Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Speyer (RPF)
Aktenzeichen
S 1 AL 662/03 Sp
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 1 AL 5/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Einem Anspruch auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge kann die Einrede der Verjährung dann nicht entgegengehalten werden, wenn eine zuvor durchgeführte Arbeitgeberprüfung deshalb nicht zu Beanstandungen geführt hat, weil sich die Prüfbehörde auf eine ausnahmsweise nicht zulässige Stichprobenprüfung beschränkt hat.
2. Bei einer GmbH, für die lediglich ein Angestellter und ein Gesellschafter/Geschäftsführer tätig wird, besteht Anlass zu einer uneingeschränkten Betriebsprüfung.
2. Bei einer GmbH, für die lediglich ein Angestellter und ein Gesellschafter/Geschäftsführer tätig wird, besteht Anlass zu einer uneingeschränkten Betriebsprüfung.
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 9.11.2004 - S 1 AL 662/03 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Bescheid der Beklagten vom 28.5.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.8.2003 abgeändert wird.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Arbeitnehmeranteile der für die Zeit vom 1.4.1989 bis zum 31.12.1997 zur Bundesanstalt für Arbeit gezahlten Beiträge zu erstatten.
2. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung der an die Bundesanstalt für Arbeit (BA) für die Zeit vom 1.4.1989 bis zum 31.12.1997 zu Unrecht entrichteten Beiträge streitig.
Der bei der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) krankenversicherte Kläger ist seit 1.4.1989 bei der B mbH (B ) als Geschäftsführer tätig. Darüber hinaus beschäftigte die B in der hier streitigen Zeit eine bei der Barmer Ersatzkasse (BEK) krankenversicherte Angestellte. Am Stammkapital der B war der Kläger in unterschiedlicher Höhe, und zwar seit 18.7.1980 zu 2 v.H., seit 4.1.1991 zu 4 v.H., seit 6.3.1991 zu 8 v.H. und seit 19.4.1991 zu 12 v.H. beteiligt. Seit dem 25.4.1996 hält er ein Viertel des Stammkapitals.
Die B entrichtete für den Kläger ab 1.4.1989 Beiträge zur BA. Nach einer von der BEK am 28.3.1994 für die Zeit vom 1.4.1990 bis zum 31.12.1993 durchgeführten Beitragsüberwachung wurde der B mitgeteilt, dass die geprüften Unterlagen hinsichtlich der "Beurteilung der Versicherungspflicht" und der "Ermittlung der beitragspflichtigen Entgeltzahlungen" nicht zu beanstanden seien. Am 6.11.1995 fand eine Betriebsprüfung durch die KKH für die Zeit vom 1.1.1992 bis zum 31.12.1994 statt, die ebenfalls nicht zu Beanstandungen führte. Auch die Landesversicherungsanstalt Baden (LVA) gelangte aufgrund ihrer am 30.8.1999 für die Zeit vom 1.1.1995 bis zum 31.12.1998 durchgeführten Betriebsprüfung zu dem Ergebnis, dass die Beiträge ordnungsgemäß abgeführt worden seien.
Mit Bescheid vom 24.7.2002 stellte die KKH fest, dass der Kläger ab 1.4.1989 aufgrund seiner nicht weisungsgebundenen Tätigkeit als "alleinvertretungsberechtigter Gesellschafter/Geschäftsführer" der B nicht abhängig beschäftigt gewesen sei. Die Beklagte erstattete ihm daraufhin mit Bescheid vom 28.5.2003 den Arbeitnehmeranteil der zur Arbeitslosenversicherung für die Zeit vom 1.1.1998 bis zum 31.8.2002 geleisteten Beiträge. Eine Rückzahlung der vom 1.4.1989 bis zum 31.12.1997 entrichteten Beiträge lehnte sie ab, weil der Erstattungsanspruch insoweit verjährt sei. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 26.8.2003 zurück.
Das Sozialgericht Speyer (SG) hat mit Urteil vom 9.11.2004 den angefochtenen Bescheid "aufgehoben" und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die für die Zeit vom 1.4.1989 bis zum 31.12.1997 gezahlten Arbeitnehmeranteile zu erstatten. Die Beklagte habe das ihr bei der Erhebung der Verjährungseinrede eingeräumte Ermessen nicht hinreichend beachtet. Sie könne sich nicht auf ihre Durchführungsanweisungen zu § 27 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) berufen, wonach eine besondere, der Verjährungseinrede entgegenstehende Härte nur dann vorliege, wenn die Beitragszahlung durch ein fehlerhaftes Verwaltungshandeln der Beklagten, der Einzugsstelle oder des Rentenversicherungsträgers bedingt sei. Das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29.7.2003 (B 12 AL 1/02 R, SozR 4-2400 § 27 Nr. 1) rechtfertige kein anderes Ergebnis. Danach sei die Verjährungseinrede zwar auch dann nicht ausgeschlossen, wenn eine in einem Kleinbetrieb mit etwa 10 bis 15 Arbeitnehmern durchgeführte Arbeitgeberprüfung nicht zu Beanstandungen geführt hätte. Da bei der B aber lediglich der Kläger und eine Angestellte tätig gewesen seien, hätte den Prüfbehörden die mit der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung des Klägers als Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH verbundene Problematik auffallen müssen.
Gegen das ihr am 13.12.2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11.1.2005 Berufung eingelegt.
Sie trägt vor, das zu beachtende Ermessen sei ordnungsgemäß ausgeübt worden. Ein ihr zurechenbares fehlerhaftes Verwaltungshandeln liege nicht vor. Die Prüfbehörden seien auch in kleinen Betrieben nicht zu einer vollständigen Überprüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse sämtlicher Versicherter verpflichtet. Sie dürften sich nach § 6 Abs. 1 Beitragsüberwachungsverordnung (BÜVO) auf Stichproben beschränken.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 9.11.2004 - S 1 AL 662/03 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, die Berufung sei verspätet eingelegt worden. Eine Postlaufzeit von 11 Tagen bis zur Zustellung der angefochtenen Entscheidung sei nicht nachzuvollziehen. In der Sache sei der Klage zu Recht stattgegeben worden. Auf die vom BSG akzeptierte Stichprobenprüfung könne sich die Beklagte im vorliegenden Fall nicht berufen, da für die B lediglich der Kläger und eine Angestellte tätig gewesen seien.
Der Berichterstatter des Senats hat von der KKH und der LVA Auskünfte zu den jeweils durchgeführten Betriebsprüfungen eingeholt. Insoweit wird auf die Schreiben vom 11. und 12.4.2005 verwiesen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakten der Beklagten (- -) sowie der KKH Bezug genommen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Aufgrund des von der Beklagten am 13.12.2004 ausgestellten Empfangsbekenntnisses steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die angefochtene Entscheidung an diesem Tag zugestellt worden ist. Die Berufung ist am 11.1.2005 und damit innerhalb der Monatsfrist des § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beim Landessozialgericht eingegangen.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben und die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Verwaltungsentscheidung verurteilt, dem Kläger die für die Zeit vom 1.4.1989 bis zum 31.12.1997 zur BA gezahlten Arbeitnehmerbeiträge zu erstatten. Der Bescheid vom 28.5.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.8.2003 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben hat.
Die Beklagte hat nach § 351 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in Verbindung mit § 26 Abs. 2 und 3 Satz 1 SGB IV zu Unrecht entrichtete Beiträge demjenigen zu erstatten, der die Beiträge getragen hat. Die Voraussetzungen dieses Erstattungsanspruchs sind vorliegend erfüllt. Die für den Kläger gezahlten Beiträge sind im Hinblick auf die von der KKH mit Bescheid vom 24.7.2002 getroffene Feststellung der fehlenden Versicherungspflicht zu Unrecht entrichtet worden.
Der Kläger kann auch die Erfüllung des bestehenden Erstattungsanspruchs verlangen. Die Beklagte ist nicht wegen der geltend gemachten Verjährungseinrede zur Leistungsverweigerung berechtigt.
Der Erstattungsanspruch verjährt nach § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden sind. Ob und für welchen Zeitraum die Beklagte die Verjährungseinrede erheben will, steht in ihrem pflichtgemäßen Ermessen (vgl. BSG, Urteil vom 15.6.2000 - B 7 AL 64/99 R, SozR 3-1200 § 45 Nr. 9). Bei der Ermessensausübung ist unter anderem das zur Beitragszahlung führende Verhalten einer Behörde zu berücksichtigen. Aus diesem Grund sehen auch die Durchführungsanweisungen der Beklagten zu § 27 SGB IV vor, von der Verjährungseinrede dann wegen einer unbilligen Härte abzusehen, "wenn die Beitragszahlung deshalb zu Unrecht erfolgt ist, weil sie auf einem fehlerhaften Verwaltungshandeln der BA, der Einzugsstelle oder eines Trägers der Rentenversicherung beruht". Ein solches Fehlverhalten ist aus den vom SG dargelegten Gründen anzunehmen. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und nimmt auf die erstinstanzliche Urteilsbegründung Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Die Beklagte hat damit den ermessensrelevanten Gesichtspunkt der "unbilligen Härte" verkannt und ihre Ermessensrichtlinien nicht beachtet.
Das Berufungsvorbringen führt nicht zu einem anderen Ergebnis.
Die Beklagte kann sich weder auf § 6 Abs. 1 BÜVO noch auf das Urteil des BSG vom 29.7.2003 (a.a.O.) berufen, wonach eine Betriebsprüfung auf Stichproben beschränkt werden darf. Es trifft zwar zu, dass eine Unterscheidung zwischen "kleinen" und "großen" Betrieben nicht normiert und die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung sämtlicher Arbeitnehmer eines Betriebes in der Regel ausgeschlossen ist. Eine durchgeführte Arbeitgeberprüfung, die zu Unrecht nicht zu Beanstandungen geführt hat, ist aber dann als fehlerhaftes Verwaltungshandeln der Prüfbehörde zu werten, wenn angesichts der betrieblichen Besonderheiten für eine Stichprobenprüfung kein Raum ist. Das ist vorliegend der Fall.
Der Kläger ist Geschäftsführer und Gesellschafter der B. Die Versicherungspflicht zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung ist für die Sozialversicherungsträger bei einem Geschäftsführer einer GmbH, der zugleich als Gesellschafter am Stammkapital beteiligt ist, bekanntermaßen häufig schwer zu beurteilen. Es kann dahingestellt bleiben, ob bereits die Kenntnis der KKH und der LVA von diesem Umstand für den Umfang der jeweils durchgeführten Betriebsprüfung von Bedeutung war. Jedenfalls oblag den Prüfbehörden deshalb eine uneingeschränkte Betriebsprüfung, weil außer dem Kläger nur eine weitere Angestellte gemeldet und für die B tätig war. In einer GmbH, die ausschließlich durch einen Geschäftsführer/Gesellschafter und einen weiteren Mitarbeiter betrieben wird, besteht grundsätzlich keine Veranlassung, die Betriebsprüfung auf Stichproben zu beschränken. Der Einwand der KKH in ihrem Schreiben vom 30.6.2004, dass von einer versicherungsrechtlichen Beurteilung der Tätigkeit des Klägers gegebenenfalls im Hinblick auf die in § 6 BÜVO geregelte Stichprobenprüfung abgesehen worden sei, vermag daher das Fehlverhalten nicht zu rechtfertigen. Ebenso wenig kann sich die LVA darauf berufen, wegen den von Krankenkassen durchgeführten Betriebsprüfungen habe keine Notwenigkeit bestanden, die Versicherungspflicht des Klägers erneut zu prüfen.
Allerdings war Ziffer 1 des Tenors der erstinstanzlichen Entscheidung neu zu fassen. Das SG hat den angefochtenen Bescheid (insgesamt) "aufgehoben", obwohl es lediglich die Rechtswidrigkeit der Ablehnung des Erstattungsantrags festgestellt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Arbeitnehmeranteile der für die Zeit vom 1.4.1989 bis zum 31.12.1997 zur Bundesanstalt für Arbeit gezahlten Beiträge zu erstatten.
2. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung der an die Bundesanstalt für Arbeit (BA) für die Zeit vom 1.4.1989 bis zum 31.12.1997 zu Unrecht entrichteten Beiträge streitig.
Der bei der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) krankenversicherte Kläger ist seit 1.4.1989 bei der B mbH (B ) als Geschäftsführer tätig. Darüber hinaus beschäftigte die B in der hier streitigen Zeit eine bei der Barmer Ersatzkasse (BEK) krankenversicherte Angestellte. Am Stammkapital der B war der Kläger in unterschiedlicher Höhe, und zwar seit 18.7.1980 zu 2 v.H., seit 4.1.1991 zu 4 v.H., seit 6.3.1991 zu 8 v.H. und seit 19.4.1991 zu 12 v.H. beteiligt. Seit dem 25.4.1996 hält er ein Viertel des Stammkapitals.
Die B entrichtete für den Kläger ab 1.4.1989 Beiträge zur BA. Nach einer von der BEK am 28.3.1994 für die Zeit vom 1.4.1990 bis zum 31.12.1993 durchgeführten Beitragsüberwachung wurde der B mitgeteilt, dass die geprüften Unterlagen hinsichtlich der "Beurteilung der Versicherungspflicht" und der "Ermittlung der beitragspflichtigen Entgeltzahlungen" nicht zu beanstanden seien. Am 6.11.1995 fand eine Betriebsprüfung durch die KKH für die Zeit vom 1.1.1992 bis zum 31.12.1994 statt, die ebenfalls nicht zu Beanstandungen führte. Auch die Landesversicherungsanstalt Baden (LVA) gelangte aufgrund ihrer am 30.8.1999 für die Zeit vom 1.1.1995 bis zum 31.12.1998 durchgeführten Betriebsprüfung zu dem Ergebnis, dass die Beiträge ordnungsgemäß abgeführt worden seien.
Mit Bescheid vom 24.7.2002 stellte die KKH fest, dass der Kläger ab 1.4.1989 aufgrund seiner nicht weisungsgebundenen Tätigkeit als "alleinvertretungsberechtigter Gesellschafter/Geschäftsführer" der B nicht abhängig beschäftigt gewesen sei. Die Beklagte erstattete ihm daraufhin mit Bescheid vom 28.5.2003 den Arbeitnehmeranteil der zur Arbeitslosenversicherung für die Zeit vom 1.1.1998 bis zum 31.8.2002 geleisteten Beiträge. Eine Rückzahlung der vom 1.4.1989 bis zum 31.12.1997 entrichteten Beiträge lehnte sie ab, weil der Erstattungsanspruch insoweit verjährt sei. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 26.8.2003 zurück.
Das Sozialgericht Speyer (SG) hat mit Urteil vom 9.11.2004 den angefochtenen Bescheid "aufgehoben" und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die für die Zeit vom 1.4.1989 bis zum 31.12.1997 gezahlten Arbeitnehmeranteile zu erstatten. Die Beklagte habe das ihr bei der Erhebung der Verjährungseinrede eingeräumte Ermessen nicht hinreichend beachtet. Sie könne sich nicht auf ihre Durchführungsanweisungen zu § 27 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) berufen, wonach eine besondere, der Verjährungseinrede entgegenstehende Härte nur dann vorliege, wenn die Beitragszahlung durch ein fehlerhaftes Verwaltungshandeln der Beklagten, der Einzugsstelle oder des Rentenversicherungsträgers bedingt sei. Das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29.7.2003 (B 12 AL 1/02 R, SozR 4-2400 § 27 Nr. 1) rechtfertige kein anderes Ergebnis. Danach sei die Verjährungseinrede zwar auch dann nicht ausgeschlossen, wenn eine in einem Kleinbetrieb mit etwa 10 bis 15 Arbeitnehmern durchgeführte Arbeitgeberprüfung nicht zu Beanstandungen geführt hätte. Da bei der B aber lediglich der Kläger und eine Angestellte tätig gewesen seien, hätte den Prüfbehörden die mit der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung des Klägers als Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH verbundene Problematik auffallen müssen.
Gegen das ihr am 13.12.2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11.1.2005 Berufung eingelegt.
Sie trägt vor, das zu beachtende Ermessen sei ordnungsgemäß ausgeübt worden. Ein ihr zurechenbares fehlerhaftes Verwaltungshandeln liege nicht vor. Die Prüfbehörden seien auch in kleinen Betrieben nicht zu einer vollständigen Überprüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse sämtlicher Versicherter verpflichtet. Sie dürften sich nach § 6 Abs. 1 Beitragsüberwachungsverordnung (BÜVO) auf Stichproben beschränken.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 9.11.2004 - S 1 AL 662/03 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, die Berufung sei verspätet eingelegt worden. Eine Postlaufzeit von 11 Tagen bis zur Zustellung der angefochtenen Entscheidung sei nicht nachzuvollziehen. In der Sache sei der Klage zu Recht stattgegeben worden. Auf die vom BSG akzeptierte Stichprobenprüfung könne sich die Beklagte im vorliegenden Fall nicht berufen, da für die B lediglich der Kläger und eine Angestellte tätig gewesen seien.
Der Berichterstatter des Senats hat von der KKH und der LVA Auskünfte zu den jeweils durchgeführten Betriebsprüfungen eingeholt. Insoweit wird auf die Schreiben vom 11. und 12.4.2005 verwiesen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakten der Beklagten (- -) sowie der KKH Bezug genommen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Aufgrund des von der Beklagten am 13.12.2004 ausgestellten Empfangsbekenntnisses steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die angefochtene Entscheidung an diesem Tag zugestellt worden ist. Die Berufung ist am 11.1.2005 und damit innerhalb der Monatsfrist des § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beim Landessozialgericht eingegangen.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben und die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Verwaltungsentscheidung verurteilt, dem Kläger die für die Zeit vom 1.4.1989 bis zum 31.12.1997 zur BA gezahlten Arbeitnehmerbeiträge zu erstatten. Der Bescheid vom 28.5.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.8.2003 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben hat.
Die Beklagte hat nach § 351 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in Verbindung mit § 26 Abs. 2 und 3 Satz 1 SGB IV zu Unrecht entrichtete Beiträge demjenigen zu erstatten, der die Beiträge getragen hat. Die Voraussetzungen dieses Erstattungsanspruchs sind vorliegend erfüllt. Die für den Kläger gezahlten Beiträge sind im Hinblick auf die von der KKH mit Bescheid vom 24.7.2002 getroffene Feststellung der fehlenden Versicherungspflicht zu Unrecht entrichtet worden.
Der Kläger kann auch die Erfüllung des bestehenden Erstattungsanspruchs verlangen. Die Beklagte ist nicht wegen der geltend gemachten Verjährungseinrede zur Leistungsverweigerung berechtigt.
Der Erstattungsanspruch verjährt nach § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden sind. Ob und für welchen Zeitraum die Beklagte die Verjährungseinrede erheben will, steht in ihrem pflichtgemäßen Ermessen (vgl. BSG, Urteil vom 15.6.2000 - B 7 AL 64/99 R, SozR 3-1200 § 45 Nr. 9). Bei der Ermessensausübung ist unter anderem das zur Beitragszahlung führende Verhalten einer Behörde zu berücksichtigen. Aus diesem Grund sehen auch die Durchführungsanweisungen der Beklagten zu § 27 SGB IV vor, von der Verjährungseinrede dann wegen einer unbilligen Härte abzusehen, "wenn die Beitragszahlung deshalb zu Unrecht erfolgt ist, weil sie auf einem fehlerhaften Verwaltungshandeln der BA, der Einzugsstelle oder eines Trägers der Rentenversicherung beruht". Ein solches Fehlverhalten ist aus den vom SG dargelegten Gründen anzunehmen. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und nimmt auf die erstinstanzliche Urteilsbegründung Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Die Beklagte hat damit den ermessensrelevanten Gesichtspunkt der "unbilligen Härte" verkannt und ihre Ermessensrichtlinien nicht beachtet.
Das Berufungsvorbringen führt nicht zu einem anderen Ergebnis.
Die Beklagte kann sich weder auf § 6 Abs. 1 BÜVO noch auf das Urteil des BSG vom 29.7.2003 (a.a.O.) berufen, wonach eine Betriebsprüfung auf Stichproben beschränkt werden darf. Es trifft zwar zu, dass eine Unterscheidung zwischen "kleinen" und "großen" Betrieben nicht normiert und die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung sämtlicher Arbeitnehmer eines Betriebes in der Regel ausgeschlossen ist. Eine durchgeführte Arbeitgeberprüfung, die zu Unrecht nicht zu Beanstandungen geführt hat, ist aber dann als fehlerhaftes Verwaltungshandeln der Prüfbehörde zu werten, wenn angesichts der betrieblichen Besonderheiten für eine Stichprobenprüfung kein Raum ist. Das ist vorliegend der Fall.
Der Kläger ist Geschäftsführer und Gesellschafter der B. Die Versicherungspflicht zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung ist für die Sozialversicherungsträger bei einem Geschäftsführer einer GmbH, der zugleich als Gesellschafter am Stammkapital beteiligt ist, bekanntermaßen häufig schwer zu beurteilen. Es kann dahingestellt bleiben, ob bereits die Kenntnis der KKH und der LVA von diesem Umstand für den Umfang der jeweils durchgeführten Betriebsprüfung von Bedeutung war. Jedenfalls oblag den Prüfbehörden deshalb eine uneingeschränkte Betriebsprüfung, weil außer dem Kläger nur eine weitere Angestellte gemeldet und für die B tätig war. In einer GmbH, die ausschließlich durch einen Geschäftsführer/Gesellschafter und einen weiteren Mitarbeiter betrieben wird, besteht grundsätzlich keine Veranlassung, die Betriebsprüfung auf Stichproben zu beschränken. Der Einwand der KKH in ihrem Schreiben vom 30.6.2004, dass von einer versicherungsrechtlichen Beurteilung der Tätigkeit des Klägers gegebenenfalls im Hinblick auf die in § 6 BÜVO geregelte Stichprobenprüfung abgesehen worden sei, vermag daher das Fehlverhalten nicht zu rechtfertigen. Ebenso wenig kann sich die LVA darauf berufen, wegen den von Krankenkassen durchgeführten Betriebsprüfungen habe keine Notwenigkeit bestanden, die Versicherungspflicht des Klägers erneut zu prüfen.
Allerdings war Ziffer 1 des Tenors der erstinstanzlichen Entscheidung neu zu fassen. Das SG hat den angefochtenen Bescheid (insgesamt) "aufgehoben", obwohl es lediglich die Rechtswidrigkeit der Ablehnung des Erstattungsantrags festgestellt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.
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