eines Geldbetrages zu Gunsten einer gemeinnützigen Einrichtung einverstanden, stellte das Strafgericht mit Beschluss vom 06.08.2003 das Verfahren gemäß § 153a Abs.2 StPO vorläufig gegen Zahlung von 1.000,00 EUR ein.

Das SG hat mit Urteil vom 09.09.2004 die Klage abgewiesen. Zur Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung verweise das Gericht auf die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid (§ 136 Abs.3 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Bei dem vom Kläger geschilderten Verhalten habe er während seiner Saisonarbeitslosigkeit tatsächlich keine Beschäftigung gesucht und sei auch nicht bereit gewesen, alle Möglichkeiten zu nutzen, um die Beschäftigungslosigkeit zu beenden. Er habe die Zeit hauptsächlich dazu verwendet, seinen Hausbau weiter zu betreiben. Auch sei er seiner Verpflichtung, das Arbeitsamt zu unterrichten, wenn er seinen Wohnort verlasse, nicht nachgekommen. Teile der Arbeitslose eine unregelmäßige und öfter vorkommende Ortsabwesenheit nicht rechtzeitig mit, so liege nach Überzeugung der Kammer vom Beginn der ersten Ortabwesenheit an durchgehend die Voraussetzung der Verfügbarkeit nicht vor.

Mit seiner Berufung macht der Kläger geltend, das SG habe für ihn überraschend den Gesichtspunkt der fehlenden Verfügbarkeit angeführt. Er habe nur an Tagestouren als Beifahrer auf privater Basis teilgenommen und sei Abends in seinem Wohnort erreichbar gewesen; auch habe er dort die Post in Empfang nehmen können. Seine Lebensgefährtin habe damals beim Arbeitsamt die telefonische Auskunft erhalten, eine Mitteilung müsste erst bei einer Ortabwesenheit von drei Tagen und mehr erfolgen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 09.09.2004 sowie den Bescheid vom 22.08.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2002 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich des Gesichtspunktes der Verfügbarkeit handle es sich lediglich um eine weitere Begründung des Urteils des SG. Aufgrund der Erhebungen stehe fest, dass der Kläger nicht lediglich an Tagestouren auf privater Basis teilgenommen habe, sondern in der streitgegenständlichen Zeit voll in den Geschäftbetrieb der O.-Spedition und Logistik eingegliedert gewesen sei. Nur so lasse sich auch die Hinnahme der Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von 1.000,00 EUR als Voraussetzung für die Einstellung des Strafverfahrens erklären.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegt Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, da die Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden sind.

Die Beklagte hat gemäß § 330 Abs.2 SGB III i.V.m. § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.2 SGB X die Bewilligung des Alg zu Recht ab 22.12.1999 aufgehoben, da der Alg ab 20.12.1999 bewilligende Bescheid im Zeitpunkt seines Erlasses (Verfügung vom 29.12.1999) jedenfalls für die Zeit ab 22.12.1999 rechtswidrig war. Der Kläger hatte nämlich ab diesem Zeitpunkt keinen Anspruch auf Alg, da er nicht mehr im Sinne der §§ 117 Abs.1 Nr.1, 118 Abs.1 und 2 SGB III arbeitslos war. Denn er hat ab 22.12.1999 zumindest in der Zeit bis 24.12.1999 eine mehr als 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung ausgeübt. Dies ergibt sich aus der Angabe des Klägers, am 22.12.1999 nach F. in Nordrhein-Westfalen gefahren zu sein; Zweck dieser Fahrt auf einem Lkw der Firma O. sei aus seiner Sicht der Kauf eines Pkw s für die Tochter gewesen. In der bei der Durchsuchung der Firma gefundenen Anwesenheitsliste ist für diesen Tag eine Abfahrt und eine Rückkehr erst am 24.12.1999 vermerkt, so dass davon auszugehen ist, dass der Kläger in dieser Zeit mehr als 15 Stunden tätig war. Beleg hierfür ist auch die unterschriftliche Bestätigung eines Tankvorganges am 22.12.1999. Zudem hat der Kläger an diesem Tag eine Tachoscheibe ausgefüllt. Soweit der Kläger auf eine Werkstatt-Rechnung verweist, die unter der Rubrik "RGN-NR" das Datum 23.12.1999 trägt, und deshalb geltend macht, das fragliche Fahrzeug in dieser Zeit nicht benutzt haben zu können, so weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass die Rechnung das Auftragsdatum 17.05.1999 und die Belegnummer 20.05.1999 trägt, so dass die aufgeführten Wartungsarbeiten offensichtlich vorher stattgefunden haben.

Mit der Aufnahme der Tätigkeit am 22.12.1999 ist der Anspruch auf Alg entfallen, da nach § 122 Abs.2 Nr.2 SGB III die Wirkung der Arbeitslosmeldung, die nach § 117 Abs.1 Nr.2 SGB III Voraussetzung für den Anspruch auf Alg ist, erloschen ist; denn diese Wirkung tritt ein mit der Aufnahme einer Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit oder Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger, wenn der Arbeitslose diese dem Arbeitsamt nicht unverzüglich mitgeteilt hat. Eine solche Mitteilung hat der Kläger unterlassen, gegenteiliges wird von ihm auch nicht behauptet.

Nach dem Wegfall des Anspruches ist dieser nicht wieder entstanden, da der Kläger bis zu seiner Abmeldung in Arbeit zum 08.03.2000 bei der Beklagten nicht mehr persönlich vorgesprochen hat. Zudem räumt er selbst ein, zumindest in der Zeit vom 03. bis 07.01.2000 wieder als Beifahrer tätig gewesen zu sein, so dass, selbst wenn er zwischenzeitlich beim Arbeitsamt persönlich vorgesprochen hätte, der Anspruch erneut entfallen wäre.

Der Kläger hatte in seinem Alg-Antrag am 20.12.1999 die Frage, ob er eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausübe, verneint. Gleichzeitig hatte er unterschriftlich erklärt, Änderungen unverzüglich anzuzeigen sowie das Merkblatt I für Arbeitslose "Dienste und Leistungen" erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Deshalb musste er zumindest wissen, ohne die erforderliche Sorgfalt im besonders schweren Maße zu verletzen, dass er verpflichtet war, der Beklagten die Aufnahme der Tätigkeit am 22.12.1999 und deren Dauer anzuzeigen. Weiterhin war er darüber informiert, dass nach Ausübung einer mehr als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung eine erneute persönliche Arbeitslosmeldung erforderlich ist. Da er diese Meldungen unterlassen hat, beruht der anschließend ergangene Bewilligungsbescheid auf Angaben, die er vorsätzlich oder grobfahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig im Sinne des § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.2 SGB X gemacht hat. Zudem musste er i.S. des § 45 Abs.2 S.3 Nr.4 SGB X wissen, dass sein Anspruch ab der Aufnahme der Beschäftigung weggefallen ist.

An dem Wegfall der Anspruchsvoraussetzung der Arbeitslosigkeit und damit des Anspruches auf Alg ändert nichts der Vortrag des Klägers, es habe sich bei seiner Tätigkeit um private Fahrten gehandelt zu dem Zweck, ein geeignetes Auto für seine Tochter zu finden bzw. günstiges Baumaterial für das Haus zu erlangen und zu transportieren. Zum einen hat der Kläger nicht lediglich Beifahrerdienste verrichtet, wie seine eigenen Einlassungen und die von ihm ausgefüllten Tachoscheiben sowie Tankbelege beweisen; zum anderen stellt auch die Beifahrertätigkeit eine die Arbeitslosigkeit ausschließende Tätigkeit dar. Denn das Motiv für eine solche Beschäftigung ist für deren Charakter unerheblich, auch kommt es letztlich nicht auf eine Entgeltlichkeit an. Wesentlich ist, dass es sich um eine Tätigkeit handelt, die normalerweise entgeltlich und zu Erwerbszwecken ausgeübt wird, also für sich betrachtet eine wirtschaftlich verwertbare Arbeit darstellt (vgl. BSG SozR 3-4100 § 101 Nr.6). Für den Wegfall der Arbeitslosigkeit ist es unerheblich, ob es sich um ein beitragspflichtiges Beschäftigungsverhältnis handelt, weiterhin ist nicht Voraussetzung, dass für die Tätigkeit ein Entgelt gezahlt wird (BSG a.a.O.). Wesentlich ist, dass es sich um eine wirtschaftlich ins Gewicht fallende Dienstleistung handelt.

Aus den dargelegten Gründen kann letztlich dahinstehen, ob und inwieweit in dem fraglichen Zeitraum das Merkmal die Erreichbarkeit im Sinne des § 119 Abs.3 Nr.3 SGB III gegeben war.

Die Beklagte hat die zu Unrecht bezogenen Leistungen zutreffend errechnet. Der Erstattungsanspruch bezüglich des Alg ergibt sich aus § 50 Abs.1 Satz 1 SGB X und bezüglich der Kranken und Pflegeversicherungsbeiträge aus § 335 Abs.1 Satz 1 SGB III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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