L 5 R 678/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 10 RJ 431/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 678/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 12. Mai 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist ein Zahlungsanspruch in Höhe von 3.074,11 EUR aus einer Rentennachzahlung.

In Ausführung eines am 25.11.1999 vor dem Sozialgericht geschlossenen Vergleichs bewilligte die Beklagte dem Kläger am 21.12.1999 ab 01.03.1996 Rente wegen Berufsunfähigkeit. Die Nachzahlung in Höhe von 60.909,31 DM für die Zeit vom 01.03.1996 bis 31.01.2000 behielt sie ein, bis Ansprüche anderer Stellen geklärt seien. Mit Schreiben vom 12.01.2000 bat die Stadt M. in Vollzug des § 1 Ziffer 11 der Eigenversorgungsbestimmungen für die Beschäftigten der Landeshauptstadt M. und unter Bezugnahme auf eine Abtretungserklärung, für die Zeit vom 01.07.1997 mit 31.01.2000 den Gesamtbetrag in Höhe von 34.746,00 DM von der Rentennachzahlung einzubehalten und zu überweisen. Auf telefonische Rückfrage teilte sie am 27.01.2000 mit, dass sie eine Versorgung gewähre, auf die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung anzurechnen seien. Sie übersandte die Kopie einer am 24.09.1997 an die Beklagte übersandten Abtretungserklärung, die eine undeutliche Unterschrift enthält. Mit Schreiben vom 02.03.2000 teilte die Beklagte dem Klägerbevollmächtigten mit, bezüglich der Nachzahlung von 60.909,31 DM hätten das Arbeitsamt M. , die AOK Bayern und die Stadt M. Erstattungsanträge gestellt, so dass insgesamt keine Restzahlung verbleibe. Mit gleicher Post wurde der Landeshauptstadt der Betrag in Höhe von 6.012,44 DM überwiesen. Gegen den Bescheid vom 21.12.1999 legte der Klägerbevollmächtigte am 10.01.2000 Widerspruch ein und begründete dies mit der zustehenden Erwerbsunfähigkeitsrente. Wegen der Einbehaltung des Betrags von 6.012,44 DM erhob er am 26.06.2000 Untätigkeitsklage, die er am 05.06.2002 im Hinblick auf den Widerspruchsbescheid vom 14.03.2002 zurücknahm. Darin heißt es unter anderem, die Abtrennung an die Stadt M. aus der Nachzahlung sei zu Recht erfolgt. Dagegen hat der Kläger am 22.03.2002 Klage erhoben und geltend gemacht, die von der Landeshauptstadt vorgelegte Abtretungsurkunde trage keine Unterschrift. Auf Anfrage hat die Landeshauptstadt M. am 26.05.2003 mitgeteilt, die Abtretungserklärung sei im Original an die Beklagte zur Anmeldung des Ersatzanspruchs versandt worden. Ihr liege lediglich eine Kopie dieser Erklärung vor. Das Sozialgericht München hat die Klage ohne mündliche Verhandlung am 12.05.2004 abgewiesen. Selbst wenn davon ausgegangen werde, dass die Abtretungserklärung vom 24.09.1997 nicht ordnungsgemäß unterzeichnet wurde (wobei erhebliche Zweifel bestünden, da der Namenszug in etwa mit dem Namenszug des Rentenantragsformulars vom 27.02.1996 übereinstimme), so müsste dennnoch davon ausgegangen werden, dass eine Abtretung sich allein schon aus dem Tarifvertrag ergebe. Gegen dieses am 16.11.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 02.11.2004 Berufung eingelegt. Die Abtrennung des Betrags von 6.012,44 DM sei zu beanstanden, weil der Kläger die vorgelegte Abtretungserklärung nicht unterzeichnet habe. Auch sei eine angebliche Gleichheit der Unterschrift des Klägers auf dieser Erklärung mit anderen Unterschriftsleistungen nicht erkennbar. Es möge durchaus sein, dass eine Rechtsverpflichtung bestehe, Ansprüche abzutreten. Daraus könne aber kein Rechtsübergang kraft Gesetzes oder kraft Tarifvertrags konstruiert werden. Das Gericht möge die Beklagte anhalten, das Original der angeblichen Abtretungsurkunde vorzulegen, damit dann gegebenenfalls ein graphologisches Sachverständigengutachten erholt werden könne. Nachdem sich der Kläger weigere, die Ansprüche abzutreten, sei die Beklagte verpflichtet, an den Kläger den hier strittigen Rentenbetrag auszuzahlen. Aus den beigezogenen Versorgungsunterlagen des Personal- und Organisationsreferats der Landeshauptstadt M. geht hervor, dass der Kläger zusammen mit seinem Antrag auf Versetzung in den Ruhestand am 22.07.1997 die Erklärung unterzeichnet hat, die Forderung an die Rentenversicherung am 24.07.1997 abgetreten zu haben. Ausweislich der beigezogenen Arbeitsgerichtsakte 36 CA 13542/00 hat der Kläger die Stadt M. am 16.10.2000 u.a. auf die Zahlung von 6.012,44 DM + Zinsen wegen fehlender Abtretung dieser Forderung verklagt. Im Klageverfahren hat die Beklagte erwidert, die Abtretungserklärung sei am 22.07.1997 unterschrieben und am 24.07.1997 an die LVA Oberbayern weitergeleitet worden. Der Vorwurf des Betrugs werde zurückgewiesen. Das Verfahren ist vergleichsweise ohne Zahlungsverpflichtung der Stadt M. beendet worden.

Der Kläger beantragt: 1. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 12.05.2004 wird aufgehoben. 2. Unter Abänderung des Bescheids vom 21.12.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.03.2002 wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 3.074,11 EUR nebst Prozesszinsen seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 12.05.2004 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der erledigten Prozessakten des Sozialgerichts München, der Versorgungsunterlagen der Landeshauptstadt M. , der Akten des Arbeitsgerichts M. sowie der Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägerbevollmächtigten entscheiden, nachdem dieser mit seiner Einverständniserklärung zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung deutlich gemacht hatte, rechtliches Gehör sei ausreichend gewährt worden.

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 12.05.2004 ist im Ergebnis ebensowenig zu beanstanden wie der Bescheid der Beklagten vom 21.12.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14.03.2002. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Auszahlung des Betrags von 6.012,44 DM. Die Beklagte hat ihre Verpflichtung zur Rentenzahlung in dieser Höhe durch Leistung an die Stadt M. erfüllt. Die Rechtsposition des Sozialleistungsträgers als Schuldner, der hinsichtlich der abgetretenen Ansprüche einem neuen Gläubiger, dem Zessionar, gegenübersteht, ergibt sich aus den §§ 404 ff. BGB (Fölzke in: Juris - PK - SGB I, § 53 Rz.33). Danach kann der Leistungsträger entsprechend § 409 Abs.1 BGB mit befreiender Wirkung an den Zessionar zahlen, wenn ihm die Abtretung durch schriftliche Anzeige des Abtretenden oder durch Übersendung der Abtretungsurkunde durch den Zessionar bekannt gemacht wird. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Abtretung unwirksam ist (BGH vom 22.06.1989 in NJW 1989, 2383). Das Bundessozialgericht hat die Anwendung des § 409 BGB damit begründet, dass bei Ansprüchen auf Sozialleistungen ein gleichstarkes Interesse an dem Schutz des Schuldners (Leistungsträgers) bei Abtretung der Ansprüche durch den Leistungsberechtigten besteht wie im bürgerlichen Recht und keine Gründe dafür erkennbar sind, die gegen eine analoge Anwendung sprechen (BSG vom 29.06.1995 - SozR 3-1200 § 53 Nr.8). Etwas Anderes gilt nur dann, wenn der Schuldner in Kenntnis der Abtretung arglistig oder in Kenntnis einer sittenwidrigen Abtretung grob treuwidrig handelt. Ob sich abweichend hiervon ein Schuldner auch dann nicht auf § 409 BGB berufen kann, wenn die fehlende Legitimation des Scheinberechtigten offen zutage liegt, hat das Bundessozialgericht ausdrücklich offen gelassen. Im Hinblick auf § 17 Abs.1 Nr.1 SGB I wird in der Literatur die Forderung erhoben, dem Sozialleistungsträger obliege bei evident unwirksamer Abtretung oder gar positiver Kenntnis von der Unwirksamkeit eine ehöhte Prüfungspflicht (Elling, NZS 2000, 281, 286). Ob diese Vorschrift, die kein subjektives öffentliches Recht begründet, tatsächlich geeignet ist, den grundsätzlich bejahten Schuldnerschutz nach § 409 BGB wieder auszuhebeln und den Leistungsträger damit der Gefahr einer Doppelzahlung aussetzt, kann dahinstehen. Vorliegend hatte die Beklagte keinerlei Anlass, an der Rechtswirksamkeit der Abtretung zu zweifeln. Zwar ist es richtig, dass das Original der Abtretung weder in den Akten der Beklagten noch in den Unterlagen der Stadt M. zu finden ist. Die Beklagte konnte sich jedoch auf die Übersendung einer Fotokopie beschränken. Die Abtretungsanzeige muss, wie die Abtretung selbst, eindeutig sein. Dies ist vorliegend nicht zweifelhaft. Ansonsten ist die Abtretungsanzeige an keine besondere Voraussetzung gebunden. Insbesondere hat das Bundessozialgericht in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Vorlage einer Fotokopie im Rahmen des § 410 BGB ausreichen lassen (Bundessozialgericht, Urteil vom 29.06.1995 a.a.O.). Die Unleserlichkeit der Unterschrift auf der Abtretungsanzeige der Stadt M. war nicht geeignet, bei der Beklagten ernsthafte Zweifel an der Wirksamkeit der Abtretung zu begründen. Die Stadt M. hatte der Beklagten die Höhe und Dauer der Versorgungsleistungen dargestellt und mitgeteilt, dass auf diese Versorgung u.a. Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung anzurechnen sind. Bei diesem Sachverhalt ist es nicht ungewöhnlich, sondern sogar selbstverständlich, dass mit der Antragstellung eine Abtretungserklärung verbunden ist. Die vorgelegte Kopie trug auch eine Unterschrift. Dabei ist es von untergeordneter Bedeutung, dass diese Unterschrift nicht auf der dort dafür vorgesehenen Unterschriftspunktlinie, sondern auf der darunter liegenden Zeile erfolgte. Zutreffend haben die Bevollmächtigten der Stadt M. während des Arbeitsgerichtsprozesses darauf hingewiesen, dass der Kläger sie mit der Klageerhebung des Betruges bezichtige, wenn er bestreite, dass er eine Abtretungsurkunde unterschrieben habe. Diesen Vorwurf hat der Kläger offensichtlich mit Abschluss des Vergleichs vor dem Arbeitsgericht M. am 27.02.2002 fallen gelassen. Jedenfalls ist der Rechtsstreit dort ohne Zahlungsverpflichtung der Stadt M. erledigt worden. Hinzu kommt, dass der Kläger mit seiner unzweifelhaft ihm zuzuschreibenden Unterschrift am 22.07.1997 bekundet hat, dass er die Forderung an die Rentenversicherung abgetreten habe. Zusammenfassend kann dahinstehen, ob die Unterschrift auf der vorgelegten Abtretungserklärung vom Kläger selbst stammt oder von einem Bearbeiter der Beklagten. Entscheidend ist, dass die Beklagte angesichts der Umstände der Abtretungserklärung - vorleistende öffentlich-rechtliche Körperschaft als Zessionar - keinerlei Zweifel daran haben musste, dass die Abtretung wirksam war. Die Beklagte ist daher mit ihrer Leistung an die Stadt M. von ihrer Leistungsverpflichtung frei geworden.

Aus diesen Gründen war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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