Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 26 U 217/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 74/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 325/05 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
NZB als unzul. verworfen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 08. März 2005 geändert und die Klage abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte einen Verkehrsunfall vom 28. August 2002 als Arbeitsunfall anerkennen und entschädigen muss.
Der im Juli 1967 geborene Kläger war als selbständiger Maurermeister bei der Beklagten kraft Satzung versichert. Seine Wohnung und seine Büroräume befanden sich im selben Gebäude am U-weg in O. Zum Betriebsvermögen gehörte ein VW-Transporter. Für private Zwecke kaufte er Mitte August 2002 ein Motorcrossrad, das er aber nicht auf sich ummeldete.
Am Unfalltag war der Kläger um 18.30 Uhr bei der Dienstleistungsgesellschaft für T mbH in Kempen zu einer Besprechung verabredet. Um 17.53 Uhr stieß er in O mit seinem Motorcrossrad auf dem W Südring mit einem Opel Corsa zusammen und stürzte. PD Dr. L, Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie am Klinikum E, diagnostizierte einen Oberschenkelschaftbruch links sowie eine Schürfwunde am linken Unterschenkel und fügte die Knochenbruchenden mit Hilfe eines Marknagels operativ zusammen. Zum Unfallhergang vermerkte er im Durchgangsarztbericht vom 02. September 2002, dass der Kläger "auf dem Weg von der Baustelle nach Hause hinter [einer] Kurve auf einen stehenden Pkw" aufgefahren sei.
Mit Schreiben vom 08. September 2002 teilte der Kläger der Beklagten mit, er habe auf einer beruflichen Fahrt einen "Wegeunfall" mit dem Motorrad erlitten. Im Unfallfragebogen gab er an, er sei um 17.35 Uhr von seinem Büro zu dem Besprechungstermin in Kempen losgefahren. Er habe zunächst die entgegengesetzte Richtung eingeschlagen, um über den W Südring eine Tankstelle auf der O-allee aufzusuchen. Dabei sei er verunglückt.
Mit Bescheid vom 31. Januar 2003 lehnte es die Beklagte ab, den Verkehrsunfall als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen: Der Kläger sei nicht auf einem versicherten, sondern auf einem unversicherten (Ab-)Weg verunglückt. Denn er habe sich auf der Fahrt zur Tankstelle von seinem ursprünglichen Ziel wegbewegt und sein Motorrad aus eigenwirtschaftlichen Gründen betankt.
Dagegen erhob der Kläger am 24. Februar 2003 Widerspruch und führte aus, er habe am Unfalltag festgestellt, dass er vor dem Ortstermin in Kempen noch tanken müsse. Deshalb habe er sein Motorrad an der nahegelegenen Tankstelle auf der O-allee betankt und sei von dort kommend auf dem direkten Weg zur Autobahn nach Kempen verunglückt, bevor er sein Wohn- und Bürohaus wieder erreicht bzw. passiert habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2003, der am 02. September 2003 zur Post gegeben worden ist, wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Die Fahrt zur Tankstelle habe mit der versicherten Tätigkeit in keiner "wesentlichen sachlichen Verbindung" gestanden. Das Tanken sei der Betriebstätigkeit vorangegangen und sei für die Arbeitsaufnahme möglicherweise unentbehrlich gewesen. Dennoch sei der Weg zu und von der Tankstelle dem persönlichen Lebensbereich und nicht der betrieblichen Sphäre zuzurechnen. "Örtlich gesehen" sei der Kläger auf einem Abweg verunglückt.
Hiergegen hat der Kläger am 01. Oktober 2003 vor dem Sozialgericht (SG) Duisburg Klage erhoben und behauptet, der Motorradtank sei praktisch leer gewesen. Da das Motorrad neu gewesen sei, habe er nicht gewusst, welche Wegstrecke er mit dem restlichen Tankinhalt noch zurücklegen könne. Um auf dem Weg nach Kempen nicht liegen zu bleiben und den Geschäftstermin pünktlich einzuhalten, habe er unbedingt tanken müssen. Aus diesem Grund stehe das Tanken in einem rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei unfallversichert, wer auf einem versicherten Weg eine Tankstelle ansteuere, um nachzutanken. Nicht anders dürfe behandelt werden, wer die Tankstelle vor Beginn der versicherten Fahrt aufsuche. Zudem sei er nicht auf einem unversicherten Abweg, sondern auf dem direkten Weg von der Tankstelle zum Geschäftstermin verunglückt. Da er die nächstgelegene Tankstelle aufgesucht habe, sei er auf dem Hin- und Rückweg versichert gewesen. Die Schilderung zum Unfallhergang im Durchgangsarztbericht sei falsch; entsprechende Angaben habe er nicht gemacht.
Die Beklagte hat entgegnet, der Kläger habe sein Motorrad aus eigenwirtschaftlichen Gründen betankt. Das Nachtanken sei weder vor noch während einer versicherten Fahrt unvorhergesehen notwendig geworden. Er habe nur "vorsichtshalber" getankt, weil er unsicher gewesen sei, wie weit er mit dem restlichen Tankinhalt komme. Das Motorrad habe er aus persönlichen Gründen für die Fahrt nach Kempen gewählt und gewusst, dass er noch tanken müsse. Betriebliche Gründe für die Nutzung des Motorrades seien nicht erkennbar, zumal ihm sein VW-Transporter zur Verfügung gestanden habe. Folglich sei er auf dem Rückweg von einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit verunglückt.
Mit Urteil vom 08. März 2005 hat das SG der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, das Unfallereignis vom 28. August 2003 als Arbeitsunfall zu entschädigen: Der Kläger sei nicht auf einem Abweg oder auf dem Rückweg von einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit, sondern auf einem versicherten Betriebsweg verunglückt. Der Versicherungsschutz habe spätestens begonnen, als er das Tankstellengelände verlassen habe, um betriebsbedingt zur Fa. T GmbH zu fahren. Diese Handlung falle in den Bereich seines Unternehmens, so dass ein innerer Zusammenhang zwischen der unfallbringenden Fahrt und der versicherten Tätigkeit hinreichend wahrscheinlich sei. Denn ihm sei es nicht zuzumuten gewesen, die Motorradfahrt in südlicher Richtung zum Zielort Kempen anzutreten und dabei zu riskieren, infolge Treibstoffmangels auf der BAB 40 liegen zu bleiben, was möglicherweise sogar ordnungswidrig gewesen wäre. Es sei auch willkürlich, den Rückweg von der Tankstelle bis zum Wiedererreichen der Büroräume in einen unversicherten Abschnitt und von da an in einen versicherten Abschnitt zu zerlegen. Im Übrigen könne jeder Versicherte sein Verkehrsmittel frei wählen. Deshalb müsse der Kläger nicht darlegen, warum er den Weg nach Kempen mit dem Motorrad und nicht mit seinem VW-Transporter angetreten habe. Schließlich betrage der Weg zur Tankstelle lediglich ca. 800 m und damit nur einen geringen Bruchteil des Weges bis zum Zielort in Kempen.
Nach Zustellung am 18. März 2005 hat die Beklagte gegen dieses Urteil am 04. April 2005 Berufung eingelegt und vorgetragen, dass "nach gängiger Rechtsprechung" das Betanken eines Fahrzeugs nur dann der betrieblichen Sphäre zuzurechnen sei, wenn ein gewisses Überraschungsmoment vorliege. Dies könne auch schon bei Antritt der Fahrt vorliegen, wenn der Reservetank in Anspruch genommen werde und der Versicherte vermeiden wolle, unterwegs liegen zu bleiben. Dass dies der Fall gewesen sei, habe der Kläger bislang weder durch Zeugen noch durch Vorlage einer Tankquittung nachgewiesen. Im Übrigen sei auch nicht nachvollziehbar, warum er anstelle des Firmenfahrzeugs das Vollcrossmotorrad benutzt habe. Vermutlich habe er nach dem Kundenbesuch noch vorgehabt, eine Motorradtour zu unternehmen. Deshalb habe er das Fahrzeug allein aus eigenwirtschaftlichen Gründen aufgetankt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 08. März 2005 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger, der dem angefochtenen Urteil beipflichtet, beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat auf Nachfrage des Senats mitgeteilt, keine Tankquittung vorlegen zu können. Da das Motorrad nicht zum Betriebsvermögen gehört habe, sei die Einstellung der Tankquittung in die Buchhaltung aus steuerrechtlichen Gesichtspunkten ohnehin nicht möglich gewesen. Hinzu komme, dass die Tankrechnung relativ gering gewesen sei, weil der Motorradtank nur wenige Liter Treibstoff fasse. Zeugen, die ihn beim Betanken beobachtet hätten, könne er nicht benennen. Er habe vor der Abfahrt seiner Ehefrau beiläufig mitgeteilt, dass er noch tanken müsse. Die Tankstelle an der O-allee habe er angesteuert, weil sie als nächstgelegene nur ca. 600m bis 800m von seinem Büro entfernt sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakte (Az: 000) Bezug genommen. Beide Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet.
Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, das Ereignis vom 28. August 2002 als Arbeitsunfall zu entschädigen, weil der Bescheid vom 31. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 28. August 2003 (§ 95 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) rechtmäßig ist und den Kläger nicht beschwert (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Denn der Kläger hat am 28. August 2002 keinen Wegeunfall erlitten (1.), ist nicht auf einer Dienstreise verunglückt (2.) und ist auch nicht während einer versicherten Dienstreisevorbereitungshandlung (3.) verletzt worden.
1. Der Kläger hat keinen "Wegeunfall" nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) erlitten, weil seine Wohnung und Betriebsstätte (Büro) im selben Gebäude liegen. Da der "Weg" i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII erst an der Außenhaustür des Gebäudes beginnt, die Strecke zwischen Wohn- und Bürobereich aber innerhalb des Hauses zurückgelegt wird, gibt es in dieser Konstellation grundsätzlich keinen "Weg nach oder von dem Ort der versicherten Tätigkeit" (BSG, Urteile vom 29. Mai 1962, Az: 2 RU 87/59, SozR Nr. 54 zu § 542 RVO und vom 14. Dezember 1999, Az: B 2 U 3/99 R, SozR 3-2700 § 8 Nr. 1; Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung [Handkommentar], § 8 Anm. 7.14.2 und 12.19; Schönberger/ Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, S. 91). Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn der Versicherte längerfristig auf einer (außerhäusigen) Baustelle arbeitet und deshalb regelmäßig zwischen Wohnung und Baustelle pendelt. Dann ist die Baustelle (und nicht mehr die eigentliche Betriebsstätte im Wohngebäude) als Ort der Tätigkeit i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII anzusehen (Benz, Der Betriebsweg nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, SGb 2003, 12, 14). Eine solche Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor. Vielmehr handelt es sich bei Fahrten von versicherten Selbständigen zur Erledigung von Einzelaufträgen oder zu Besprechungsterminen mit (potentiellen) Kunden um Dienstreisen bzw. Betriebswege, die allenfalls nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII geschützt sein können (Benz, a.a.O., S. 14, 15).
2. Der Kläger ist aber nicht auf einer Dienstreise verunglückt. Nach § 8 Abs. 1 SGB VII ist ein Arbeitsunfall ein Unfall von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Ein solcher Arbeitsunfall liegt vor, wenn die Betätigung, bei der sich der Unfall ereignete, einerseits im inneren oder sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden hat und diese Betätigung andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Diesen sachlichen Zusammenhang und damit den Versicherungsschutz bejaht das BSG bei Fahrten, die der Versicherte zur Ausführung der versicherten Tätigkeit (Dienstreisen) zurücklegt (BSG, Urteile vom 11. August 1998, Az: B 2 U 17/97 R, USK 98156 und vom 19. August 2003, Az: B 2 U 43/02 R, SozR 4-2200 § 550 Nr. 1). Als der Kläger verunglückte, hatte er die (geplante) Dienstreise nach Kempen noch nicht angetreten. Denn die Fahrt zur und von der Tankstelle gehörte noch zu den Reisevorbereitungshandlungen, die der eigentlichen Dienstreise vorangingen. Unter dem Gesichtspunkt einer Dienstreise hätte der Versicherungsschutz erst begonnen, wenn der Kläger seine Betriebsstätte wieder erreicht bzw. passiert hätte, um von dort nach Kempen zu gelangen. Es ist verstößt auch nicht gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), den vermeintlichen Weg zur und von der Tankstelle in einen unversicherten Abschnitt und den Weg von der Betriebsstelle nach Kempen in einen versicherten Abschnitt zu zerlegen, wie das SG meint. Denn in der gesetzlichen Unfallversicherung wird seit jeher zwischen versicherten Wegen und unversicherten (Ab- und Um-)Wegen differenziert, was auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) unter Gleichbehandlungsaspekten nicht beanstandet hat (vgl. Nichtannahmebeschluss der 3. Kammer des 1. Senats vom 30. November 2004, Az: 1 BvR 1750/03, NJW 2005, 816, 817). Im Übrigen ist dem SG entgegenzuhalten, dass es selbst zwischen unversicherter Hinfahrt und versicherter Rückfahrt von der Tankstelle unterscheidet. Schließlich ist die Tankstelle, die der Kläger angesteuert haben will, auch nicht als Ausgangspunkt der Dienstreise (sog. dritter Ort) anzusehen. Denn der Kläger hat sich - wenn überhaupt - auf dem Tankstellengelände allenfalls wenige Minuten und damit keinesfalls mehr als 2 Stunden aufgehalten (vgl. hierzu: Mehrtens, a.a.O., Anm. 12.20).
3. Der Kläger ist auch nicht bei einer versicherten Reisevorbereitungshandlung verletzt worden. Ebenso wie zahlreiche andere Verrichtungen des täglichen Lebens, die notwendig sind, damit die versicherte Tätigkeit verrichtet werden kann, ist das Auftanken eines Fahrzeugs bei Antritt der Fahrt oder unterwegs auch dann grundsätzlich dem un-versicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen, wenn das Fahrzeug für die Betriebstätigkeit unabdingbar benötigt wird (BSG, Urteile vom 31. Januar 1974, Az: 2 RU 277/73, SozR 2200 § 548 Nr. 2, vom 14. Dezember 1978, Az: 2 RU 59/78, SozR 2200, § 550 Nr. 39, vom 24. Mai 1984, Az: 2 RU 3/83, BB 1984, 2066 und vom 11. August 1998, Az: B 2 U 28/97 R, SozR 3-2200 § 550 Nr. 19; Mehrtens, a.a.O., Anm. 12.26 und 12.27; Schönberger u.a., a.a.O., S. 93). Das Tanken und die dafür erforderlichen Wege sind also auch dann nicht unfallversichert, wenn dies dem Unternehmen mittelbar dient. Das gilt sowohl für den Unfallversicherungsschutz auf Betriebswegen bzw. Dienstreisen als auch auf Wegen nach oder von dem Ort der Tätigkeit (BSG, Urteil vom 07. September 2004, Az: B 2 U 35/03 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 6).
Ein Arbeitsunfall liegt jedoch ausnahmsweise vor, wenn das Tanken und die dafür erforderlichen Wege der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sind. Dieser innere bzw. sachliche Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung (BSG, Urteile vom 28. Juni 1988, Az: 2 RU 60/87, SozR 2200 § 548 Nr. 92, vom 05. Mai 1994, Az: 2 RU 26/93, SozR 3-2200 § 548 Nr. 19 und vom 04. Juni 2002, Az: B 2 U 11/01 R, BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 10) ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSG, Urteile vom 30. April 1985, Az: 2 RU 24/84, SozR 2200 § 548 Nr. 70, vom 20. Januar 1987, Az: 2 RU 27/86, SozR 2200 § 548 Nr. 84 und vom 04. Juni 2002, Az: B 2 U 11/01 R, SozR 3-2700 § 8 Nr. 10). Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis erforderlich; bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden können (BSG, Urteile vom 30. April 1985, Az: 2 RU 43/84, SozR 2200 § 555a Nr. 1 und vom 26. Juni 2001, Az: B 2 U 30/00 R, SozR 3-2200 § 548 Nr. 43). Innerhalb dieser Wertung stehen Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 19). Maßgeblich ist die Handlungstendenz des Versicherten (BSG, Urteil vom 21. August 1991, Az: 2 RU 62/90, SozR 3-2200 § 550 Nr. 4 und vom 24. März 1998, Az: B 2 U 4/97 R, SozR 3-2200 § 550 Nr. 17), so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird (BSG, Urteil vom 31. Mai 1988, Az: 2/9b RU 16/87, SozR 2200 § 548 Nr. 90 und vom 2. Juli 1996, Az: 2 RU 16/95 SozR 3-2200 § 550 Nr. 14). Entscheidend ist, ob die Gesamtumstände dafür oder dagegen sprechen, dass das unfallbringende Verhalten (noch) der Privatsphäre oder (schon) dem versicherten Bereich zuzurechnen ist (BSG, Urteil vom 24. Januar 1995, Az: 8 RKnU 1/94, SozR 3-2200 § 548 Nr. 23). Lässt sich nicht feststellen, ob der Versicherte bei einer Verrichtung verunglückt ist, die - wenn feststellbar - in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden hätte, trifft die objektive Beweislast für das Vorliegen dieser Verrichtung den Versicherten (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 19; BSG, Urteile vom 28. Juni 1984, Az: 2 RU 54/83, HV-Info 1984, 40 und vom 30. April 1985, Az: 2 RU 24/84, SozR 2200 § 548 Nr. 70; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 14. September 1977, Az: 1 BvR 248/76, SozR 2200 § 548 Nr. 36).
Vorbereitungshandlungen schützt die gesetzliche Unfallversicherung in der Regel nur, wenn sie entweder nach den Gesamtumständen selbst bereits als Bestandteil der betrieblichen Tätigkeit anzusehen sind oder wenn das Gesetz sie durch besondere Regelung in die Versicherung einbezieht (BSG, Urteile vom 27. Juni 1991, Az: 2 RU 8/91, USK 91162 und vom 28. April 2004, Az: B 2 U 26/03 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 5). Die darin liegende Beschränkung trägt den gesetzlichen Vorgaben und der Systematik des § 8 SGB VII Rechnung und verhindert Manipulationsmöglichkeiten. Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen in § 8 Abs. 2 SGB VII bestimmte typische Vorbereitungshandlungen selbst dem Versicherungsschutz unterstellt, weil er insoweit ein soziales Schutzbedürfnis angenommen hat, das über die eigentliche berufliche Tätigkeit hinausreicht. Dabei ist er offen-sichtlich davon ausgegangen, dass etwa das Zurücklegen des Weges zum und vom Ort der Tätigkeit als die - der betrieblichen Tätigkeit sachlich, zeitlich und örtlich besonders nahe - klassische Vorbereitungshandlung nicht schon nach der Grundnorm des § 8 Abs. 1 SGB VII mit versichert ist, es für ihre Einbeziehung vielmehr einer besonderen Regelung bedurfte (so auch Krasney in: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII, § 8 Rn. 64). Diese Konzeption lässt erkennen, dass der Versicherungsschutz für vorbereitende Tätigkeiten grundsätzlich auf diejenigen Verrichtungen beschränkt ist, die das Gesetz selbst ausdrücklich nennt, und dass Ausnahmen nur in Betracht kommen, wenn die Vorbereitungshandlung mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit oder der kraft Gesetzes versicherten Vorbereitungshandlung so eng verbunden ist, dass beide bei natürlicher Betrachtungsweise eine Einheit bilden. Berücksichtigt man diese Grundsätze, so ist der erforderliche innere Zusammenhang gegeben, wenn das Nachtanken während der Fahrt überraschend, plötzlich, unvorhergesehen notwendig wird, damit der restliche Weg zurückgelegt werden kann (BSG, Urteile vom 28. Februar 1964, Az: 2 RU 22/61, BB 1964, 684, vom 30. Januar 1968, Az: 2 RU 51/65, BSG SozR Nr. 63 zu § 543 RVO a.F., vom 14. Dezember 1978, Az: 2 RU 59/78, SozR 2200 § 550 Nr. 39 und vom 24. Mai 1984, Az: 2 RU 3/83, BB 1984, 2066). Das Tanken ist notwendig, wenn der Versicherte während oder aber auch schon bei Antritt der Fahrt den Inhalt des Reservetanks in Anspruch nehmen muss (BSG SozR 2200 § 550 Nr. 39; BSG, BB 1984, 2066; Krasney, a.a.O., § 8 Rn. 212).
Der Senat hält es schon nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für erwiesen, dass der Kläger sein Motorrad vor dem Unfall an der Tankstelle auf der O-allee betankt hat. Er kann weder eine Tankquittung vorlegen noch Zeugen benennen, die ihn beim Tanken beobachtet haben. Zwar hat er schon im Unfallfragebogen dargelegt, wegen eines Tankvorgangs von der direkten Wegstrecke nach Kempen abgewichen zu sein. Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben bestehen aber deshalb, weil der Durchgangsarztbericht zum Unfallhergang vermerkt, dass der Kläger "auf dem Weg von der Baustelle nach Hause hinter [einer] Kurve auf einen stehenden Pkw" aufgefahren sei. Weitere Zweifel kommen auch deshalb auf, weil der Kläger mit dem Vollcrossmotorrad ein Verkehrsmittel wählte, das nach seinen Angaben nicht zu seinem Betriebs- sondern zu seinem Privatvermögen gehörte.
Hält man es demgegenüber für erwiesen, dass der Kläger auf dem Rückweg von der Tankstelle verunglückte, so fehlt der Nachweis, dass er schon bei Antritt der Fahrt den Inhalt des Reservetanks in Anspruch nehmen musste. Auch hierfür kann er keinen Zeugen benennen. Allerdings will er seiner Ehefrau vor der Abfahrt beiläufig mitgeteilt haben, dass er noch tanken müsse. Selbst wenn dies zutreffend sein sollte, kann aus dieser Äußerung nicht zwingend geschlossen werden, dass er den Reservetank bereits in Anspruch nehmen musste. Nimmt man zu seinen Gunsten an, dass der Tank nachweislich leer gewesen ist, so erscheint es dennoch zweifelhaft, ob er hiervon "überrascht" wurde. Hierzu behauptet der Kläger, er habe erst bei Antritt der Fahrt bemerkt, dass der Tank nahezu leer sei. Dies lässt sich aber nur schwer mit seinem Vortrag vereinbaren, wonach er seiner Ehefrau vor der Abfahrt beiläufig mitgeteilt habe, noch tanken zu müssen. Gegen das erforderliche "Überraschungsmoment" spricht aber auch, dass der Kläger auf seinen VW-Transporter hätte zurückgreifen können. Denn mit dem Merkmal der "Plötzlichkeit" oder "Überraschung" möchte das BSG ausdrücken, dass das Tanken in der konkreten Situation für den Versicherten (betriebsbedingt) unausweichlich ist. Da der Kläger den Besprechungstermin aber auch mit dem VW-Transporter hätte zurücklegen können (was zudem steuerlich günstiger gewesen wäre), war das Betanken des Motorrads für ihn nicht zwingend erforderlich. Dabei ist unerheblich, dass ein Versicherter sein Verkehrsmittel grundsätzlich frei wählen kann.
Nimmt man zugunsten des Klägers an, dass er vom Treibstoffmangel überrascht wurde und deshalb zur Tankstelle gefahren ist, so stellt sich die Frage, ob der Rückweg von der Tankstelle mit dem Besichtigungstermin in Kempen in einem sachlichen bzw. inneren Zusammenhang stand. Entscheidend ist, ob die Gesamtumstände dafür oder dagegen sprechen, dass das unfallbringende Verhalten (noch) der Privatsphäre oder (schon) dem versicherten Bereich zuzurechnen ist. Gegen den inneren Zusammenhang spricht aber entscheidend, dass der Kläger gerade das Verkehrsmittel benutzte, das zu seinem Privatvermögen gehörte, obwohl ihm aus seinem Betriebsvermögen der VW-Transporter zur Verfügung stand. Hieraus schließt der Senat, dass der Tankvorgang überwiegend privaten und nicht betrieblichen Zwecken diente. Denn wer ein Fahrzeug überwiegend privat nutzt, wird es auch überwiegend aus privaten (und nicht betrieblichen) Gründen betanken. Das gilt erst recht, wenn ein Unternehmer ein weiteres Fahrzeug besitzt, das er aus steuerlichen Gründen ausschließlich für betriebliche Fahrten nutzt. Folglich lässt sich auch der innere Zusammenhang zwischen dem angeblichen Tankvorgang und der betriebsbedingten Fahrt nach Kempen nicht wahrscheinlich machen.
Bei dem vermeintlichen Tankaufenthalt und den dazugehörigen Wegen handelt es sich auch nicht um eine geringfügige Unterbrechung einer an sich versicherten Dienstreise. Schiebt der Versicherte nämlich in die eigentliche Wegstrecke einen zusätzlichen Weg ein und kann er deshalb die Zielrichtung (Betriebsstätte in Neukirchen-Vlyn/ Besprechungstermin in Kempen) nicht mehr einhalten, so befindet er sich auf einem unversicherten Abweg. Der Richtungswechsel bewirkt mit dem 1. Schritt eine deutliche Zäsur innerhalb eines grundsätzlich versicherten Weges, weil er sich sowohl nach seiner Zweckbestimmung als auch nach seiner Zielrichtung von dem zunächst eingeschlagenen Weg unterscheidet. Auf die Länge des Abweges kommt es - entgegen der Ansicht des Klägers und des SG - nicht an. Bereits bei geringfügigen Abwegen entfällt der Versicherungsschutz (Mehrtens, a.a.O., § 8 Anm. 12.36).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte einen Verkehrsunfall vom 28. August 2002 als Arbeitsunfall anerkennen und entschädigen muss.
Der im Juli 1967 geborene Kläger war als selbständiger Maurermeister bei der Beklagten kraft Satzung versichert. Seine Wohnung und seine Büroräume befanden sich im selben Gebäude am U-weg in O. Zum Betriebsvermögen gehörte ein VW-Transporter. Für private Zwecke kaufte er Mitte August 2002 ein Motorcrossrad, das er aber nicht auf sich ummeldete.
Am Unfalltag war der Kläger um 18.30 Uhr bei der Dienstleistungsgesellschaft für T mbH in Kempen zu einer Besprechung verabredet. Um 17.53 Uhr stieß er in O mit seinem Motorcrossrad auf dem W Südring mit einem Opel Corsa zusammen und stürzte. PD Dr. L, Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie am Klinikum E, diagnostizierte einen Oberschenkelschaftbruch links sowie eine Schürfwunde am linken Unterschenkel und fügte die Knochenbruchenden mit Hilfe eines Marknagels operativ zusammen. Zum Unfallhergang vermerkte er im Durchgangsarztbericht vom 02. September 2002, dass der Kläger "auf dem Weg von der Baustelle nach Hause hinter [einer] Kurve auf einen stehenden Pkw" aufgefahren sei.
Mit Schreiben vom 08. September 2002 teilte der Kläger der Beklagten mit, er habe auf einer beruflichen Fahrt einen "Wegeunfall" mit dem Motorrad erlitten. Im Unfallfragebogen gab er an, er sei um 17.35 Uhr von seinem Büro zu dem Besprechungstermin in Kempen losgefahren. Er habe zunächst die entgegengesetzte Richtung eingeschlagen, um über den W Südring eine Tankstelle auf der O-allee aufzusuchen. Dabei sei er verunglückt.
Mit Bescheid vom 31. Januar 2003 lehnte es die Beklagte ab, den Verkehrsunfall als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen: Der Kläger sei nicht auf einem versicherten, sondern auf einem unversicherten (Ab-)Weg verunglückt. Denn er habe sich auf der Fahrt zur Tankstelle von seinem ursprünglichen Ziel wegbewegt und sein Motorrad aus eigenwirtschaftlichen Gründen betankt.
Dagegen erhob der Kläger am 24. Februar 2003 Widerspruch und führte aus, er habe am Unfalltag festgestellt, dass er vor dem Ortstermin in Kempen noch tanken müsse. Deshalb habe er sein Motorrad an der nahegelegenen Tankstelle auf der O-allee betankt und sei von dort kommend auf dem direkten Weg zur Autobahn nach Kempen verunglückt, bevor er sein Wohn- und Bürohaus wieder erreicht bzw. passiert habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2003, der am 02. September 2003 zur Post gegeben worden ist, wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Die Fahrt zur Tankstelle habe mit der versicherten Tätigkeit in keiner "wesentlichen sachlichen Verbindung" gestanden. Das Tanken sei der Betriebstätigkeit vorangegangen und sei für die Arbeitsaufnahme möglicherweise unentbehrlich gewesen. Dennoch sei der Weg zu und von der Tankstelle dem persönlichen Lebensbereich und nicht der betrieblichen Sphäre zuzurechnen. "Örtlich gesehen" sei der Kläger auf einem Abweg verunglückt.
Hiergegen hat der Kläger am 01. Oktober 2003 vor dem Sozialgericht (SG) Duisburg Klage erhoben und behauptet, der Motorradtank sei praktisch leer gewesen. Da das Motorrad neu gewesen sei, habe er nicht gewusst, welche Wegstrecke er mit dem restlichen Tankinhalt noch zurücklegen könne. Um auf dem Weg nach Kempen nicht liegen zu bleiben und den Geschäftstermin pünktlich einzuhalten, habe er unbedingt tanken müssen. Aus diesem Grund stehe das Tanken in einem rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei unfallversichert, wer auf einem versicherten Weg eine Tankstelle ansteuere, um nachzutanken. Nicht anders dürfe behandelt werden, wer die Tankstelle vor Beginn der versicherten Fahrt aufsuche. Zudem sei er nicht auf einem unversicherten Abweg, sondern auf dem direkten Weg von der Tankstelle zum Geschäftstermin verunglückt. Da er die nächstgelegene Tankstelle aufgesucht habe, sei er auf dem Hin- und Rückweg versichert gewesen. Die Schilderung zum Unfallhergang im Durchgangsarztbericht sei falsch; entsprechende Angaben habe er nicht gemacht.
Die Beklagte hat entgegnet, der Kläger habe sein Motorrad aus eigenwirtschaftlichen Gründen betankt. Das Nachtanken sei weder vor noch während einer versicherten Fahrt unvorhergesehen notwendig geworden. Er habe nur "vorsichtshalber" getankt, weil er unsicher gewesen sei, wie weit er mit dem restlichen Tankinhalt komme. Das Motorrad habe er aus persönlichen Gründen für die Fahrt nach Kempen gewählt und gewusst, dass er noch tanken müsse. Betriebliche Gründe für die Nutzung des Motorrades seien nicht erkennbar, zumal ihm sein VW-Transporter zur Verfügung gestanden habe. Folglich sei er auf dem Rückweg von einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit verunglückt.
Mit Urteil vom 08. März 2005 hat das SG der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, das Unfallereignis vom 28. August 2003 als Arbeitsunfall zu entschädigen: Der Kläger sei nicht auf einem Abweg oder auf dem Rückweg von einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit, sondern auf einem versicherten Betriebsweg verunglückt. Der Versicherungsschutz habe spätestens begonnen, als er das Tankstellengelände verlassen habe, um betriebsbedingt zur Fa. T GmbH zu fahren. Diese Handlung falle in den Bereich seines Unternehmens, so dass ein innerer Zusammenhang zwischen der unfallbringenden Fahrt und der versicherten Tätigkeit hinreichend wahrscheinlich sei. Denn ihm sei es nicht zuzumuten gewesen, die Motorradfahrt in südlicher Richtung zum Zielort Kempen anzutreten und dabei zu riskieren, infolge Treibstoffmangels auf der BAB 40 liegen zu bleiben, was möglicherweise sogar ordnungswidrig gewesen wäre. Es sei auch willkürlich, den Rückweg von der Tankstelle bis zum Wiedererreichen der Büroräume in einen unversicherten Abschnitt und von da an in einen versicherten Abschnitt zu zerlegen. Im Übrigen könne jeder Versicherte sein Verkehrsmittel frei wählen. Deshalb müsse der Kläger nicht darlegen, warum er den Weg nach Kempen mit dem Motorrad und nicht mit seinem VW-Transporter angetreten habe. Schließlich betrage der Weg zur Tankstelle lediglich ca. 800 m und damit nur einen geringen Bruchteil des Weges bis zum Zielort in Kempen.
Nach Zustellung am 18. März 2005 hat die Beklagte gegen dieses Urteil am 04. April 2005 Berufung eingelegt und vorgetragen, dass "nach gängiger Rechtsprechung" das Betanken eines Fahrzeugs nur dann der betrieblichen Sphäre zuzurechnen sei, wenn ein gewisses Überraschungsmoment vorliege. Dies könne auch schon bei Antritt der Fahrt vorliegen, wenn der Reservetank in Anspruch genommen werde und der Versicherte vermeiden wolle, unterwegs liegen zu bleiben. Dass dies der Fall gewesen sei, habe der Kläger bislang weder durch Zeugen noch durch Vorlage einer Tankquittung nachgewiesen. Im Übrigen sei auch nicht nachvollziehbar, warum er anstelle des Firmenfahrzeugs das Vollcrossmotorrad benutzt habe. Vermutlich habe er nach dem Kundenbesuch noch vorgehabt, eine Motorradtour zu unternehmen. Deshalb habe er das Fahrzeug allein aus eigenwirtschaftlichen Gründen aufgetankt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 08. März 2005 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger, der dem angefochtenen Urteil beipflichtet, beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat auf Nachfrage des Senats mitgeteilt, keine Tankquittung vorlegen zu können. Da das Motorrad nicht zum Betriebsvermögen gehört habe, sei die Einstellung der Tankquittung in die Buchhaltung aus steuerrechtlichen Gesichtspunkten ohnehin nicht möglich gewesen. Hinzu komme, dass die Tankrechnung relativ gering gewesen sei, weil der Motorradtank nur wenige Liter Treibstoff fasse. Zeugen, die ihn beim Betanken beobachtet hätten, könne er nicht benennen. Er habe vor der Abfahrt seiner Ehefrau beiläufig mitgeteilt, dass er noch tanken müsse. Die Tankstelle an der O-allee habe er angesteuert, weil sie als nächstgelegene nur ca. 600m bis 800m von seinem Büro entfernt sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakte (Az: 000) Bezug genommen. Beide Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet.
Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, das Ereignis vom 28. August 2002 als Arbeitsunfall zu entschädigen, weil der Bescheid vom 31. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 28. August 2003 (§ 95 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) rechtmäßig ist und den Kläger nicht beschwert (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Denn der Kläger hat am 28. August 2002 keinen Wegeunfall erlitten (1.), ist nicht auf einer Dienstreise verunglückt (2.) und ist auch nicht während einer versicherten Dienstreisevorbereitungshandlung (3.) verletzt worden.
1. Der Kläger hat keinen "Wegeunfall" nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) erlitten, weil seine Wohnung und Betriebsstätte (Büro) im selben Gebäude liegen. Da der "Weg" i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII erst an der Außenhaustür des Gebäudes beginnt, die Strecke zwischen Wohn- und Bürobereich aber innerhalb des Hauses zurückgelegt wird, gibt es in dieser Konstellation grundsätzlich keinen "Weg nach oder von dem Ort der versicherten Tätigkeit" (BSG, Urteile vom 29. Mai 1962, Az: 2 RU 87/59, SozR Nr. 54 zu § 542 RVO und vom 14. Dezember 1999, Az: B 2 U 3/99 R, SozR 3-2700 § 8 Nr. 1; Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung [Handkommentar], § 8 Anm. 7.14.2 und 12.19; Schönberger/ Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, S. 91). Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn der Versicherte längerfristig auf einer (außerhäusigen) Baustelle arbeitet und deshalb regelmäßig zwischen Wohnung und Baustelle pendelt. Dann ist die Baustelle (und nicht mehr die eigentliche Betriebsstätte im Wohngebäude) als Ort der Tätigkeit i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII anzusehen (Benz, Der Betriebsweg nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, SGb 2003, 12, 14). Eine solche Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor. Vielmehr handelt es sich bei Fahrten von versicherten Selbständigen zur Erledigung von Einzelaufträgen oder zu Besprechungsterminen mit (potentiellen) Kunden um Dienstreisen bzw. Betriebswege, die allenfalls nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII geschützt sein können (Benz, a.a.O., S. 14, 15).
2. Der Kläger ist aber nicht auf einer Dienstreise verunglückt. Nach § 8 Abs. 1 SGB VII ist ein Arbeitsunfall ein Unfall von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Ein solcher Arbeitsunfall liegt vor, wenn die Betätigung, bei der sich der Unfall ereignete, einerseits im inneren oder sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden hat und diese Betätigung andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Diesen sachlichen Zusammenhang und damit den Versicherungsschutz bejaht das BSG bei Fahrten, die der Versicherte zur Ausführung der versicherten Tätigkeit (Dienstreisen) zurücklegt (BSG, Urteile vom 11. August 1998, Az: B 2 U 17/97 R, USK 98156 und vom 19. August 2003, Az: B 2 U 43/02 R, SozR 4-2200 § 550 Nr. 1). Als der Kläger verunglückte, hatte er die (geplante) Dienstreise nach Kempen noch nicht angetreten. Denn die Fahrt zur und von der Tankstelle gehörte noch zu den Reisevorbereitungshandlungen, die der eigentlichen Dienstreise vorangingen. Unter dem Gesichtspunkt einer Dienstreise hätte der Versicherungsschutz erst begonnen, wenn der Kläger seine Betriebsstätte wieder erreicht bzw. passiert hätte, um von dort nach Kempen zu gelangen. Es ist verstößt auch nicht gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), den vermeintlichen Weg zur und von der Tankstelle in einen unversicherten Abschnitt und den Weg von der Betriebsstelle nach Kempen in einen versicherten Abschnitt zu zerlegen, wie das SG meint. Denn in der gesetzlichen Unfallversicherung wird seit jeher zwischen versicherten Wegen und unversicherten (Ab- und Um-)Wegen differenziert, was auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) unter Gleichbehandlungsaspekten nicht beanstandet hat (vgl. Nichtannahmebeschluss der 3. Kammer des 1. Senats vom 30. November 2004, Az: 1 BvR 1750/03, NJW 2005, 816, 817). Im Übrigen ist dem SG entgegenzuhalten, dass es selbst zwischen unversicherter Hinfahrt und versicherter Rückfahrt von der Tankstelle unterscheidet. Schließlich ist die Tankstelle, die der Kläger angesteuert haben will, auch nicht als Ausgangspunkt der Dienstreise (sog. dritter Ort) anzusehen. Denn der Kläger hat sich - wenn überhaupt - auf dem Tankstellengelände allenfalls wenige Minuten und damit keinesfalls mehr als 2 Stunden aufgehalten (vgl. hierzu: Mehrtens, a.a.O., Anm. 12.20).
3. Der Kläger ist auch nicht bei einer versicherten Reisevorbereitungshandlung verletzt worden. Ebenso wie zahlreiche andere Verrichtungen des täglichen Lebens, die notwendig sind, damit die versicherte Tätigkeit verrichtet werden kann, ist das Auftanken eines Fahrzeugs bei Antritt der Fahrt oder unterwegs auch dann grundsätzlich dem un-versicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen, wenn das Fahrzeug für die Betriebstätigkeit unabdingbar benötigt wird (BSG, Urteile vom 31. Januar 1974, Az: 2 RU 277/73, SozR 2200 § 548 Nr. 2, vom 14. Dezember 1978, Az: 2 RU 59/78, SozR 2200, § 550 Nr. 39, vom 24. Mai 1984, Az: 2 RU 3/83, BB 1984, 2066 und vom 11. August 1998, Az: B 2 U 28/97 R, SozR 3-2200 § 550 Nr. 19; Mehrtens, a.a.O., Anm. 12.26 und 12.27; Schönberger u.a., a.a.O., S. 93). Das Tanken und die dafür erforderlichen Wege sind also auch dann nicht unfallversichert, wenn dies dem Unternehmen mittelbar dient. Das gilt sowohl für den Unfallversicherungsschutz auf Betriebswegen bzw. Dienstreisen als auch auf Wegen nach oder von dem Ort der Tätigkeit (BSG, Urteil vom 07. September 2004, Az: B 2 U 35/03 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 6).
Ein Arbeitsunfall liegt jedoch ausnahmsweise vor, wenn das Tanken und die dafür erforderlichen Wege der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sind. Dieser innere bzw. sachliche Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung (BSG, Urteile vom 28. Juni 1988, Az: 2 RU 60/87, SozR 2200 § 548 Nr. 92, vom 05. Mai 1994, Az: 2 RU 26/93, SozR 3-2200 § 548 Nr. 19 und vom 04. Juni 2002, Az: B 2 U 11/01 R, BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 10) ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSG, Urteile vom 30. April 1985, Az: 2 RU 24/84, SozR 2200 § 548 Nr. 70, vom 20. Januar 1987, Az: 2 RU 27/86, SozR 2200 § 548 Nr. 84 und vom 04. Juni 2002, Az: B 2 U 11/01 R, SozR 3-2700 § 8 Nr. 10). Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis erforderlich; bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden können (BSG, Urteile vom 30. April 1985, Az: 2 RU 43/84, SozR 2200 § 555a Nr. 1 und vom 26. Juni 2001, Az: B 2 U 30/00 R, SozR 3-2200 § 548 Nr. 43). Innerhalb dieser Wertung stehen Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 19). Maßgeblich ist die Handlungstendenz des Versicherten (BSG, Urteil vom 21. August 1991, Az: 2 RU 62/90, SozR 3-2200 § 550 Nr. 4 und vom 24. März 1998, Az: B 2 U 4/97 R, SozR 3-2200 § 550 Nr. 17), so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird (BSG, Urteil vom 31. Mai 1988, Az: 2/9b RU 16/87, SozR 2200 § 548 Nr. 90 und vom 2. Juli 1996, Az: 2 RU 16/95 SozR 3-2200 § 550 Nr. 14). Entscheidend ist, ob die Gesamtumstände dafür oder dagegen sprechen, dass das unfallbringende Verhalten (noch) der Privatsphäre oder (schon) dem versicherten Bereich zuzurechnen ist (BSG, Urteil vom 24. Januar 1995, Az: 8 RKnU 1/94, SozR 3-2200 § 548 Nr. 23). Lässt sich nicht feststellen, ob der Versicherte bei einer Verrichtung verunglückt ist, die - wenn feststellbar - in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden hätte, trifft die objektive Beweislast für das Vorliegen dieser Verrichtung den Versicherten (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 19; BSG, Urteile vom 28. Juni 1984, Az: 2 RU 54/83, HV-Info 1984, 40 und vom 30. April 1985, Az: 2 RU 24/84, SozR 2200 § 548 Nr. 70; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 14. September 1977, Az: 1 BvR 248/76, SozR 2200 § 548 Nr. 36).
Vorbereitungshandlungen schützt die gesetzliche Unfallversicherung in der Regel nur, wenn sie entweder nach den Gesamtumständen selbst bereits als Bestandteil der betrieblichen Tätigkeit anzusehen sind oder wenn das Gesetz sie durch besondere Regelung in die Versicherung einbezieht (BSG, Urteile vom 27. Juni 1991, Az: 2 RU 8/91, USK 91162 und vom 28. April 2004, Az: B 2 U 26/03 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 5). Die darin liegende Beschränkung trägt den gesetzlichen Vorgaben und der Systematik des § 8 SGB VII Rechnung und verhindert Manipulationsmöglichkeiten. Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen in § 8 Abs. 2 SGB VII bestimmte typische Vorbereitungshandlungen selbst dem Versicherungsschutz unterstellt, weil er insoweit ein soziales Schutzbedürfnis angenommen hat, das über die eigentliche berufliche Tätigkeit hinausreicht. Dabei ist er offen-sichtlich davon ausgegangen, dass etwa das Zurücklegen des Weges zum und vom Ort der Tätigkeit als die - der betrieblichen Tätigkeit sachlich, zeitlich und örtlich besonders nahe - klassische Vorbereitungshandlung nicht schon nach der Grundnorm des § 8 Abs. 1 SGB VII mit versichert ist, es für ihre Einbeziehung vielmehr einer besonderen Regelung bedurfte (so auch Krasney in: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII, § 8 Rn. 64). Diese Konzeption lässt erkennen, dass der Versicherungsschutz für vorbereitende Tätigkeiten grundsätzlich auf diejenigen Verrichtungen beschränkt ist, die das Gesetz selbst ausdrücklich nennt, und dass Ausnahmen nur in Betracht kommen, wenn die Vorbereitungshandlung mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit oder der kraft Gesetzes versicherten Vorbereitungshandlung so eng verbunden ist, dass beide bei natürlicher Betrachtungsweise eine Einheit bilden. Berücksichtigt man diese Grundsätze, so ist der erforderliche innere Zusammenhang gegeben, wenn das Nachtanken während der Fahrt überraschend, plötzlich, unvorhergesehen notwendig wird, damit der restliche Weg zurückgelegt werden kann (BSG, Urteile vom 28. Februar 1964, Az: 2 RU 22/61, BB 1964, 684, vom 30. Januar 1968, Az: 2 RU 51/65, BSG SozR Nr. 63 zu § 543 RVO a.F., vom 14. Dezember 1978, Az: 2 RU 59/78, SozR 2200 § 550 Nr. 39 und vom 24. Mai 1984, Az: 2 RU 3/83, BB 1984, 2066). Das Tanken ist notwendig, wenn der Versicherte während oder aber auch schon bei Antritt der Fahrt den Inhalt des Reservetanks in Anspruch nehmen muss (BSG SozR 2200 § 550 Nr. 39; BSG, BB 1984, 2066; Krasney, a.a.O., § 8 Rn. 212).
Der Senat hält es schon nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für erwiesen, dass der Kläger sein Motorrad vor dem Unfall an der Tankstelle auf der O-allee betankt hat. Er kann weder eine Tankquittung vorlegen noch Zeugen benennen, die ihn beim Tanken beobachtet haben. Zwar hat er schon im Unfallfragebogen dargelegt, wegen eines Tankvorgangs von der direkten Wegstrecke nach Kempen abgewichen zu sein. Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben bestehen aber deshalb, weil der Durchgangsarztbericht zum Unfallhergang vermerkt, dass der Kläger "auf dem Weg von der Baustelle nach Hause hinter [einer] Kurve auf einen stehenden Pkw" aufgefahren sei. Weitere Zweifel kommen auch deshalb auf, weil der Kläger mit dem Vollcrossmotorrad ein Verkehrsmittel wählte, das nach seinen Angaben nicht zu seinem Betriebs- sondern zu seinem Privatvermögen gehörte.
Hält man es demgegenüber für erwiesen, dass der Kläger auf dem Rückweg von der Tankstelle verunglückte, so fehlt der Nachweis, dass er schon bei Antritt der Fahrt den Inhalt des Reservetanks in Anspruch nehmen musste. Auch hierfür kann er keinen Zeugen benennen. Allerdings will er seiner Ehefrau vor der Abfahrt beiläufig mitgeteilt haben, dass er noch tanken müsse. Selbst wenn dies zutreffend sein sollte, kann aus dieser Äußerung nicht zwingend geschlossen werden, dass er den Reservetank bereits in Anspruch nehmen musste. Nimmt man zu seinen Gunsten an, dass der Tank nachweislich leer gewesen ist, so erscheint es dennoch zweifelhaft, ob er hiervon "überrascht" wurde. Hierzu behauptet der Kläger, er habe erst bei Antritt der Fahrt bemerkt, dass der Tank nahezu leer sei. Dies lässt sich aber nur schwer mit seinem Vortrag vereinbaren, wonach er seiner Ehefrau vor der Abfahrt beiläufig mitgeteilt habe, noch tanken zu müssen. Gegen das erforderliche "Überraschungsmoment" spricht aber auch, dass der Kläger auf seinen VW-Transporter hätte zurückgreifen können. Denn mit dem Merkmal der "Plötzlichkeit" oder "Überraschung" möchte das BSG ausdrücken, dass das Tanken in der konkreten Situation für den Versicherten (betriebsbedingt) unausweichlich ist. Da der Kläger den Besprechungstermin aber auch mit dem VW-Transporter hätte zurücklegen können (was zudem steuerlich günstiger gewesen wäre), war das Betanken des Motorrads für ihn nicht zwingend erforderlich. Dabei ist unerheblich, dass ein Versicherter sein Verkehrsmittel grundsätzlich frei wählen kann.
Nimmt man zugunsten des Klägers an, dass er vom Treibstoffmangel überrascht wurde und deshalb zur Tankstelle gefahren ist, so stellt sich die Frage, ob der Rückweg von der Tankstelle mit dem Besichtigungstermin in Kempen in einem sachlichen bzw. inneren Zusammenhang stand. Entscheidend ist, ob die Gesamtumstände dafür oder dagegen sprechen, dass das unfallbringende Verhalten (noch) der Privatsphäre oder (schon) dem versicherten Bereich zuzurechnen ist. Gegen den inneren Zusammenhang spricht aber entscheidend, dass der Kläger gerade das Verkehrsmittel benutzte, das zu seinem Privatvermögen gehörte, obwohl ihm aus seinem Betriebsvermögen der VW-Transporter zur Verfügung stand. Hieraus schließt der Senat, dass der Tankvorgang überwiegend privaten und nicht betrieblichen Zwecken diente. Denn wer ein Fahrzeug überwiegend privat nutzt, wird es auch überwiegend aus privaten (und nicht betrieblichen) Gründen betanken. Das gilt erst recht, wenn ein Unternehmer ein weiteres Fahrzeug besitzt, das er aus steuerlichen Gründen ausschließlich für betriebliche Fahrten nutzt. Folglich lässt sich auch der innere Zusammenhang zwischen dem angeblichen Tankvorgang und der betriebsbedingten Fahrt nach Kempen nicht wahrscheinlich machen.
Bei dem vermeintlichen Tankaufenthalt und den dazugehörigen Wegen handelt es sich auch nicht um eine geringfügige Unterbrechung einer an sich versicherten Dienstreise. Schiebt der Versicherte nämlich in die eigentliche Wegstrecke einen zusätzlichen Weg ein und kann er deshalb die Zielrichtung (Betriebsstätte in Neukirchen-Vlyn/ Besprechungstermin in Kempen) nicht mehr einhalten, so befindet er sich auf einem unversicherten Abweg. Der Richtungswechsel bewirkt mit dem 1. Schritt eine deutliche Zäsur innerhalb eines grundsätzlich versicherten Weges, weil er sich sowohl nach seiner Zweckbestimmung als auch nach seiner Zielrichtung von dem zunächst eingeschlagenen Weg unterscheidet. Auf die Länge des Abweges kommt es - entgegen der Ansicht des Klägers und des SG - nicht an. Bereits bei geringfügigen Abwegen entfällt der Versicherungsschutz (Mehrtens, a.a.O., § 8 Anm. 12.36).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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NRW
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