L 8 AL 436/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 35 AL 446/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 436/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.09.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Arbeitslosengeldes (Alg) ab 16.01.2000 streitig.

Der 1953 geborene Kläger ist gelernter Einzelhandelskaufmann. Er war vom 01.05.1991 bis 31.07.1995 als Verkäufer in der G. und ab 01.08.1995 bis 30.06.1997 als Verkäufer an einem Imbiss-Stand zu einem Monatsgehalt von 4.578,00 DM beschäftigt. An demselben Imbiss-Stand, dessen Inhaberin nunmehr seine Ehefrau war, war er vom 01.07.1997 bis 15.01.2000 wiederum als Verkäufer beschäftigt. Nach dem vorgelegten Arbeitsvertrag war er für die Leitung, Warendisposition, Personaleinteilung und -überwachung sowie den Verkauf gegen ein vereinbartes Bruttoentgelt von 5.478,00 DM verantwortlich, zusätzlich wurde eine umsatzabhängige Provision von 7 % des Jahres-Nettoumsatzes vereinbart. In der vom Kläger mit der Arbeitslosmeldung am 11.01.2000 vorgelegten Arbeitsbescheinigung wurde die Zahlung einer Abfindung wegen Verlustes des Arbeitsplatzes in Höhe von 8.100,00 DM sowie ein nicht versicherungspflichtiges Entgelt in Form einer Provision in Höhe von 108.879,00 DM angegeben.

Mit Bescheid vom 10.04.2000 bewilligte die Beklagte ab 16.01. 2000 Alg in Höhe von wöchentlich 572,04 DM, das sie aus einem Bemessungsentgelt von 1.260,00 DM aufgrund des monatlichen Bruttoentgelts von 5.478,00 DM errechnete.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, es seien Beiträge für Entgelte in Höhe von 102.000,00 DM jährlich bzw. 8.500,00 DM monatlich entrichtet worden. Der Steuerbevollmächtigte gab auf Anfrage der Beklagten hin an, im Mai 1999 sei eine Tantieme für 1998 von 69.480,00 DM gezahlt worden, für den Zeitraum 01. bis 15.01.2000 sei die Tantieme in Höhe von 70.263,00 DM gezahlt worden, wovon 15.774,00 DM sozialversicherungspflichtig gewesen seien.

Mit Änderungsbescheiden vom 26.07. und 07.12.2000 legte die Beklagte für die Zeit ab 16.01.2000 ein um 10 % auf 1.390,00 DM erhöhtes Bemessungsentgelt zugrunde. Der Leistungsbezug des Klägers endete zum 01.12.2000 durch Arbeitsaufnahme.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.03.2001 wies die Beklagte den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Die gezahlten Tantiemen sowie das 13. Monatsgehalt könnten nicht berücksichtigt werden, da es sich um Einmalzahlungen gehandelt habe. Aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sei eine Gesetzesänderung erfolgt, die für die vor dem 01.01.2001 entstandenen Ansprüche auf Alg eine pauschale Erhöhung um 10 % vorsehe.

Mit seiner zum Sozialgericht München (SG) erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, das BVerfG habe mit der von ihm vorgeschlagenen pauschalen Erhöhung um 10 % eine Kompensation des Weihnachts- und Urlaubsgeldes gemeint. Dementsprechend seien Gewinnbeteiligungen und Provisionen von der pauschalen Abgeltungsregelung des § 434c SGB III ausgenommen.

Mit Urteil vom 10.09.2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Die pauschale Erhöhung nach § 434c Abs.1 Satz 1 SGB III erfasse sämtliche Einmalzahlungen. Eine weitere Erhöhung des Bemessungsentgelts wegen der gezahlten Tantiemen komme daher nicht in Betracht. Im Übrigen werde die Höhe des Alg im Falle des Klägers auch von § 134 Abs.2 Nr.1 SGB III begrenzt. Nach der Stellungnahme der zuständigen Vermittlerin vom 13.03.2000 könne der von der Ehefrau gezahlte Lohn von 5.478,00 DM monatlich auch von familienfremden Arbeitnehmern bei gleichartiger Beschäftigung erzielt werden. Als solcher habe der Kläger bei der früheren Eigentümerin des Imbiss-Standes monatlich 4.578,00 DM verdient. Der Berechnung der Leistung sei ein Monatsgehalt von 6.073,00 DM zugrunde gelegt worden.

Mit seiner Berufung wiederholt der Kläger seinen Vortrag und trägt darüber hinaus vor, gerade in leistungsabhängigen Kleinbetrieben sei es durchaus üblich, dass der einzelne Arbeitnehmer neben seiner laufenden Vergütung Tantiemen erhalte.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 10.09.2004 und der Bescheide vom 10.04., 26.07. und 07.12.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2001 zu verurteilen, ihm höheres Arbeitslosengeld zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Angesichts des in dem Nachtrag zum Arbeitsvertrag festgehaltenen Arbeitsbereiches des Klägers und den nach Auffassung der Beklagten als verdeckte Gewinnabschöpfung zu betrachtenden hohen Auszahlungsbeträgen sei zu bezweifeln, ob es sich bei dem Beschäftigungsverhältnis tatsächlich um eine abhängige Beschäftigung beim Ehegatten gehandelt habe.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, da dem Kläger ein höheres Alg nicht zusteht.

§ 134 Abs.1 Satz 3 Nr.1 SGB III in der vom BVerfG mit Beschluss vom 24.05.2000 (1 BvR 1/98, 1 BvR 4/98, 1 BvR 15/99; BVerfGE 102, 127 bis 146) für verfassungswidrig erklärten Fassung bestimmte, dass Arbeitsentgelte, die einmalig gezahlt werden, außer Betracht bleiben. Die dem Kläger zugeflossenen Tantiemen bzw. Provisionen bzw. Gewinnbeteiligungen waren einmalig gezahlte Arbeitsentgelte im Sinne dieser Bestimmung. Denn insoweit bestimmte § 23a Abs.1 Satz 1 SGB IV, dass einmalig gezahltes Arbeitsentgelt Zuwendungen sind, die dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind und nicht für die Arbeit in einem einzelnen Entgeltabrechungszeitraum gezahlt werden. Hierzu zählen die Tantiemen, da diese für die Arbeit des gesamten Jahres und nicht eines Monats gezahlt werden. Dementsprechend war in Anwendung des damaligen Gesetzes bei der Bemessung nur das laufende Monatsgehalt von 5.478,00 DM zu berücksichtigen.

§ 434c Abs.1 Satz 1 SGB III, eingefügt durch das Gesetz vom 21.12.2000, BGBl.I S.1971, bestimmt, dass sich das Bemessungsentgelt ab Januar 1997 um 10 %, höchstens bis zur jeweiligen Leistungsbemessungsgrenze, erhöht, soweit sich die Höhe des Anspruchs auf Alg, der vor dem 01.01.2001 entstanden ist, nach § 134 Abs.1 in der vor dem 01.01.2001 geltenden Fassung richtet. Dieser Bestimmung hat die Beklagte durch Erhöhung des Bemessungsentgelts um 10 % Rechnung getragen. Ein Anspruch auf eine weitere Erhöhung besteht nicht.

Dem Kläger kann nicht gefolgt werden, wenn er ausführt, das BVerfG habe den Gesetzgeber zu einer pauschalierten Regelung für die Vergangenheit durch die Erhöhung des Bemessungsentgelts um 10 % nur zur Abgeltung von Weihnachts- und Urlaubsgeld ermächtigt. Vielmehr hat sich das Gericht generell mit der Behandlung von Einmalzahlungen, unter anderem im Sinne des § 23a SGB IV und § 134 Abs.1 Satz 3 SGB III auseinandergesetzt und diese Regelung für verfassungswidrig erklärt. Zur Bereinigung dieser Situation hat es vorgeschlagen, statt einer individuellen Neuberechnung der Altfälle aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität die Bemessungsentgelte pauschal um 10 v.H. anzuheben, da sich um diesen Prozentsatz im Durschschnitt die Lohnersatzleistungen bei Berücksichtigung einmal gezahlter Arbeitsentgelte erhöhten, wenn aufgrund der vorliegenden Informationen über die Lohnstruktur bei ganzjährigen Beschäftigungsverhältnissen davon ausgegangen werde, dass die Mehrzahl der Versicherten ein Weihnachts- und Urlaubsgeld erhalte. Das BVerfG hat erkennbar das Weihnacht- und Urlaubsgeld deshalb erwähnt, weil es sich um die bei dem größten Prozentsatz der Arbeitnehmer vorkommenden Fälle von Einmalzahlungen handelt; dennoch waren Gegenstand seiner Entscheidung sämtliche Einmalzahlungen, wie sich aus dem ersten Absatz der Gründe ergibt, wonach die Vorlagen die Frage betreffe, ob es verfassungrechtlich zulässig sei, "von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt, z.B. Weihnachtsgeld oder Urlaubsgeld, Beiträge zur Sozialversicherung zu erheben, ohne dass es bei der Berechnung von kurzfristigen Lohnersatzleistungen, insbesonder Arbeitslosengeld und Krankengeld, berücksichtigt wird". Würde man der Auffassung des Klägers folgen, so hätte das BVerfG für die Bereinigung der Berücksichtigung der übrigen Einmalzahlungen keinen Vorschlag gemacht, obwohl der Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität für solche Entgelte in gleicher Weise gilt. Dies würde dem Sinnzusammenhang der gesamten Entscheidung widersprechen. Im Übrigen bestehen gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 434c Abs.1 Satz 1 SGB III, der eindeutig sämtliche Einmalzahlungen im Sinne der alten Gesetzeslage umfasst, keine Bedenken.

Die Beklagte hat das Alg zutreffend berechnet. Aus dem Bemessungsentgelt von 1.390,00 DM errechnet sich der höchstmögliche Leistungssatz von 609,07 DM (Leistungsgruppe C, erhöhter Leistungssatz), der dem Kläger ausbezahlt wurde. Aus den dargelegten Gründen kann dahinstehen - wofür einiges spricht -, ob auch § 134 Abs.2 Nr.1 SGB III einer höheren Leistung entgegengestanden hätte, weil das dem Kläger zugeflossene Entgelt familienfremden Arbeitnehmern bei gleichartiger Beschäftigung wohl nicht gezahlt worden wäre.

Somit war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.09.2004 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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