Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 23 U 758/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 320/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 23.05.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die 1944 geborene Klägerin macht Folgen eines Autounfalls vom 05.10.1995 geltend. Aus den Ermittlungen der Verkehrspolizei ergibt sich, dass die Klägerin ihren Pkw abbremste, aber nicht mehr verhindern konnte, dass ihr PKW mit der linken Fahrzeugseite am linken Stoßstangeneck des vorderen Pkws entlangschrammte.
Sie suchte am Unfalltag den Orthopäden Dr.P. auf, der eine Teilfixierung der Lendenwirbelsäule sowie der Halswirbelsäule im thorakocervikalen Übergang, eine Beckenprellung links mit Ausstrahlung in die unteren Extremitäten, Prellmarken im Bereich des Kniegelenkes und der Wade sowie eine eingeschränkte Hüftgelenksbeweglichkeit links feststellte. Im Bericht vom 15.05.1997 gab er an, die Klägerin leide seit dem Unfall unter chronisch-rezidivierenden Wirbelsäulenbeschwerden und Zunahme der Coxalgien. Am 16.10.1996 stellten die Ärzte des Kreiskrankenhauses T. eine ausgeprägte Coxarthrose links mit Aufbrauch des Gelenkspaltes und Nachweis von Geröllcysten fest. Am 10.12.1996 wurde eine Hüfttotalendoprothese (TEP) eingesetzt. Nach anfänglich zeitgerechtem Heilverlauf zeigte sich eine schmerzhafte Belastung des linken Beines. Allerdings war röntgenologisch keine Veränderung im Vergleich zu den Aufnahmen unmittelbar nach Implantation der TEP zu verzeichnen.
Aus den Unterlagen der AOK R. ergeben sich Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen Lumbalsyndrom und Lumbago für 1990 und Juli/August 1995.
Vom 27.12.1996 bis 04.02.1997 wurde die Klägerin in der Reha-Klinik L. behandelt wegen Zustandes nach Implantation einer TEP bei Coxarthrose und Verdacht auf Zustand nach transitorischer ischämischer Attacke sowie depressiver Stimmungslage. Vom 01.08. bis 04.09.1997 erfolgte eine Behandlung in der Rheuma-Fachklinik Bad A. wegen persistierender Schmerzen und muskulärer Insuffizienz im linken Hüftgelenk, Bandscheibendegeneration L5/S1 und rezidivierendem Cervicalsyndrom. Die Hüftschmerzen wurden als mehr funktionell angesehen. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.M. berichtete am 19.01.1998 über eine gedrückte Stimmungslage der Klägerin; eventuell sei eine psychotherapeutische Behandlung erforderlich.
Im Gutachten vom 12.04.1999 führte der Orthopäde Prof.Dr.W. aus, die Röntgenaufnahme vom 05.10.1995 zeige keine Traumafolgen, sondern fortgeschrittene Verschleißerscheinungen und deutliche Sklerosierungserscheinungen des Hüftgelenkes. Ähnliche Veränderungen seien auch rechts zu sehen, jedoch deutlich weniger stark ausgeprägt. Aus dem Magnetresonanztomogramm (MRT) vom 23.04.1996 ergebe sich eine Hüftkopfnekrose sowie eine fortgeschrittene Coxarthrose links und beginnende Coxarthrose rechts. Durch die Beckenprellung sei es zu einer zeitlich begrenzten Verschlimmerung der mit Wahrscheinlichkeit bereits vorbestehenden Hüftbeschwerden links gekommen, dies habe dann ein Jahr später zur Implantation einer TEP geführt. Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit hätten bis 20.11.1995 bestanden. Eine MdE aufgrund der Unfallfolgen liege nicht vor.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 05.05.1999 die Gewährung einer Rente aufgrund des Arbeitsunfalles vom 05.10.1995 ab. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit hätten bis 20.11.1995 bestanden.
Den Widerspruch der Klägerin vom 01.06.1999, mit dem sie geltend machte, sie sei vor dem Unfall völlig gesund gewesen, habe keine Coxarthrose gehabt und seit dem Unfall erhebliche Beschwerden, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.1999 zurück.
Im hiergegen gerichteten Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Berichte der behandelnden Ärzte beigezogen, darunter einen Befundbericht des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr.S. , gegenüber dem die Klägerin Mißempfindungen in der rechten Hand, depressive Verstimmungen und Schlafstörungen beschrieb, sowie einen Bericht des Chefarztes der Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie I. vom 17.09.2001. Darin wird ausgeführt, die Klägerin gebe an, seit dem Autounfall habe sie Schmerzen und psychische Probleme. 1994 habe sie sich von ihrem Ehemann getrennt. 1996 habe sie einen Selbstmordversuch verübt. Eine Beziehung habe 1999 geendet, als der Mann sie bewusstlos geschlagen habe. Beim Kauf eines Hauses sei sie vom Verkäufer betrogen worden. Durch den Unfall sei sie in Geldnot geraten und habe in immer kleinere Wohnungen umziehen müssen. Dr.K. diagnostizierte eine depressive Episode mit psychotischen und posttraumatischen Symptomen bei histrionischer Persönlichkeitsstörung mit Borderline-Organisation.
Der vom SG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Chirurg Dr.L. hat im Gutachten vom 21.01.2003 zusammenfassend ausgeführt, vor allem auch im Hinblick auf den Umstand, dass es sich aus der Sicht der Klägerin um eine (energiearme) Streifkollision gehandelt habe, sei eine höhergradige Krafteinwirkung im Moment der Kollision aus biomechanischen Gründen ohne vernünftige Zweifel auszuschließen. Auch sei die Klägerin unmittelbar nach dem Unfall gehfähig gewesen; der von Dr.P. wenige Stunden nach dem Unfall erhobene Befund sei entsprechend undramatisch. Dieser Untersuchungsbefund sei keinesfalls mit einem Befund vereinbar, wie er nach knöchernen Verletzungen des Hüftgelenkes beobachtet werde, nämlich hochschmerzhafte Belastungsunfähigkeit des Beines. Die Krankschreibungen nach dem 20.10.1995 seien zunächst wegen degenerativer Lendenwirbelsäulenveränderungen erfolgt, dann auch wegen der degenerativen Veränderungen am linken Hüftgelenk, später vor allem wegen einer depressiven Erkrankung. Weder aus der Beschreibung der Röntgen- noch der Kernspinbilddokumente vom Unfalltag und vom April 1996 lasse sich eine Traumafolge ableiten, allenfalls ein allmähliches Fortschreiten der bereits zum Unfallzeitpunkt fortgeschrittenen Hüftgelenksarthrose. Bei dem Ereignis Anfang August 1999 mit Diagnose einer frischen Innenbandruptur und Ruptur des vorderen Kreuzbandes am linken Kniegelenk handele es sich um ein eigenständiges Unfallereignis ohne Zusammenhang mit dem Unfall von 1995. Am 05.10.1995 sei es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit lediglich zu einer leichten Prellung des linken Kniegelenkes und einer leichten Stauchung des linken Hüftgelenkes gekommen, auch eine gewisse Nackenzerrung im Sinne einer leichten Halswirbelsäulen-Distorsion könne stattgefunden haben. Spätestens zum 10.11.1995 seien die un-fallbedingten Beschwerden abgeklungen gewesen und in den Spontanverlauf des degenerativen Hüft- und Lendenwirbelsäulenleidens eingemündet. Eine MdE habe zu keiner Zeit bestanden.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 23.05.2003 abgewiesen. Unstreitig sei, dass die Klägerin einen Arbeitsunfall erlitten habe. Ein Anspruch auf Anerkennung weiterer Folgen als bislang anerkannt bestehe nicht. Dabei stütze sich das Gericht auf die Gutachten von Dr.L. und Prof.Dr.W ...
Mit der Berufung vom 10.10.2003 begehrte die Klägerin einen Schaden an der linken Hüfte, am linken Knie, ein Carpaltunnel-Syndrom an beiden Armen sowie Depressionen als Folge des Unfalls vom 05.10.1995 anzuerkennen. Bis zum Unfalltag sei sie körperlich fit und sportlich aktiv gewesen. Seitdem könne sie wegen extremer Schmerzen nicht mehr richtig gehen. Der diskrete Einbruch des Hüftkopfes sei mit Sicherheit durch den Verkehrsunfall erfolgt. Die TEP sei nicht wegen einer Coxarthrose, sondern wegen der Beckenverletzung beim Unfall erfolgt. Die Coxarthrose auf der rechten Seite habe bis heute nicht operiert werden müssen. Der Unfall habe zumindest zu einer richtunggebenden Verschlimmerung geführt. Wegen der Gehschwierigkeiten sei es im August 1999 zu einem Treppensturz gekommen. Auch der Riss des Kreuzbandes und des Innenbandes am linken Knie sei daher Folge des Unfalls vom 05.10.1995.
Beigezogen ist ein Bericht vom Heilverfahren in Bad A. vom 07.08. bis 04.09.1980, in dem ausgeführt wird, die Klägerin sei bereits 1977 zu einem Heilverfahren in der Klinik gewesen. Im September 1979 habe sie einen Bandscheibenvorfall erlitten. Seitdem sei sie laufend in Behandlung. Sie klage jetzt über Schmerzen im LWS-Bereich und im rechten und linken Ischiasbereich, ebenso bestehe Ausstrahlungsschmerz im ganzen linken Bein. Auch habe sie ein taubes Gefühl und Gefühllosigkeit in beiden Händen, Schmerzen im HWS-Bereich und beiden Armen. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr.R. , dessen Praxisvorgänger die Klägerin von 1975 bis 1993 behandelte, gab an, die Klägerin habe über Rücken- und Kreuzschmerzen geklagt. 1975 habe sich eine deutliche Spondylose der HWS, 1984 eine leichte Torsionsskoliose der LWS gezeigt. Es hätten deutliche Veränderungen der Wirbelsäule bestanden.
Der vom Senat zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr.F. kam im Gutachten vom 13.10.2004 zusammenfassend zu dem Ergebnis, aus dem Gutachten des Prof.Dr.W. ergebe sich, dass die Röntgenaufnahmen vom Unfalltag keine Traumafolgen gezeigt hätten, sondern nur eine stark fortgeschrittene Hüftarthrose; dies sei die Indikation zum totalendoprothetischen Ersatz der linken Hüfte gewesen. Eine Brückensymptomatik im Sinne einer Aktivierung der Hüftarthrose durch das Unfallereignis sei nicht festzustellen. Die unfallunabhängige Arthrose des linken Hüftgelenks sei nicht in Zusammenhang mit dem Unfall vom 05.10.1995 zu sehen. Die Kernspintomographie vom 24.04.1996 habe eine Hüftkopfnekrose gezeigt; solche Nekrosen entstünden durch lokale Durchblutungsstörungen häufig in Verbindung mit primären Arthrosen des Gelenkes. Es handle sich hier um einen verletzungsatypischen Befund. Der Unfall habe zu Prellverletzungen des linken Beckens, des linken Knies und an der linken Wade geführt. Prellverletzungen heilten innerhalb weniger Wochen folgenlos aus, so dass keine Leiden auf das Unfallereignis zurückzuführen seien. Die von der Klägerin angegebenen psychiatrischen und neurologischen Gesundheitsstörungen seien auf orthopädischem Fachgebiet nicht beurteilbar.
Der vom Senat zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.K. führte im Gutachten vom 20.07.2005 aus, es handle sich um eine deutliche Persönlichkeitsstörung mit im Vordergrund stehenden histrionischen Wesenszügen, in deren Rahmen es immer wieder zu depressiven Verstimmungszuständen gekommen sei. Dies sei auch nach harmlosen Unfallereignissen möglich, ein kausaler Zusammenhang sei dann aber nicht herzustellen, insbesondere hier nicht, da der Unfall nur zu Prellungen geführt habe. Insofern gehe auch der Hinweis auf eine posttraumatische Belastungsstörung fehl. Ein Ereignis, das mit einer direkten Gefahr für Leib und Leben verbunden gewesen sei und sich außerhalb der normalen menschlichen Erfahrung bewegt habe, habe nicht vorgelegen. Eine depressive Symptomatik sei stets multifaktoriell, nie monokausal.
Die Klägerin stellt den Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 23.05.2003 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 05.05.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.1999 zu verpflichten, den Schaden der linken Hüfte, am linken Knie, das Carpaltunnel-Syndrom an beiden Armen sowie Depressionen als Folge des Unfalls vom 05.10.1995 anzuerkennen und Rente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen; weitere Unfallfolgen über die von der Beklagten anerkannten hinaus liegen nicht vor, Verletztenrente ist nicht zu gewähren. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen wird. (§ 153 Abs.2 SGG)
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die vom Senat eingeholten Gutachten des Orthopäden Dr.F. und des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr.K. die Ausführungen des ärztlichen Sachverständigen Dr.L. im Klageverfahren bestätigt haben.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die 1944 geborene Klägerin macht Folgen eines Autounfalls vom 05.10.1995 geltend. Aus den Ermittlungen der Verkehrspolizei ergibt sich, dass die Klägerin ihren Pkw abbremste, aber nicht mehr verhindern konnte, dass ihr PKW mit der linken Fahrzeugseite am linken Stoßstangeneck des vorderen Pkws entlangschrammte.
Sie suchte am Unfalltag den Orthopäden Dr.P. auf, der eine Teilfixierung der Lendenwirbelsäule sowie der Halswirbelsäule im thorakocervikalen Übergang, eine Beckenprellung links mit Ausstrahlung in die unteren Extremitäten, Prellmarken im Bereich des Kniegelenkes und der Wade sowie eine eingeschränkte Hüftgelenksbeweglichkeit links feststellte. Im Bericht vom 15.05.1997 gab er an, die Klägerin leide seit dem Unfall unter chronisch-rezidivierenden Wirbelsäulenbeschwerden und Zunahme der Coxalgien. Am 16.10.1996 stellten die Ärzte des Kreiskrankenhauses T. eine ausgeprägte Coxarthrose links mit Aufbrauch des Gelenkspaltes und Nachweis von Geröllcysten fest. Am 10.12.1996 wurde eine Hüfttotalendoprothese (TEP) eingesetzt. Nach anfänglich zeitgerechtem Heilverlauf zeigte sich eine schmerzhafte Belastung des linken Beines. Allerdings war röntgenologisch keine Veränderung im Vergleich zu den Aufnahmen unmittelbar nach Implantation der TEP zu verzeichnen.
Aus den Unterlagen der AOK R. ergeben sich Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen Lumbalsyndrom und Lumbago für 1990 und Juli/August 1995.
Vom 27.12.1996 bis 04.02.1997 wurde die Klägerin in der Reha-Klinik L. behandelt wegen Zustandes nach Implantation einer TEP bei Coxarthrose und Verdacht auf Zustand nach transitorischer ischämischer Attacke sowie depressiver Stimmungslage. Vom 01.08. bis 04.09.1997 erfolgte eine Behandlung in der Rheuma-Fachklinik Bad A. wegen persistierender Schmerzen und muskulärer Insuffizienz im linken Hüftgelenk, Bandscheibendegeneration L5/S1 und rezidivierendem Cervicalsyndrom. Die Hüftschmerzen wurden als mehr funktionell angesehen. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.M. berichtete am 19.01.1998 über eine gedrückte Stimmungslage der Klägerin; eventuell sei eine psychotherapeutische Behandlung erforderlich.
Im Gutachten vom 12.04.1999 führte der Orthopäde Prof.Dr.W. aus, die Röntgenaufnahme vom 05.10.1995 zeige keine Traumafolgen, sondern fortgeschrittene Verschleißerscheinungen und deutliche Sklerosierungserscheinungen des Hüftgelenkes. Ähnliche Veränderungen seien auch rechts zu sehen, jedoch deutlich weniger stark ausgeprägt. Aus dem Magnetresonanztomogramm (MRT) vom 23.04.1996 ergebe sich eine Hüftkopfnekrose sowie eine fortgeschrittene Coxarthrose links und beginnende Coxarthrose rechts. Durch die Beckenprellung sei es zu einer zeitlich begrenzten Verschlimmerung der mit Wahrscheinlichkeit bereits vorbestehenden Hüftbeschwerden links gekommen, dies habe dann ein Jahr später zur Implantation einer TEP geführt. Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit hätten bis 20.11.1995 bestanden. Eine MdE aufgrund der Unfallfolgen liege nicht vor.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 05.05.1999 die Gewährung einer Rente aufgrund des Arbeitsunfalles vom 05.10.1995 ab. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit hätten bis 20.11.1995 bestanden.
Den Widerspruch der Klägerin vom 01.06.1999, mit dem sie geltend machte, sie sei vor dem Unfall völlig gesund gewesen, habe keine Coxarthrose gehabt und seit dem Unfall erhebliche Beschwerden, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.1999 zurück.
Im hiergegen gerichteten Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Berichte der behandelnden Ärzte beigezogen, darunter einen Befundbericht des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr.S. , gegenüber dem die Klägerin Mißempfindungen in der rechten Hand, depressive Verstimmungen und Schlafstörungen beschrieb, sowie einen Bericht des Chefarztes der Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie I. vom 17.09.2001. Darin wird ausgeführt, die Klägerin gebe an, seit dem Autounfall habe sie Schmerzen und psychische Probleme. 1994 habe sie sich von ihrem Ehemann getrennt. 1996 habe sie einen Selbstmordversuch verübt. Eine Beziehung habe 1999 geendet, als der Mann sie bewusstlos geschlagen habe. Beim Kauf eines Hauses sei sie vom Verkäufer betrogen worden. Durch den Unfall sei sie in Geldnot geraten und habe in immer kleinere Wohnungen umziehen müssen. Dr.K. diagnostizierte eine depressive Episode mit psychotischen und posttraumatischen Symptomen bei histrionischer Persönlichkeitsstörung mit Borderline-Organisation.
Der vom SG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Chirurg Dr.L. hat im Gutachten vom 21.01.2003 zusammenfassend ausgeführt, vor allem auch im Hinblick auf den Umstand, dass es sich aus der Sicht der Klägerin um eine (energiearme) Streifkollision gehandelt habe, sei eine höhergradige Krafteinwirkung im Moment der Kollision aus biomechanischen Gründen ohne vernünftige Zweifel auszuschließen. Auch sei die Klägerin unmittelbar nach dem Unfall gehfähig gewesen; der von Dr.P. wenige Stunden nach dem Unfall erhobene Befund sei entsprechend undramatisch. Dieser Untersuchungsbefund sei keinesfalls mit einem Befund vereinbar, wie er nach knöchernen Verletzungen des Hüftgelenkes beobachtet werde, nämlich hochschmerzhafte Belastungsunfähigkeit des Beines. Die Krankschreibungen nach dem 20.10.1995 seien zunächst wegen degenerativer Lendenwirbelsäulenveränderungen erfolgt, dann auch wegen der degenerativen Veränderungen am linken Hüftgelenk, später vor allem wegen einer depressiven Erkrankung. Weder aus der Beschreibung der Röntgen- noch der Kernspinbilddokumente vom Unfalltag und vom April 1996 lasse sich eine Traumafolge ableiten, allenfalls ein allmähliches Fortschreiten der bereits zum Unfallzeitpunkt fortgeschrittenen Hüftgelenksarthrose. Bei dem Ereignis Anfang August 1999 mit Diagnose einer frischen Innenbandruptur und Ruptur des vorderen Kreuzbandes am linken Kniegelenk handele es sich um ein eigenständiges Unfallereignis ohne Zusammenhang mit dem Unfall von 1995. Am 05.10.1995 sei es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit lediglich zu einer leichten Prellung des linken Kniegelenkes und einer leichten Stauchung des linken Hüftgelenkes gekommen, auch eine gewisse Nackenzerrung im Sinne einer leichten Halswirbelsäulen-Distorsion könne stattgefunden haben. Spätestens zum 10.11.1995 seien die un-fallbedingten Beschwerden abgeklungen gewesen und in den Spontanverlauf des degenerativen Hüft- und Lendenwirbelsäulenleidens eingemündet. Eine MdE habe zu keiner Zeit bestanden.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 23.05.2003 abgewiesen. Unstreitig sei, dass die Klägerin einen Arbeitsunfall erlitten habe. Ein Anspruch auf Anerkennung weiterer Folgen als bislang anerkannt bestehe nicht. Dabei stütze sich das Gericht auf die Gutachten von Dr.L. und Prof.Dr.W ...
Mit der Berufung vom 10.10.2003 begehrte die Klägerin einen Schaden an der linken Hüfte, am linken Knie, ein Carpaltunnel-Syndrom an beiden Armen sowie Depressionen als Folge des Unfalls vom 05.10.1995 anzuerkennen. Bis zum Unfalltag sei sie körperlich fit und sportlich aktiv gewesen. Seitdem könne sie wegen extremer Schmerzen nicht mehr richtig gehen. Der diskrete Einbruch des Hüftkopfes sei mit Sicherheit durch den Verkehrsunfall erfolgt. Die TEP sei nicht wegen einer Coxarthrose, sondern wegen der Beckenverletzung beim Unfall erfolgt. Die Coxarthrose auf der rechten Seite habe bis heute nicht operiert werden müssen. Der Unfall habe zumindest zu einer richtunggebenden Verschlimmerung geführt. Wegen der Gehschwierigkeiten sei es im August 1999 zu einem Treppensturz gekommen. Auch der Riss des Kreuzbandes und des Innenbandes am linken Knie sei daher Folge des Unfalls vom 05.10.1995.
Beigezogen ist ein Bericht vom Heilverfahren in Bad A. vom 07.08. bis 04.09.1980, in dem ausgeführt wird, die Klägerin sei bereits 1977 zu einem Heilverfahren in der Klinik gewesen. Im September 1979 habe sie einen Bandscheibenvorfall erlitten. Seitdem sei sie laufend in Behandlung. Sie klage jetzt über Schmerzen im LWS-Bereich und im rechten und linken Ischiasbereich, ebenso bestehe Ausstrahlungsschmerz im ganzen linken Bein. Auch habe sie ein taubes Gefühl und Gefühllosigkeit in beiden Händen, Schmerzen im HWS-Bereich und beiden Armen. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr.R. , dessen Praxisvorgänger die Klägerin von 1975 bis 1993 behandelte, gab an, die Klägerin habe über Rücken- und Kreuzschmerzen geklagt. 1975 habe sich eine deutliche Spondylose der HWS, 1984 eine leichte Torsionsskoliose der LWS gezeigt. Es hätten deutliche Veränderungen der Wirbelsäule bestanden.
Der vom Senat zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr.F. kam im Gutachten vom 13.10.2004 zusammenfassend zu dem Ergebnis, aus dem Gutachten des Prof.Dr.W. ergebe sich, dass die Röntgenaufnahmen vom Unfalltag keine Traumafolgen gezeigt hätten, sondern nur eine stark fortgeschrittene Hüftarthrose; dies sei die Indikation zum totalendoprothetischen Ersatz der linken Hüfte gewesen. Eine Brückensymptomatik im Sinne einer Aktivierung der Hüftarthrose durch das Unfallereignis sei nicht festzustellen. Die unfallunabhängige Arthrose des linken Hüftgelenks sei nicht in Zusammenhang mit dem Unfall vom 05.10.1995 zu sehen. Die Kernspintomographie vom 24.04.1996 habe eine Hüftkopfnekrose gezeigt; solche Nekrosen entstünden durch lokale Durchblutungsstörungen häufig in Verbindung mit primären Arthrosen des Gelenkes. Es handle sich hier um einen verletzungsatypischen Befund. Der Unfall habe zu Prellverletzungen des linken Beckens, des linken Knies und an der linken Wade geführt. Prellverletzungen heilten innerhalb weniger Wochen folgenlos aus, so dass keine Leiden auf das Unfallereignis zurückzuführen seien. Die von der Klägerin angegebenen psychiatrischen und neurologischen Gesundheitsstörungen seien auf orthopädischem Fachgebiet nicht beurteilbar.
Der vom Senat zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.K. führte im Gutachten vom 20.07.2005 aus, es handle sich um eine deutliche Persönlichkeitsstörung mit im Vordergrund stehenden histrionischen Wesenszügen, in deren Rahmen es immer wieder zu depressiven Verstimmungszuständen gekommen sei. Dies sei auch nach harmlosen Unfallereignissen möglich, ein kausaler Zusammenhang sei dann aber nicht herzustellen, insbesondere hier nicht, da der Unfall nur zu Prellungen geführt habe. Insofern gehe auch der Hinweis auf eine posttraumatische Belastungsstörung fehl. Ein Ereignis, das mit einer direkten Gefahr für Leib und Leben verbunden gewesen sei und sich außerhalb der normalen menschlichen Erfahrung bewegt habe, habe nicht vorgelegen. Eine depressive Symptomatik sei stets multifaktoriell, nie monokausal.
Die Klägerin stellt den Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 23.05.2003 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 05.05.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.1999 zu verpflichten, den Schaden der linken Hüfte, am linken Knie, das Carpaltunnel-Syndrom an beiden Armen sowie Depressionen als Folge des Unfalls vom 05.10.1995 anzuerkennen und Rente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen; weitere Unfallfolgen über die von der Beklagten anerkannten hinaus liegen nicht vor, Verletztenrente ist nicht zu gewähren. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen wird. (§ 153 Abs.2 SGG)
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die vom Senat eingeholten Gutachten des Orthopäden Dr.F. und des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr.K. die Ausführungen des ärztlichen Sachverständigen Dr.L. im Klageverfahren bestätigt haben.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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