L 11 (16) KR 86/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KR 107/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 (16) KR 86/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.11.2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Klägerin Anspruch auf Kostenerstattung für Krankenbehandlungen in Jordanien und Indien hat.

Die Klägerin ist als Rentenbezieherin Mitglied der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) und wird von der Beklagten als versicherungspflichtiges Mitglied geführt. Von 1995 bis April 2000 lebte sie in Jordanien und seitdem in Indien. In der Bundesrepublik Deutschland, in der sie sich für einige Wochen jährlich aufhält, hat sie keinen Wohnsitz. Wegen der Berufstätigkeit ihres Ehemannes, der als Landesvertreter der G-Stiftung im Rahmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit tätig ist, hält die Klägerin sich in den genannten Ländern auf. Der Ehemann der Klägerin ist nicht Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung, da er privat krankenversichert ist.

Im Jahre 1999 übersandte die Klägerin verschiedene Rechnungen für ärztliche Behandlungen in Jordanien und später (nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens) in Indien mit der Bitte um Kostenerstattung. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 21.10.1999 ab und wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 11.05.2001 zurück. Gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgesetzbuches (SGB) V ruhe der Anspruch auf Leistungen, so lange Versicherte sich im Ausland aufhielten, und zwar auch dann, wenn sie dort während eines vorübergehenden Aufenthaltes erkrankten. Ausnahmen bestünden nur für die Fälle, die auf Grund einer EG/EU-Verordnung oder von Sozialversicherungsabkommen ausdrücklich ausgenommen seien. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Ein Erstattungsanspruch nach § 17 SGB V scheide aus, da die Klägerin nicht im Ausland beschäftigt sei, vielmehr nur ihren Ehemann ins Ausland begleitet habe. Damit zähle sie nicht zu dem Personenkreis, der nach § 17 SGB V Anspruch auf Leistungen von seinem Arbeitgeber habe, die Klägerin sei auch nicht gemäß § 10 SGB V familienversichert. Eine Erstattung nach § 18 SGB V scheide aus, da hierfür Voraussetzung sei, dass eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich sei. Die Klägerin habe sich jedoch nicht gezielt zur Krankenbehandlung ins Ausland begeben.

Hiergegen richtet sich die am 29.08.2001 beim Sozialgericht Köln eingegangene Klage. Die Beklagte lasse die Besonderheiten des vorliegenden Falles außer Betracht und lege die Vorschrift des § 16 SGB V apodiktisch aus. Die Berücksichtigung verfassungsrechtlicher und anderer gesetzlicher Vorschriften führe dazu, dass der Klägerin während ihres Auslandsaufenthaltes in Begleitung ihres Ehemannes kein Nachteil in der Sozialversicherung entstehen dürfte. Sie wirke im Gegensatz zu Urlaubern bei gemeinnützig und politisch erwünschter Arbeit mit. Bei der Tätigkeit ihres Ehemannes handele es sich um eine staatlich geförderte gemeinnützige Arbeit im Rahmen der durch die G-Stiftung geförderten Entwicklungszusammenarbeit. Insofern müsse ihr Ehemann als Arbeitgeber betrachtet werden. Es liege auch ein Verstoß gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG) vor, wenn für den Versicherungsschutz darauf abgestellt werde, ob für das entsprechende Ausland ein Sozialversicherungsabkommen existiere. Es sei auch nicht einsehbar, dass sie Beiträge zur Krankenversicherung zahle, ohne einen entsprechenden Versicherungsschutz zu erhalten.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklage unter Aufhebung des Bescheides vom 21.10.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.05.2001 zu verurteilen, die Kosten für die in Jordanien und Indien durchgeführten Behandlungen zu erstatten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Ablehnung der Kostenerstattung sei rechtmäßig.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 28.11.2002 die Klage abgewiesen. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Auslandsaufenthalt der Klägerin entwicklungspolitisch verursacht war, komme keine einengende Auslegung des § 16 SGB V in Betracht. Ausdrücklich ergebe sich aus § 16 Abs. 1 Nr. 3 SGB V, dass der Gesetzgeber eine derartige Einschränkung nicht gewollt habe, denn selbst für Entwicklungshelfer ruhe der Krankenversicherungsanspruch während der Zeit des Entwicklungsdienstes. Insoweit habe der Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum. Für Mitarbeiter der G-Stiftung, die anders als Entwicklungshelfer in einem Beschäftigungsverhältnis mit Gehaltsbezug stünden, existierten tarifvertragliche Regelungen über die Gewährung von Beihilfen in Krankheitsfällen des Auslandsmitarbeiters und seiner Familienangehörigen (Manteltarifvertrag für Auslandsmitarbeiter der G- und anderer Stiftungen vom 29.05.1980). Ein Anspruch aus § 17 SGB V komme nicht Betracht, da die Klägerin weder zur G-Stiftung noch zu ihrem Ehemann in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehe. Ein Anspruch aus § 18 Abs. 3 SGB V scheitere bereits an dem Umstand, dass es sich bei dem Auslandsaufenthalt der Klägerin nicht um einen vorübergehenden Aufenthalt handele. Das ergebe sich bereits daraus, dass die Klägerin keinen Wohnsitz mehr in der Bundesrepublik Deutschland habe. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG liege nicht vor, da der sachliche Grund für das unterschiedliche Vorliegen von Versicherungsschutz im Ausland gerade im Bestehen eines Sozialversicherungsabkommens mit dem Betreffenden liege. Die Auffassung der Klägerin, es sei nicht gerechtfertigt, ihr trotz voller Beitragsleistung den Versicherungsschutz im Ausland nicht zu gewähren, liege neben der Sache, denn während der Auslandsaufenthalte der Klägerin seit 1995 habe keine Beitragszahlungspflicht bestanden. Die Vorschriften über die Versicherungspflicht (hier § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V) gelte nur für Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des SGB V hätten.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 28.04.2003. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen. Der Verstoß gegen Art. 3 GG ergebe sich aus dem Vergleich der Klägerin mit den Ehegatten bzw. Familienangehörigen von all den Personen, die in das Ausland im Interesse der Bundesrepublik Deutschland entsandt würden. Für diese Familienangehörigen sei in jedem Fall sichergestellt, dass es nicht zu einer Versicherungslücke kommen könne, denn entweder seien diese Personen durch den Dienstherrn oder aber über die Regelung des § 17 SGB V versichert. Im Übrigen seien auch alle Mitarbeiter der Bundesverwaltung und ihre Familienangehörigen sozialversicherungsmäßig abgesichert. Für Beamte ergebe sich das aus dem Beihilferecht. Im Übrigen seien auch alle Personengruppen, die § 16 Abs. 1 Nr. 2 - 4 SGB V erwähne, immer geschützt, d. h., der Anspruch auf Leistungen ruhe. Darüber hinaus liege ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG vor. Die Auslegung von § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V müsse vor dem Hintergrund von Art. 6 Abs. 1 GG zu einer teleologischen Reduktion führen. Die Klägerin halte sich nicht aus Urlaubsgründen oder anderen relativ beliebigen Gesichtspunkten im Ausland auf, sie müsse sich dort vielmehr aufhalten, wenn sie mit ihrem Ehemann zusammen leben möchte. Durch die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts sei sie vor die Wahl gestellt, entweder ohne Krankenversicherungsschutz im Ausland zu leben oder aber unter Erhaltung des Krankenversicherungsschutzes in Deutschland, dann aber getrennt von ihrem Ehemann. Im Übrigen müsse der Klägerin auch unter Berücksichtigung des § 4 Abs. 1 SGB IV Versicherungsschutz gewährt werden. Nach dem Gedanken der Ausstrahlung gelten die Vorschriften auch für Personen, die im Rahmen eines in Deutschland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb des Geltungsbereiches des Gesetzes entsandt würden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt sei. Der Ehemann der Klägerin arbeite nur zeitlich begrenzt im Ausland, daraus folge, dass auch die gesetzlich versicherte Klägerin sich zeitlich begrenzt im Ausland aufhalte. Ihr Aufenthalt sei an die Tätigkeit des Ehemannes im Ausland gekoppelt.

Die Klägerin beantragt nach dem Inhalt ihrer Schriftsätze,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.11.2002 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.10.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.05.2001 zu verurteilen, die Kosten für die in Jordanien und Indien durchgeführten Behandlungen zu erstatten.

Die Beklagte beantragt nach dem Inhalt ihrer Schriftsätze,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes, auch des Vorbringens der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die der Senat beigezogen hat und deren Inhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt worden ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid vom 21.10.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.05.2001 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), denn zu Recht hat die Beklagte es abgelehnt, die Kosten für die Krankenbehandlung der Klägerin im Ausland zu erstatten.

Hierzu verweist der Senat zunächst vollinhaltlich auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil, die er sich nach Überprüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG).

Auch das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren führt zu keiner abweichenden Beurteilung, denn hiermit wiederholt und vertieft die Klägerin im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Soweit die Klägerin darüber hinaus geltend macht, die in § 16 Abs. 1 Nr. 2 - 4 SGB V genannten Personengruppen seien immer geschützt, falls der Anspruch auf Leistungen ruhe, ist dies zwar zutreffend, jedoch lässt diese Argumentation der Klägerin gerade die hier entscheidende Regelung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V außer Betracht. Bereits daraus ergibt sich, dass das Ruhen des Versicherungsschutzes während des Auslandsaufenthaltes nicht an das Bestehen eines anderen Versicherungsverhältnisses geknüpft ist. Angesichts dieser Regelung liegt auch kein Verstoß gegen Art. 3 GG vor, auch nicht in der von der Klägerin im Berufungsverfahren angenommenen Form. Der sachliche Grund, den in § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V genannten Personenkreis vom Versicherungsschutz auszunehmen, besteht darin, dass wegen des im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung bestehenden Sachleistungsprinzips solche Leistungen nur im Inland erbracht werden können (vgl. hierzu Kasseler Kommentar Peters, Stand September 2005, § 16 SGB V Anmerkung 6). Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt auch kein Verstoß gegen Art. 3 GG unter dem Aspekt vor, dass für Familienangehörige von Personen, die im Interesse der Bundesrepublik Deutschland in das Ausland entsandt würden, ein lückenloser Versicherungsschutz zumindest über die Regelung des § 17 SGB V sichergestellt werde, denn diese Vorschrift knüpft in Satz 2 das Bestehen des Versicherungsschutzes an eine vorliegende Familienversicherung. Dieses Tatbestandsmerkmal stellt ein sachliches Abgrenzungskriterium vor dem Hintergrund des Art. 3 GG dar. Das Bestehen einer Familienversicherung hängt jedoch nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 unter anderem davon ab, dass, anders als im Fall der Klägerin, keine Mitgliedschaft in der KVdR besteht. Hierin vermag der Senat keinen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG zu erkennen.

Gleiches gilt für die von der Klägerin vertretenen Auffassung, der Schutzbereich des Art. 6 GG sei verletzt. Die Klägerin übersieht bei dieser Argumentation, dass die Grundrechte zum einen primär Abwehrrechte darstellen, aus denen keine Leistungsansprüche abgeleitet werden können, auch nicht in dem Sinne, dass entsprechende Normen im Sinne einer teleologischen Interpretation dahingehend auszulegen sind, zum anderen dienen die Grundrechte nur dazu, zielgerichtete Eingriffe in ihren Schutzbereich abzuwehren. Ein solcher ist aber vorliegend nicht gegeben, denn wenn die Klägerin, ohne mit ihrem Ehemann verheiratet zu sein, mit diesem vielmehr in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebte, ihm als Mitglied der KVdR ins Ausland gefolgt wäre, wäre die versicherungsrechtliche Situation für sie keine andere.

Auch der Hinweis auf § 4 Abs. 1 SGB IV vermag nicht zu einer abweichenden Beurteilung zu führen, denn die dort normierten Grundsätze gelten im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses. Ein solches liegt aber, worauf das Sozialgericht bereits zutreffend hingewiesen hat, für die Klägerin nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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