Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 86 KR 784/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 172/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 24. Juni 2002 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind für das gesamte Verfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung ihrer Versicherungspflicht in der Künstlersozialversicherung.
Die Klägerin, im Jahre 1964 geboren, übt eine selbstständige Erwerbstätigkeit aus. Das von ihr gegründete Unternehmen wird unter der Bezeichnung "" tätig. Dabei organisiert sie Veranstaltungen im Zusammenhang mit dem Essen. Diese Veranstaltungen sollen nach Angaben der Klägerin die zwischen dem Essen und einem spezifischen kulturellen Kontext bestehenden Einflüsse in Form einer Ausstellung, eines kulturellen Programms oder aber in Kochkursen sichtbar machen. Restaurants oder Privatpersonen könnten die vorgenannten Veranstaltungen bei dem Unternehmen "" gegen Entgelt in Auftrag geben.
Bisher haben die Veranstaltungen des Unternehmens der Klägerin vorwiegend in Restaurants stattgefunden. Dabei stellte die Klägerin jeweils ein bestimmtes Speisemenü zusammen, welches einem spezifischen kulturellen Kontext entsprach, sie entwarf sodann die Speisekarten und die Tischdekoration und stellte Lieder und Texte passend zu dem Menü zusammen, die teilweise von ihr selbst, teilweise von Anderen vorgetragen wurden. Teilweise entwarf und fertigte sie auch die Kostüme für die Personen, die das Menü servierten.
So stellte die Klägerin beispielsweise eine Veranstaltung zum Thema "Berliner Küche der 20iger Jahre" zusammen. Die Speisefolge enthielt Gerichte aus der Berliner Küche der 20iger Jahre, dazu wurden Chansons und Texte aus demselben Zeitraum vorgetragen. In ähnlicher Weise gab es Veranstaltungen zum Thema der Rosen in der Küche, zur Besteigung des Mount Everest, zur Verwendung der roten Beete in der Küche, zur polnischen Weihnachtsküche und zur Begegnung mit Casanova in der Küche. Desgleichen organisierte die Klägerin nach eigenen Angaben auch Musikdarbietungen mit Speisungen, Darstellungen der kulturell unterschiedlichen Essgewohnheiten und Ausstellungen zum Thema Essen.
Am 4. September 1998 beantragte die Klägerin bei der Beklagten durch Vorlage eines ausgefüllten Fragebogens die Feststellung ihrer Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG). Mit Bescheid vom 21. Oktober 1998 lehnte die Beklagte die Feststellung der Versicherungspflicht nach dem KSVG mit der Begründung ab, die Tätigkeit der Klägerin könne nicht als künstlerisch/publizistisch im Sinne des KSVG angesehen werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Die Klägerin schaffe weder Werke, die dem Bereich der darstellenden Kunst zuzuordnen seien, noch sei sie im Sinne der Rechtssprechung des Bundessozialgericht (BSG) publizistisch tätig.
Mit der hier gegen zum Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Ziel weiter verfolgt, die Feststellung ihrer Versicherungspflicht nach dem KSVG zu erreichen. Durch Gerichtsbescheid vom 24. Juni 2002 hat das Sozialgericht die Bescheide der Beklagten aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Versicherungspflicht der Klägerin nach dem KSVG festzustellen: Der Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin sei die Organisation von künstlerischen Darbietungen zum Thema Essen. Damit unterscheide sich ihre Arbeit wesentlich von einem gewöhnlichen Catering-Unternehmen oder Veranstaltungs-Service. Durch die Auswahl des Programms und durch die Darbietung der Vorleser oder Vorleserinnen erhielten die Veranstaltungen ein besonderes künstlerisches Gepräge im Sinne einer eigenschöpferischen Gestaltung. Die Arbeit der Klägerin sei vorwiegend dem Bereich darstellende Kunst (Sprecherin, Bühnen-, Kostümbildnerin, Moderatorin, Rezitatorin) zuzuordnen, weil sie sowohl als Vorleserin auftrete als auch den Veranstaltungsort und die Kostüme selbst gestalterisch vorbereite. Die Klägerin übe diese Tätigkeit selbstständig, erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend aus.
Gegen diesen ihr am 9. Juli 2002 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 9. August 2002 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Sie macht geltend, es werde erkennbar, dass die Klägerin vorrangig und schwerpunktmäßig auf dem organisatorischen Bereich tätig sei. Allein in der Auswahl und der Abstimmung des Programms liege noch keine eigenschöpferische, künstlerische Leistung. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit sei nicht als künstlerisch einzustufen.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 24. Juni aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass festgestellt wird, dass die Klägerin seit dem 4. September 1998 versicherungspflichtig in der Künstlersozialversicherung ist.
Sie macht geltend, der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liege im gestaltenden Bereich und sei eigenschöpferisch. Im Übrigen sei die von der ihr entwickelte Kunstform völlig neu, es habe sich von daher noch keine gefestigte Verkehrsanschauung gebildet. Nach der inzwischen bestehenden allgemeinen Verkehrsauffassung handele es sich jedoch bei ihrer Tätigkeit um eine künstlerische.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sie ist in der Sache auch begründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 24. Juni 2002 war aufzuheben und die Klage abzuweisen, denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtsmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten; die Klägerin ist in ihrer Tätigkeit ab dem 4. September 1998 nicht versicherungspflichtig nach dem KSVG und kann eine diesbezügliche Feststellung auch nicht verlangen.
Nach § 2 Satz 1 KSVG ist Künstler im Sinne des KSVG, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt. Das KSVG nimmt damit eine an der Typologie der Ausübungsformen orientierte Einteilung in Kunstgattungen vor, die zur Differenzierung bei der Abgabenerhebung dient (BSG, Urteil vom 25. September 2001, B 3 KR 18/00 R, SozR 3-5425 § 2 Nr. 14), den Kunstbegriff jedoch nicht materiell definiert. Dieser Begriff ist vielmehr aus dem Regelungszweck des KSVG der historischen Entwicklung und der allgemeinen Verkehrsauffassung zu erschließen. Der Kunstbegriff des KSVG setzt in jedem Fall eine eigenschöpferische Leistung voraus, für die angesichts des Zwecks der Künstlersozialversicherung – Schutz gerade auch des weniger erfolgreichen Künstlers – allerdings ein relativ geringes Niveau ausreicht (BSG a. a. O. mit weiteren Nachweisen).
Bei einem aus mehreren Tätigkeitsbereichen zusammengesetzten gemischten Beruf, für den ein einheitliches Entgelt gezahlt wird, kann von einem Entgelt für eine künstlerische Tätigkeit nur dann ausgegangen werden, wenn die künstlerischen Elemente das Gesamtbild der Tätigkeiten prägen. Notwendige Geschäftstätigkeiten, die für eine künstlerische Ausübung eines Berufs typisch sind, wie Reisen, Organisation und Verwaltung, stehen einer Wertung als künstlerische Tätigkeit nicht entgegen, sofern die Tätigkeit insgesamt ihren Schwerpunkt im künstlerischen Bereich aufweist (BSG, Urteil vom 16. April 1998, B 3 KR 7/97 R, SozR 3-5425 § 25 Nr. 12).
Gemessen an diesen Kriterien erfüllt die Tätigkeit der Klägerin nicht die Anforderungen an eine künstlerische Tätigkeit. Maßgebend hierfür ist zunächst die Tätigkeit, wie sie sich nach der tatsächlichen Ausübung durch die Klägerin darstellt und nicht danach, wie sie möglicherweise einer Planung der Klägerin zu einem früheren Zeitpunkt entsprochen haben mag. Nach allen dem Gericht vorliegenden und aus den Verwaltungsakten der Beklagten ersichtlichen Unterlagen besteht die tatsächliche Tätigkeit der Klägerin im wesentlichen darin, Essen mit Menüfolgen zu organisieren, die einem bestimmten kulturellen Thema zuzuordnen sind. Hierdurch erweist sich die Tätigkeit der Klägerin als eine gemischte Tätigkeit, die sowohl Elemente der Gastronomie, der Veranstaltungsorganisation als auch Bezüge zu künstlerischen Aspekten enthält. Jedoch stehen die gastronomischen und organisatorischen Bestandteile ihrer Tätigkeit so stark im Vordergrund, dass eine Bewertung der Tätigkeit als künstlerische nicht vorgenommen werden kann. Auch wenn einzelne Teilbereiche der Tätigkeit der Klägerin für sich genommen jeweils als künstlerisch oder als publizistisch zu bewerten sind, treten sie als bloße Nebenleistungen gegenüber der vorrangig organisatorischen Leistung derart in den Hintergrund, dass sie eine Gesamtbewertung der Leistung als künstlerisch oder publizistisch ausschließen.
So ist zunächst zu bedenken, dass die Klägerin eine Speisenfolge zusammenstellt. Hierbei handelt es sich, auch wenn hierfür ein kulturelles Vorwissen erforderlich sein sollte, nicht um eine künstlerische, sondern um eine organisatorische oder auch handwerkliche Tätigkeit. Die Zusammenstellung eines Menüs entspricht der Tätigkeit eines Kochs oder einer Köchin. Auch wenn für die Zusammenstellung eines bestimmten, in historischem Kontext stehenden Menüs ein besonderes handwerkliches Leistungsniveau erforderlich sein mag, entspricht dies deswegen nicht den Kunstbegriff des KSVG, weil dieses eine eigenschöpferische (originäre) Leistung voraussetzt, wobei von diesem Erfordernis auch im Hinblick auf ein besonders hohes technisch-handwerkliches Leistungsniveau nicht abgewichen werden kann (BSG, Urteil vom 25. September 2001, B 3 KR 18/00 R, SozR 3-5425 § 2 Nr. 14 mit weiteren Nachweisen). Selbst dann, wenn die Klägerin hierfür Speisen erstmalig entwerfen oder Menüfolgen erstmalig in eigenständiger Weise zusammenstellen sollte, wäre hierin nach wie vor eine vorrangig handwerkliche Leistung zu sehen, die aus den vorgenannten Gründen nicht als eigenschöpferische Leistung im Sinne des KSVG bewertet werden kann.
Soweit die Klägerin selbstständig Speisekarten erstellt, handelt es sich nicht um eine publizistische Tätigkeit nach § 2 Satz 2 KSVG. Nach § 2 Satz 2 KSVG ist Leitbild publizistischer Tätigkeit das Berufsbild des Schriftstellers oder Journalisten, bei dessen Erfüllung das Gesetz nicht weiter nach der Qualität der eigenschöpferischen Leistung unterscheidet (BSG, Urteil vom 30. Januar 2001, B 3 KR 7/00 R, SozR 3-5425 § 2 Nr. 12). Beiden Berufsgruppen kann die Klägerin nicht direkt zugeordnet werden, weil sie weder Sachbücher im herkömmlichen Sinne noch tagesaktuelle Beiträge für Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk oder Fernsehen verfasst hat. Der Gesetzgeber hat den Begriff des Publizisten im Sinne des KSVG hierauf allerdings nicht beschränkt, wie sich aus der in § 2 Satz 2 KSVG enthaltenen Öffnungsklausel "oder in anderer Weise publizistisch tätig wird" ergibt. Das Gesetz lässt aber nicht erkennen, welche Tätigkeitsbereiche der Publizistik damit gemeint sind (BSG a. a. O.). Auf eine Definition publizistischer Tätigkeit hat der Gesetzgeber bewusst verzichtet (Bundesratsdrucksache 260-79, Seite 21). Die Begründung zum Entwurf des KSVG ging davon aus, dass "alle im Bereich worttätigen Autoren, insbesondere Schriftsteller und Journalisten, in die Regelung einbezogen sind" (Bundesratsdrucksache 260-79, Seite 21).
Auch wenn der Begriff des Publizisten weit auszulegen ist und die Anforderungen daran, in welchem Maße die Öffentlichkeit eines Schriftwerkes herzustellen ist, gering sind (siehe jeweils BSG a. a. O.), ist für die Einstufung eines Publizisten im Sinne des § 2 Satz 2 KSVG erforderlich, dass die inhaltliche Gestaltung und Aufmachung von Schriftwerken eine eigenschöpferische Leistung von einer Gestaltungshöhe verlangt, die zumindestens der derjenigen einer einfachen journalistischen oder schriftstellerischen Tätigkeit entspricht. Hierunter können gegebenenfalls technische Dokumentationen jeder Art, aber auch etwa Bedienungsanleitungen wie für komplizierte technische Geräte und möglicherweise auch komplizierte Zusammenstellungen von Adressen fallen (BSG a. a. O.).
Diesen Anforderungen wird in dessen die Tätigkeit der Klägerin im Hinblick auf die Gestaltung von Speisekarten oder Menüplänen nicht gerecht. Hierbei handelt es sich weder um eine anspruchsvolle Dokumentation zahlreicher Fakten oder um die anschauliche Erläuterung schwieriger technischer oder sonstiger Zusammenhänge. Vielmehr stellt die Klägerin lediglicht in übersichtlicher Form ein mehrgängiges Menü zusammen, ohne das sie hierzu vertiefter journalistischer Arbeit bedürfte. Auch wenn die Klägerin die Speisekarten graphisch verziert oder sie mit Fotografien anreichert, so greift sie damit einerseits im wesentlichen auf Fremdleistungen zurück und wird andererseits vorwiegend handwerklich tätig, was zugleich nach den vorgenannten Kriterien eine Bewertung der Tätigkeit der Klägerin als künstlerische ausschließt.
Soweit die Klägerin Texte oder Musikstücke aussucht und zusammenstellt, die zu einem bestimmten Essen dargeboten werden, fehlt es an der bereits genannten eigenschöpferischen Qualität der Arbeit der Klägerin, weil sie hierbei ebenfalls nur zusammenstellend tätig wird und im Übrigen auf bereits von anderen Menschen erstellte Kunstwerke zurückgreift. Die Klägerin hat zwar auch geltend gemacht, sie lese Texte selbst vor. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass sie dies in einem solchen Umfang selbst getan hat, um als Darbieterin der darstellenden Kunst eingestuft werden zu können.
Soweit die Klägerin schließlich auch geltend gemacht hat, sie entwerfe teilweise Kostüme selbst, kann hierin auch keine Zuordnung zu einer künstlerischen Tätigkeit begründet werden. Wie bereits ausgeführt, setzt der Kunstbegriff des KSVG eine Abgrenzung voraus, die im Hinblick auch auf ein besonderes hohes technisch-handwerkliches Leistungsniveau vorzunehmen ist (BSG, Urteil vom 25. September 2001, B 3 KR 18/00 R, SozR 3-5425 § 2 Nr. 14). Auch wenn also die Kostüme in besonders anspruchsvoller handwerklicher Weise gefertigt sein sollten, liegt hierin nicht eine künstlerische Leistung im Sinne des KSVG. Darüber hinaus handelt es sich hierbei auch lediglich um eine – den sonstigen Tätigkeiten der Klägerin gegenüber stark nachrangige – Nebenleistung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung ihrer Versicherungspflicht in der Künstlersozialversicherung.
Die Klägerin, im Jahre 1964 geboren, übt eine selbstständige Erwerbstätigkeit aus. Das von ihr gegründete Unternehmen wird unter der Bezeichnung "" tätig. Dabei organisiert sie Veranstaltungen im Zusammenhang mit dem Essen. Diese Veranstaltungen sollen nach Angaben der Klägerin die zwischen dem Essen und einem spezifischen kulturellen Kontext bestehenden Einflüsse in Form einer Ausstellung, eines kulturellen Programms oder aber in Kochkursen sichtbar machen. Restaurants oder Privatpersonen könnten die vorgenannten Veranstaltungen bei dem Unternehmen "" gegen Entgelt in Auftrag geben.
Bisher haben die Veranstaltungen des Unternehmens der Klägerin vorwiegend in Restaurants stattgefunden. Dabei stellte die Klägerin jeweils ein bestimmtes Speisemenü zusammen, welches einem spezifischen kulturellen Kontext entsprach, sie entwarf sodann die Speisekarten und die Tischdekoration und stellte Lieder und Texte passend zu dem Menü zusammen, die teilweise von ihr selbst, teilweise von Anderen vorgetragen wurden. Teilweise entwarf und fertigte sie auch die Kostüme für die Personen, die das Menü servierten.
So stellte die Klägerin beispielsweise eine Veranstaltung zum Thema "Berliner Küche der 20iger Jahre" zusammen. Die Speisefolge enthielt Gerichte aus der Berliner Küche der 20iger Jahre, dazu wurden Chansons und Texte aus demselben Zeitraum vorgetragen. In ähnlicher Weise gab es Veranstaltungen zum Thema der Rosen in der Küche, zur Besteigung des Mount Everest, zur Verwendung der roten Beete in der Küche, zur polnischen Weihnachtsküche und zur Begegnung mit Casanova in der Küche. Desgleichen organisierte die Klägerin nach eigenen Angaben auch Musikdarbietungen mit Speisungen, Darstellungen der kulturell unterschiedlichen Essgewohnheiten und Ausstellungen zum Thema Essen.
Am 4. September 1998 beantragte die Klägerin bei der Beklagten durch Vorlage eines ausgefüllten Fragebogens die Feststellung ihrer Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG). Mit Bescheid vom 21. Oktober 1998 lehnte die Beklagte die Feststellung der Versicherungspflicht nach dem KSVG mit der Begründung ab, die Tätigkeit der Klägerin könne nicht als künstlerisch/publizistisch im Sinne des KSVG angesehen werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Die Klägerin schaffe weder Werke, die dem Bereich der darstellenden Kunst zuzuordnen seien, noch sei sie im Sinne der Rechtssprechung des Bundessozialgericht (BSG) publizistisch tätig.
Mit der hier gegen zum Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Ziel weiter verfolgt, die Feststellung ihrer Versicherungspflicht nach dem KSVG zu erreichen. Durch Gerichtsbescheid vom 24. Juni 2002 hat das Sozialgericht die Bescheide der Beklagten aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Versicherungspflicht der Klägerin nach dem KSVG festzustellen: Der Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin sei die Organisation von künstlerischen Darbietungen zum Thema Essen. Damit unterscheide sich ihre Arbeit wesentlich von einem gewöhnlichen Catering-Unternehmen oder Veranstaltungs-Service. Durch die Auswahl des Programms und durch die Darbietung der Vorleser oder Vorleserinnen erhielten die Veranstaltungen ein besonderes künstlerisches Gepräge im Sinne einer eigenschöpferischen Gestaltung. Die Arbeit der Klägerin sei vorwiegend dem Bereich darstellende Kunst (Sprecherin, Bühnen-, Kostümbildnerin, Moderatorin, Rezitatorin) zuzuordnen, weil sie sowohl als Vorleserin auftrete als auch den Veranstaltungsort und die Kostüme selbst gestalterisch vorbereite. Die Klägerin übe diese Tätigkeit selbstständig, erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend aus.
Gegen diesen ihr am 9. Juli 2002 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 9. August 2002 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Sie macht geltend, es werde erkennbar, dass die Klägerin vorrangig und schwerpunktmäßig auf dem organisatorischen Bereich tätig sei. Allein in der Auswahl und der Abstimmung des Programms liege noch keine eigenschöpferische, künstlerische Leistung. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit sei nicht als künstlerisch einzustufen.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 24. Juni aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass festgestellt wird, dass die Klägerin seit dem 4. September 1998 versicherungspflichtig in der Künstlersozialversicherung ist.
Sie macht geltend, der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liege im gestaltenden Bereich und sei eigenschöpferisch. Im Übrigen sei die von der ihr entwickelte Kunstform völlig neu, es habe sich von daher noch keine gefestigte Verkehrsanschauung gebildet. Nach der inzwischen bestehenden allgemeinen Verkehrsauffassung handele es sich jedoch bei ihrer Tätigkeit um eine künstlerische.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sie ist in der Sache auch begründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 24. Juni 2002 war aufzuheben und die Klage abzuweisen, denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtsmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten; die Klägerin ist in ihrer Tätigkeit ab dem 4. September 1998 nicht versicherungspflichtig nach dem KSVG und kann eine diesbezügliche Feststellung auch nicht verlangen.
Nach § 2 Satz 1 KSVG ist Künstler im Sinne des KSVG, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt. Das KSVG nimmt damit eine an der Typologie der Ausübungsformen orientierte Einteilung in Kunstgattungen vor, die zur Differenzierung bei der Abgabenerhebung dient (BSG, Urteil vom 25. September 2001, B 3 KR 18/00 R, SozR 3-5425 § 2 Nr. 14), den Kunstbegriff jedoch nicht materiell definiert. Dieser Begriff ist vielmehr aus dem Regelungszweck des KSVG der historischen Entwicklung und der allgemeinen Verkehrsauffassung zu erschließen. Der Kunstbegriff des KSVG setzt in jedem Fall eine eigenschöpferische Leistung voraus, für die angesichts des Zwecks der Künstlersozialversicherung – Schutz gerade auch des weniger erfolgreichen Künstlers – allerdings ein relativ geringes Niveau ausreicht (BSG a. a. O. mit weiteren Nachweisen).
Bei einem aus mehreren Tätigkeitsbereichen zusammengesetzten gemischten Beruf, für den ein einheitliches Entgelt gezahlt wird, kann von einem Entgelt für eine künstlerische Tätigkeit nur dann ausgegangen werden, wenn die künstlerischen Elemente das Gesamtbild der Tätigkeiten prägen. Notwendige Geschäftstätigkeiten, die für eine künstlerische Ausübung eines Berufs typisch sind, wie Reisen, Organisation und Verwaltung, stehen einer Wertung als künstlerische Tätigkeit nicht entgegen, sofern die Tätigkeit insgesamt ihren Schwerpunkt im künstlerischen Bereich aufweist (BSG, Urteil vom 16. April 1998, B 3 KR 7/97 R, SozR 3-5425 § 25 Nr. 12).
Gemessen an diesen Kriterien erfüllt die Tätigkeit der Klägerin nicht die Anforderungen an eine künstlerische Tätigkeit. Maßgebend hierfür ist zunächst die Tätigkeit, wie sie sich nach der tatsächlichen Ausübung durch die Klägerin darstellt und nicht danach, wie sie möglicherweise einer Planung der Klägerin zu einem früheren Zeitpunkt entsprochen haben mag. Nach allen dem Gericht vorliegenden und aus den Verwaltungsakten der Beklagten ersichtlichen Unterlagen besteht die tatsächliche Tätigkeit der Klägerin im wesentlichen darin, Essen mit Menüfolgen zu organisieren, die einem bestimmten kulturellen Thema zuzuordnen sind. Hierdurch erweist sich die Tätigkeit der Klägerin als eine gemischte Tätigkeit, die sowohl Elemente der Gastronomie, der Veranstaltungsorganisation als auch Bezüge zu künstlerischen Aspekten enthält. Jedoch stehen die gastronomischen und organisatorischen Bestandteile ihrer Tätigkeit so stark im Vordergrund, dass eine Bewertung der Tätigkeit als künstlerische nicht vorgenommen werden kann. Auch wenn einzelne Teilbereiche der Tätigkeit der Klägerin für sich genommen jeweils als künstlerisch oder als publizistisch zu bewerten sind, treten sie als bloße Nebenleistungen gegenüber der vorrangig organisatorischen Leistung derart in den Hintergrund, dass sie eine Gesamtbewertung der Leistung als künstlerisch oder publizistisch ausschließen.
So ist zunächst zu bedenken, dass die Klägerin eine Speisenfolge zusammenstellt. Hierbei handelt es sich, auch wenn hierfür ein kulturelles Vorwissen erforderlich sein sollte, nicht um eine künstlerische, sondern um eine organisatorische oder auch handwerkliche Tätigkeit. Die Zusammenstellung eines Menüs entspricht der Tätigkeit eines Kochs oder einer Köchin. Auch wenn für die Zusammenstellung eines bestimmten, in historischem Kontext stehenden Menüs ein besonderes handwerkliches Leistungsniveau erforderlich sein mag, entspricht dies deswegen nicht den Kunstbegriff des KSVG, weil dieses eine eigenschöpferische (originäre) Leistung voraussetzt, wobei von diesem Erfordernis auch im Hinblick auf ein besonders hohes technisch-handwerkliches Leistungsniveau nicht abgewichen werden kann (BSG, Urteil vom 25. September 2001, B 3 KR 18/00 R, SozR 3-5425 § 2 Nr. 14 mit weiteren Nachweisen). Selbst dann, wenn die Klägerin hierfür Speisen erstmalig entwerfen oder Menüfolgen erstmalig in eigenständiger Weise zusammenstellen sollte, wäre hierin nach wie vor eine vorrangig handwerkliche Leistung zu sehen, die aus den vorgenannten Gründen nicht als eigenschöpferische Leistung im Sinne des KSVG bewertet werden kann.
Soweit die Klägerin selbstständig Speisekarten erstellt, handelt es sich nicht um eine publizistische Tätigkeit nach § 2 Satz 2 KSVG. Nach § 2 Satz 2 KSVG ist Leitbild publizistischer Tätigkeit das Berufsbild des Schriftstellers oder Journalisten, bei dessen Erfüllung das Gesetz nicht weiter nach der Qualität der eigenschöpferischen Leistung unterscheidet (BSG, Urteil vom 30. Januar 2001, B 3 KR 7/00 R, SozR 3-5425 § 2 Nr. 12). Beiden Berufsgruppen kann die Klägerin nicht direkt zugeordnet werden, weil sie weder Sachbücher im herkömmlichen Sinne noch tagesaktuelle Beiträge für Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk oder Fernsehen verfasst hat. Der Gesetzgeber hat den Begriff des Publizisten im Sinne des KSVG hierauf allerdings nicht beschränkt, wie sich aus der in § 2 Satz 2 KSVG enthaltenen Öffnungsklausel "oder in anderer Weise publizistisch tätig wird" ergibt. Das Gesetz lässt aber nicht erkennen, welche Tätigkeitsbereiche der Publizistik damit gemeint sind (BSG a. a. O.). Auf eine Definition publizistischer Tätigkeit hat der Gesetzgeber bewusst verzichtet (Bundesratsdrucksache 260-79, Seite 21). Die Begründung zum Entwurf des KSVG ging davon aus, dass "alle im Bereich worttätigen Autoren, insbesondere Schriftsteller und Journalisten, in die Regelung einbezogen sind" (Bundesratsdrucksache 260-79, Seite 21).
Auch wenn der Begriff des Publizisten weit auszulegen ist und die Anforderungen daran, in welchem Maße die Öffentlichkeit eines Schriftwerkes herzustellen ist, gering sind (siehe jeweils BSG a. a. O.), ist für die Einstufung eines Publizisten im Sinne des § 2 Satz 2 KSVG erforderlich, dass die inhaltliche Gestaltung und Aufmachung von Schriftwerken eine eigenschöpferische Leistung von einer Gestaltungshöhe verlangt, die zumindestens der derjenigen einer einfachen journalistischen oder schriftstellerischen Tätigkeit entspricht. Hierunter können gegebenenfalls technische Dokumentationen jeder Art, aber auch etwa Bedienungsanleitungen wie für komplizierte technische Geräte und möglicherweise auch komplizierte Zusammenstellungen von Adressen fallen (BSG a. a. O.).
Diesen Anforderungen wird in dessen die Tätigkeit der Klägerin im Hinblick auf die Gestaltung von Speisekarten oder Menüplänen nicht gerecht. Hierbei handelt es sich weder um eine anspruchsvolle Dokumentation zahlreicher Fakten oder um die anschauliche Erläuterung schwieriger technischer oder sonstiger Zusammenhänge. Vielmehr stellt die Klägerin lediglicht in übersichtlicher Form ein mehrgängiges Menü zusammen, ohne das sie hierzu vertiefter journalistischer Arbeit bedürfte. Auch wenn die Klägerin die Speisekarten graphisch verziert oder sie mit Fotografien anreichert, so greift sie damit einerseits im wesentlichen auf Fremdleistungen zurück und wird andererseits vorwiegend handwerklich tätig, was zugleich nach den vorgenannten Kriterien eine Bewertung der Tätigkeit der Klägerin als künstlerische ausschließt.
Soweit die Klägerin Texte oder Musikstücke aussucht und zusammenstellt, die zu einem bestimmten Essen dargeboten werden, fehlt es an der bereits genannten eigenschöpferischen Qualität der Arbeit der Klägerin, weil sie hierbei ebenfalls nur zusammenstellend tätig wird und im Übrigen auf bereits von anderen Menschen erstellte Kunstwerke zurückgreift. Die Klägerin hat zwar auch geltend gemacht, sie lese Texte selbst vor. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass sie dies in einem solchen Umfang selbst getan hat, um als Darbieterin der darstellenden Kunst eingestuft werden zu können.
Soweit die Klägerin schließlich auch geltend gemacht hat, sie entwerfe teilweise Kostüme selbst, kann hierin auch keine Zuordnung zu einer künstlerischen Tätigkeit begründet werden. Wie bereits ausgeführt, setzt der Kunstbegriff des KSVG eine Abgrenzung voraus, die im Hinblick auch auf ein besonderes hohes technisch-handwerkliches Leistungsniveau vorzunehmen ist (BSG, Urteil vom 25. September 2001, B 3 KR 18/00 R, SozR 3-5425 § 2 Nr. 14). Auch wenn also die Kostüme in besonders anspruchsvoller handwerklicher Weise gefertigt sein sollten, liegt hierin nicht eine künstlerische Leistung im Sinne des KSVG. Darüber hinaus handelt es sich hierbei auch lediglich um eine – den sonstigen Tätigkeiten der Klägerin gegenüber stark nachrangige – Nebenleistung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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