L 4 KR 214/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 KR 286/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 214/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 28. Mai 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Kosten für eine Positronen-Emissions-Tomographie (PET) zu erstatten.

Die 1938 geborene Klägerin ist bei der Beklagten versichert. Sie hat am 28.06.2002 die Kostenübernahme für die Durchführung einer PET beantragt und gleichzeitig ein Schreiben der Oberärztin Dr.J. der L. Klinik (Fachklinik für Innere Medizin und Neurologie, Interdisziplinäres Zentrum für Onkologie) vorgelegt, wonach sie an einem metastasierenden Ovarialkarzinom leidet. Es wurde um Kostenübernahme für die PET-Untersuchung gebeten, um ggf. eine unnötige Operation zu vermeiden. Nachdem die Klägerin die Zustimmung bis zum 3. Juli 2002 erbeten hatte, hat die Beklagte mit Schreiben vom 01.07.2002 mitgeteilt, die beantragte Leistung könne nicht bewilligt werden, es handele sich um eine nicht anerkannte Methode. Den hiergegen eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin damit, nur mit der PET-Untersuchung könne im Millimeterbereich der Nachweis von Metastasen geführt werden und eine entsprechende Behandlung früher eingeleitet werden. Die Untersuchung fand am 04.07.2002 durch den Arzt für Radiologie Dr.H. (Vertragsarzt) statt.

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 05.07.2002 erneut eine Kosstenerstattung abgelehnt. Die Klägerin hat dagegen Widerspruch eingelegt, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.10.2002 zurückgewiesen hat. Bei der PET handele es sich nicht um eine Vertragsleistung.

Hiergegen richtete sich die am 14.11.2002 beim Sozialgericht eingegangene Klage. Die Bevollmächtigten der Klägerin wertete die PET-Untersuchung als eine Behandlung mit einem bereits anerkannten Arzneimittel. Es handele sich lediglich um eine Weiterentwicklung der bereits zugelassenen Gamma-Untersuchung, so dass der Ausschluss unzulässig sei. Außerdem sei der neueste Stand der Literatur nicht berücksichtigt bzw. falsch bewertet worden. Es seien lediglich einzelne Indikationen geprüft worden, die Erkrankung der Klägerin (Ovarialkarzinom bzw. Peritionealkarzinose) sei von den Indikationsgruppen unzweifelhaft nicht erfasst. Die Beschlussfassung beruhe auf willkürlichen Erwägungen. Es wurde die Rechnung des Dr.H. vom 05.07.2002 vorgelegt, worin dieser pauschal für die Ganzkörper-PET-Untersuchung am 04.07.2001 750 EUR berechnet.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 28. Mai 2003 abgewiesen. Die Voraussetzungen des als einzige Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden § 13 Abs.3 SGB V seien nicht erfüllt. Die Beklagte habe eine PET-Untersuchung zu ihren Lasten nicht zu Unrecht abgelehnt. Bei der PET handele es sich um eine neue Untersuchungsmethode im Sinne des § 135 Abs.1 SGB V. Eine eigene Gebührennummer sei nicht vorhanden. Der Bundesausschuss habe mit Beschluss vom 26.02.2003 die PET der Anlage B der BUB- Richtlinien zugeordnet, d.h. zu nicht anerkannten Methoden, die im Rahmen der ambulanten vertragsärztlichen Behandlung nicht zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfen. Beim Bundesausschuss liege auch ein sog. Systemversagen nicht vor. Die Beschlussfassung sei nicht willkürlich bzw. sachfremd. Die PET sei eine Untersuchungsmethode, bei der nicht nur Befunde mittels eines neuen Geräts erhoben werden, sondern wo vielmehr gleichzeitig auch die Notwendigkeit einer Arzneimittelgabe bestehe, um die Untersuchung durchführen zu können. Die Arzneimittel müssten zugelassen sein. Die in Deutschland einzig zugelassene Tracer-Substanz beschränke sich auf fünf Indikationen, die vom Bundesausschuss näher beraten wurden. Die bei der Klägerin gestellten Diagnosen gehörten nicht hierzu. Außerhalb der vom Bundesausschuss beratenen fünf Indikationen wäre bei einer Entscheidung zur PET nach § 135 SGB V nicht nur über die Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Methode selbst zu entscheiden, sondern inzident müsste der Bundesausschuss gleichzeitig auch eine Entscheidung über die Zahlung eines off-label-use der Tracer-Substanz treffen. Da Letzteres aber nicht Aufgabe des Bundesausschusses sei, sei in der Beschränkung der Beratung zur PET auf die Indikationen, für die die Tracer-Substanz zugelassen ist, keine Willkür zu sehen. Vielmehr lägen dem sachliche Erwägungen zugrunde. Der Vortrag, es sei nicht der neueste Stand der Literatur berücksichtigt worden, sei nicht belegt.

Hiergegen richtet sich die am 11. September 2003 beim LSG eingegangene Berufung, die mit Schreiben vom 03.06.2004 damit begründet wird, der Ausschluss der Kostenübernahme der PET durch den Bundesausschuss sei rechtswidrig. Er sei auch willkürlich, weil für die bei der Klägerin vorliegenden Krankheiten Ovarialkarzinom bzw. Peritonealkarzinose vergleichbar geeignete Untersuchungsmethoden zur Abklärung weiterer Behandlungen aus ärztlicher Sicht nicht in Betracht kämen. Es handele sich auch nicht um eine neue Untersuchungsmethode, sondern lediglich um eine Weiterentwicklung der Gamma-Methode. Auch beinhalte die PET Behandlung mit dem bereits anerkannten Arzneimittel Tracer. Insoweit sei bereits die formelle Zuständigkeit des Bundesausschusses nicht gegeben.

Im Erörterungstermin vom 17.02.2005 wird auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hingewiesen, wonach ein Erstattungsanspruch bereits daran scheitert, wenn eine nicht der GOÄ entsprechende Rechnung ausgestellt wurde. Daraufhin legen die Bevollmächtigten der Klägerin eine korrigierte Rechnung des Dr.H. vom 18.04.2005, die Untersuchung am 05.07.2002 betreffend, vor. Es wird jetzt ein Betrag von 1055,47 EUR in Rechnung gestellt, der nach den Grundsätzen der Rechtsprechung zum off-label-use zu erstatten sei. Bei der Klägerin sei keine andere vergleichbare Therapie verfügbar gewesen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 28.05.2003 aufzuheben und die zugrunde liegenden Bescheide der Beklagten vom 01. und 15.07.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.10.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.055,47 EUR zu bezahlen, hilfsweise Beweis zu erheben, dass keine andere Methode der Diagnostik für die Klägerin gegeben war; dass die begründete Aussicht bestand, dass mit dem betreffenden Präparat ein Untersuchungserfolg erzielt werden konnte; ferner dass die PET-Untersuchungsmethode weit verbreitet ist.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, eine entsprechende Anwendung der Rechtsprechung des BSG zum off-label-use von Arzneimitteln komme nicht in Betracht. Das Bundessozialgericht habe für die neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit den Fällen des Systemversagens bereits Ausnahmefälle definiert, für deren Erweiterung es keinen Grund gebe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten und der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die wegen der Höhe des Beschwerdewertes nicht der Zulassung gemäß § 144 SGG bedarf, ist zulässig, sie erweist sich aber als unbegründet.

Die Klägerin hat unter keinem rechtlichen Aspekt Anspruch auf Kostenerstattung für die am 04.07.2002 durchgeführte PET-Untersuchung.

Als einzige Anspruchsgrundlage kommt § 13 Abs.3 SGB V in Betracht. Danach sind die für eine selbst beschaffte Leistung entstandenen Kosten von der Krankenkasse zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Kosten entstanden sind. Eine unaufschiebbare Leistung hat, wie das Sozialgericht ausgeführt hat, und von Klägerseite nicht bestritten wurde, nicht vorgelegen. Die Beklagte hat die Leistung auch nicht zu Unrecht abgelehnt. Es handelt es sich bei der PET um eine neue Untersuchungsmethode im Sinne des § 135 Abs.1 SGB V. Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hat mit Beschluss vom 26.02.2003 die PET der Anlage B der BUB-Richtlinien zugeordnet, d.h. die nicht anerkannten Methoden, die im Rahmen der ambulanten vertragsärztlichen Behandlung nicht zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfen. Dies bedeutet im Rahmen der Überprüfung des § 13 SGB V, dass kein Anspruch auf Sachleistung besteht, eine Kostenerstattung, die anstelle der Sachleistung (§ 13 Abs.1 SGB V) erfolgt, nicht möglich ist. Das Sozialgericht ist auch ausführlich und zutreffend auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eingegangen, wonach eine Kostenerstattung ausnahmsweise bestehen kann, wenn ein Systemversagen vorliegt. Ein Systemversagen wird zutreffend verneint. Auch dass die Entscheidung des Ausschusses nicht willkürlich war, ist überzeugend dargelegt und wird vom Klägerbevollmächtigten nicht bestritten. Der Senat weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs.2 SGG ab.

Zusätzlich sei darauf hingewiesen, dass das Bundessozialgericht bereits in der Entscheidung vom 16.09.1997 (1 RK 30/95, USK 97,108) ausgeführt hat, dass die Gerichte nicht zur inhaltlichen Prüfung der Richtlinien befugt sind. Die Prüfung beschränkt sich lediglich darauf, ob die Richtlinien in einem rechtsstaatlichen Verfahren formal ordnungsgemäß zustande gekommen sind und mit dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung in Einklang stehen. Wenn also in der Berufungsbegründung ausgeführt wird, der Ausschluss der Kostenübernahme durch den Bundesausschuss sei rechtswidrig, weil lediglich einzelne Indikationsgruppen überprüft wurden, handelt es sich dabei um eine Inhaltskontrolle, die von den Gerichten nicht vorzunehmen ist. Im Ergebnis stimmt der Bevollmächtigte der Klägerin dem Urteil des Sozialgerichts in vollem Umfang zu. Seiner Auffassung, das Gericht wäre verpflichtet gewesen, einen Anspruch nach den Grundsätzen der Rechtsprechung zum off-label-use zu überprüfen, kann nicht gefolgt werden. Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der PET nicht um eine Therapie handelt, sondern um eine Untersuchungsmethode. Außerdem führt das Bundessozialgericht im Urteil vom 19.03.2002 (B 1 KR 37/00 R SozR 3-2500 § 31 Nr.8) zum off-label-use ausdrücklich aus, dass die Anwendung eines nicht zugelassenen Arzneimittels zu Lasten der Krankenversicherung nach der Rechtsprechung des Senats schon deshalb ausgeschlossen ist, weil der Einsatz des Präparats auf einem strafbaren Verhalten aufbaut und aus verbotswidrigem Handeln grundsätzlich keine Leistungspflicht der Krankenkasse erwachsen kann. Es spielt damit keine Rolle, ob das bei der Untersuchung verwendete Präparat möglicherweise irgendwann zugelassen wird.

Schließlich ist auch der Ausführung der Beklagten zu folgen, dass es keinen Grund gibt, die vom Bundessozialgericht definierten Ausnahmefälle bei der Anwendung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden auszuweiten.

Der Senat lehnt den Hilfsantrag, weiter Beweis zu erheben, ab. Die beantragte Ermittlung wäre nämlich nur dann entscheidungserheblich, wenn der Bundesausschuss über die Anerkennung noch nicht gemäß § 135 Abs.1 Satz 1 SGB V entschieden hätte. Das Bundessozialgericht hat zwar im Urteil vom 16.09.1997 (SozR 3-2500 § 135 Nr.4) ausgeführt, dass ein Kostenerstattungsanspruch ausnahmsweise in Betracht kommen kann, wenn die Wirksamkeit der Methode festgestellt wird oder wenn sich die fragliche Methode in der Praxis und in der medizinischen Fachdiskussion durchgesetzt hat. Dies gilt jedoch nur, wenn der Bundesausschuss nicht oder nicht zeitgerecht über die Anerkennung entschieden hat. Über PET hat der Bundesausschuss entschieden.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Unterliegen der Klägerin.

Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist eindeutig.
Rechtskraft
Aus
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