L 3 B 44/05 AS-ER

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 20 AS 41/05 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 B 44/05 AS-ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ein Verlustausgleich zwischen zwei Einnahmequellen ist in Fällen besonderer Härte möglich.
I. Der Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 23.03.2005 wird aufgehoben.
II. Die Beschwerdegegnerin wird im Wege des einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Beschwerdeführer Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 178,51 EUR bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens, längstens bis zum 15.03.2006, vorläufig zu gewähren.
III. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
III. Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer dessen außergerichtliche Kos-ten für Antrags- und Beschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe:

A

Der Beschwerdeführer (Bf.) begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Gewährung von Arbeitslosengeld II (Alg II) von der Beschwerdegegnerin (Bg.).

Der Bf. ist verheiratet und nicht dauernd getrennt lebend von seiner jetzigen Ehegattin; die beiden haben keine gemeinsamen Kinder.

Im Haushalt des Bf. lebt sein minderjähriger Sohn T ... (Sohn), der vierzehnjährige Sohn der Ehegattin J ... (Stiefsohn) und eine volljährige Tochter der Ehegattin. Eine außereheli-che weitere minderjährige Tochter des Klägers lebt im Haushalt der Kindsmutter.

Der Bf. bezog bis zum 31.12.2004 von der Bundesagentur für Arbeit Arbeitslosenhilfe (Alhi); seitdem erzielt er kein eigenes Einkommen. Die Ehegattin erhielt aus einer sozial-versicherungspflichtigen Beschäftigung ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 2.158,00 EUR; nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen verblieben ihr netto 1.623,78 EUR. Sie ist Eigentümerin eines Grundstückes von 300 qm mit einem Mehrfamili-enhaus von 167 qm Wohnfläche. Hiervon sind 117 qm durch die Familie des Bf. selbst bewohnt; die Einliegerwohnung mit einer Größe von 50 qm ist seit März 2005 nicht mehr vermietet.

Der Sohn erhält von der Bg. Alg II in Höhe von monatlich 283,50 EUR. Der Stiefsohn erhält vom Kindsvater monatlich 277,00 EUR Unterhalt; an ihn wird Kindergeld in Höhe von mo-natlich 154,00 EUR gezahlt.

Am 06.12.2004 beantragte der Bf. bei der Bg. die Bewilligung von Alg II. Im Antrag gab er an, dass seine Gattin und er über drei Giro- und zwei Sparkonten mit geringfügigen oder negativen Guthaben verfügten. Seiner Ehegattin gehöre darüber hinaus das gemeinsam bewohnte Grundstück nebst Haus, das mit Verbindlichkeiten in Höhe von mehr als 140.000,00 EUR belastet sei; an diese Kredite seien vier Bausparverträge mit einem derzeiti-gen Guthaben von insgesamt 9.152,75 EUR gebunden.

Mit Bescheid vom 25.01.2005 lehnte die Bg. die Bewilligung von Alg II ab. Der Bf. sei nach den ermittelten Einkommensverhältnissen nicht hilfebedürftig. Hiergegen legte der Bf. am 07.02.2005 Widerspruch ein, den die Bg. mit Widerspruchsbescheid vom 16.02.2005 als unbegründet zurückwies. Gegen die Ablehnung hat der Bf. Klage vor dem Sozialgericht Dresden erhoben, über die noch nicht entschieden ist.

Bereits am 28.02.2005 hat der Bf. beim Sozialgericht Dresden den Erlass einer einstweili-gen Anordnung mit dem Ziel der vorläufigen Gewährung von Alg II ab dem 01.03.2005 in Höhe von 186,70 EUR beantragt. Mit Beschluss vom 23.03.2005 hat das Sozialgericht diesen Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es an einem Anordnungs-anspruch des Bf. fehle; er sei nicht hilfebedürftig. Denn das Arbeitseinkommen der Ehe-gattin sei anzurechnen; dieses decke aber auch den Bedarf des Bf. Vom verbleibenden Einkommen könnten auch die Kosten der Unterkunft getragen werden. Am 24.03.2005 hat der Bf. gegen den Beschluss vom 23.03.2005 Beschwerde erhoben. Er ist der Ansicht, dass das Sozialgericht sowohl Bedarf als auch Einkommen falsch be-rechnet habe. Der Bedarf sei ? als Kosten der Unterkunft ? um die Schuldzinsen für die Kredite, die zur Finanzierung des Eigenheims dienten, zu erhöhen. Er dürfe nicht schlech-ter gestellt werden als beim Bezug von Sozialhilfe, welches einen Verlustausgleich zwi-schen verschiedenen Einkommensarten zumindest in Härtefällen zugelassen habe. Des Weiteren hätten er und sein Stiefsohn Anspruch auf Mehrbedarf für Krankenkost; außer-dem komme für diesen ein Zusatzbedarf für eine Klassenfahrt in Betracht. Das Einkom-men des Stiefsohns sei ihm nicht zuzurechnen, weil dieser ihm nicht unterhaltsverpflichtet sei. Zuletzt sei das Einkommen der Ehegattin hinsichtlich des Freibetrages und der vom Einkommen abzusetzenden Werbungskosten falsch berechnet worden. Denn die nach der maßgeblichen Verordnung vorgesehene Kilometerpauschale für Fahrtkosten deckte noch nicht einmal die Benzinkosten ab; stattdessen fielen im Jahr insgesamt 4.878,80 EUR (Kraft-stoffkosten 2.062,50 EUR, Rücklage 1.500,00 EUR, Kfz-Steuer 173,00 EUR, Reifen 173,19 EUR, kürzlich durchgeführte Reparaturen 898,01 EUR, TÜV-Gebühr 45,00 EUR, TÜV-Nachprüfungsgebühr 27,10 EUR) an, die auf monatlich 19 Arbeitstage zu verteilen seien.

Der Beschwerdeführer beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 23.03.2005 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verurtei-len, ihm als Vorschuss oder vorläufig Arbeitslosengeld II in Höhe von 186,70 EUR ab dem 01.03.2005, längstens für sechs Monate bzw. bis zu einer vorhergehenden rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu zahlen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

B

Die Beschwerde ist statthaft im Sinne von § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG); sie ist auch form- und fristgerecht erhoben, § 173 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Die Beschwerde ist auch begründet. Nach den im Beschwerdeverfahren glaubhaft gemach-ten Tatsachen war der Beschluss des Sozialgerichts aufzuheben; der Beschwerdeführer (Bf.) kann im Wege der einstweiligen Regelungsanordnung die vorläufige Gewährung von Arbeitslosengeld II (Alg II) verlangen. Er hat sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

I.

Es liegt ein Anordnungsgrund vor. Denn das begehrte Alg II hat für den Bf. existenzsi-chernden Charakter. So ist schon für Hilfen nach dem Bundessozialhilfegesetz, an deren Stelle mittlerweile die Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozi-algesetzbuch (SGB II) getreten ist, allgemein anerkannt, dass ein anerkannter Bedarf grundsätzlich auch die besondere Dringlichkeit der begehrten vorläufigen Regelung be-gründet, weil der Bedürftige zur Sicherung seiner wirtschaftlichen und sozialen Existenz auf sofortige Hilfe angewiesen ist (Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes Mecklenburg-Vorpommern vom 23.11.1999, Az: 1 M 81/99, abgedruckt in: info also 2000, Seite 228; Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes vom 20.04.2004, Az: 10 TG 532/04, abgedruckt in: info also 2004, Seiten 171ff.). Der Sachstand des Verfahrens bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Bf. andere liquide Mittel zur Sicherung seiner Existenz zur Verfügung stünden.

II.

Es liegt ein Anordnungsanspruch vor. Die Regelungsanordnung erfordert neben einem Anordnungsgrund im Sinne einer besonderen Dringlichkeit der Entscheidung einen An-ordnungsanspruch, also einen der Durchsetzung zugänglichen materiell-rechtlichen An-spruch des Antragstellers (Berlit, Vorläufiger gerichtlicher Rechtsschutz im Leistungsrecht der Grundsicherung für Arbeitssuchende - Ein Überblick, in: info also 2005, Seiten 3 ff., insb. Seite 7).

Nach dem nunmehr im Verfahren glaubhaft gemachten Sachverhalt besteht auch ein An-spruch auf Alg II. Denn erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten als Alg II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung, § 19 Satz 1 SGB II; erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne des SGB II sind Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben, § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Der Bf. ist 48 Jahre alt, wohnhaft in Sachsen und offensichtlich erwerbsfähig.

Er ist auch hilfebedürftig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Denn hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemein-schaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen und Trägern andere Sozialleistungen erhält, § 9 Abs. 1 SGB II. Es ist somit dem Unterhaltsbedarf der Bedarfsgemeinschaft das zu berücksichtigende Einkommen gegenüberzustellen (Münder et al., Lehr- und Praxiskommentar zum SGB II (im Folgenden: LPK), § 9, Rz. 12). Dieser übersteigt das Einkommen um 178,51 EUR monatlich.

1. Die den Bf. betreffende Bedarfsgemeinschaft besteht aus ihm, seiner Ehefrau und den je-weiligen Söhnen. Denn der Bedarfsgemeinschaft gehören der erwerbsfähige Hilfsbedürfti-ge und als dessen Partner der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte sowie die dem Haushalt angehörenden minderjährigen unverheirateten Kinder des Hilfebedürftigen und dessen Partners, § 7 Abs. 3 Ziff. 1, 3 lit. a, Ziff. 4 SGB II. Hierunter fällt insbesondere der Stiefsohn des Bf. als Sohn seiner Ehegattin. Entgegen der Ansicht des Bf. kommt es auf das Bestehen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht an (so wohl auch Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB II, § 7, Rz. 27), weil das Gesetz ? wie auch bei eheähnlichen Part-nern ? davon ausgeht, dass diese Personen zum Einkommen der Einstandsgemeinschaft auch ohne rechtliche Verpflichtung beitragen.

2. Der Bedarf dieser Bedarfsgemeinschaft ist mit 1.852,60 EUR zu beziffern. Dies ist die Sum-me aus den Regelleistungen für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, den Kosten der Unterkunft und Heizung sowie dem nachgewiesenen ernährungsbedingten Mehrbedarf.

a) Als Regelleistung hat die Beschwerdegegnerin (Bg.) zu Recht jeweils 298,00 EUR für den Bf. und seine Ehegattin und jeweils 265,00 EUR für die beiden Söhne, also insgesamt 1.126,00 EUR zugrunde gelegt; die Höhe beruht dabei auf § 20 Abs. 3 Sätze 1 und 2 SGB II in Verbin-dung mit § 20 Abs. 2 SGB II.

b) Die – zu berücksichtigenden - Kosten der Unterkunft betragen 676,60 EUR. Dies sind vier Fünftel der gesamten Kosten der Unterkunft. Denn das Haus wird neben der aus vier Köpfen bestehenden Bedarfsgemeinschaft noch von der volljährigen Tochter der Ehegattin des Bf. bewohnt, die anteilsmäßig an den Kosten der Unterkunft zu beteiligen ist.

Die monatlichen Gesamtkosten der Unterkunft betragen insgesamt 845,75 EUR. Dies ist die Summe aus den monatlichen verbrauchsabhängigen und den verbrauchsunabhängigen Kosten der Unterkunft. Bei den ersteren kann nach dem Auszug der Mietpartei davon aus-gegangen werden, dass sie ausschließlich der von der Bedarfsgemeinschaft verursacht werden; die Kosten hierfür betragen nach der Aufstellung vom 26.03.2005 insgesamt 341,48 EUR als Summe der Kosten für Wasser (38,00 EUR), Abwasser (81,50 EUR), Allgemein-strom (21,00 EUR), Gas (167,00 EUR), Schornsteinreinigung (4,08 EUR), und Müllabfuhr (29,90 EUR). Die weiteren Kosten aus Grundsteuer, Versicherungen, Heizungswartung und Schuldzin-sen sind nur mit 70 v. H. der Gesamtsumme berücksichtigungsfähig. Denn sie fallen als verbrauchsunabhängige Nebenkosten für das gesamte Gebäude an, von dem die Bedarfs-gemeinschaft nur einen Teil bewohnt. Die auf die Einliegerwohnung entfallenden Neben-kosten sind als Werbungskosten vom Einkommen abzuziehen, was noch auszuführen ist. Dann ergibt sich für die Grundsteuer (Gesamtbetrag 11,81 EUR) anteilsmäßig 8,27 EUR, für die Versicherungen (17,25 EUR) 12,07 EUR, für die Heizungswartung (23,01 EUR) 16,11 EUR und für die Schuldzinsen (668,31 EUR) 467,82 EUR, insgesamt 504,27 EUR. Tilgungsleistungen für die Haus-kredite sind keine berücksichtigungsfähigen Kosten der Unterkunft (Hauk/Noftz, a.a.O., § 22, Rz. 14; Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.09.1992 zur Vorgängervor-schrift des § 12 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG), Az.: 5 C 25/88, abgedruckt in ZfS 1993, Seiten 81ff.).

c) Darüber hinaus besteht für den Bf. ein Mehrbedarf in Höhe von 50,00 EUR für kostenauf-wändige Ernährung. Denn erwerbsfähige Hilfsbedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, erhalten einen Mehrbedarf in angemessener Höhe, § 21 Abs. 5 SGB II. Ausweislich der medizinischen Bescheinigung der Hausärztin vom 25.02.2005 wurde ein Bedarf für lipidsenkende, purinreduzierte und natriumdefinierte Reduktionskost zur Gewichtsreduktion aus medizinischen Gründen glaubhaft gemacht. Die Höhe des Mehrbedarfs war ? wegen der Eilbedürftigkeit und Vorläufigkeit des Verfah-rens ? in freier richterlicher Würdigung und unter Zugrundelegung der Empfehlungen des Deutschen Vereins für die Gewährung von Krankenkostenzulagen (abgedruckt bei Ei-cher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, § 21, Rz. 65) anzusetzen. Hierbei waren einer-seits die Anpassung der 1997 festgelegten Höhe an die Inflationssteigerung und anderer-seits der Bedarf für mehrere Kostformen zu berücksichtigen.

Ein Mehrbedarf für den Stiefsohn kommt nicht in Betracht. Denn zum einen ist eine medi-zinische Indikation ? ebenso wie der einmalige Mehrbedarf für eine Klassenfahrt ? nicht glaubhaft gemacht; zum anderen ist dieser noch nicht erwerbsfähiger Hilfebedürftiger, weil er noch nicht das 15. Lebensjahr vollendet hat (vgl. die Legalkdefinition des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II).

3. Dem steht ein Einkommen von nur 1.674,09 EUR gegenüber. Dies ist Summe aus den Ein-kommen der Ehegattin, des Sohnes und des Stiefsohnes in Höhe von 2.872,50 EUR abzüglich der hiervon abzusetzenden Aufwendungen in Höhe von 1.198,41 EUR.

a) Das Bruttoeinkommen der Bedarfsgemeinschaft ist auf 2.872,50 EUR zu bestimmen. Dies ist die Summe des Bruttoarbeitseinkommens der Ehegattin (2.158,00 EUR-), des Alg II des Soh-nes (283,50 EUR) und des Einkommens des Stiefsohnes (Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR und Unterhalt in Höhe von 277,00 EUR). Insbesondere das Einkommen des Letzteren ist an-zurechnen, da er – wie bereits ausgeführt ? Mitglied der Bedarfsgemeinschaft des Bf. ist. Dem steht auch nicht die Stiefkinderregelung (arg ex. § 9 Abs. 2 Satz 2, Abs. 5 SGB II, vgl. den Beschluss des Thüringer Landessozialgerichtes vom 08.03.2005, Az: L 7 AS 112/05 ER, zu finden in JURIS) entgegen. Diese verbietet lediglich die Anrechnung des Einkommens des Stiefvaters auf den Bedarf des Stiefkindes; der Bf. als Stiefvater des Stiefsohnes hat aber kein anzurechnendes Einkommen erzielt.

b) Hiervon sind insgesamt 1.198,41 EUR abzusetzen.

aa) Als Steuern und Pflichtbeiträge zu den Sozialversicherungen (§ 11 Abs. 2 Ziff. 1, 2 SGB II) sind vom Einkommen der Ehegattin die in der Verdienstbescheinigung ausgewie-senen 534,22 EUR abzusetzen.

bb) Als Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen (§ 11 Abs. 2 Ziff. 3 SGB II) sind 38,98 EUR und 33,06 EUR für die Kraftfahrzeughaftpflichtver-sicherungen abzusetzen. Beide sind in voller Höhe abzuziehen; denn die Pauschale des § 3 Ziff. 1 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeldverordnung (Alg IIV) gilt nicht für gesetzlich vorgeschriebene Versicherungen, zu denen nach dem Willen des Gesetzgebers gerade die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung gehören soll (Hauck/Noftz, a. a. O., § 11, Rz. 140f.) Insofern sind beide Fahrzeuge berücksichtigungsfähig, weil sie vom Bf. und seiner Ehegat-tin genutzt werden. In Anlehnung § 12 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 2 SGB II, wonach ein angemes-senes Kraftfahrzeug für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden erwerbsfähigen Hilfe-bedürftigen nicht als Vermögen zu berücksichtigen sind, ist die Haltung beider Fahrzeuge notwendig (vgl. Eicher/Spellbrink, a. a. O., § 11, Rz. 62).

cc) Als notwendige Ausgaben, die mit der Erzielung des Einkommens verbunden sind, sind 205,77 EUR abzusetzen. Diese sind nicht auf die Pauschalen des § 3 Ziff. 3 Alg IIV zu be-grenzen. Denn die Pauschalen gelten nach dieser Bestimmung nur, soweit der erwerbsfähi-ge Hilfsbedürftige nicht höhere Ausgaben nachweist, § 3 Ziff. 3 Halbsatz 2 Alg IIV. Die Ehegattin hat aber höhere Kosten als die Pauschalen in Höhe von insgesamt 45,60 EUR nach-gewiesen. Die Ausgaben in Höhe von 205,77 EUR sind ? wegen der von der Ehegattin ange-gebenen 19 Arbeitstage im Monat ? das Neunzehnfache des täglichen Aufwands in Höhe von 10,83 EUR. Denn hierbei sind jährliche Fixkosten (Steuer/ EUR 173,-; Reparaturen und War-tung/insg. 897,32 EUR; TÜV-Gebühren/EUR 45,-) in Höhe von insgesamt 1.035,16 EUR nur mit 80 v. H., also mit 828,23 EUR anzusetzen, weil das Kraftfahrzeug auch privat und damit nicht ausschließlich zu Erzielung des Arbeitseinkommens genutzt wird. Nicht zu berücksichti-gen sind die Rücklage für die Anschaffung eines Ersatzkraftfahrzeuges, die neuen Reifen und die Gebühren der TÜV-Nachprüfung. Die Rücklage hat nur steuerrechtliche Funktion, mindert als fiktive Aufwendung nicht das tatsächlich vorhandene Einkommen und ist da-her sozialrechtlich nicht abzusetzen (vgl. hierzu Eicher/Spellbrink, a. a. O., § 11, Rz. 56). Die neuen Reifen fallen nicht jährlich an und sind zudem auf das Kraftfahrzeug des Bf. aufgezogen worden, welches nicht für die Pendelfahrten benutzt wird; die Gebühren für die TÜV-Nachprüfung sind keine notwendigen, weil vermeidbare Aufwendungen. Bei 228 Arbeitstagen (19 Tage je Monat) im Jahr ergibt sich ein täglicher Satz für Fixkosten von 3,63 EUR. Hinzu kommen tägliche Benzinkosten von 7,20 EUR bei einem arbeitstäglichen Verbrauch von insgesamt 6 Litern (Hin- und Rückfahrt) und einem Preis für ein Liter Normalbenzin von 1,20 EUR, der vorausschauend für die nächsten sechs Monate zu veran-schlagen ist.

Diese Kosten sind auch notwendig, weil eine Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zumutbar ist; denn nach der Fahrplanauskunft der Deutschen Bahn AG dürfte eine einfache Fahrt nicht unter 2 Stunden und damit fast doppelt so lang wie die Fahrt mit dem eigenen Kraftfahrzeug dauern.

dd) Als allgemeine Werbungskostenpauschale sind gemäß § 11 Abs. 2 Ziff. 5 SGB II noch zusätzlich 15,33 EUR abzuziehen. Denn insofern ist auf die Pauschale des § 3 Ziff. 3 lit. a) aa) Alg IIV zurückzugreifen, weil höhere Werbungskosten nicht nachgewiesen sind.

ee) Zudem sind auch die Aufwendungen der unvermieteten Einliegerwohnung in Höhe von 216,11 EUR vom Einkommen abzusetzen. Zwar besteht zwischen ihnen und dem Arbeitsent-gelt kein wirtschaftlicher Zusammenhang. Werbungskosten sind ausschließlich von denje-nigen Einnahmen abzusetzen, mit denen sie im wirtschaftlicher Zusammenhang stehen; eine Verlustausgleich zwischen verschiedenen Einkommensarten ist nicht möglich (Hauck/Noftz, § 11, Rz. 124 mit weiteren Nachwiesen zur ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts). Einen solchen Ausschluss des Verlustausgleichs begegnete im Recht der Arbeitslosenhilfe aber nur deswegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, weil im Sozialhilferecht die Möglichkeit des Verlustausgleichs in Fällen besonderer Härte nach § 10 Satz 2 der Verordnung zur Durchführung des § 76 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) vorgesehen war (Urteil des Bundessozialgerichts vom 12.06.1992 , Az: 11 RAr 75/91, abgedruckt in SozR 3-4100, § 138, Nr. 7, insb. Seiten 41, 44). Aus den gleichen Gründen verstößt die Alg IIV insoweit gegen höherrangiges Recht, als sie eine Härtfallre-gelung nicht getroffen hat. § 11 Abs. 2 Ziff. 5 SGB II ist dann so auszulegen, dass vom Einkommen in Fällen besonderer Härte diejenigen Aufwendungen abzusetzen sind, die zwar nicht zur Erzielung des Einkommens notwendig sind, aber anderweitig unberücksich-tigt bleiben.

Eine solche besondere Härte liegt hinsichtlich der Aufwendungen für die Einliegerwoh-nung vor. Denn das Verbot des Verlustausgleiches beruht auf dem Gedanken, dass die So-zialhilfe nicht dem Vermögensaufbau dient und der Staat nicht auf Dauer verlustreiche Einkommensquellen fördern soll; der Hilfsbedürftige soll diese Einkommensquellen absto-ßen (Urteil des Bundessozialgerichts vom 12.06.1992 , Az: 11 RAr 75/91, a. a. O., insb. Seite 41; Oestreicher, Kommentar zum BSHG, § 76, Rz. 28). Gerade dies ist im vorliegen-den Fall nicht ohne weiteres möglich. Denn bei der Einkommensquelle handelt es sich um eine Einliegerwohnung, die in dem von der Bedarfsgemeinschaft bewohnten Haus liegt. Die enge Verbindung beider Wohnbereiche, deren darauf beruhende schlechte Verwer-tungsmöglichkeit und die Erwartung einer baldigen Vermietung und Einkommenserzielung widersprechen in diesem konkreten Einzelfall dem Zweck, den das Verbot des Verlust-ausgleichs verfolgt.

Die Höhe der Aufwendungen ergibt sich aus der Differenz von den Gesamtkosten (720,38 EUR) und den Kosten, die auf den von der Bedarfsgemeinschaft bewohnten Hausteil entfallen (504,27 EUR); insoweit wird auf die Berechnung zu den Kosten der Unterkunft ver-wiesen.

ff) Zuletzt ist vom Arbeitseinkommen der Erwerbstätigkeitsfreibetrag in Höhe von 154,94 EUR abzuziehen. Denn bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die erwerbstätig sind, ist von dem um die Absetzbeträge nach § 11 Abs. 2 Ziff. 1 bis 5 SGB II bereinigten monatlichen Ein-kommen aus Erwerbstätigkeit ein nach den Ziff. 1 bis 3 zu bestimmender Freibetrag abzu-setzen, § 30 SGB II. Das bereinigte monatliche Einkommen beträgt 1.114,53 EUR (2.158,00 EUR abzüglich 1.043,47 EUR als Summe aus 534,22 EUR, 72,04 EUR, 205,77 EUR, 15,33 EUR und 216,11 EUR). In Anwendung der nach § 30 vorgegebenen Berechnung ergibt sich dann der o. g. Freibe-trag (vgl. zur komplizierten Berechnungsweise Münder et al., Lehr- und Praxiskommentar zum SGB II, § 30, Rz. 7 ff.).

4. Berücksichtigungsfähiges Vermögen im Sinne von § 12 SGB II, die einem Anspruch auf Alg II entgegenstünde, liegt ebenfalls nicht vor.

5. Die vorläufige Verpflichtung war in Anlehnung an die halbjährlichen Bewilligungsab-schnitte des Alg II (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II) auf die Zeit bis zum Ablauf von sechs Monaten nach Verkündung des Beschlusses zu beschränken.

III.

Hinsichtlich der darüber hinaus begehrten einstweiligen Anordnung, nämlich zur vorläufi-gen Zahlung von weiteren 8,19 EUR, war der Antrag zurückzuweisen, weil kein Anordnungs-anspruch glaubhaft gemacht. Insoweit fehlt es ? wie bereits ausgeführt ? am Hilfebedarf im Sinne von § 9 Abs. 1 SGB II.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 So-zialgerichtsgesetz (SGG) und berücksichtigt das ganz überwiegende Obsiegen des Bf.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG endgültig.
Rechtskraft
Aus
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